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L7 WirtschaftsrechtNorm
B-VG Art7 Abs1 / GesetzLeitsatz
Teilweise Zulässigkeit der Individualanträge von Buschenschankbetreibern auf Aufhebung von Bestimmungen des Nö Buschenschankgesetzes betreffend die Verabreichungsbefugnis bezüglich bestimmter Speisen; Kompetenz des Landesgesetzgebers zu einer solchen Regelung im Rahmen des Buschenschankwesens; kein Verstoß gegen den Gleichheitssatz und die Erwerbsausübungsfreiheit; Ausschluss der Verabreichung warmer Speisen kompetenzrechtlich geboten; Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers bei der Auswahl zur Verabreichung gestatteter Mehlspeisen nicht überschritten; keine InländerdiskriminierungSpruch
1. Die Anträge werden zurückgewiesen, soweit mit ihnen die Aufhebung des §13 Abs2 NÖ Buschenschankgesetz, LGBl. 7045-2, in eventu die Aufhebung einzelner Worte und Wortfolgen dieser Gesetzesbestimmung begehrt wird.
2. Im Übrigen werden die Anträge abgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1.1. Gestützt auf Art140 Abs1 (letzter Satz) B-VG beantragt die Antragstellerin des zu G9/02 protokollierten Antrages
"in §11 NÖ Buschenschankgesetz, LGBl. 146/1974 (7045-2), im
2. Satz das Wort 'kalten' sowie die Wortfolge 'mit Ausnahme von Süßwaren' sowie den 3. und letzten Satz: 'An Mehlspeisen dürfen jedoch Grammel- und Schmergebäck, Bauern- und Schmerkrapfen, Prügelkrapfen, Pofesen sowie nach typischen bäuerlichen Rezepten hergestellte Obstkuchen aus eigener Erzeugung verabreicht bzw verkauft werden.' je in der geltenden Fassung der 2. Novelle 37/97, als verfassungswidrig aufzuheben".
1.2. Weiters begehrt diese Antragstellerin mit dem zu G35/02 protokollierten, gleichfalls auf Art140 Abs1 (letzter Satz) gestützten Antrag,
"§13 Abs2 NÖ Buschenschankgesetz, LGBl. 146/1974 (7045-2), in eventu in §13 Abs2 NÖ Buschenschankgesetz das Wort: 'entweder' sowie in §13 Abs2 NÖ Buschenschankgesetz die Wortfolge 'oder auch für einen nach Monaten oder Jahren zu bemessenden Zeitraum' je in der geltenden Fassung der 2. Novelle 37/97, als verfassungswidrig aufzuheben".
1.3. Gestützt auf Art140 Abs1 (letzter Satz) B-VG begehrt der Antragsteller des zu G36/02 protokollierten Antrages im gleichen Umfang wie die Antragstellerin der zu G9/02 und G35/02 protokollierten Anträge die Aufhebung dieser Bestimmungen bzw. Teile davon.
2. Diese Bestimmungen (die zur Prüfung beantragten Gesetzesstellen sind hervorgehoben) des NÖ Buschenschankgesetzes (7045-4) lauten:
"§11
Bei der Ausübung des Buschenschankes ist der Ausschank von Mineralwasser, Sodawasser sowie von höchstens zwei Sorten eines alkoholfreien, kohlesäurehältigen Erfrischungsgetränkes zulässig. Weiters ist die Verabreichung von kalten Speisen mit Ausnahme von Süßwaren gestattet. An Mehlspeisen dürfen jedoch Grammel- und Schmergebäck, Bauern- und Schmerkrapfen, Prügelkrapfen, Pofesen sowie nach typischen bäuerlichen Rezepten hergestellte Obstkuchen aus eigener Erzeugung verabreicht bzw. verkauft werden."
"§13
(1) Wer den §§2, 3, 4, 5 Abs1 bis 3, 6 Abs1, 7 Abs1 und 2, 8, 10, 11 und der aufgrund dieses Gesetzes erlassenen Verordnungen zuwiderhandelt, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist hiefür mit Geldstrafe bis zu € 730,- zu bestrafen.
(2) Im Falle einer Bestrafung nach Abs1 oder wegen unbefugter Ausübung des Gast- und Schankgewerbes hat die Behörde dem Buschenschenker die Ausübung des Buschenschankes entweder auf die Dauer des jeweils laufenden Buschenschankes oder auch für einen nach Monaten oder Jahren zu bemessenden Zeitraum zu untersagen, wenn Umstände vorliegen, die eine Wiederholungsgefahr erkennen lassen. Von der Untersagung ist die Gemeinde zu verständigen."
3.1.1. Zur Begründung ihrer Antragslegitimation bringt die zu G9/02 (betreffend §11 NÖ Buschenschankgesetz) und G35/02 (betreffend §13 Abs2 NÖ Buschenschankgesetz) einschreitende Antragstellerin vor, dass sie gemeinsam mit ihrem Ehemann Eigentümerin einer Landwirtschaft und aufgrund eines Bewirtschaftungsvertrages alleinige Betriebsführerin dieser Landwirtschaft sei, sich im Besitz von Obstgärten befinde und zweimal im Jahr für etwa je 12 Tage einen Mostbuschenschank im Rahmen dieser Landwirtschaft betreibe. Über eine Gewerbeberechtigung verfüge die Antragstellerin nicht. §11 NÖ Buschenschankgesetz, der es ihr verbiete, andere als die im letzten Satz aufgezählten Mehlspeisen sowie überhaupt warme Speisen zu verabreichen bzw. zu verkaufen, greife unmittelbar in ihre Rechtssphäre ein, ohne dass es einer Konkretisierung durch einen Akt der Vollziehung bedürfe. Die Antragstellerin beabsichtige aktuell andere als nach §11 zulässige Süßspeisen (etwa Cremeschnitten, Nusskuchen, Topfen-, Mohn- und Apfelstrudel) sowie warme Speisen (geselchte Bratwürste) anzubieten. Damit sei aber auch die Gefahr für die Antragstellerin verbunden, dass ihr die Ausübung des Buschenschankes gemäß §13 Abs2 NÖ Buschenschankgesetz untersagt werde. Auch §13 Abs2 NÖ Buschenschankgesetz greife somit unmittelbar und nachteilig in ihre Rechtssphäre ein und verletze diese. Auch stehe der Antragstellerin kein anderer zumutbarer Weg zur Geltendmachung der behaupteten Verfassungswidrigkeit zur Verfügung, da ein Zuwiderhandeln gegen §11 NÖ Buschenschankgesetz gemäß §13 Abs1 NÖ Buschenschankgesetz zu einer Verwaltungsstrafe führe, welche wiederum Voraussetzung für eine Untersagung der Ausübung der Buschenschank nach §13 Abs2 sei. Das Abwarten einer Verwaltungsstrafe und die zwingend damit verbundene Gefahr der "Untersagung auf ... Jahre" bedeute darüber hinaus eine Existenzgefährdung.
