TE Vwgh Erkenntnis 2008/10/14 2008/22/0046

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 14.10.2008
beobachten
merken

Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 1997 §8;
AVG §37;
AVG §68 Abs1;
FrG 1997 §10 Abs4;
FrG 1997 §57 Abs1;
FrG 1997 §57 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z1;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):2008/22/0047

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Heinzl und die Hofräte Dr. Robl und Mag. Eder, die Hofrätin Mag. Merl und den Hofrat Dr. Lukasser als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Trefil, über die Beschwerde des US in S, geboren am 7. Juli 1974, vertreten durch Dr. Heinrich Schellhorn, Rechtsanwalt in 5020 Salzburg, Wolf-Dietrich-Straße 19, gegen die Bescheide der Bundesministerin für Inneres 1. vom 3. November 2005, Zl. 143.637/2-III/4/05, und 2. vom 4. November 2005, Zl. 143.637/5-III/4/05, jeweils betreffend Niederlassungsbewilligung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die angefochtenen Bescheide werden wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit den angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheiden wies die belangte Behörde Anträge des Beschwerdeführers, eines nigerianischen Staatsangehörigen, auf Erteilung von Niederlassungsbewilligungen gemäß §§ 19 Abs. 2 Z 6 und 10 Abs. 4 bzw. § 14 Abs. 2 Fremdengesetz 1997 - FrG ab.

Begründend führte die belangte Behörde im erstangefochtenen Bescheid aus, die vom Beschwerdeführer im Verfahren geltend gemachten humanitären besonders berücksichtigungswürdigen Gründe seien bereits im "ersten Asylverfahren" des Beschwerdeführers geprüft worden. Dieses sei "rechtskräftig negativ" abgeschlossen. Der unabhängige Bundesasylsenat habe festgestellt, dass eine aktuelle Verfolgungsgefahr aus einem in der Genfer Flüchtlingskonvention angeführten Grund nicht gegeben sei. Der Beschwerdeführer habe die behaupteten Fluchtgründe, nämlich den im Jahr 2001 erfolgten Übertritt zum Christentum und die Verfolgung durch eine nicht näher bezeichnete moslemische Organisation, nicht glaubhaft machen können. Auch seien im Asylverfahren keine Hinweise auf "außergewöhnliche Umstände" gefunden worden. Aus diesem Grund könnten weder der Übertritt zum christlichen Glauben noch geltend gemachte wirtschaftliche Aspekte als besonders berücksichtigungswürdige Gründe im Sinne des § 10 Abs. 4 FrG anerkannt werden. Sohin sei auch eine Inlandsantragstellung nach § 14 Abs. 2 letzter Satz FrG nicht möglich. In der Begründung des zweitangefochtenen Bescheides verwies die belangte Behörde auf das Ergebnis der Prüfung humanitärer Gründe im erstangefochtenen Bescheid und verneinte ebenfalls die Zulässigkeit der Inlandsantragstellung.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diese Bescheide gerichtete Beschwerde nach Vorlage der Akten durch die belangte Behörde erwogen:

Vorweg ist darauf hinzuweisen, dass im Hinblick auf den Zeitpunkt der Erlassung der angefochtenen Bescheide die gegenständlichen Fälle nach der Rechtslage des (am 31. Dezember 2005 außer Kraft getretenen) FrG zu beurteilen sind.

Unbestritten ist, dass es sich bei den vom Beschwerdeführer gestellten Anträgen um solche auf Erteilung von Erstniederlassungsbewilligungen handelt und er diese im Inland eingebracht hat. Fallbezogen könnten die Anträge gemäß § 14 Abs. 2 letzter Satz FrG nur bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 10 Abs. 4 FrG für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen im Inland gestellt werden. § 10 Abs. 4 FrG stellt auf mit besonderen Gefährdungen bzw. Notlagen verbundene Lebensumstände eines Fremden ab, die dazu Anlass geben, diesem aus humanitären Gründen eine Aufenthaltserlaubnis zukommen zu lassen. Weiters liegt ein besonders berücksichtigungswürdiger Fall im Sinne des § 10 Abs. 4 FrG auch dann vor, wenn - ausnahmsweise - ein aus Art. 8 EMRK abzuleitender Anspruch besteht (vgl. das hg. Erkenntnis vom 28. August 2008, 2008/22/0379).

Der Beschwerdeführer brachte im Verwaltungsverfahren vor, dass ihm in seinem Heimatland Nigeria wegen seines 2004 erfolgten Übertritts zum christlichen Glauben und seiner seit dieser Zeit bestehenden Zugehörigkeit zur katholischen Kirche (asylrelevante) Verfolgung drohen würde.

