TE Vwgh Erkenntnis 2008/10/3 2005/10/0147

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Veröffentlicht am 03.10.2008
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Index

E000 EU- Recht allgemein;
E1E;
E3L E15204000;
E3R E03070000;
E3R E15203000;
E3R E15204000;
26/01 Wettbewerbsrecht;
40/01 Verwaltungsverfahren;
59/04 EU - EWR;
82/05 Lebensmittelrecht;

Norm

11997E028 EG Art28;
11997E029 EG Art29;
32000L0013 Etikettierungs-RL Art2 lita;
32000L0013 Etikettierungs-RL Art2;
32002R0178 Lebensmittelsicherheit Art16;
32002R0178 Lebensmittelsicherheit Art19 Abs2;
32004R2006 Verbraucherschutz;
EURallg;
LMG 1975 §1 Abs2 idF 2003/I/069;
LMG 1975 §7 Abs1 litc idF 2003/I/069;
LMG 1975 §74 Abs1 idF 2003/I/069;
LMG 1975 §74 idF 2003/I/069;
LMG 1975 §8 litf idF 2003/I/069;
UWG 1984 §2;
VStG §44a Z1;
VStG §44a Z2;
VStG §44a;
VStG §5 Abs1;
VStG §5;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Mizner und die Hofräte Dr. Stöberl und Dr. Köhler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Petritz, über die Beschwerde des Mag. AD in Salzburg, vertreten durch die Schönherr Rechtsanwälte OEG in 1014 Wien, Tuchlauben 17, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Salzburg vom 14. Juni 2005, Zl. UVS- 18/10.260/5-2005, betreffend Übertretung des Lebensmittelgesetzes 1975, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 51,50 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1.1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe als handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit als das gemäß § 9 VStG zur Vertretung nach außen berufene Organ der L. GmbH mit Sitz in S. zu verantworten, dass am 26. Juli 2004 um 10.30 Uhr in der weiteren Betriebsstätte in S., S.-Straße 45, das Produkt "O. Roastbeef/Rumpsteak" (375 g, Haltbarkeitsdatum: 29. Juli 2004, Charge: L20) zum Kauf angeboten und somit in Verkehr gebracht worden sei, obwohl dieses aus folgendem Grund als falsch bezeichnet zu beurteilen gewesen sei:

In der Zutatenliste seien Speisesalz, Gewürze, Würze und Antioxidationsmittel angegeben gewesen. Tatsächlich hätten aber mit Ausnahme des Rindfleisches alle im Verzeichnis der Zutaten angeführten Zutaten gefehlt. Somit seien in der Deklaration zur Irreführung geeignete Umstände (Zutaten) enthalten gewesen, die nach der Verbrauchererwartung wesentlich seien.

Der Beschwerdeführer habe dadurch § 74 Abs. 1 in Verbindung mit §§ 7 Abs. 1 lit. c, 8 lit. f Lebensmittelgesetz 1975 (LMG 1975), BGBl. Nr. 86/1975 idF BGBl. I Nr. 69/2003, verletzt.

Wegen dieser Verwaltungsübertretung wurde über ihn gemäß § 74 Abs. 1 LMG 1975 eine Geldstrafe in der Höhe von EUR 100,-- (Ersatzfreiheitsstrafe: 12 Stunden) verhängt.

1.2. Die belangte Behörde führte dazu begründend aus, dass kein Zweifel bestehe, dass es sich bei dem gegenständlichen Produkt "O. Roastbeef/Rumpsteak" um ein Lebensmittel im Sinne von § 74 Abs. 1 LMG handle. Der Begriff "Lebensmittel" müsse hiebei im Tatvorwurf nicht enthalten sein und sei daher kein Tatbestandsmerkmal. Der diesbezügliche Einwand in der Berufung gehe daher fehl.