3.1.2. Zur Begründung seiner Antragslegitimation bringt der Antragsteller zu G36/02 (betreffend §§11 und 13 Abs2 NÖ Buschenschankgesetz) vor, dass er Eigentümer einer Landwirtschaft und im Besitz von Weingärten sei. Er betreibe (gemeinsam mit seinen Eltern) zweimal im Jahr "regelmäßig im April ('Heuriger') über 3 Wochenenden und im September ('Sturmheuriger') über 2 Wochenenden, also je 3 Tage pro Woche, einen Weinheurigen-Buschenschank". Über eine Gastgewerbeberechtigung verfüge der Antragsteller nicht. Im \brigen begründet der Antragsteller seine Antragslegitimation mit im Wesentlichen denselben Argumenten wie die Antragstellerin der zu G9/02 und G35/02 protokollierten Anträge.
3.2.1. In der Sache selbst behauptet die Antragstellerin in ihrem zu G9/02 protokollierten Antrag (betreffend §11 NÖ Buschenschankgesetz) eine Verletzung "des Gleichheitsgrundsatzes sowie der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Privatautonomie und Erwerbsfreiheit" und begründet dies damit, dass der Gesetzgeber in unsachlicher Weise das Nebenrecht des Buschenschänkers, Speisen entsprechend dem Herkommen im betreffenden Bundesland zu verabreichen, beschränke. Die taxativ zu verstehende Aufzählung der zulässigen Süßspeisen sei willkürlich. Des Weiteren sei ein "generelles Verbot der Verabreichung warmer Speisen - ohne Bedachtnahme auf eine system-immanente Fortentwicklung der Speisenverabreichungsbefugnis entsprechend dem Herkommen in Niederösterreich - unsachlich". Von Landwirten könnten zwar im Rahmen der Selbstvermarktung warme selbsterzeugte Fleischprodukte verkauft werden, die "Verabreichung" im Rahmen der Mostbuschenschank sei hingegen verboten.
Wenn darüber hinaus der Verkauf von Süßspeisen, der sonst aufgrund des generellen Verkaufsrechtes der Antragstellerin als Landwirtin zulässig sei, gerade im Rahmen des Buschenschankes untersagt werde, greife auch diese Regelung in unverhältnismäßiger und unsachlicher Weise in die Privatautonomie und die Erwerbsausübungsfreiheit der Antragstellerin ein. Insbesondere sei nicht erkennbar, warum nur der Verkauf der in §11 NÖ Buschenschankgesetz aufgezählten Süßspeisen zulässig sein soll.
Der Gleichheitssatz verbiete es aber dem Gesetzgeber, andere als sachlich begründbare Differenzierungen zu schaffen. Als "Vergleichsnorm" sei die "allgemeine Erwerbsfreiheit und Vertragsfreiheit heranzuziehen, wonach Speisen verabreicht werden dürfen, sofern sie dem Herkommen in Buschenschenken in Niederösterreich entsprechen (um nicht unter die gewerbsmäßige Verabreichung zu fallen)". In dieser Form sei auch die Verabreichung von Speisen in §5 Steiermärkisches Buschenschankgesetz 1979 geregelt. In Österreich gebe es überhaupt nur in vier Bundesländern ein Buschenschankgesetz, "während die anderen Bundesländer diesen Bereich nicht näher geregelt haben, so daß dort dem Herkommen in Buschenschenken des jeweiligen Bundeslandes entsprechende Speisen verabreicht werden dürfen".
Selbst unter Berücksichtigung des rechtspolitischen Gestaltungsspielraumes des Gesetzgebers erweise sich die Bestimmung des §11 NÖ Buschenschankgesetz bei einer Gesamtabwägung zwischen der Schwere des Eingriffes und dem Gewicht der ihn rechtfertigenden Gründe als unverhältnismäßig. Dies insbesondere deshalb, weil keine gerade diese taxative Auflistung von Süßspeisen oder das generelle Verbot warmer Speisen rechtfertigenden Gründe bzw. öffentlichen Interessen erkennbar seien. Sofern diese Bestimmung dazu diene, den Charakter eines Buschenschankes - in Abgrenzung zur gewerblichen Gastronomie - zu wahren, sei das Verabreichungsverbot von anderen als der in §11 aufgezählten Süßspeisen sowie von warmen Speisen kein adäquates Mittel:
"Der Buschenschank als besondere Vertriebsform landwirtschaftlicher Erzeugnisse ist ein Gast- und Schankgewerbe, das eben aus kompetenzrechtlichen Gründen nicht der GewO unterliegt. ... Einschränkungen der Erwerbsfreiheit zum Zwecke des bloßen Konkurrenzschutzes liegen keinesfalls im öffentlichen Interesse (VfSlg 11.483/1987). Die einfache Abgrenzung zur gewerblichen Gastronomie ergibt sich bereits aus dem Erfordernis der Ausschank auf einem Wein- oder Obstbauernhof, aus der starken Beschränkung der Öffnungszeiten, sowie der Verabreichung im wesentlichen nur eigener Produkte. Weil diese Abgrenzung so eindeutig ist, haben tatsächlich auch die Mehrzahl der Bundesländer keine Buschenschank-Landesgesetze erlassen, und die deutschsprachigen EU-Nachbarmitgliedsstaaten keine vergleichbaren Beschränkungen."
