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19/05 Menschenrechte;Norm
FrPolG 2005 §53 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger, die Hofräte Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer, die Hofrätin Mag. Merl und den Hofrat Dr. Lukasser als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Schmidl, über die Beschwerde der D D (nunmehr: S) in W, geboren am 9. Oktober 1982, vertreten durch Dr. Johann Kral, Rechtsanwalt in 1090 Wien, Frankgasse 6/10, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 27. April 2007, Zl. SD 1680/06, betreffend Ausweisung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
I.
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 27. April 2007 wurde die Beschwerdeführerin, eine Staatsangehörige von Serbien und Montenegro, gemäß § 53 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG, BGBl. I Nr. 100, ausgewiesen.
Die Beschwerdeführerin sei am 15. Oktober 2004 mit einem von der Österreichischen Botschaft Belgrad ausgestellten, vom 9. Oktober bis zum 3. November 2004 gültigen Reisevisum nach Österreich eingereist. Nach Ablauf dieses Visums sei sie unrechtmäßig im Bundesgebiet geblieben. Am 25. Mai 2005 habe sie einen Antrag auf Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung für die Aufenthaltszwecke "Schlüsselkraft-selbständig, § 18 Abs. 1 Z. 1 FrG" und "jeglicher Aufenthaltszweck, § 13 Abs. 2 FrG" eingebracht. Dieser sei im Instanzenzug mit Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 26. April 2006 gemäß § 21 Abs. 1 NAG abgewiesen worden. Die dagegen erhobene Beschwerde sei vom Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 27. Juni 2006 als unbegründet abgewiesen worden.
Die Beschwerdeführerin verfüge über keinen Aufenthaltstitel für das Bundesgebiet und halte sich seit dem Ablauf ihres Reisevisums, sohin seit 3. November 2004, unrechtmäßig im Bundesgebiet auf. Die Voraussetzungen für die Ausweisung seien - vorbehaltlich der Bestimmungen des § 66 Abs. 1 FPG - im Grund des § 53 Abs. 1 FPG gegeben.
Die Beschwerdeführerin habe nach ihrer Einreise am 15. Oktober 2004 zunächst bei einem Verwandten in Salzburg gelebt. Seit November 2005 lebe sie mit ihrem Lebensgefährten Z S. (dem Beschwerdevorbringen zufolge ihrem nunmehrigen Ehemann) in W im gemeinsamen Haushalt. Das gemeinsame Kind sei im Februar 2007 geboren worden. Es sei von einem mit der Ausweisung verbundenen Eingriff in das Privat- und Familienleben der Beschwerdeführerin auszugehen. Dieser sei jedoch zulässig, weil er zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele - hier: zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens - dringend geboten sei. Wenn die Beschwerdeführerin einwende, sie wäre Geschäftsführerin der Gesellschaft einer KEG und insoweit Schlüsselkraft, sodass ihr ein Aufenthaltsrecht in Österreich zustehe, und wenn sie ersuche, ihr den Aufenthalt in Österreich aus humanitären Gründen während der Zeit der Antragstellung zu gestatten, so müsse ihr entgegengehalten werden, dass ihr Antrag gemäß § 21 Abs. 1 NAG abgewiesen worden sei. Die Erlassung der Ausweisung sei sohin dringend geboten und zulässig im Sinn des § 66 Abs. 1 FPG.
Das Vorbringen der Beschwerdeführerin, sie werde in ihrem Heimatland verfolgt und bedroht, sei im vorliegenden Verfahren insofern unbeachtlich, als nicht darüber abgesprochen werde, in welches Land die Beschwerdeführerin auszureisen habe.
Da sonst keine besonderen zu Gunsten der Beschwerdeführerin sprechenden Umstände gegeben seien, habe die Behörde von der Erlassung der Ausweisung auch nicht im Rahmen des ihr zustehenden Ermessens Abstand nehmen können.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes oder Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1.1. Die Beschwerdeführerin bringt vor, sie habe am 25. Mai 2005 einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gestellt. Zu diesem Zeitpunkt sei es "gesetzlich erlaubt" gewesen, sich im Bundesgebiet "so lange aufzuhalten, bis die Behörde über den Antrag entschieden hat". Mit der Antragstellung sei "nach dem seinerzeitigen Aufenthaltsrecht die vorläufige Aufenthaltsberechtigung verbunden" gewesen. Sie habe auch (zu einem nicht näher konkretisierten Zeitpunkt) "um Aufenthaltsbewilligung angesucht und damit den Antrag auf Inlandsantragstellung verbunden, worüber noch nicht entschieden ist".
