TE Vwgh Erkenntnis 2008/10/14 2008/22/0544

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Veröffentlicht am 14.10.2008
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB);
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

ABGB §1332;
AVG §71 Abs1 Z1;
AVG §71 Abs1;
AVG §71 Abs2;
VwGG §46 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Heinzl sowie die Hofräte Dr. Robl und Mag. Eder, die Hofrätin Mag. Merl und den Hofrat Dr. Lukasser als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Trefil, über die Beschwerde des HD in G, geboren am 17. Februar 1958, vertreten durch Dr. Manfred Rath, Rechtsanwalt in 8020 Graz, Friedhofgasse 20, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Steiermark vom 18. Mai 2005, Zl. FR 563/2004, betreffend Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in Angelegenheit Aufenthaltsverbot, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 41,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom 6. Juli 2004 erließ die Bundespolizeidirektion Graz gegen den Beschwerdeführer, einen türkischen Staatsangehörigen, gemäß § 36 Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 2 Z 1 des (bis 31. Dezember 2005 in Geltung gestandenen) Fremdengesetzes 1997 - FrG ein unbefristetes Aufenthaltsverbot. Dieser Bescheid wurde dem Beschwerdeführer durch persönliche Übernahme am 12. Juli 2004 in der Justizanstalt Graz-Jakomini zugestellt.

Gegen diesen Bescheid erhob er die mit 3. August 2004 datierte und am 5. August 2004 bei der Bundespolizeidirektion Graz eingelangte Berufung, verbunden mit einem Wiedereinsetzungsantrag. Diesen Antrag begründete er im Wesentlichen damit, er sei durch ein unvorhergesehenes bzw. unabwendbares Ereignis an der rechtzeitigen Erhebung einer Berufung gehindert worden. Im bisherigen "auf Grund des gegenständlichen Vorfalles anhängigen Verfahren" (gemeint: Strafverfahren) seien sämtliche Zustellungen immer auch zu Handen seiner ausgewiesenen Vertreter vorgenommen worden. Als dem Beschwerdeführer der nunmehrige Bescheid zugestellt worden sei, sei er davon ausgegangen, dass auch dieser Bescheid auf Grund der Verteidigerbeauftragung und der im Strafakt erliegenden Vertreterbekanntgabe "automatisch" seinen ausgewiesenen Rechtsvertretern zugestellt werde und diese daher die notwendigen Rechtshandlungen zur Wahrung seiner Rechtsposition vornehmen würden. Tatsächlich habe sein Rechtsvertreter jedoch erst eher zufällig über eine Anfrage des Bruders des Beschwerdeführers am 3. August 2004 vom nunmehrigen Bescheid Kenntnis erlangt. Der Beschwerdeführer habe sich jedenfalls in einem Irrtum über die geltenden Rechtsvorschriften bzw. Behördenabläufe befunden; es sei ihm unbekannt gewesen, dass mit dem nunmehrigen Bescheid ein neues Verfahren von einer anderen Behörde zum Abschluss gebracht worden sei und diese Behörde von der Beauftragung seines Rechtsfreundes für die Verteidigung bislang keine Kenntnis gehabt habe. Dazu komme noch, dass ihm "jene Personen, welche (er) im Zusammenhang mit dem gegenständlichen Schriftstück kontaktiert habe", mitgeteilt hätten, dass sich ohnehin seine Verteidiger diesbezüglich kümmern würden und das Schriftstück "automatisch" auch diesen zugestellt würde, sodass die notwendigen Veranlassungen getroffen werden könnten.

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid wies die belangte Behörde den Wiedereinsetzungsantrag ab und die Berufung zurück. Zur Begründung führte sie im Wesentlichen aus, mangelnde Rechtskenntnis oder ein Rechtsirrtum seien nicht als ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis zu werten, das die Voraussetzung für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bilden könnte. Dem Beschwerdeführer wäre es zumutbar gewesen, nach Erhalt des erstinstanzlichen Aufenthaltsverbotsbescheides seinen im Strafverfahren ausgewiesenen Rechtsvertreter zu kontaktieren und im Zweifelsfall mit diesem den Umfang der Vertretungsvollmacht zu klären und zu besprechen und gegebenenfalls den Umfang der Vertretungsvollmacht auf Verfahren vor der Verwaltungsbehörde auszudehnen. Gegen den Beschwerdeführer sei nach seiner Verurteilung ein fremdenpolizeiliches Verfahren eingeleitet und mit Zustellung des Aufenthaltsverbotsbescheides am 12. Juli 2004 erstinstanzlich abgeschlossen worden. Auf Grund des dem Beschwerdeführer gewährten Parteiengehörs (Niederschrift vom 7. Juni 2002) habe der Beschwerdeführer davon ausgehen können, dass ihm ein Bescheid der Fremdenpolizeibehörde zugestellt werde. Auch die vom Beschwerdeführer behaupteten mangelnden deutschen Sprachkenntnisse stellten keinen Wiedereinsetzungsgrund dar.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde nach Vorlage der Verwaltungsakten seitens der belangten Behörde erwogen:

Vorerst ist anzumerken, dass die Beschwerde ausdrücklich nur gegen die Abweisung des Wiedereinsetzungsantrages, nicht jedoch gegen die Zurückweisung der Berufung gerichtet ist.