In einem gesonderten Schriftsatz ("ergänzendes Vorbringen zum Antrag") zu G9/02 werden von der Antragstellerin weitere Bedenken gegen §11 NÖ Buschenschankgesetz vorgetragen:
"In Sinne der 'Einheit der Rechtsordnung' können die [Europäische] Gemeinschaft und die öffentliche Hand nicht einerseits
... Förderungen gewähren ... und andererseits ... die angemessene
Nutzung dieser Förderungen ... einschränken und verbieten, zB durch
die Auferlegung der Kosten eines Gewerbes". Eine "zeitgemäße Anpassung" der zulässig zu verabreichenden Getränke und Speisen könne derzeit nur durch den Erwerb einer Gewerbeberechtigung erreicht werden, "deren Zugang für [die Antragstellerin] einerseits wegen der nötigen Praxiszeiten, Prüfungen etc. nicht realisierbar ... und deren Erwerb andererseits mit zusätzlichen Kosten für Beiträge zur Wirtschaftskammer, Beiträge zur Sozialversicherung der gewerblichen Wirtschaft sowie Wegfall der günstigen Pauschalbesteuerung für Landwirte bzw. des günstigen USt-Satzes" verbunden sei.
Des Weiteren wird ein "Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz infolge 'Inländerdiskriminierung', also Benachteiligung österreichischer Staatsbürger gegenüber Ausländer ohne sachliche Rechtfertigung" geltend gemacht.
Vorweg verweist die Antragstellerin auf die Bestimmungen über die Landwirtschaft gemäß Art32 EG (wonach die Vorschriften für die Errichtung des gemeinsamen Marktes auch auf die landwirtschaftlichen Erzeugnisse anzuwenden seien), auf das Niederlassungsrecht gemäß Art43 EG (wonach "jederzeit als Teil des Gemeinsamen Marktes ein Staatsbürger eines Mitgliedsstaates in Niederösterreich einen landwirtschaftlichen Betrieb mit Weingarten oder Obstgarten führen" könne) und auf die Dienstleistungsfreiheit gemäß Art49 EG und führt in weiterer Folge aus:
"Ist das NÖ BuschenschankG aber auch auf EU-Ausländer anzuwenden, dann ist zu hinterfragen, ob die Beschränkungen dieses Gesetzes im Lichte der Dienstleistungsfreiheit berechtigt sind, also ob die Beschränkungen sachlich nötig, und verhältnismäßig sind; da diejenigen Bestimmungen des NÖ BuschenschankG, welche in diesem Sinne als unzulässige Beschränkungen innerhalb des Gemeinsamen Marktes zu verstehen sind, zunächst jedenfalls für den EU-Ausländer nicht rechtswirksam sind, weshalb ein österreichischer Staatsbürger ohne sachliche Gründe diskriminiert wird. Tatsächlich sind die genannten Beschränkungen des NÖ Buschenschankgesetzes weder sachlich nötig, noch verhältnismäßig.
... Bei Anwendung des Rechtes der Dienstleistungsfreiheit auf
einen EU-Ausländer-Landwirt in Niederösterreich erweisen sich ... die
zitierten Bestimmungen des NÖ BuschenschankG als unwirksame Beschränkungen, welche für EU-Ausländer nicht gelten, weshalb die Antragstellerin in unsachlicher Weise ungleich behandelt und damit diskriminiert wird."
Die Bestimmungen des §11 NÖ Buschenschankgesetz seien aus den oben wiedergegebenen Überlegungen unsachliche, nicht notwendige und nicht verhältnismäßige Beschränkungen.
3.2.2. Betreffend §13 Abs2 NÖ Buschenschankgesetz behauptet die Antragstellerin in ihrem zu G35/02 protokollierten Antrag u.a. eine "Verletzung des Gleichheitsgrundrechtes mangels angemessener Berücksichtigung des Verhältnisses zwischen Schwere der Straftat und Wert der Untersagungsfolgen" und mangels sachlicher Kriterien für die Ermessensübung.
Das einzige Kriterium für die Ermessensübung bei einer Untersagung nach §13 Abs2 NÖ Buschenschankgesetz sei die "Wiederholungsgefahr". Die "Wiederholungsgefahr" sei für sich alleine ein völlig ungeeignetes Kriterium, zumal die "Pflicht zur Untersagung der Mostschank" bereits bei der ersten Verwaltungsstrafe vorgeschrieben sei, also bei einem Anlass, bei dem typischerweise objektive Anhaltspunkte für das Ausmaß einer Wiederholungsgefahr sachlich überhaupt nicht abschätzbar seien. Eine allfällige Wiederholung eines "unbedeutenden Verstoßes" könne für sich alleine keinesfalls "eine Untersagung z.B. auf Jahrzehnte rechtfertigen".
Zudem wird ein "Verstoß gegen das Verbot doppelter Bestrafung 'Ne bis in idem', insbesondere Art6 EMRK und Art4 des 7. ZPEMRK" behauptet und damit begründet, dass
"[i]m Falle einer Verwaltungsübertretung gemäß §13 Abs1 NÖ BuschenschankG ... die Behörde die Ausübung des Buschenschankes zu untersagen [hat], was nach einer 1. Bestrafung im Ergebnis eine nachfolgende 2. Bestrafung darstellt",
was unzulässig sei.
Des Weiteren wird ein "Verstoß gegen das Rechtsstaatlichkeitsgebot gemäß Art18 B-VG bzw. Art130 Abs2 B-VG" geltend gemacht und folgendermaßen begründet:
Einerseits müsse "die Behörde auch bei geringfügigsten Verwaltungsübertretungen auf eine Untersagung des Buschenschankbetriebes erkennen". Andererseits werde "[d]adurch, dass es an einer Obergrenze [fehle], ... entgegen Art18 B-VG überdies ein derart weiter Ermessensspielraum eingeräumt, dass dies faktisch bereits einer Willkür-Ermächtigung" gleichkomme.