1.2. Gemäß § 81 Abs. 1 NAG sind Verfahren auf Erteilung von Aufenthalts- und Niederlassungsberechtigungen, die bei In-Kraft-Treten dieses Bundesgesetzes (gemäß § 82 Abs. 1 leg. cit. mit 1. Jänner 2006) anhängig sind, nach den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes zu Ende zu führen. Das Fremdengesetz 1997 (FrG) ist mit Ablauf des 31. Dezember 2005 außer Kraft getreten (Art. 5 des Fremdenrechtspaketes 2005, BGBl. I Nr. 100). Ein Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung wäre daher zum Zeitpunkt des angefochtenen Ausweisungsbescheides nach dem NAG zu beurteilen. Von daher geht der Hinweis des Beschwerdeführerin, sie habe "nach dem seinerzeitigen Aufenthaltsrecht" ein Recht zum Aufenthalt gehabt, ins Leere (vgl. das hg. Erkenntnis vom 30. Jänner 2007, Zl. 2006/18/0414). Im Übrigen stand ein Recht auf Inlandsantragstellung nach der bis zum 31. Dezember 2005 geltenden Rechtslage sachverhaltsbezogen gemäß § 49 Abs. 1 Fremdengesetz 1997 nur den drittstaatsangehörigen Angehörigen (iSd § 47 Abs. 3 Fremdengesetzes 1997) von Österreichern zu. Die Beschwerdeführerin behauptet nicht, dass ihr im Zeitraum bis zum 31. Dezember 2005 die Stellung einer begünstigten Drittstaatsangehörigen zugekommen wäre. Schließlich ist ihrem Vorbringen betreffend den "Antrag auf Inlandsantragstellung" zu erwidern, dass Drittstaatsangehörige zur Klärung der Frage, ob die Erteilung einer Niederlassungsbewilligung aus humanitären Gründen unter dem Gesichtspunkt des Art. 8 EMRK bzw. des § 11 Abs. 3 NAG geboten erscheint, gemäß § 73 Abs. 4 NAG einen gesonderten Antrag auf Feststellung einbringen können. Dieser Antrag kann vom Ausland oder vom Inland aus gestellt und die Entscheidung darüber im Ausland oder im Inland abgewartet werden, denn ein Antrag nach § 73 Abs. 4 NAG ist von § 21 Abs. 1 NAG nicht umfasst und darf daher nicht wegen Inlandsantragstellung abgewiesen werden. Auch ein solcher Antrag lässt aber die Möglichkeit einer Ausweisung unberührt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 31. März 2008, Zl. 2007/18/0286, mwN). Gegen die Auffassung der belangten Behörde, dass der Tatbestand des § 53 Abs. 1 FPG erfüllt sei, bestehen daher keine Bedenken.
3.1. Die Beschwerde bekämpft den angefochtenen Bescheid auch unter dem Blickwinkel des § 66 Abs. 1 FPG. Die Beschwerdeführerin sei seit Anfang 2007 mit Z S. verheiratet und habe am 7. Februar 2007 ein Kind geboren, welches gesund sei. Die Beschwerdeführerin sei "krank und bedarf einer ständigen ärztlichen Betreuung, die nur in Österreich gewährleistet ist".
3.2. Die Beschwerdeführerin wäre gemäß § 66 Abs. 1 FPG nur dann vor einer Ausweisung geschützt und damit unter dem Blickwinkel des Art. 8 EMRK in weiterer Folge zu einer Legalisierung ihres Aufenthalts vom Inland aus berechtigt, wenn eine rasche bzw. sofortige Erteilung einer (humanitären) Niederlassungsbewilligung zur Abwendung eines unzulässigen Eingriffs in ein durch Art. 8 EMRK geschütztes Privat- und Familienleben erforderlich wäre.
Die belangte Behörde ist bei der gemäß § 66 Abs. 1 FPG durchzuführenden Interessenabwägung im Hinblick auf den Aufenthalt der Beschwerdeführerin in Österreich seit dem Jahr 2004, ihre Tätigkeit als Geschäftsführerin und ihre hier aufgenommenen familiären Bindungen zu ihrem Lebensgefährten und dem im Februar 2007 geborenen gemeinsamen Kind zutreffend zum Ergebnis gelangt, dass mit der Ausweisung ein relevanter Eingriff in ihr Privat- und Familienleben iSd § 66 Abs. 1 FPG verbunden ist. Die aus der Aufenthaltsdauer und den genannten Bindungen resultierenden persönlichen Interessen der Beschwerdeführerin sind allerdings an Gewicht insoweit zu relativieren, als ihr Aufenthalt nach Ablauf ihres Reisevisums am 3. November 2004 durchgehend rechtswidrig war. Die dargestellten Bindungen der Beschwerdeführerin und ihr unsubstanziierter Hinweis auf eine Notwendigkeit "einer ständigen ärztlichen Betreuung, die nur in Österreich gewährleistet ist", lassen auch keine besonderen Umstände erkennen, die es ihr mit Blick auf Art. 8 EMRK unzumutbar machen würden, auch nur für die Dauer eines ordnungsgemäß geführten Niederlassungsverfahrens in ihr Heimatland zurückzukehren.
Die Beschwerdeführerin beeinträchtigt durch ihren unrechtmäßigen Aufenthalt in Österreich das maßgebliche öffentliche Interesse an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften (insbesondere betreffend den Grundsatz der Auslandsantragstellung), dem aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 EMRK) ein hoher Stellenwert zukommt. Ihre (insbesondere hinsichtlich einer raschen bzw. sofortigen Erteilung einer - humanitären - Niederlassungsbewilligung) nicht besonders ausgeprägten Interessen an einem Verbleib in Österreich müssen demgegenüber in den Hintergrund treten. Im Hinblick darauf ist die Ausweisung zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten und gemäß § 66 Abs. 1 FPG zulässig (vgl. das hg. Erkenntnis vom 3. Juli 2008, Zl. 2008/18/0363, mwN).
4. Da somit bereits der Beschwerdeinhalt erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.
5. Angesichts dieser Erledigung erübrigt sich eine Entscheidung über den Antrag, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.
Wien, am 2. Oktober 2008
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2008:2007180359.X00Im RIS seit
30.10.2008Zuletzt aktualisiert am
21.10.2011