TE Vfgh Beschluss 2003/10/8 V90/03

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Veröffentlicht am 08.10.2003
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Index

L7 Wirtschaftsrecht
L7810 Starkstromwege

Norm

B-VG Art139 Abs1 / Individualantrag
B-VG Art144 Abs1 / Bescheid
StarkstromwegeG 1968 §5
Stmk StarkstromwegeG §5

Spruch

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung:

I. 1. Mit einem als "Bescheid" bezeichneten Verwaltungsakt vom 10. Juni 2003 erteilte der Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit der "Verbund - Austrian Power Grid AG (Verbund-APG)" (im Folgenden: Verbund) für die Dauer von 18 Monaten ab dem 24. Juni 2003 gemäß §5 des Bundesgesetzes vom 6. Feber 1968 über elektrische Leitungsanlagen, die sich auf zwei oder mehrere Bundesländer erstrecken (StarkstromwegeG 1968), BGBl. Nr. 70/1968, (in der Folge StWG) die Berechtigung, fremde Gründstücke u.a. in der Gemeinde Sinabelkirchen zur Vornahme von Vorarbeiten zu betreten und für die Ausarbeitung eines Detailprojektes für die 380 kV-Leitung "Kainachtal - Wien Südost", Teilstück "Kainachtal - Südburgenland" in Anspruch zu nehmen. Diese Bewilligung wurde u.a. der Gemeinde Sinabelkirchen mit dem Ersuchen u.a. um Bekanntmachung durch Anschlag an der Gemeindetafel und Auflage der beiliegenden Übersichtspläne zur allgemeinen Einsichtnahme übermittelt.

2. Gegen diesen Verwaltungsakt wendet sich der Einschreiter mit einem Antrag gemäß Art139 Abs1 B-VG.

Der Antragsteller begehrt die "Aufhebung der Verordnung des Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit vom 10.6.2003, Geschäftszahl 556.475/58-IV/5a/03, wegen Vorarbeiten gemäß §5 StWG; Verbund-APG; 380 kV-Leitung 'Kainachtal - Wien Südost', Teilstück 'Kainachtal - Südburgenland' wegen Gesetzwidrigkeit". An anderer Stelle führt er unter der Überschrift "Anfechtungsumfang" aus:

"Der Antragsteller erachtet den Sitz der Gesetzwidrigkeit im Spruch Teil I. des 'Bescheides' vom 10.6.2003 in seinem Punkte I. Der 'Bescheid' (richtig Verordnung) vom 10.6.2003 des Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit, angeschlagen an der Gemeindetafel Sinabelkirchen vom 16.6.2003 bis 1.7.2003, wird vom Antragsteller seinem gesamten Inhalte nach angefochten."

Zu seiner Anfechtungslegitimation führt der Antragsteller aus, "in konsequenter Anwendung" des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofs VfSlg. 15.918/2000 sei der angefochtene "Bescheid" gegenüber Grundeigentümern als Verordnung zu werten. Die Rechtssphäre des Antragstellers werde aktuell und unmittelbar beeinträchtigt, weil der Antragsteller Eigentümer im einzelnen genannter Grundstücke in der Gemeinde Sinabelkirchen sei, deren Inanspruchnahme der Verordnungstext dem Verbund für den Zeitraum von 18 Monaten ab dem 24. Juni 2003 ohne Einschränkungen erlaube. Schon durch die Generalermächtigung zugunsten des Verbundes liege ein aktueller und unmittelbarer Eingriff in die Rechtssphäre des Antragstellers vor, sodass es einer tatsächlichen Ausübung der Rechte durch den Verbund gar nicht mehr bedürfe. Auch die Unmittelbarkeit des Eingriffs liege vor, da er nach Art und Ausmaß durch die angefochtene Norm eindeutig bestimmt sei, weil der Verbund klar und eindeutig berechtigt sei, die Grundstücke des Antragstellers zu betreten, zu vermessen, Pflöcke zu setzen sowie Bäume und Büsche zu entfernen und Bodenuntersuchungen und sonstige technische Arbeiten vorzunehmen. Zur Frage der Unmittelbarkeit des Eingriffs und des Vorliegens eines "zumutbaren anderen Weges" führt der Antragsteller zudem aus, durch die generelle Bestimmung sei er bereits so gestellt, wie dies üblicherweise erst nach Erlassung individueller Normen der Fall sei. Bislang sei kein Bescheid erlassen worden, für den die Verordnung präjudiziell wäre. Durch den Individualantrag werde keine Doppelgleisigkeit des Rechtsschutzes herbeigeführt. Ein anderer Weg, die Frage der Rechtswidrigkeit der Verordnung an den Verfassungsgerichtshof heranzutragen, - denkmöglich wäre, die Vorarbeiten nach der angefochtenen Verordnung nicht zuzulassen und strafrechtliche Konsequenzen in Kauf zu nehmen - sei dem Antragsteller nicht zumutbar.