3.2.3. Der Antragsteller des zu G36/02 protokollierten Antrages begründet (betreffend §§11 und 13 Abs2 NÖ Buschenschankgesetz) die Verfassungswidrigkeit der angefochtenen Bestimmungen im Wesentlichen mit den gleichen Argumenten wie die Antragstellerin der zu G9/02 und G35/02 protokollierten Anträge.
4.1. Die Niederösterreichische Landesregierung bestreitet in ihren zu G9/02, G35/02 und G36/02 erstatteten Äußerungen primär die Antragslegitimation der Einschreiter und beantragt die Zurückweisung der Anträge. Sie weist darauf hin, dass seit 1. Jänner 2002 das NÖ Buschenschankgesetz, LGBl. 7045-3, kundgemacht am 16. November 2001, in Kraft stehe und eine "aktuelle Betroffenheit" der Antragsteller durch §11 bzw. §13 Abs2 NÖ Buschenschankgesetz, LGBl. 7045-3, nicht behauptet werde. Da die Antragsteller ausdrücklich §11 bzw. §13 Abs2 NÖ Buschenschankgesetz, "NÖ LGBl. 146/1974 (7045-2), ... je in der geltenden Fassung der 2. Novelle 37/97" angefochten hätten, sei die Antragslegitimation nicht gegeben.
4.2.1. In der Sache selbst verweist die Niederösterreichische Landesregierung zu dem zur G9/02 protokollierten Antrag (betreffend §11 NÖ Buschenschankgesetz) - auch unter Berücksichtigung der mit gesondertem Schriftsatz nachgetragenen Bedenken - vorweg auf die kompetenzrechtlichen Grenzen des Landesgesetzgebers und hält zusammenfassend fest:
"Nach ArtV lita des Kundmachungspatentes zur Gewerbeordnung 1859 sollte 'der in einigen Landesteilen durch ältere Einrichtungen den Besitzern von Wein- und Obstgärten gestattete Ausschank des eigenen Erzeugnisses' nach den bestehenden Vorschriften behandelt werden. Nach diesen - auch im Versteinerungszeitpunkt (1. Oktober 1925) in Kraft stehenden Vorschriften - war weder die Verabreichung kalter Speisen noch die Verabreichung von Erfrischungen mit Ausnahme von Brot, Sodawasser und anderen 'Säuerlingen' vom Berechtigungsumfang der Buschenschenke umfasst (vgl. Pauger/Rack, Rechtsfragen des Buschenschankes, ZfV 1981, 433). Selbst diese beiden Autoren, die die Zulässigkeit einer die Kompetenzgrenze zwischen Bund und Ländern verschiebenden 'intrasystematischen' Fortentwicklung zugrundelegen, kommen auch zum Ergebnis, dass §2 Abs7 GewO 1973 die Kompetenzgrenze zwischen Gewerbe und Buschenschank markiert und die durch die Gewerbeordnung 1973 erfolgte Erweiterung des Umfanges des Buschenschankes auf Beerenobst sowie auf das Recht zur Verabreichung bestimmter kalter Speisen an der 'Grenze' liegt."
Eine Erweiterung der Verabreichungsbefugnis (auch für warme Speisen bzw. uneingeschränkt für Süßspeisen) würde dazu führen, dass der Buschenschankbetrieb dem Erscheinungsbild des Gastgewerbes gleichkäme, womit aber der Landesgesetzgeber in die Regelungskompetenz des Bundes eingreifen würde.
Nach Ansicht der Niederösterreichischen Landesregierung verstößt §11 NÖ Buschenschankgesetz weder gegen die Erwerbsausübungsfreiheit noch gegen den Gleichheitssatz:
"Wenn das NÖ Buschenschankgesetz die Verabreichung von kalten Speisen gestattet, so stellt dies keinen eigentlichen Regelungsgegenstand des Landesgesetzgebers dar, sondern es werden nur die Grenzen der 'Nebenrechte' aufgezeigt. Selbst wenn das NÖ Buschenschankgesetz die Verabreichung von warmen Speisen erlauben würde, wäre dies allein schon aufgrund der Bestimmungen der Gewerbeordnung nicht zulässig. Würde man den Standpunkt vertreten, dass die Einschränkung des Buschenschankes auf kalte Speisen einen Verstoß gegen die Erwerbsausübungsfreiheit darstellt, so wäre jedoch keinesfalls eine Verfassungswidrigkeit des NÖ Buschenschankgesetzes gegeben.
Eine Einschränkung der Erwerbsausübungsfreiheit liegt nur dann vor, wenn den Rechtsunterworfenen die Möglichkeit verwehrt wird, einem legalen Erwerb im Rahmen der Gesetze nachzugehen. Das NÖ Buschenschankgesetz verbietet aber niemandem warme Speisen oder Süßwaren zu verabreichen. Es stellt lediglich fest, dass die Verabreichung dieser Speisen im Rahmen des Buschenschankes nicht erlaubt ist. Es hindert aber keinen Buschenschenker - wie die Praxis auch zeigt - daran, ein Gastgewerbe anzumelden und, in diesem Rahmen die von ihm gewünschten Speisen zu verabreichen.
Es kann jedoch jeder (auch ein Buschenschenker) unter den gleichen Bedingungen das Gastgewerbe ausüben, sodass auch der Gleichheitsgrundsatz gewahrt ist und im Gegenteil eine Privilegierung der Buschenschenker einen Verstoß gegen eben diesen Gleichheitsgrundsatz darstellen würde."
Zum Vorwurf, §11 NÖ Buschenschankgesetz verbiete auch den "Verkauf" anderer als in dieser Bestimmung genannter Süßspeisen, weist die NÖ Landesregierung darauf hin, dass der Verkauf bestimmter Süßspeisen gestattet wird. §11 beziehe sich ausschließlich auf den Buschenschankbetrieb, sodass eine Einschränkung bäuerlicher Selbstvermarktung keinesfalls vorliege.
Im Übrigen wird der Vorwurf der "Inländerdiskriminierung" (mangels Verletzung von EG-Grundfreiheiten durch die angefochtenen Bestimmungen des NÖ Buschenschankgesetzes) und des Verstoßes gegen den Grundsatz der "Einheit der Rechtsordnung" bestritten.