Ebenso wenig könne den Überlegungen der Rechtsvertretung bezüglich der behaupteten Gemeinschaftsrechtswidrigkeit der angeführten Bestimmungen gefolgt werden. Der Beschwerdeführer werde nicht deshalb in Anspruch genommen, weil "die österreichischen Behörden jemanden in Österreich verfolgen wollten", sondern weil der Beschwerdeführer als Verantwortlicher belangt worden sei, da in Österreich das Lebensmittel durch das Unternehmen des Beschwerdeführers zum Kauf angeboten und somit in Verkehr gesetzt worden sei. Beim Lebensmittelrecht handle es sich im Wesentlichen um ein Verbraucherschutzrecht, das daher in erster Linie dort seine Schutzfunktion auszuüben habe, wo das Lebensmittel mit dem Endverbraucher in Kontakt gerate. Das sei der Ort, an dem das Produkt dem Verbraucher zum Kauf angeboten werde.

Eine ganz andere Frage sei allerdings, ob die in concreto beanstandeten Mängel dem Beschwerdeführer beziehungsweise seinem Unternehmen, das nicht Erzeuger des Produkts sei, auch zum Vorwurf gemacht werden könnten, ob also schuldhaftes Verhalten vorliege. Diese Frage sei an § 5 VStG zu messen.

Die Rechtsvertretung des Beschwerdeführers habe umfangreiche Unterlagen zur Glaubhaftmachung des mangelnden Verschuldens des Beschwerdeführers vorgelegt. Im erstinstanzlichen Verwaltungsverfahren seien der Behörde acht Prüfberichte des Institutes Dr. E. GmbH aus dem Zeitraum vom 30. April 2004 bis zum 28. September 2004 über die mikrobiologische Untersuchung am Ende des deklarierten Mindesthaltbarkeitsdatums sowie über die chemische Untersuchung auf Verkehrsfähigkeit betreffend das in Rede stehende Produkt übermittelt worden.

Aus all diesen Untersuchungsberichten ergebe sich, dass dieses Produkt keine qualitativen Mängel (Genussuntauglichkeit, Verdorbenheit oder dergleichen) aufweise. Dies werde dem Beschwerdeführer im gegenständlichen Verfahren aber gar nicht zum Vorwurf gemacht. Verfahrensgegenständlich sei vielmehr der Umstand, dass Zutaten laut Verpackungsdeklaration gefehlt hätten. In diesen der Erstinstanz vorgelegten Prüfberichten sei nicht einmal erwähnt, ob diese Zutaten in den Proben enthalten gewesen seien oder nicht (da dies ja auch nicht Prüfungsauftrag gewesen sei), geschweige denn, ob und wie eine diesbezügliche Kontrolle vorgenommen werde.

In der der Berufung angeschlossenen eidesstattlichen Versicherung des Herrn W. für die T. GmbH & Co KG vom 3. Mai 2005 werde zwar bestätigt, dass die auf der Verpackung des gegenständlichen Produkts angegebenen Zutaten (Speisesalz, Gewürze, Würze und Antioxidationsmittel) während des Herstellungsprozesses hinzugefügt würden. Dies sei grundsätzlich nicht in Zweifel zu ziehen und bedürfe daher keiner zeugenschaftlichen Bestätigung mehr. Ob und wie eine Kontrolle über die ordnungsgemäße Zufügung erfolgt sei, finde sich aber auch in dieser Unterlage nicht.

Schließlich sei noch auf das "L.-HACCP-Konzept" einzugehen, das der belangten Behörde übermittelt worden sei. Dieses Prüfkonzept habe zum Ziel, die für die Entstehung gesundheitlicher Gefahren durch Faktoren biologischer, chemischer oder physikalischer Natur kritischen Punkte festzustellen und zu gewährleisten, dass angemessene Sicherungsmaßnahmen festgelegt, durchgeführt und überprüft werden würden. Die Kontrollmaßnahmen würden gemäß diesem Konzept in den Bereichen Umfeldhygiene, Personalhygiene und Produkthygiene gesetzt werden.

Es stehe auch diesbezüglich nicht in Zweifel, dass das vorgelegte Konzept im Unternehmen des Beschwerdeführers so gehandhabt werde, weshalb auch eine Einvernahme des dazu namhaft gemachten Zeugen entbehrlich sei. Allerdings sei auch diesen umfangreichen Unterlagen nicht zu entnehmen, wie die Kontrolle des konkret beanstandeten Lebensmittels nicht in Bezug auf potenziell gesundheitsbeeinträchtigende Umstände, sondern auf die Übereinstimmung zwischen dem Lebensmittel und seiner Verpackungsdeklaration bezüglich diverser Zutaten erfolge.