Dazu führte die belangte Behörde aus, dass diese Gründe bereits im "ersten Asylverfahren" geprüft worden seien. Dieses sei "rechtskräftig negativ" abgeschlossen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits ausgesprochen, dass auf Grund der rechtskräftigen Feststellung der Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung eines Fremden in seine Heimat im Rahmen der Abweisung seines Asylantrages feststeht, dass er in seiner Heimat keiner Gefährdung oder Bedrohung im Sinn von § 57 Abs. 1 oder Abs. 2 FrG ausgesetzt ist, sofern nicht in den als maßgeblich erachteten tatsächlichen Umständen eine Änderung eingetreten ist, der für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen rechtliche Relevanz für die Entscheidung über das Vorliegen eines humanitären Grundes in Form einer Gefährdung oder Bedrohung im Sinn von § 57 Abs. 1 oder Abs. 2 FrG zukommt. Die behauptete Sachverhaltsänderung muss zumindest einen glaubhaften Kern aufweisen, an den die für eine neuerliche Entscheidung positive Prognose anknüpfen kann (vgl. das hg. Erkenntnis vom 28. August 2008, 2008/22/0039).

Bei ihrer Beurteilung, das vom Beschwerdeführer geltend gemachte Vorbringen könne infolge der negativen Entscheidung im Asylverfahren im nunmehr gegenständlichen Verfahren keine Relevanz haben, übersieht die belangte Behörde, dass im von ihr angeführten Asylverfahren - so wie auch von der belangten Behörde im erstangefochtenen Bescheid konstatiert - davon ausgegangen wurde, das Vorbringen des Beschwerdeführers zur im Jahr 2001 erfolgten Konvertierung zum Christentum sei als unglaubwürdig anzusehen, weshalb auch keine asylrelevante Verfolgung oder Bedrohung im Sinne des § 57 FrG anzunehmen sei.

In der Beschwerde wird dazu - zutreffend - gerügt, dass in den hier gegenständlichen Verfahren ein gegenüber dem Asylverfahren geänderter Sachverhalt geltend gemacht worden sei, mit dem sich die belangte Behörde, ohne dass eine Bindung an die frühere Entscheidung der Asylbehörde bestehen würde, hätte auseinander setzen müssen. Der Beschwerdeführer habe vorgebracht, er sei nach Abschluss des Asylverfahrens am 21. November 2004 in die katholische Kirche aufgenommen worden. Dazu legte er auch Bescheinigungen des Stadtpfarramtes St. Elisabeth der Erzdiözese Salzburg vor.

Dies aber hatte zur Folge, dass nun nicht mehr ohne Weiteres davon ausgegangen werden konnte, das Vorbringen des Beschwerdeführers, er werde in Nigeria im Falle einer Rückkehr wegen seines christlichen Glaubens verfolgt werden, sei deswegen als nicht relevant anzusehen, weil sein behaupteter im Jahr 2001 erfolgter Übertritt zum christlichen Glauben nicht festgestellt habe werden können. Die angefochtenen Bescheide enthalten keine Hinweise dafür, dass das Vorbringen des Beschwerdeführers zum Eintritt in die katholische Kirche im Jahr 2004 und (nunmehrigen) Bekenntnis zum christlichen Glauben unrichtig gewesen wäre. Dann aber hätte sich die belangte Behörde mit dem - im Verwaltungsverfahren näher ausgeführten - Vorbringen des Beschwerdeführers, er werde in seinem Heimatland wegen seines Glaubens (nunmehr) Verfolgung ausgesetzt sein, auseinander setzen müssen.

Da die belangte Behörde hingegen in Verkennung der Rechtslage davon ausging, dennoch an die Ergebnisse des "ersten" Asylverfahrens gebunden zu sein und nicht weiter überprüfte, ob im Hinblick auf die vom Beschwerdeführer geltend gemachte Sachverhaltsänderung eine Gefährdung oder Bedrohung im Sinne von § 57 Abs. 1 oder Abs. 2 FrG bestehe, belastete sie die angefochtenen Bescheide mit Rechtswidrigkeit ihres Inhalts, weshalb diese gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aus diesem Grund aufzuheben waren.

Die Kostenentscheidung gründet sich - im Rahmen des Begehrens - auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.

Wien, am 14. Oktober 2008

Schlagworte

Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung SachverhaltsänderungBesondere Rechtsgebiete

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2008:2008220046.X00

Im RIS seit

10.11.2008

Zuletzt aktualisiert am

27.02.2009
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten