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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AsylG 1997 §7;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Heinzl und die Hofräte Mag. Nedwed und Dr. N. Bachler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. S. Giendl, über die Beschwerde des M, vertreten durch die Rechtsanwaltsgemeinschaft Mory & Schellhorn OEG in 5020 Salzburg, Wolf-Dietrich-Straße 19, gegen den am 27. Dezember 2006 verkündeten und am 29. Dezember 2006 ausgefertigten Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates, Zl. 226.253/13-I/02/06, betreffend § 7 Asylgesetz 1997 (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, ein afghanischer Staatsangehöriger, reiste am 3. Oktober 2001 in das Bundesgebiet ein und beantragte am selben Tag Asyl. Zu seinen Fluchtgründen brachte er im Wesentlichen vor, er sei - wie viele seiner Familienmitglieder - Mitglied der (kommunistischen) Hezb-e Watan (Watan-Partei) und habe für diese auch während der Taliban-Herrschaft im Untergrund Propagandatätigkeit und Botendienste erledigt. Im Sommer 2001 sei er - wegen dieser Aktivitäten - von Bewaffneten gesucht worden und deshalb aus dem Herkunftsstaat geflohen.
Mit Bescheid vom 24. Jänner 2002 wies das Bundesasylamt den Asylantrag des Beschwerdeführers gemäß § 7 Asylgesetz 1997 (AsylG) ab. Die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Afghanistan erklärte es jedoch gemäß § 8 AsylG für nicht zulässig.
Gegen den abweisenden Teil des erstinstanzlichen Bescheides erhob der Beschwerdeführer Berufung an die belangte Behörde, die im Anschluss an eine Berufungsverhandlung am 23. Oktober 2006, in welcher der Beschwerdeführer neuerlich einvernommen worden war, den beigezogenen Sachverständigen mit der Erstellung eines schriftlichen Gutachtens "zu den Angaben" des Beschwerdeführers beauftragte.
In seinem Gutachten vom 5. Dezember 2006 führte der Sachverständige zunächst u.a. aus, dass die Watan-Partei die umbenannte ehemalige Volksdemokratische Partei Afghanistans (VDPA) sei, die nach der Machtübernahme der Mujaheddin im April 1992 verboten worden sei. Die Gründung von kommunistischen Parteien und die Propagierung von kommunistischen Ideen in Afghanistan sei (seither) verboten. Ehemalige Kommunisten würden in Afghanistan aber derzeit nicht verfolgt, es sei denn, sie wollten eine Partei mit einem kommunistischen Programm wiederbeleben. "Daher" - so der Gutachter weiter - seien die Angaben des Beschwerdeführers zu seiner angeblichen Tätigkeit für die Watan-Partei und seine Mitgliedschaft in dieser Partei nach 1992 nicht "authentisch". Er könne in afghanischen Städten kein Propagandamaterial verteilt haben, weil die VDPA damals in Afghanistan nicht existiert habe. Auch drohe ihm - wegen der Tätigkeit von Angehörigen für das ehemalige kommunistische Regime in Afghanistan - nach Einschätzung des Sachverständigen aus näher dargestellten Überlegungen keine Verfolgung mehr.
In der darauf folgenden mündlichen Verhandlung vom 27. Dezember 2006 nahm der Beschwerdeführer zum Sachverständigengutachten u.a. dahingehend Stellung, dass die Watan-Partei nach ihrem Verbot im Geheimen weitergearbeitet habe. Im Übrigen verwies er insbesondere auf eine von ihm vorgelegte schriftliche Bestätigung, wonach er Mitglied der Watan-Partei sei, gegen die Mujaheddin und die Taliban Widerstand geleistet habe und sein Leben bei Rückkehr nach Afghanistan deshalb weiterhin in Gefahr sei. Der Sachverständige meinte dazu, die vorgelegte Urkunde bestätige nur, dass der Beschwerdeführer "gegen die Fundamentalisten und Mitglied der Watan-Partei" sei, nicht aber, dass er "in Afghanistan für die Watan-Partei gegen die Taliban gearbeitet habe".