Es sei somit im gesamten Verfahren nicht glaubhaft gemacht worden, dass entsprechende Kontrollen im Zuständigkeitsbereich des Beschwerdeführers durchgeführt worden seien, weshalb ein Verschulden in Form von Fahrlässigkeit gemäß § 5 VStG vorliege und daher der Schuldspruch des angefochtenen Bescheides zu bestätigen sei.

1.3. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der inhaltliche Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

1.4. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und begehrte Aufwandersatz.

2. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

2.1. Die maßgeblichen Bestimmungen des Bundesgesetzes vom 23. Jänner 1975 über den Verkehr mit Lebensmitteln einschließlich Nahrungsergänzungsmittel, Zusatzstoffen, kosmetischen Mitteln und Gebrauchsgegenständen (Lebensmittelgesetz 1975 - LMG 1975), BGBl. Nr. 86/1975 in der Fassung BGBl. Nr. 69/2003, lauten auszugsweise:

"II. ABSCHNITT

Lebensmittelverkehr

§ 7. (1) Es ist verboten, Lebensmittel, Nahrungsergänzungsmittel und Zusatzstoffe in Verkehr zu bringen, die

...

c) falsch bezeichnet sind oder

...

Begriffsbestimmungen

§ 8. Lebensmittel, Nahrungsergänzungsmittel und Zusatzstoffe sind

...

f) falsch bezeichnet, wenn sie mit zur Irreführung geeigneten Angaben über Umstände, die nach der Verkehrsauffassung, insbesondere nach der Verbrauchererwartung wesentlich sind, wie über Art, Herkunft, Verwendbarkeit, Haltbarkeit, Zeitpunkt der Herstellung, Beschaffenheit, Gehalt an wertbestimmenden Bestandteilen, Menge, Maß, Zahl oder Gewicht, oder in solcher Form oder Aufmachung oder mit verbotenen krankheitsbezogenen Angaben (§ 9) in Verkehr gebracht werden;

...

Verwaltungsstrafen

§ 74. (1) Wer Lebensmittel, Nahrungsergänzungsmittel oder Zusatzstoffe, kosmetische Mittel oder Gebrauchsgegenstände der im § 6 lit. a, b oder e bezeichneten Art falsch bezeichnet, oder Lebensmittel, Nahrungsergänzungsmittel oder Zusatzstoffe, kosmetische Mittel, die falsch bezeichnet sind, oder solche falsch bezeichneten Gebrauchsgegenstände in Verkehr bringt, macht sich, sofern die Tat nicht nach § 63 Abs. 2 Z 1 einer strengeren Strafe unterliegt, einer Verwaltungsübertretung schuldig und ist von der Bezirksverwaltungsbehörde mit Geldstrafe bis zu 7 300 Euro zu bestrafen."

2.2. Gemäß Art. 2 lit. a i) der Richtlinie 2000/13/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. März 2000 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Etikettierung und Aufmachung von Lebensmitteln sowie die Werbung hierfür (im Folgenden: Richtlinie 2000/13/EG), ABl. Nr. L 109 vom 6. Mai 2000, S. 0029 - 0042, dürfen die Etikettierung und die Art und Weise, in der sie erfolgt, nicht geeignet sein, den Käufer irrezuführen, und zwar insbesondere nicht über die Eigenschaften des Lebensmittels, namentlich über Art, Identität, Beschaffenheit, Zusammensetzung, Menge, Haltbarkeit, Ursprung oder Herkunft und Herstellungs- oder Gewinnungsart.

2.3. Unter Inverkehrbringen ist nach § 1 Abs. 2 LMG 1975 das Gewinnen, Herstellen, Behandeln, Einführen, Lagern, Verpacken, Bezeichnen, Feilhalten, Ankündigen, Werben, Verkaufen, jedes sonstige Überlassen und das Verwenden für andere zu verstehen, sofern es zu Erwerbszwecken oder für Zwecke der Gemeinschaftsversorgung geschieht.

2.4. Das in Rede stehende Produkt wurde in der im angefochtenen Bescheid näher bezeichneten Betriebsstätte zum Verkauf angeboten und somit gemäß § 1 Abs. 2 LMG 1975 in Verkehr gebracht.