4.2.2. Dem zu G35/02 protokollierten Antrag hält die Niederösterreichische Landesregierung (betreffend §13 Abs2 NÖ Buschenschankgesetz) Folgendes entgegen:
"... §13 Abs2 NÖ Buschenschankgesetz wurde in der noch heute geltenden Form im Jahre 1974 mit Inkrafttreten des NÖ Buschenschankgesetzes, LGBl. 7045-0, geschaffen. In den erläuternden Bemerkungen zu dieser Regelung wird lediglich auf §10 Abs2 des Buschenschankgesetzes 1936 verwiesen. Diese Bestimmung lautete:
'(2) Im Falle einer Bestrafung nach Abs1 oder wegen Übertretung der Vorschriften der Gewerbeordnung (durch unbefugte Ausübung des Gast- und Schankgewerbes) kann überdies die Bezirksverwaltungsbehörde den vom Bürgermeister zur Kenntnis genommenen oder den begonnenen Ausschank untersagen. Dasselbe gilt, wenn nach der Zurkenntnisnahme des Ausschankes durch den Bürgermeister sonst ein Umstand eintritt oder hervorkommt, der den Bürgermeister nach Anschauung der Bezirksverwaltungsbehörde gemäß §7 Abs3 dieses Gesetzes zur Untersagung des Ausschankes verpflichtet hätte oder wenn ein solcher Umstand vom Bürgermeister, obwohl er ihm bekannt war, bei der Behandlung der Anmeldung des Ausschankes nicht entsprechend berücksichtigt wurde.'"
Aus der Entstehungsgeschichte des §13 Abs2 NÖ Buschenschankgesetz ergebe sich, dass die Untersagung der Ausübung des Buschenschankes durch die Behörde keine Strafe, sondern eine Sicherungsmaßnahme zur Erhaltung bzw. Wiederherstellung des der Rechtsordnung entsprechenden Zustandes darstelle.
Selbst wenn man aber davon ausgehe, dass es sich um eine Strafnorm handle, verstoße diese Bestimmung nicht gegen den Grundsatz "ne bis in idem", da dieser Grundsatz lediglich besage, "dass auf eine Person wegen desselben Tatbildes ein und dieselbe Strafnorm nicht zwei- oder mehrfach angewendet werden darf". Die Verhängung von Zusatz- oder Nebenstrafen sei jedoch "rechtmäßig und in der Rechtsordnung auch durchaus üblich (vgl. zB Verfall)".
Eine Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes bestreitet die Niederösterreichische Landesregierung mit der Begründung, dass §13 Abs2 NÖ Buschenschankgesetz für alle Buschenschänker in gleicher Weise gelte, "ohne dass irgendwelche Differenzierungen in materieller Hinsicht erfolgen würden". Es sei grundsätzlich jeder rechtswidrige Buschenschank zu untersagen, wenn die im Gesetz angeführten objektiven Voraussetzungen (Bestrafung und Wiederholungsgefahr) gegeben seien. Diese Tatbestandsvoraussetzungen seien objektiv festgelegt.
Zum Vorwurf, §13 Abs2 NÖ Buschenschankgesetz verstoße gegen das Rechtsstaatlichkeitsgebot führt die Niederösterreichische Landesregierung aus:
"... Es ist der Behörde wohl ein Ermessensspielraum hinsichtlich der Dauer der Untersagung der Ausübung des Buschenschankes eingeräumt, es wurden aber auch entsprechende Kriterien hinsichtlich der Ausübung dieses Ermessens festgelegt. Als solches ist die Wiederholungsgefahr ausdrücklich angeführt. Überdies hat die Behörde bei Ausübung des Ermessens auch die Art und Höhe der vorangegangenen Bestrafung zu berücksichtigen, sodass sehr wohl Kriterien vorliegen, die diese Gesetzesbestimmung ausreichend determinieren und eine Überprüfung ermöglichen, ob das Ermessen im Sinne des Gesetzes ausgeübt wurde. Im Übrigen ist die Behauptung falsch, dass die Behörde bei Vorliegen einer (auch noch so geringfügigen) Bestrafung die Ausübung des Buschenschankes zu untersagen hat. Im Gegenteil, es ist nur dann zu untersagen, wenn (begründete) Befürchtungen einer Wiederholung vorliegen. Es ist somit durchaus gewährleistet, dass auch trotz Fehlens einer Obergrenze der Untersagungsdauer die Behörde nicht willkürlich unangemessen lange die Buschenschankausübung untersagen kann."
4.2.3. Mit im Wesentlichen gleicher Argumentation wie in den zu G9/02 und G35/02 abgegebenen Äußerungen verteidigt die Niederösterreichische Landesregierung in ihrer Äußerung zu G36/02 dieselben, dort angefochtenen Bestimmungen der §§11 und 13 Abs2 NÖ Buschenschankgesetz.
4.2.4. Die Niederösterreichische Landesregierung beantragt, die in Prüfung gezogenen Bestimmungen nicht als verfassungswidrig aufzuheben; für den Fall der Aufhebung wird angeregt, gemäß Art140 Abs5 B-VG für das Außer-Kraft-Treten eine Frist von einem Jahr zu bestimmen, um die erforderlichen legistischen Vorkehrungen treffen zu können.
II. Der Verfassungsgerichtshof hat die drei Anträge zur gemeinsamen Entscheidung gemäß §§187, 404 ZPO (§35 VfGG) verbunden und hierüber wie folgt erwogen:
1. Zur Zulässigkeit:
1.1. Voraussetzung der Antragslegitimation ist einerseits, dass die Antragsteller behaupten, unmittelbar durch das angefochtene Gesetz - im Hinblick auf dessen Verfassungswidrigkeit - in ihren Rechten verletzt worden zu sein, dann aber auch, dass das Gesetz für den Antragsteller tatsächlich, und zwar ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides wirksam geworden ist. Grundlegende Voraussetzung der Antragslegitimation ist, dass das Gesetz in die Rechtssphäre der Antragsteller nachteilig eingreift und diese - im Falle seiner Verfassungswidrigkeit - verletzt.