II. Der Antrag ist unzulässig:

Voraussetzung der Antragslegitimation ist einerseits, dass der Antragsteller behauptet, unmittelbar durch die angefochtene Verordnung - im Hinblick auf deren Gesetzwidrigkeit - in seinen Rechten verletzt worden zu sein, dann aber auch, dass die Verordnung für den Antragsteller tatsächlich, und zwar ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides wirksam geworden ist. Grundlegende Voraussetzung der Antragslegitimation ist, dass die Verordnung in die Rechtssphäre des Antragstellers nachteilig eingreift und diese - im Falle ihrer Gesetzwidrigkeit - verletzt.

Der Antrag kann letztlich - auch wenn der Antragsteller an einer Stelle seines Vorbringens "den Sitz der Gesetzwidrigkeit im Spruch Teil I. des 'Bescheides' [...] in seinem Punkte I." sieht - insgesamt nur dahingehend gedeutet werden, dass die Aufhebung der gesamten angefochtenen Verordnung begehrt wird. Dazu mangelt dem Antragsteller jedoch die Legitimation. Es ist nämlich offenkundig, dass keineswegs alle Bestimmungen der zur Aufhebung beantragten Verordnung derart beschaffen sind, dass sie iS des Art139 Abs1 letzter Satz B-VG und §57 Abs1 letzter Satz VfGG unmittelbar in die Rechtssphäre des Antragstellers eingreifen könnten. Beispielsweise ist darauf zu verweisen, dass der Antragsteller nicht vorbringt, Eigentümer von Grundstücken in sämtlichen der Gemeinden, auf die der angefochtene Verwaltungsakt Bezug nimmt, zu sein. Die vom angefochtenen Verwaltungsakt angeordneten Duldungspflichten der Eigentümer von Grundstücken in den Gemeinden, die außer der Gemeinde Sinabelkirchen im angefochtenen Verwaltungsakt genannt sind, können nicht in die Rechtssphäre des Antragstellers als Eigentümer von Grundflächen in der Gemeinde Sinabelkirchen eingreifen. Der auf die Aufhebung der ganzen Verordnung gerichtete Antrag ist deshalb unzulässig (vgl. zB VfSlg. 11.153/1986, 11.323/1987, 12.218/1989, 12.442/1990, 14.321/1995).

Der auf die Aufhebung der ganzen Verordnung und nicht bloß auf die Aufhebung nur des Worts "Sinabelkirchen" im Spruch des "Bescheides" gerichtete Antrag war deshalb schon aufgrund dieser Überlegungen zurückzuweisen.

Dies konnte gemäß §19 Abs3 Z2 lite VfGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung ohne vorangegangene mündliche Verhandlung beschlossen werden.

Schlagworte

Bescheidbegriff, Energierecht, Elektrizitätswesen, Verordnungsbegriff, VfGH / Legitimation, VfGH / Individualantrag

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2003:V90.2003

Dokumentnummer

JFT_09968992_03V00090_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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