2.5. Nach den vom Beschwerdeführer unbestrittenen Feststellungen der belangten Behörde enthielt das gegenständliche Produkt mit Ausnahme von Rindfleisch keine der auf dem Etikett angeführten Zutaten.

2.6. Nach dem Wortlaut des § 8 lit. f LMG 1975 kommt es hinsichtlich der Umstände, auf die sich die Angaben, die nicht irreführend sein dürfen, beziehen können, auf die Verkehrsauffassung, insbesondere die Verbrauchererwartung, darüber an, welche Angaben wesentlich sind. Das Gesetz nennt hiefür beispielsweise Angaben über Art, Herkunft, Verwendbarkeit, Haltbarkeit, Zeitpunkt der Herstellung, Beschaffenheit, Gehalt an wertbestimmenden Bestandteilen, Menge, Maß, Zahl oder Gewicht. Das Gesetz erfasst jedenfalls Angaben über die "Beschaffenheit" und erstreckt sich im Hinblick auf die demonstrative Aufzählung in § 8 lit. f LMG 1975 auch auf andere Umstände, die nach der Verkehrsauffassung wesentlich sind, sodass insbesondere die in Art. 2 der Richtlinie 2000/13/EG genannte "Zusammensetzung" ebenfalls vom Irreführungsverbot umfasst ist (vgl. dazu beispielsweise das hg. Erkenntnis 4. Juli 2005, Zl. 2001/10/0247).

Hinsichtlich der Angaben über die in dem gegenständlichen Produkt enthaltenen Zutaten hat die belangte Behörde zutreffend angenommen, dass diese nach der Verbrauchererwartung "wesentlich" im Sinne des § 8 lit. f LMG 1975 sind. Die Angabe über die in einem Lebensmittel enthaltenen Zutaten fällt somit grundsätzlich in den Anwendungsbereich des § 8 lit. f LMG 1975. Die Strafbarkeit ist daher nach innerstaatlichem Recht gegeben, wenn eine solche Angabe irreführend ist. Eines Rückgriffs auf Gemeinschaftsrecht bedarf es insofern nicht. Angaben über die Zusammensetzung eines Lebensmittels sind angesichts der großen Bedeutung, die in der Öffentlichkeit ernährungswissenschaftlichen Aspekten beigemessen werden, als nach der Verkehrsauffassung wesentlich anzusehen (vgl. zu den Angaben über den Fettgehalt eines Milchprodukts das hg. Erkenntnis vom 4. Juli 2005, Zl. 2001/10/0247).

Wie auch in der Literatur (vgl. Barfuß ua., Lebensmittelrecht2, Teil Ia, Kommentar zu § 8 LMG, 19) zu § 8 LMG vertreten wird, liegt der Tatbestand der Irreführung beziehungsweise der Eignung zur Irreführung im Sinne der Judikatur zu § 2 UWG dann vor, wenn ein nicht unerheblicher Teil der Betroffenen durch bestimmte Angaben irregeführt werden kann (vgl. zum Abstellen auf die Rechtsprechung zu § 2 UWG auch im Zusammenhang mit dem Begriff der Irreführung nach dem LMG 1975 beispielsweise das hg. Erkenntnis vom 18. Mai 2004, Zl. 2003/10/0028). Im Hinblick auf die große Bedeutung, die in der Öffentlichkeit dem Konsum von Lebensmitteln, die bestimmte Inhalte aufweisen, beigemessen wird, ist nicht von der Hand zu weisen, dass die unzutreffenden Zutatenangaben in Zusammenhang mit der deutlichen und ins Auge springenden Angabe "küchenfertig zubereitet" auf der Verpackung einen großen Teil von Verbrauchern tatsächlich irreführen kann.

Die unzutreffende Angabe der Zusammensetzung des gegenständlichen Produkts war daher entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers im Sinne von § 8 lit. f LMG 1975 jedenfalls zur Irreführung geeignet. Durch das Anbieten des gegenständlichen Produkts, das unrichtige Angaben über seine Zusammensetzung enthielt, wurde somit der Tatbestand des Inverkehrbringens falsch bezeichneter Lebensmittel (§ 7 Abs. 1 lit. c LMG 1975) verwirklicht. Dieser Umstand ist auch dem Spruch des angefochtenen Bescheides in Übereinstimmung mit § 44a Z 1 und Z 2 VStG mit hinreichender Genauigkeit zu entnehmen.