Nicht jedem Normadressaten aber kommt die Anfechtungsbefugnis zu. Es ist darüber hinaus erforderlich, dass das Gesetz selbst tatsächlich in die Rechtssphäre der Antragsteller unmittelbar eingreift. Ein derartiger Eingriff ist jedenfalls nur dann anzunehmen, wenn dieser nach Art und Ausmaß durch das Gesetz selbst eindeutig bestimmt ist, wenn er die (rechtlich geschützten) Interessen der Antragsteller nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigt und wenn den Antragstellern kein anderer zumutbarer Weg zur Abwehr des - behaupteterweise - rechtswidrigen Eingriffes zu Verfügung steht (VfSlg. 11.726/1988, 16.406/2001).
1.2. §11 NÖ Buschenschankgesetz bewirkt (im angefochtenen Umfang), dass der Antragstellerin zu G9/02 sowie dem Antragsteller zu G36/02 im Rahmen ihrer Buschenschankbetriebe nur die Verabreichung kalter und bestimmter in §11 letzter Satz NÖ Buschenschankgesetz aufgezählter (Mehl-)Speisen gestattet, die Verabreichung anderer Speisen im Rahmen ihres Buschenschankbetriebes jedoch verboten ist. Ein Zuwiderhandeln gegen diese Bestimmung ist gemäß §13 Abs1 leg.cit. unter Strafsanktion gestellt und in der Folge gemäß §13 Abs2 leg.cit. mit der Untersagung der Ausübung des Buschenschankes bedroht. §11 leg.cit. greift sohin in die Rechtssphäre der Antragsteller, die als Betreiber von Buschenschanken beabsichtigen, auch warme Speisen bzw. andere als nach §11 zulässige Mehlspeisen zu verabreichen, unmittelbar ein.
Den Antragstellern steht auch kein anderer zumutbarer Weg zur Verfügung, die Frage der Verfassungsmäßigkeit der bekämpften Vorschriften des §11 NÖ Buschenschankgesetz an den Verfassungsgerichtshof heranzutragen. Ist es doch einem Normunterworfenen nicht zumutbar, eine verbotene Handlung zu setzen, um sich in einem gegen ihn eingeleiteten Straf- oder/und Untersagungsverfahren mit der Behauptung zur Wehr zu setzen, dass die übertretene Norm verfassungswidrig sei (vgl. VfSlg. 16.202/2001).
Der Antrag, §11 NÖ Buschenschankgesetz im eingangs näher bezeichneten Umfang als verfassungswidrig aufzuheben, ist sohin zulässig.
1.3. Hingegen sind die Antragsteller durch die Untersagungsermächtigung des §13 Abs2 NÖ Buschenschankgesetz nicht unmittelbar in ihren Rechten betroffen. Bei der Vorschrift des §13 Abs2 NÖ Buschenschankgesetz handelt es sich schon ihrem Wesen nach um eine gesetzliche Bestimmung, mit der die Behörde zu einem selbständigen Verfahren mit der Rechtsfolge der Untersagung der Ausübung des Buschenschankes ermächtigt wird. Nicht die gesetzliche Ermächtigung zur Untersagung, sondern erst die bei Wiederholungsgefahr vorgesehene Untersagung selbst greift in die Rechte des Buschenschänkers ein. Die Antragsteller sind schon deswegen durch §13 Abs2 leg.cit. nicht unmittelbar betroffen, weil sie keine Umstände dartun können, aus denen eine aktuelle Wiederholungsgefahr abzuleiten wäre.
Die Anträge sind daher unzulässig, soweit mit ihnen die Aufhebung des §13 Abs2 NÖ Buschenschankgesetz, in eventu die Aufhebung einzelner Worte und Wortfolgen dieser Gesetzesbestimmung begehrt wird.
1.4. Soweit die Niederösterreichische Landesregierung die Unzulässigkeit der Anträge daraus ableiten will, dass die Antragsteller §11 NÖ Buschenschankgesetz, LGBl. 146/1974 idF der 2. Novelle LGBl. 37/1997 (LGBl. 7045-2), angefochten hätten, seit dem 1. Jänner 2002 aber das NÖ Buschenschankgesetz LGBl. 7045-3 in Kraft stehe, ist ihr entgegenzuhalten:
Nach Art140 Abs1 letzter Satz B-VG bildet eine Voraussetzung des Individualantrages auf Gesetzesprüfung, dass das Gesetz für die anfechtende Person wirksam geworden ist und in der angefochtenen Fassung für sie weiterhin, d.h. jedenfalls auch noch im Zeitpunkt der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes Wirksamkeit entfaltet (vgl. zB VfSlg. 12.413/1990, 13.794/1994, 14.249/1995 und 15.021/1997). §11 NÖ Buschenschankgesetz im angefochtenen Umfang wurde weder durch die
3. (LGBl. 7045-3) noch durch die 4. Novelle (LGBl. 7045-4) zum NÖ Buschenschankgesetz geändert und entfaltet somit entgegen der Auffassung der Niederösterreichischen Landesregierung weiterhin - in der Fassung der 2. Novelle, LGBl. 7045-2 - für die Antragsteller Wirksamkeit.
1.5. Sollte aber die Niederösterreichische Landesregierung mit ihrem Einwand die Unzulässigkeit der Anträge daraus folgern, dass es die Antragsteller unterlassen hätten, die bekämpften Gesetzesstellen im Sinne des ersten Satzes des §62 Abs1 VfGG genau und eindeutig zu bezeichnen, so ist dem entgegenzuhalten, dass die Einschreiter ihre Anträge mit Hinweis auf "LGBl. 146/1974 (7045-2)... in der geltenden Fassung der 2. Novelle 37/97" (unter Angabe des jeweiligen Stücks des Niederösterreichischen Landesgesetzblattes und dessen Ausgabejahr sowie der für Niederösterreich gebräuchlichen Zitierung - "7045-2") konkretisierten. Diese Bezeichnung genügt den gesetzlichen Erfordernissen. Auch wurden die angefochtenen Bestimmungen wörtlich wiedergegeben, sodass insgesamt keine Zweifel entstehen konnten, in welcher Fassung ihre Aufhebung begehrt wird (vgl. zB VfSlg. 14.261/1995, 15.566/1999).
