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19/05 Menschenrechte;Norm
FrG 1997 §36 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Heinzl sowie die Hofräte Dr. Robl und Mag. Eder, die Hofrätin Mag. Merl und den Hofrat Dr. Lukasser als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Trefil, über die Beschwerde des JK in G, geboren am 14. April 1960, vertreten durch Mag. Michael-Thomas Reichenvater, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Herrengasse 13/II, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Steiermark vom 11. Oktober 2005, Zl. 2F/497/2005, betreffend ein unbefristetes Aufenthaltsverbot, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 41,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem zitierten, im Instanzenzug ergangenen Bescheid erließ die belangte Behörde gegen den Beschwerdeführer, einen Staatsangehörigen von Ghana, gemäß § 36 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 1 und § 39 Abs. 1 des (bis 31. Dezember 2005 in Geltung gestandenen) Fremdengesetzes 1997 - FrG ein unbefristetes Aufenthaltsverbot.
Zur Begründung dieser Maßnahme verwies sie auf den Inhalt des erstinstanzlichen Bescheides und schloss sich ausdrücklich den dortigen Ausführungen "vollinhaltlich" an. Die Erstinstanz hatte in ihrem Bescheid u.a. festgestellt, dass der Beschwerdeführer am 24. August 2004 vom Landesgericht für Strafsachen Graz nach § 206 Abs. 1 StGB (schwerer sexueller Missbrauch von Unmündigen) und § 212 Abs. 1 Z 1 StGB (Missbrauch eines Autoritätsverhältnisses) zu einer Freiheitsstrafe von 30 Monaten rechtskräftig verurteilt worden sei. Der Beschwerdeführer habe mit seiner damals knapp fünfjährigen Tochter den Beischlaf vollzogen und weiters sie durch Drohung zumindest mit einer Verletzung am Körper dazu genötigt, niemandem von dem beschriebenen sexuellen Missbrauch zu erzählen. (Gemäß dem im Akt erliegenden Urteil wurde die Verurteilung weiters auf § 211 Abs. 1 StGB (Blutschande) sowie § 105 Abs. 1 StGB (Nötigung) gestützt.)
Weiters hatte die Behörde erster Instanz festgestellt, dass sich der Beschwerdeführer seit dem Jahr 1990 im Inland aufhalte und hier auch seine Frau und seine Kinder lebten.
Die belangte Behörde folgerte in rechtlicher Hinsicht erkennbar, dass der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z 1 FrG erfüllt sei; wegen der Verurteilung zu 30 Monaten Freiheitsstrafe komme dem Beschwerdeführer ein Verfestigungstatbestand nach § 38 FrG nicht zugute. Angesichts seines verwerflichen Fehlverhaltens sei die für die Integration wesentliche soziale Komponente erheblich beeinträchtigt worden. Der Beschwerdeführer könne Kontakte zu seiner Ehefrau und seinen Kindern durch deren Besuche im Ausland zumindest in einem eingeschränkten Umfang aufrecht erhalten. Die Erschwerung der bisherigen Kontakte stelle die unvermeidliche Konsequenz des Aufenthaltsverbotes dar.
Letztlich sah sich die belangte Behörde außer Stande, das ihr eingeräumte Ermessen nach § 36 Abs. 1 FrG zu Gunsten des Beschwerdeführers auszuüben.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde nach Vorlage der Verwaltungsakten seitens der belangten Behörde erwogen:
Gemäß § 36 Abs. 1 FrG kann gegen einen Fremden ein Aufenthaltsverbot erlassen werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass sein Aufenthalt die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit gefährdet (Z 1) oder anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen (diese Konventionsbestimmung nennt die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung, die Verhinderung von strafbaren Handlungen, den Schutz der Gesundheit und der Moral und den Schutz der Rechte und Freiheiten anderer) zuwiderläuft (Z 2).
In § 36 Abs. 2 FrG sind demonstrativ Sachverhalte angeführt, die als bestimmte Tatsachen im Sinn des § 36 Abs. 1 leg. cit. gelten, bei deren Verwirklichung die dort genannte Annahme gerechtfertigt sein kann. Bei der Erstellung der für jedes Aufenthaltsverbot zu treffenden Gefährlichkeitsprognose ist das Gesamtverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen und auf Grund konkreter Feststellungen eine Beurteilung dahin vorzunehmen, ob und im Hinblick auf welche Umstände die in § 36 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme gerechtfertigt ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 26. April 2005, Zl. 2005/21/0044).
