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20/02 Familienrecht;Norm
EheG §23;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger sowie die Hofräte Dr. Enzenhofer, Dr. Strohmayer, die Hofrätin Mag. Merl und den Hofrat Dr. Lukasser als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Schmidl, über die Beschwerde des E E in W, geboren am 2. Dezember 1977, vertreten durch Dr. Michael Drexler, Rechtsanwalt in 1090 Wien, Hörlgasse 4/5, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 11. Juni 2007, Zl. SD 1044/06, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 51,50 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I.
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 11. Juni 2007 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen türkischen Staatsangehörigen, gemäß § 60 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z. 9 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 - FPG, BGBl. I Nr. 100, ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von fünf Jahren erlassen.
Die belangte Behörde legte ihrer Entscheidung die Feststellungen zu Grunde, dass der Beschwerdeführer am 23. Dezember 2000 mit einem Visum D nach Österreich eingereist sei. Nachdem er bereits am 18. Dezember 2000 in der Türkei eine österreichische Staatsbürgerin geheiratet habe, habe er am 4. April 2001 erstmals einen Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung für den Aufenthaltszweck "Familiengemeinschaft mit Österreicher" gestellt. In weiterer Folge habe der Beschwerdeführer Niederlassungsbewilligungen bis zum 8. Mai 2003, zuletzt einen Niederlassungsnachweis, erhalten.
Mit Urteil des Bezirksgerichtes Fünfhaus vom 24. Mai 2004 sei die Ehe des Beschwerdeführers mit der österreichischen Staatsbürgerin gemäß § 23 Ehegesetz rechtskräftig für nichtig erklärt worden. In den Urteilsgründen werde ausgeführt, dass die Ehe durch den Onkel des Beschwerdeführers gegen die Bezahlung von ATS 90.000,-- bis ATS 100.000,-- vermittelt worden sei, wobei eine einer Ehe entsprechende Beziehung nicht geführt worden bzw. eine Scheinehe als solche von vornherein beabsichtigt gewesen sei.
Der Beschwerdeführer halte sich zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides seit ca. sechseinhalb Jahren in Österreich auf. Er verfüge im Bundesgebiet über familiäre Bindungen zu einem Onkel und einem Cousin und gehe regelmäßig einer Beschäftigung nach.
In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, dass es auf dem Boden der gerichtlichen Feststellungen erwiesen sei, dass der Beschwerdeführer die Ehe mit einer österreichischen Staatsbürgerin geschlossen und sich für die Erteilung eines Aufenthaltstitels auf diese Ehe berufen habe, ohne mit seiner Ehefrau ein gemeinsames Familienleben im Sinn des Art. 8 EMRK geführt zu haben. Damit seien die Voraussetzungen des § 60 Abs. 2 Z. 9 FPG erfüllt.
Der Missbrauch des Rechtsinstitutes der Ehe zur Erlangung fremdenrechtlich bedeutsamer Rechte stelle eine schwerwiegende Gefährdung der öffentlichen Ordnung dar, welche die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes rechtfertige. Diese Gefährdung der öffentlichen Ordnung sei trotz eines Zeitablaufes von mehr als fünf Jahren seit der rechtsmissbräuchlichen Eheschließung nach wie vor gegeben, weil der Gesetzgeber mit der Normierung des § 63 Abs. 1 FPG - ein Aufenthaltsverbot könne im Fall des vorliegenden § 60 Abs. 2 Z. 9 FPG für eine Dauer von (höchstens) zehn Jahren erlassen werden - deutlich die höhere Verwerflichkeit des Eingehens einer Scheinehe zum Ausdruck gebracht habe. Das Eingehen einer Scheinehe stelle einen Rechtsmissbrauch dar, der zweifellos ein Grundinteresse der Gesellschaft berühre, komme doch gerade der Verhinderung bzw. Bekämpfung solcher Ehen aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung ein sehr hoher Stellenwert zu.
Angesichts der festgestellten Umstände sei von einem mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers auszugehen. Dieser sei allerdings zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung - somit zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele - dringend geboten. Wer - wie der Beschwerdeführer - rechtsmissbräuchlich vorgehe, um sich aus dem Blickwinkel des Fremdenrechtes wesentliche Berechtigungen zu verschaffen, verstoße gegen gewichtige öffentliche Interessen, die ein Aufenthaltsverbot als zum Schutz der öffentlichen Ordnung notwendig erscheinen ließen.
Die Zulässigkeit des Aufenthaltsverbotes sei auch im Rahmen der gemäß § 66 Abs. 2 FPG gebotenen Interessenabwägung zu bejahen. Nur aufgrund der durch seine Eheschließung mit einer österreichischen Staatsbürgerin bevorzugten Stellung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz habe der Beschwerdeführer eine unselbständige Beschäftigung als Arbeiter eingehen können, weshalb auch die durch den mehr als fünfjährigen Aufenthalt erzielte Integration des Beschwerdeführers wesentlich geschmälert werde; dies umso mehr, als letztlich auch die Rechtmäßigkeit seines Aufenthaltes auf dem angeführten rechtsmissbräuchlichen Verhalten basiere. Von daher müssten die privaten und familiären Interessen des Beschwerdeführers gegenüber dem hoch zu veranschlagenden öffentlichen Interesse an der Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenwesens in den Hintergrund treten.
Bei einer Abwägung dieser Interessenlagen ergebe sich, dass die persönlichen Interessen des Beschwerdeführers an einem Verbleib im Bundesgebiet keinesfalls schwerer wögen als das öffentliche Interesse an der Erlassung des Aufenthaltsverbotes.