Gemäß § 71 Abs. 1 Z 1 AVG ist einer Partei, die durch die Versäumung einer Frist einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn die Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten, und sie kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft.

Zunächst ist dem Beschwerdeführer Recht zu geben, dass ein "Ereignis" im Sinn des § 71 Abs. 1 Z 1 AVG auch in einem Rechtsirrtum bestehen kann (vgl. das hg. Erkenntnis vom 17. Juli 2008, 2007/21/0227, 0228).

Im vorliegenden Fall ist jedoch dem Beschwerdeführer ein Verschulden an der Fristversäumung anzulasten, das über einen bloß minderen Grad des Versehens hinausgeht. Ein solches Verschulden hat der Verwaltungsgerichtshof etwa dann bejaht, wenn die (ausländische) Partei nicht für eine Weiterleitung eines Verfahrenshilfeantrages an den Verwaltungsgerichtshof gesorgt oder sich nicht zumindest nach dem Verbleib ihres an den Verwaltungsgerichtshof gerichteten Anbringens erkundigt hat (vgl. das hg. Erkenntnis vom 30. Jänner 2007, 2006/21/0392, 0393). Die - wenngleich nicht über ausreichende Deutschkenntnisse verfügende - Partei dürfe sich auch nicht auf die Zusage eines Bekannten verlassen, der sich als rechtskundig dargestellt und angeboten habe, den Bescheidinhalt zu übersetzen, allfällige Informationen einzuholen und das Ergebnis sowie eine juristische Empfehlung der Partei mitzuteilen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 25. September 2007, 2007/18/0321, 0322). Umso weniger darf eine Partei wie im vorliegenden Fall bloß darauf vertrauen, dass der ihr zugestellte Bescheid auch dem im Strafverfahren eingeschrittenen Vertreter zugestellt werde, ohne diesbezüglich Erkundigungen einzuholen bzw. mit dem Vertreter selbst Kontakt aufzunehmen. Dieses Verhalten stellt eine den bloß minderen Grad des Versehens übersteigende Nachlässigkeit dar. Es liegt auch nicht ein bloßes Missverständnis vor, das durch ein Gespräch mit der Kanzlei des Rechtsvertreters hervorgerufen wurde (vgl. das hg. Erkenntnis vom 27. März 1996, 95/01/0665). Im vorliegenden Fall wurde - wie bereits erwähnt - nicht einmal der Kontakt mit dem Rechtsvertreter hergestellt.

In der Beschwerde wird darauf verwiesen, dem Beschwerdeführer sei von zuständigen Betreuern in der Justizanstalt mitgeteilt worden, dass dieser Bescheid ohnehin auch an die Rechtsvertreter des Beschwerdeführers im Strafverfahren "automatisch" zugestellt werden würde und dass diese Rechtsvertreter die notwendigen Veranlassungen treffen würden. Mit diesem Vorbringen verlässt der Beschwerdeführer jedoch die Grundlagen des Verwaltungsverfahrens. Dort hatte er nämlich - wie eingangs zitiert - lediglich behauptet, dass ihm jene Personen, die er kontaktiert habe, diese Mitteilung gegeben hätten. Mit diesem Vorbringen im Verwaltungsverfahren hat er jedoch nicht in ausreichend konkreter Weise dargelegt, dass er von Personen, auf deren Aussage er sich habe verlassen dürfen, die genannte Mitteilung erhalten habe. Der Beschwerdeführer ist in diesem Zusammenhang daran zu erinnern, dass im Wiedereinsetzungsantrag bereits alle Tatsachen darzulegen sind, aus denen sich erkennen lässt, dass die Partei kein den minderen Grad des Versehens übersteigendes Verschulden trifft (vgl. das bereits zitierte hg. Erkenntnis 2006/21/0392, 0393). Es ist nicht Sache der Behörde, amtswegig darüber hinausgehende tatsächliche Umstände zu erheben, die einen Wiedereinsetzungsgrund bilden könnten (vgl. dazu das bereits zitierte hg. Erkenntnis 2007/21/0227, 0228).

Nach dem Gesagten durfte die belangte Behörde dem Wiedereinsetzungsantrag den Erfolg versagen. Somit war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht - im Ausmaß des Begehrens - auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.

Wien, am 14. Oktober 2008

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2008:2008220544.X00

Im RIS seit

13.11.2008

Zuletzt aktualisiert am

14.12.2011
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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