2.7. Der Beschwerdeführer bestreitet insbesondere, dass ihm ein sorgfaltswidriges und damit fahrlässiges Verhalten vorzuwerfen sei. Er beruft sich dabei darauf, dass von ihm etliche Gutachten des Instituts Dr. E. GmbH sowie die eidesstattliche Erklärung des W. vorgelegt worden seien. Die Wareneingangskontrollen hätten im Unternehmen L. streng nach dem "L.-HACCP-Konzept" zu erfolgen. Diese Kontrollen müssten aber beschränkt bleiben, weil anderenfalls der gesamte Warenumsatz zum Erliegen kommen würde. Es würden daher bei kühlpflichtigen Artikeln Temperaturmessungen durchgeführt sowie das Mindesthaltbarkeitsdatum überprüft. Die weitere Kennzeichnung werde auf augenfällige Mängel geprüft, etwa auf das Vorhandensein einer deutschsprachigen Kennzeichnung, der Nettofüllmenge oder des Herstellers/Vertreibers. "Tiefergehende Rechtsfragen" könnten im Zuge der täglichen Warenübernahme nicht geprüft werden. Würden sich dabei keine Mängel ergeben, würden die Waren "freigegeben". Eine Kontrolle der übernommenen Lebensmittel in jede Richtung bei Wareneingang, insbesondere durch Entnahme von Proben und Übersendung an eine Lebensmitteluntersuchungsanstalt sei weder zeitlich noch wirtschaftlich möglich und zumutbar. Die durchgeführten Wareneingangskontrollen würden jedenfalls dem objektiven Sorgfaltsmaßstab, der in der gesamten Branche üblich sei, entsprechen. Der vorliegende Mangel, sollte er überhaupt gegeben sein, habe aber bei den Wareneingangskontrollen nicht auffallen können. Von den Lieferanten als Hersteller, die primär für die Produktqualität verantwortlich seien, würden regelmäßig Untersuchungszeugnisse bei unabhängigen Anstalten verlangt und würde sich das Unternehmen L. diese vorlegen lassen. Aus diesen Untersuchungszeugnissen, die auch im Akt erliegen würden, gehe die einwandfreie Beschaffenheit der Ware hervor, insbesondere ließen sich keine Mängel der beschriebenen Art entnehmen. Auf die Richtigkeit dieser Gutachten der Dr. E. GmbH hätte sich der Beschwerdeführer verlassen können müssen. Weitere Kontrollen seien im täglichen Geschäftsverkehr weder durchführbar noch zumutbar. Es könne dem Beschwerdeführer daher keinesfalls ein Vorwurf gemacht werden. Das Verfahren sei daher schon wegen fehlenden Verschuldens des Beschwerdeführers einzustellen gewesen.

Objektiv sorgfaltswidrig hätte der Beschwerdeführer nur dann gehandelt, wenn sich ein einsichtiger und besonnener Mensch des Verkehrskreises, dem der Beschwerdeführer angehöre, an seiner Stelle anders verhalten hätte. Dem Verkehrskreis, dem der Beschwerdeführer angehöre, sei jener der für den zentralen Einkauf großer Lebensmittelhandelsketten (z.B. Billa, Spar, Zielpunkt, ADEG oder Hofer) verantwortlichen Personen. Es stelle sich die Frage, ob der durchschnittliche Verkehrsteilnehmer bei Wareneingang überprüfe oder überprüfen lasse, ob die deklarierten mit den tatsächlich vorhandenen Zutaten eines von einem dritten in Deutschland ansässigen Unternehmen bezogenen Lebensmittels übereinstimmen würden. Im Übrigen gelte auch in diesem Bereich der Vertrauensgrundsatz. Gerade in einem gemeinsamen Markt müsse sich der Beschwerdeführer bei einem aus Deutschland gelieferten Lebensmittel darauf verlassen können, dass dieses allen gemeinsamen Rechtsvorschriften entspreche. Auch in Deutschland sei es unzulässig, Zutaten zu deklarieren, die nicht in dem Produkt enthalten seien. Auf die Zusicherungen eines deutschen Unternehmens müsse sich der Beschwerdeführer genauso verlassen können wie auf jene eines österreichischen Unternehmens.