Im Anschluss daran wurde der angefochtene Bescheid verkündet. In der schriftlichen Bescheidausfertigung führte die belangte Behörde zunächst wörtlich aus:
"Folgender Sachverhalt wird festgestellt:
Für den als maßgeblich festgestellten Sachverhalt wird der Inhalt folgender den Parteien dieses Verfahrens zugänglichen und auch im Rahmen der öffentlichen Verhandlung der erkennenden Behörde erörterten Aktenteile zum Inhalt des gegenständlichen Bescheides erklärt, nämlich
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die Angaben der berufenden Partei zu ihren persönlichen Daten (Name, Geburtsdatum) im Wesentlichen in der Niederschrift der ergänzenden Einvernahme des unabhängigen Bundesasylsenates vom 20.11.2006, S.2;
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die Angaben in den Informationsunterlagen (s. ihre Anführung in der Niederschrift der Verhandlung des unabhängigen Bundesasylsenates, S. 3) zur politischen und menschenrechtlichen Situation im Herkunftsstaat der berufenden Partei,
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das schriftliche Gutachten des im Berufungsverfahren beigezogenen Sachverständigen vom 5.12.2006 ... sowie
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das mündlich erstattete Gutachten bzw. die Ausführungen des im Berufungsverfahren beigezogenen Sachverständigen in der Niederschrift der Verhandlung des unabhängigen Bundesasylsenates, S.3."
In der Beweiswürdigung führte die belangte Behörde aus, dem Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers nicht folgen zu können. Seine Angaben seien in den maßgeblichen Punkten mit - letztlich nicht aufklärbaren - zahlreichen Widersprüchen behaftet gewesen. Ihm mangle es insbesondere an Authentizität. So belegten die substantiiert und schlüssig dargelegten Ergebnisse der Recherchen des Sachverständigen im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers sowie die der belangten Behörde vorliegenden "Informationsunterlagen", dass dessen Angaben "zu den Fluchtgründen bzw. auch zu Umständen" seiner Person und "insbesondere zu einer ihn bedrohenden Verfolgungsgefahr" im Falle der Rückkehr nicht zutreffend seien.
Dagegen wendet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:
Die Beschwerde rügt vor allem, dass es die belangte Behörde unterlassen habe, den für die rechtliche Beurteilung maßgeblichen Sachverhalt nachvollziehbar darzustellen. Damit zeigt sie einen relevanten Verfahrensmangel auf.
Nach dem gemäß § 67 AVG auch von der Berufungsbehörde anzuwendenden § 60 AVG sind in der Begründung des Berufungsbescheides die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen. Demnach muss in der Bescheidbegründung in einer eindeutigen, die Rechtsverfolgung durch die Partei ermöglichenden und einer nachprüfenden Kontrolle durch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts zugänglichen Weise dargetan werden, welcher Sachverhalt der Entscheidung zu Grund gelegt wurde, aus welchen Erwägungen die Behörde zu der Ansicht gelangte, dass gerade dieser Sachverhalt vorliege, und aus welchen Gründen sie die Subsumtion dieses Sachverhaltes unter einen bestimmten Tatbestand als zutreffend erachtete (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom 26. Mai 2004, Zl. 2001/20/0550, mwN).
Die belangte Behörde hat sich in ihren Sachverhaltsfeststellungen darauf beschränkt, die - im Bescheid nicht näher angeführten - gutachterlichen Äußerungen zum Inhalt ihrer Entscheidung zu erklären. Auch in der Beweiswürdigung bezieht sie sich nur auf die "substantiiert und schlüssig dargelegten Ergebnisse der Recherchen des Sachverständigen" sowie auf nicht näher präzisiertes "Informationsmaterial", das gegen die Richtigkeit der Angaben des Beschwerdeführers sprechen soll. Hinzu kämen "zahlreiche Widersprüche" in der Aussage des Beschwerdeführers, die von der belangten Behörde jedoch nicht umschrieben werden. Aus alledem ist nicht nachzuvollziehen, aufgrund welcher (beweiswürdigenden) Erwägungen die belangte Behörde den Darlegungen des Sachverständigen gegenüber der gegenteiligen Aussage des Beschwerdeführers den Vorzug gegeben hat. Insbesondere findet sich keine Auseinandersetzung mit dem gegen das Gutachten erhobenen Einwand des Beschwerdeführers, allein das Verbot der kommunistischen Partei bedeute nicht, dass damit auch eine Untergrundtätigkeit ausgeschlossen wäre. Eine derartige Bescheidbegründung entspricht den oben dargestellten Begründungserfordernissen nicht und hindert die Partei an einer wirksamen Verfolgung ihrer Rechte sowie den Verwaltungsgerichtshof an der Kontrolle der inhaltlichen Richtigkeit der getroffenen Entscheidung.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Der Kostenzuspruch gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003. Wien, am 7. Oktober 2008
Schlagworte
Begründungspflicht und Verfahren vor dem VwGH Begründungsmangel als wesentlicher VerfahrensmangelBegründung BegründungsmangelEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2008:2007190056.X00Im RIS seit
07.11.2008Zuletzt aktualisiert am
04.03.2009