Der Beschwerdeführer bestreitet nicht die behördlichen Feststellungen. Ausgehend von seiner rechtskräftigen Verurteilung wurde somit der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z 1 (erster Fall) FrG erfüllt. Sein äußerst schwerwiegendes Fehlverhalten begründet auch zweifellos die Gefährdungsprognose nach § 36 Abs. 1 FrG.
Gemäß § 37 Abs. 1 FrG ist, würde u.a. durch ein Aufenthaltsverbot in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, diese Maßnahme nur zulässig, wenn sie zur Erreichung der in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist. Nach § 37 Abs. 2 FrG ist das Aufenthaltsverbot unzulässig, wenn dessen Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden und seiner Familie schwerer wiegen als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von dessen Erlassung.
Mit dem Hinweis, dass er Alleinerhalter einer fünfköpfigen Familie und bis zu seiner Verhaftung auch einer geregelten Beschäftigung nachgegangen sei, wendet sich der Beschwerdeführer gegen das Ergebnis der von der belangten Behörde nach § 37 FrG vorgenommenen Beurteilung. Bereits die Behörde erster Instanz hat zutreffend darauf hingewiesen, dass es zu den grundlegenden Aufgaben des Staates gehöre, Personen vor körperlicher und psychischer Gewaltanwendung zu schützen. Fremde, für die das körperliche und geistige Wohlbefinden von Kindern - zumal eigenen Kindern - keine Rolle spiele und die zur Erreichung eigener Wünsche bereit seien, Kindern schweren psychischen und physischen Belastungen nachhaltigst auszusetzen, würden dieses Grundziel des Staates auf das Schwerste missachten. Gerade im Bereich von Sexualdelikten könne "nur selten" mit einer Verhaltensverbesserung des Täters gerechnet werden. Die Setzung fremdenpolizeilicher Maßnahmen sei zum Schutz der potentiellen Opfer - hier vor allem von Kindern - dringend erforderlich und es sei diese Maßnahme dringend geboten. Das vom Beschwerdeführer gesetzte Verhalten zeige eine krasse Missachtung des Wertgefühls und des Anstandes anderer Personen und lasse auf einen besonders verwerflichen Charakter schließen.
Völlig zutreffend wies die erstinstanzliche Behörde weiters darauf hin, dass der mit dem Aufenthaltsverbot verbundene Eingriff in das Familienleben des Beschwerdeführers dadurch relativiert sei, dass es gerade in diesem Bereich zu den strafbaren Übergriffen gekommen sei und die Familie als besonders schützenswert zu betrachten sei. Es wäre in diesem Zusammenhang geradezu vermessen, diese Bindung zu Gunsten des Beschwerdeführers auszulegen.
Diesen Ausführungen bleibt nichts hinzuzufügen. Auch wenn der Beschwerdeführer auf einen langjährigen Aufenthalt im Inland verweisen kann, erreichen seine persönlichen Interessen an einem Verbleib im Bundesgebiet bei weitem nicht das Gewicht, das dem öffentlichen Interesse an der Unterbindung derartiger strafbarer Handlungen im Sinne des Schutzes der eigenen Kinder des Straftäters zukommt. Der Gesetzgeber schloss die Anwendung eines an sich verwirklichten Verfestigungstatbestandes gegen die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes aus, wenn der Fremde zu einer Freiheitsstrafe von mehr als zwei Jahren verurteilt wurde (§ 38 Abs. 1 Z 3 FrG); dies losgelöst von der Art der strafbaren Handlung. Umso weniger kann im vorliegenden Fall die Beachtung privater und familiärer Interessen des Beschwerdeführers zu einer Unzulässigkeit des Aufenthaltsverbotes führen, wenn die strafbaren Handlungen gegen die eigene Familie gesetzt wurden.
Nicht nachvollziehbar ist der Beschwerdevorwurf, die belangte Behörde habe eine antizipierende Beweiswürdigung vorgenommen. Es wird nämlich nicht aufgezeigt, welches konkrete Vorbringen dem Beschwerdeführer zu erstatten verwehrt worden wäre und welche konkreten Feststellungen die belangte Behörde hätte treffen können. Daher kann der belangten Behörde nicht ein fehlerhaftes Ermittlungsverfahren vorgeworfen werden.
Da somit dem angefochtenen Bescheid die behauptete Rechtswidrigkeit nicht anhaftet, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Durchführung der beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG unterbleiben.
Die Kostenentscheidung beruht - im begehrten Ausmaß - auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.
Wien, am 14. Oktober 2008
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2008:2008220546.X00Im RIS seit
13.11.2008Zuletzt aktualisiert am
27.02.2009