Insgesamt seien daher die im Unternehmen L. durchgeführten stichprobenartigen Kontrollen völlig ausreichend und üblich, jedenfalls soferne die Ware aus einem Mitgliedstaat der Europäischen Union komme, keine Anhaltspunkte für Mängel vorliegen würden und durch Gutachten die grundsätzliche Verkehrsfähigkeit nachgewiesen sei, selbst wenn Ausreißerprobleme, wie das vorliegende, dabei nicht konkret untersucht worden seien.

2.8. Mit diesem Vorbringen verkennt der Beschwerdeführer die Rechtslage:

Wenn eine Verwaltungsvorschrift über das Verschulden nichts anderes bestimmt, genügt nach § 5 Abs. 1 VStG zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten. Fahrlässigkeit ist bei Zuwiderhandeln gegen ein Verbot oder bei Nichtbefolgung eines Gebotes dann ohne weiteres anzunehmen, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und der Täter nicht glaubhaft macht, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft.

§ 74 Abs. 1 LMG 1975 enthält keine Bestimmung über das Verschulden. Zum Tatbestand des Inverkehrbringens eines falsch bezeichneten Lebensmittels gehört weder der Eintritt eines Schadens noch einer Gefahr; es handelt sich somit um ein sogenanntes Ungehorsamsdelikt. Dies bedeutet, dass der Beschwerdeführer glaubhaft zu machen hatte, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden traf (vgl. das hg. Erkenntnis vom 3. März 1995, Zl. 95/10/0056).

Dies ist dem Beschwerdeführer aber nicht gelungen. Es wäre Sache des Beschwerdeführers gewesen, von sich aus der Behörde Art und Funktionsweise der von dem Dr. E. Institut durchgeführten Untersuchungen beziehungsweise Tests bekannt zu geben und darzulegen, dass er sich durch eine entsprechende Kontrolle vergewissert hat, dass diese Tests Gewähr für die Richtigkeit der in der Zutatenliste angeführten Ingredienzien bieten. Wie der Verwaltungsgerichtshof schon in seinem Erkenntnis vom 12. Jänner 1989, Zl. 88/10/0169, und weiter in seinem Erkenntnis vom 3. August 1995, Zl. 95/10/0056, ausgesprochen hat, trifft den für die Einhaltung der lebensmittelrechtlichen Vorschriften Verantwortlichen im Falle der Beiziehung eines Sachverständigen diesem gegenüber eine gewisse Kontrollpflicht. So hat er das Gutachten des Sachverständigen nicht nur auf seine Vollständigkeit, sondern auch daraufhin zu überprüfen, ob ihm sonstige, auch für einen Laien bei Anwendung der nötigen und zumutbaren Sorgfalt erkennbare Mängel anhaften, wie etwa, dass es auf offenkundig unrichtigen Voraussetzungen beruht. Diese Kontrollpflicht wurde selbst für den Fall angenommen, dass der für die Einhaltung der lebensmittelrechtlichen Vorschriften Verantwortliche einen Sachverständigen mit der Erstellung eines auf die konkreten Verhältnisse im Betrieb bezogenen Gutachtens beauftragt.

Umso mehr muss eine Kontrollpflicht in einem Fall wie dem vorliegenden angenommen werden, wo dem Beschwerdeführer - wie die belangte Behörde zutreffend anmerkt - nach der vorliegenden Untersuchung des Dr. E. Instituts keine Informationen über die tatsächlich im gegenständlichen Produkt enthaltenen Zutaten zur Verfügung standen, sondern hinsichtlich der Zusammensetzung des Produkts lediglich die nicht näher erhärteten Angaben der Herstellerfirma. Die vom Dr. E. Institut durchgeführten Untersuchungen dienten der Überprüfung des angegebenen Mindesthaltbarkeitsdatums sowie der Verkehrsfähigkeit. Sie umfassten aber nicht die Kontrolle der Zusammensetzung des Produkts im Hinblick auf die in Rede stehenden Zutaten. Die Wareneingangstests unter Zugrundelegung des "L.-HACCP-Konzepts" waren ebenso wenig auf eine Überprüfung der enthaltenen Zutaten gerichtet. Der Beschwerdeführer durfte sich nicht allein auf die ihm vorliegenden unzureichenden Informationen und die von ihm beschriebenen Kontrollen beziehungsweise auf die Angaben des Herstellers verlassen (vgl. zum Vertrauen auf Herstellerangaben das hg. Erkenntnis vom 6. Mai 1996, Zl. 94/10/0116). Der Beschwerdeführer musste sich vielmehr über Art und Funktionsweise der diversen Untersuchungen informieren und - erforderlichenfalls -