2. In der Sache teilt der Verfassungsgerichtshof die Bedenken der Antragsteller nicht.
2.1. Der Niederösterreichischen Landesregierung ist Recht zu geben, wenn sie den zulässigen Umfang der als Nebenbefugnis zu betrachtenden, weil an die Ausübung eines Buschenschankes gebundenen Verabreichung bestimmter Speisen auf die verfassungs-(nämlich kompetenz-) rechtlichen Grundlagen des Buschenschankwesens zurückführt: Das Buschenschankwesen verbleibt mangels Aufzählung in den Art10 bis 12 B-VG gemäß Art15 Abs1 B-VG im selbständigen Wirkungsbereich der Länder. Seine inhaltliche Nähe zum Gastgewerbe macht es erforderlich, die verfassungs-(kompetenz-)rechtliche Grenze zu den "Angelegenheiten des Gewerbes" gemäß Art10 Abs1 Z8 B-VG näher zu untersuchen.
Nach der als "Versteinerungstheorie" bezeichneten ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes ist der Kompetenztatbestand "Angelegenheiten des Gewerbes" (Art10 Abs1 Z8 B-VG) in dem Sinn zu verstehen, der ihm nach dem Stand und der Systematik der Rechtsordnung zum Zeitpunkt seines In-Kraft-Tretens, das war der 1. Oktober 1925, zukam. Neue Regelungen können sich auf einen Kompetenztatbestand nur insoweit stützen, als sie ihrem Inhalt nach dem betreffenden Rechtsgebiet, wie es durch die im Zeitpunkt des In-Kraft-Tretens der Kompetenzartikel bestehenden Regelungen bestimmt ist, systematisch zugehören (VfSlg. 7074/1973, 10.831/1986; 12.996/1992 und 14.187/1995, jeweils mit Hinweisen auf die Vorjudikatur).
2.2. Am 1. Oktober 1925 bestimmte ArtV lita des Kundmachungspatentes zur Gewerbeordnung 1859, dass die Gewerbeordnung auf den "in einigen Landestheilen durch ältere Einrichtungen den Besitzern von Wein- und Obstgärten gestattete[n] Ausschank des eigenen Erzeugnisses" keine Anwendung findet. Der Umfang dieses deshalb nicht den "Angelegenheiten des Gewerbes" im Sinne des Art10 Abs1 Z8 B-VG zuzuzählenden Buschenschankwesens, das demzufolge gemäß Art15 Abs1 B-VG im selbständigen Wirkungsbereich der Länder verblieb, sollte den Ausschank selbsterzeugter Getränke umfassen. (Vgl. Heller, Kommentar zur Gewerbeordnung und zu ihren Nebengesetzen, 1912,
2. Band, S 1673; Heller/Laszky/Nathansky, Kommentar zur Gewerbeordnung², 1. Band, 1937, S 50, zufolge wurde Buschenschanken "das Recht der Verabreichung von selbsterzeugten Lebensmitteln" durch ArtV lita sogar entzogen.) Kraft einem "Erlaß des Ministers des Innern" vom 18. Dezember 1899, Z29.603 (Normalien-Sammlung für den politischen Verwaltungsdienst, 1901, Nr. 592) wurde allerdings den Buschenschänkern wiederum "aus Billigkeitsrücksichten die Verabreichung von Brot, sowie von Sodawasser und anderen Säuerlingen" zugestanden. Die Zulässigkeit der Verabreichung selbsterzeugter kalter Speisen durch Inhaber einer Buschenschank kann somit als im Rahmen des Herkommens zulässige Neuregelung betrachtet werden, die ihrer Art nach dem Typus der Buschenschank entspricht. (Ähnlich für die Zulässigkeit der Verabreichung alkoholischer Getränke im Rahmen der Privatzimmervermietung VfSlg. 7074/1973, S 413.)
Aus der historischen Konzeption des Buschenschankwesens lässt sich sohin typologisch erkennen, dass als Buschenschank im eigentlichen Sinn der Ausschank von Wein und Obstwein, von Trauben- und Obstmost und von Trauben- und Obstsaft durch Besitzer von Wein- und Obstgärten, soweit es sich um deren eigene Erzeugnisse handelt, zu verstehen ist; dass aber weiters als damit verbundene Nebenbefugnisse auch die Verabreichung kalter Speisen und der Ausschank von Mineralwasser und von kohlesäurehältigen Getränken den Buschenschankberechtigten unter der Voraussetzung zustehen, dass diese Tätigkeiten herkömmlich dem Typus der Buschenschank im betreffenden Bundesland entsprechen und in landesrechtlichen Buschenschankvorschriften festgehalten sind. (Vgl. jetzt §2 Abs9 GewO 1994 sowie dazu die EB zur Regierungsvorlage, 395 BlgNR 13. GP, S 105 und 113.)
Der angeführten Rechtsentwicklung ist für die dem Landesgesetzgeber zustehende Regelung des Buschenschankwesens zu entnehmen, dass in Abgrenzung zur Gastgewerbeberechtigung dem Buschenschankwesen von jeher Grenzen gesetzt waren: Insbesondere sollten Speisen nur in beschränktem Umfang, "aus Billigkeitsrücksichten" und nach Maßgabe des vom Landesgesetzgeber näher bestimmten Herkommens im betreffenden Land als Nebenbefugnis zur Ausschank selbsterzeugter Getränke verabreicht werden dürfen. Dass dem Landesgesetzgeber ein Gestaltungsspielraum hinsichtlich der Speisen eingeräumt ist, die im Rahmen einer Buschenschank verabreicht werden dürfen, ergibt sich schon daraus, dass das "Herkommen" ebenso wie der Typus "Buschenschank" nur undeutliche Konturen und regionsweise Differenzierungen aufweist. Eindeutig ist hingegen das Verbot der Verabreichung warmer Speisen im Rahmen einer Buschenschank aus deren verfassungsrechtlicher Grundlage abzuleiten, weil diese Verabreichung stets eine entsprechende Gastgewerbeberechtigung erfordert(e).