Da sonst keine besonderen zu Gunsten des Beschwerdeführers sprechenden Umstände gegeben seien, könne die belangte Behörde angesichts des vorliegenden Sachverhalts von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes auch nicht im Rahmen des ihr zustehenden Ermessens Abstand nehmen.
Was die Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes betreffe, so könne in Anbetracht des aufgezeigten Gesamtfehlverhaltens des Beschwerdeführers ein Wegfall des für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes maßgeblichen Grundes, nämlich der Gefährdung der öffentlichen Interessen durch den Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet, nicht vor Verstreichen des festgesetzten Zeitraumes erwartet werden.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit seines Inhaltes geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn aufzuheben.
3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, sah jedoch von der Erstattung einer Gegenschrift ab.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1.1. Die Beschwerde bestreitet nicht, dass die vom Beschwerdeführer mit einer österreichischen Staatsbürgerin geschlossene Ehe mit Urteil des Bezirkgerichtes Fünfhaus vom 24. Mai 2004 gemäß § 23 Ehegesetz mit der (tragenden) Begründung rechtskräftig für nichtig erklärt worden ist, dass die Ehe ausschließlich deshalb geschlossen worden sei, um dem Beschwerdeführer die Möglichkeit zu verschaffen, problemlos eine Arbeits- und Aufenthaltsbewilligung und damit eine Anwartschaft auf den Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft zu erlangen, wobei die Aufnahme einer ehelichen Gemeinschaft von ihm und seiner österreichischen Ehegattin nie beabsichtigt worden und auch nicht erfolgt sei.
Aufgrund dieses Urteils steht in bindender Weise fest, dass der Beschwerdeführer die Ehe ausschließlich zu den genannten Zwecken geschlossen hat, ohne dass eine eheliche Lebensgemeinschaft hätte begründet werden sollen oder diese begründet wurde (vgl. zu dieser Bindungswirkung etwa die hg. Erkenntnisse vom 20. Dezember 2007, Zl. 2006/21/0168, und vom 19. Juni 2008, Zl. 2006/18/0470).
Im Hinblick darauf begegnet die - unbekämpfte - Ansicht der belangten Behörde, dass der Tatbestand des § 60 Abs. 2 Z. 9 FPG erfüllt sei, keinen Bedenken.
1.2. Das Eingehen einer Ehe zum ausschließlichen Zweck, fremdenrechtlich oder ausländerbeschäftigungsrechtlich bedeutsame Berechtigungen zu erlangen, stellt eine gravierende Beeinträchtigung des großen öffentlichen Interesses an der Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenwesens dar (vgl. das bereits zitierte hg. Erkenntnis vom 19. Juni 2008), weshalb auch gegen die weitere Beurteilung der belangten Behörde, dass angesichts des Fehlverhaltens des Beschwerdeführers die in § 60 Abs. 1 FPG umschriebene Annahme gerechtfertigt sei, kein Einwand besteht.
2.1. Die Beschwerde richtet sich ausschließlich gegen das Ergebnis der durch die belangte Behörde gemäß § 60 Abs. 6 FPG vorgenommenen Interessenabwägung nach § 66 FPG und weist in diesem Zusammenhang auf die Dauer des Aufenthaltes des Beschwerdeführers in Österreich, dessen familiäre Bindungen zu einem Onkel und einem Cousin und darauf hin, dass der Beschwerdeführer regelmäßig einer Beschäftigung nachgehe. Durch seine Arbeitsleistung habe der in Österreich kranken- und sozialversicherte Beschwerdeführer einen "Beitrag zur Wirtschaft Österreichs" geleistet.
2.2. Dem ist zu erwidern, dass die belangte Behörde bei der gemäß § 60 Abs. 6 iVm § 66 FPG vorgenommenen Interessenabwägung den Aufenthalt des Beschwerdeführers in Österreich in einer Dauer von etwa sechseinhalb Jahren sowie dessen familiäre Bindungen im Bundesgebiet und Berufstätigkeit berücksichtigt und zutreffend einen mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen Eingriff in die persönlichen Interessen des Beschwerdeführers angenommen hat. Das Gewicht dieser Interessen aufgrund des bisherigen inländischen Aufenthalts und der Berufstätigkeit des Beschwerdeführers wird jedoch dadurch entscheidend relativiert, dass die Berechtigungen dafür nur auf die rechtsmissbräuchlich eingegangene Ehe zurückzuführen sind (vgl. wiederum das hg. Erkenntnis vom 19. Juni 2008).
Diesen Interessen steht das hoch zu veranschlagende öffentliche Interesse an der Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenwesens gegenüber. Bei Abwägung dieser gegenläufigen Interessen kann die Ansicht der belangten Behörde, dass das Aufenthaltsverbot zur Erreichung von in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zielen (Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens) dringend geboten sei (§ 66 Abs. 1 FPG) und die Auswirkungen dieser Maßnahme auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers nicht schwerer wögen als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung (§ 66 Abs. 2 FPG), nicht als rechtswidrig erkannt werden.
2.3. Daran vermag auch die Ausführung des Beschwerdeführers, dass er durch seine Arbeit einen Beitrag zur österreichischen Wirtschaft leiste, nichts zu ändern; denn bei der Interessenabwägung nach § 66 FPG sind zu Gunsten des Fremden nur die den privaten und familiären Bereich betreffenden Umstände, nicht jedoch öffentliche Interessen zu berücksichtigen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 2. September 2008, Zl. 2007/18/0899, mwN).
3. Da sich die Beschwerde somit als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
4. Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003. Wien, am 2. Oktober 2008
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2008:2007180519.X00Im RIS seit
31.10.2008Zuletzt aktualisiert am
19.02.2009