sich durch Beiziehung eines Sachverständigen und weiterer Untersuchungen Gewissheit darüber verschaffen, dass diese Tests Gewähr dafür boten, dass das gegenständliche Produkt tatsächlich die in der Etikettierung aufgelisteten Zutaten enthielt, beziehungsweise hatte er solche Kontrollen von sich aus zu veranlassen. Eine solche Vorgangsweise wäre auch einer einsichtigen Person aus dem Verkehrskreis des Beschwerdeführers zumutbar.

Der Beschwerdeführer hat der Behörde gegenüber jedoch weder die Art und die Funktionsweise der durchgeführten Tests dargelegt, noch behauptet, dass er ihre Funktionstüchtigkeit im Hinblick auf die Zusammensetzung des Produkts überprüft habe. Die Ausführungen des Beschwerdeführers lassen erkennen, dass Kontrollen hinsichtlich der Übereinstimmung der angeführten Zutaten mit der Etikettierung offenbar nicht einmal ansatzweise durchgeführt wurden. Der Beschwerdeführer hat daher nicht im Sinne von § 5 Abs. 1 VStG dargetan, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden treffe.

2.9. Auf die im Zusammenhang mit der beantragten Einvernahme des Zeugen W. und der Durchführung eines Lokalaugenscheins sowie der Gewinnung und Verwertung der Aussagen des genannten Zeugen vom Beschwerdeführer behauptete Verletzung von Verfahrensvorschriften braucht nicht eingegangen werden, da das Verschulden des Beschwerdeführers auf Umständen basiert, die mit dem Beweisthema, zu dem die erwähnten Zeugen gehört werden sollten, beziehungsweise mit den Ergebnissen, die durch den Lokalaugenschein nach Ansicht des Beschwerdeführers erzielt werden sollten, nichts zu tun haben.

2.10. Auch die vom Beschwerdeführer behauptete Gemeinschaftsrechtswidrigkeit liegt nicht vor. Das Gebot zur Einhaltung des LMG 1975 und daran anknüpfende Strafsanktionen stehen nicht per se im Widerspruch zum Gemeinschaftsrecht. Aus den in der Beschwerde zitierten gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen (Art. 28 EG, die Verordnung (EG) Nr. 2006/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. Oktober 2004 über die Zusammenarbeit zwischen den für die Durchsetzung der Verbraucherschutzgesetze zuständigen nationalen Behörden und Art. 19 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002) lässt sich nicht ableiten, dass die in § 74 LMG 1975 getroffene Regelung zur Sanktionierung der gegenständlichen Verwaltungsübertretung gemeinschaftsrechtswidrig wäre. Es ist insbesondere nicht ersichtlich, inwieweit Art. 19 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 vorliegend einschlägig wäre (Unternehmen, die Produkte in Verkehr bringen, sind durch Abs. 1 des Art. 19 der Verordnung erfasst; der Artikel betrifft insgesamt das Vom-Markt-Nehmen von nicht sicheren Lebensmitteln).

Vielmehr ergibt sich aus der Richtlinie 2000/13/EG und Art. 16 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 die Zulässigkeit der vom innerstaatlichen Gesetzgeber gewählten Maßnahme, die der wirksamen Verhinderung des Inverkehrbringens nicht entsprechend Art. 2 der Richtlinie gekennzeichneter Waren dient.