2.3. Zweifelsohne stützt, wie auch die Niederösterreichische Landesregierung ausführt, der Niederösterreichische Landesgesetzgeber seine Aufzählung der bei der Ausübung des Buschenschankes zulässigerweise zu verabreichenden Speisen auf jene oben näher beschriebene verfassungsrechtliche Grenze. Wenn neben dem den eigentlichen Buschenschank betreffenden Ausschank von Wein und anderen Getränken durch Besitzer von Wein- und Obstgärten "aus eigener Fechsung" (§1 NÖ Buschenschankgesetz) vom Gesetzgeber in §11 leg.cit. die Verabreichung bestimmter Speisen gestattet wird, so stellt dies eine verfassungs-(kompetenz-)rechtlich zulässige Einräumung einer Nebenbefugnis zur Ausübung des Buschenschankes dar, die jedoch in Anbetracht des mit dem Buschenschankwesen verbundenen Herkommens zu begrenzen ist.
Angesichts des auch verfassungs-(kompetenz-)rechtlich fundierten Gewerberechtsvorbehaltes für die Verabreichung warmer Speisen (vgl. nunmehr §2 Abs9 letzter Satz GewO 1994) ist es von vornherein nicht nur gerechtfertigt, sondern vielmehr geboten, warme Speisen von den zulässigerweise bei Ausübung der Buschenschank zu verabreichenden Speisen auszuschließen. Wenn von Verfassungs wegen die Verabreichung von Speisen an sich eine ausnahmehafte Nebenbefugnis des Buschenschankwesens und darüber hinaus das Herkommen eine typologische Leitlinie für den Landesgesetzgeber darstellen, muss es auch sachlich gerechtfertigt sein, nur kalte Speisen zur Verabreichung in Buschenschanken zuzulassen. Desgleichen ist dem Landesgesetzgeber unter dem Aspekt der sachlichen Rechtfertigung nicht entgegenzutreten, wenn er - gestützt auf das Herkommen - lediglich einzelne, für bäuerliche Betriebe typische Mehlspeisen zur Verabreichung in Buschenschanken zulässt. Dass der Gesetzgeber bei der Auswahl zur Verabreichung gestatteter Mehlspeisen eine gewisse, vom Herkommen begrenzte Gestaltungsmöglichkeit besitzt, wurde bereits oben dargetan. Die der Vorschrift des §11 zweiter und dritter Satz NÖ Buschenschankgesetz von den Antragstellern vorgeworfenen Verstöße gegen den Gleichheitssatz liegen somit schon deswegen nicht vor.
Mag auch das Verbot der Verabreichung warmer Speisen sowie anderer als der ausdrücklich in §11 dritter Satz aufgezählten Mehlspeisen sowohl in die Privatautonomie als auch in das Grundrecht auf Erwerbsausübungsfreiheit eingreifen, so liegt gleichwohl kein unverhältnismäßiger Eingriff vor, der das Verbot verfassungswidrig machen würde. Auszugehen ist wiederum vom besonderen, durch das Herkommen geprägten Typus des Buschenschankbetriebes, bei dem die Verabreichung von Speisen die Ausnahme darstellt. Wenn bestimmte Kategorien, wie etwa warme Speisen sowie Süßspeisen mit Ausnahme der in bäuerlichen Betrieben üblichen Mehlspeisen von der Verabreichung gesetzlich ausgeschlossen sind, so wird damit lediglich dem traditionellen Bild des Buschenschanks entsprochen. Darüber hinaus kann von einer besonderen Schwere des gesetzlichen Eingriffs schon deswegen keine Rede sein, weil durch zusätzlichen Erwerb einer entsprechenden Gastgewerbeberechtigung (etwa für ein "Heurigenbuffet", vgl. VwSlg. 6052 A/1963) auch die Berechtigung zur Verabreichung beliebiger warmer und kalter Speisen einschließlich der Süßspeisen erlangt werden kann. Wie die gerichtsbekannte Praxis des Buschenschankwesens zeigt, verfügen zahlreiche Buschenschanken auch über eine entsprechende ergänzende Gastgewerbeberechtigung. Dass damit, wie von den Antragstellern befürchtet, "zusätzliche Kosten für Beiträge" verbunden sind, kann keine Erschwernis bedeuten, die das Verabreichungsverbot für ausschließliche Buschenschanken verfassungswidrig machen würde; auch ist davon auszugehen, dass bei wirtschaftlicher Rentierlichkeit eines größeren Speisenangebotes auch die mit dem Erwerb einer Gastgewerbeberechtigung verbundenen Abgaben und Beiträge erwirtschaftet werden können.
Da jeder, auch ausländische Besitzer von Wein- und Obstgärten gemäß §1 NÖ Buschenschankgesetz zur Ausübung des Buschenschankes berechtigt ist, sind die gemeinschaftsrechtlichen Bedenken im Hinblick auf das Niederlassungsrecht gemäß Art43 EG unbegründet; damit liegt auch in weiterer Folge die von den Antragstellern befürchtete Inländerdiskriminierung nicht vor.
Die von den Antragstellern vorgetragenen verfassungsrechtlichen Bedenken gegen §11 NÖ Buschenschankgesetz treffen somit insgesamt nicht zu. Ihre Anträge, soweit sie sich als zulässig erwiesen, waren daher als unbegründet abzuweisen.
Dies konnte vom Verfassungsgerichtshof gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.
Schlagworte
Buschenschank, Erwerbsausübungsfreiheit, EU-Recht, Gewerberecht, Gewerbeberechtigung, Gastgewerbe, Kompetenz Bund - Länder, Versteinerungstheorie, Kompetenz Bund - Länder Gewerbe und Industrie, VfGH / Formerfordernisse, VfGH / IndividualantragEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2003:G9.2002Dokumentnummer
JFT_09968996_02G00009_00