Nach Art. 28 EG und Art. 29 EG sind mengenmäßige Ausfuhr- und Einfuhrbeschränkungen sowie alle Maßnahmen gleicher Wirkung zwischen den Mitgliedstaaten verboten. Bei den Maßnahmen gleicher Wirkung handelt es sich nach der Rechtsprechung des EuGH (Urteil vom 11. Juli 1974, Rs 8/74, "Dassonville") um "jede Handelsregelung der Mitgliedstaaten, die geeignet ist, den innergemeinschaftlichen Handel unmittelbar oder mittelbar, tatsächlich oder potentiell zu behindern" (vgl. auch das hg. Erkenntnis vom 20. Dezember 2007, Zl. 2004/16/0138). Maßnahmen der Mitgliedstaaten, die die Warenverkehrsfreiheit beschränken, fallen nur dann unmittelbar in den Anwendungsbereich der Art. 28 ff EG, wenn der jeweilige Bereich auf gemeinschaftlicher Ebene noch nicht (abschließend) geregelt wurde (vgl. Piska in: Mayer, Kommentar zu EU- und EG-Vertrag, Art. 28 EGV Rz 32, und Becker in: Schwarze, EU-Kommentar1, Art. 30 EG Rn 85 ff). Da auch die vom Beschwerdeführer genannte Verordnung (EG) Nr. 178/2002 eine irreführende Kennzeichnung untersagt, erübrigt sich eine Prüfung der hier anzuwendenden Bestimmungen im Lichte des Art. 28 EG. Entgegen den Beschwerdeausführungen steht es dem Gesetzgeber aus dem Blickwinkel des Gemeinschaftsrechts grundsätzlich frei, für die Einhaltung lebensmittelrechtlicher Vorschriften entweder den Hersteller allein oder denjenigen, der das Produkt in den Verkehr bringt, zur Verantwort zu ziehen. An dieser Sichtweise ändert weder der grenzüberschreitende Sachverhalt noch die Tatsache etwas, dass mit Verordnung (EG) Nr. 2006/2004 eine grenzüberschreitende Amtshilfe geregelt wird. Diese Regelung bedeutet nicht, dass bei grenzüberschreitenden Sachverhalten lediglich die im Ausland befindlichen Hersteller verfolgt werden dürften. Gleiches gilt für den in der Beschwerde angezogenen Art. 19 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002. Aus der in Art. 19 Abs. 1 und 2 der Verordnung enthaltenen Anordnung zur Einleitung von Verfahren zur Rücknahme von Produkten, die die Anforderungen an die Lebensmittelsicherheit nicht erfüllen, lässt sich nicht ableiten, dass das Gemeinschaftsrecht weitergehenden Verpflichtungen der dort genannten Unternehmer im Zusammenhang mit der Etikettierung von Lebensmitteln entgegen stünde. Auch aus der genannten Bestimmung lässt sich somit nichts für den Standpunkt des Beschwerdeführers gewinnen.

Da es im Beschwerdefall um die Einhaltung von Etikettierungsvorschriften geht, stellt sich im Lichte der vorstehenden Erwägungen die in der Beschwerde vorgeschlagene gemeinschaftsrechtliche Frage, die nach der Anregung in der Beschwerde gemäß Art. 234 EG dem EuGH vorgelegt werden sollte, nicht. Darüber hinaus liegt auch der in der Frage angenommene Bezug zu grenzüberschreitenden Sachverhalten insofern nicht vor, als sich die Bestimmung auch auf die Etikettierung von inländischen Waren bezieht. Von einer Aussetzung des Verfahrens und Vorlage einer Frage der Auslegung des Gemeinschaftsrechts gemäß Art. 234 EG kann daher abgesehen werden.

Eine gesetzliche Regelung, die die Verantwortlichkeit des Vertreibers eines importierten Produkts, das nicht entsprechend Art. 2 der Richtlinie beziehungsweise entsprechend § 7 und § 8 LMG 1975 bezeichnet war, vorsieht, ist auch weder unsachlich noch unverhältnismäßig.

2.11. Aus den dargelegten Gründen erweist sich die Beschwerde daher als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

2.12. Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung-2003, BGBl. II Nr. 333.

Wien, am 3. Oktober 2008

Schlagworte

Gemeinschaftsrecht Richtlinie EURallg4

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2008:2005100147.X00

Im RIS seit

17.11.2008

Zuletzt aktualisiert am

22.08.2013
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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