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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AsylG 1997 §7;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak sowie die Hofrätin Dr. Pollak, die Hofräte MMag. Maislinger und Mag. Dr. Wurdinger und die Hofrätin Mag. Rehak als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Marzi, über die Beschwerde des U in S, geboren am 9. Mai 1980, vertreten durch Dr. Klaus Kocher und Mag. Wilfried Bucher, Rechtsanwälte in 8010 Graz, Sackstraße 36, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 12. Februar 2007, Zl. 260.779/0/4E-X/47/05, betreffend Zurückweisung einer Berufung in einer Asylangelegenheit als unzulässig (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger der Russischen Föderation tschetschenischer Volksgruppenzugehörigkeit, stellte am 29. Juni 2004 einen Asylantrag. Er reiste gemeinsam mit seiner Ehefrau und dem gemeinsamen Sohn, die ebenfalls Asylanträge stellten, in das Bundesgebiet ein. Seine Ehefrau erteilte am 14. Juli 2004 Herrn Michael G, p.A. "Asyl in Not" - Unterstützungskomitee für politisch verfolgte Ausländer, eine schriftliche Vollmacht zur Vertretung in ihrem Asylverfahren. Bei seiner Einvernahme vor dem Bundesasylamt am 10. Mai 2005 erklärte der Beschwerdeführer, dass er ebenfalls von Michael G im Asylverfahren vertreten werde (vgl. Seite 89 des erstinstanzlichen Verwaltungsaktes).
Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 13. Mai 2005 wurde der Asylantrag des Beschwerdeführers gemäß § 7 Asylgesetz 1997 (AsylG) abgewiesen, die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung "nach Russland" gemäß § 8 Abs. 1 AsylG für zulässig erklärt und der Beschwerdeführer gemäß § 8 Abs. 2 AsylG "aus dem österreichischen Bundesgebiet" ausgewiesen. Dieser Bescheid wurde an Michael G als Vertreter des Beschwerdeführers am 17. Mai 2005 zugestellt.
Gegen diesen Bescheid erhob Herr G mit Schriftsatz vom 23. Mai 2005 namens des Beschwerdeführers Berufung.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde diese Berufung als unzulässig zurück. Begründend führte sie (zusammengefasst) aus, dem Akt des Bundesasylamtes sei nicht zu entnehmen, dass der Beschwerdeführer Herrn G eine Vollmacht erteilt habe, weshalb dieser nicht berechtigt sei, als Vertreter des Beschwerdeführers einzuschreiten. Da der Bescheid überdies nicht an den Beschwerdeführer, sondern an den nicht zur Vertretung bevollmächtigten Herrn G zugestellt worden sei, sei er nicht rechtswirksam erlassen worden und somit kein tauglicher Anfechtungsgegenstand für eine Berufung.
Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:
1. Die Beschwerdelegitimation erachtet der Verwaltungsgerichtshof als gegeben. Dadurch, dass die Berufung, mit der er den ihn betreffenden Bescheid des Bundesasylamtes bekämpfen wollte, nicht dem Beschwerdeführer, sondern einer anderen Person zugerechnet wurde, kann der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid in einem subjektiv-öffentlichen Recht verletzt sein (vgl. dazu die hg. Erkenntnisse vom 19. Dezember 2007, Zl. 2007/20/1207, und vom 30. August 2007, Zl. 2006/19/0327, mwN).
2. Gemäß § 10 Abs. 1 AVG können sich die Beteiligten und ihre gesetzlichen Vertreter, sofern nicht ihr persönliches Erscheinen ausdrücklich gefordert wird, ua. durch eigenberechtigte natürliche Personen vertreten lassen. Bevollmächtigte haben sich durch eine schriftliche, auf Namen oder Firma lautende Vollmacht auszuweisen. Vor der Behörde kann eine Vollmacht auch mündlich erteilt werden; zu ihrer Beurkundung genügt ein Aktenvermerk. Schreitet eine zur berufsmäßigen Parteienvertretung befugte Person ein, so ersetzt die Berufung auf die ihr erteilte Vollmacht deren urkundlichen Nachweis.
3. Die am 10. Mai 2005 protokollierte Erklärung des Beschwerdeführers vor dem Bundesasylamt ist als Bekanntgabe einer an Michael G erteilten Vollmacht, ihn "im Asylverfahren" zu vertreten, anzusehen (vgl. zur Bestellung eines Vertreters das hg. Erkenntnis vom 19. September 1996, Zl. 95/19/0063). Daran hegte auch das Bundesasylamt, das seinen Bescheid an Herrn G als Vertreter des Beschwerdeführers zustellte, keinerlei Zweifel (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 19. Dezember 2007, Zl. 2007/20/1207). Sollten dennoch Zweifel an der wirksamen Bevollmächtigung bestanden haben, so wären diese jedenfalls durch widerspruchslose Übernahme der Sendung und Einbringung der Berufung durch Michael G für den Beschwerdeführer beseitigt worden. Anhaltspunkte dafür, dass der Beschwerdeführer mit der Einbringung der Berufung durch Herrn G in seinem Namen nicht einverstanden gewesen wäre, bestehen nicht. Da die Vertretungsvollmacht im Sinne des § 10 AVG im Allgemeinen auch die Zustellungsbevollmächtigung mit einschließt (vgl. den hg. Beschluss vom 17. Juni 2003, Zl. 2003/05/0010, mwN), erfolgte die Zustellung des erstinstanzlichen Bescheides an Herrn G wirksam; auch die Berufung wurde durch den Vertreter des Beschwerdeführers wirksam für diesen erhoben.
4. Da die belangte Behörde das Vorliegen einer aufrechten Bevollmächtigung von Michael G durch den Beschwerdeführer übersah und die Berufung daher keiner inhaltlichen Erledigung zuführte, hat sie den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war (vgl. das hg. Erkenntnis vom 30. Jänner 2007, Zl. 2005/21/0103).
5. Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.
Wien, am 15. Oktober 2008
Schlagworte
Beginn Vertretungsbefugnis VollmachtserteilungVertretungsbefugnis Inhalt Umfang Vertretungsbefugter ZurechnungBesondere RechtsgebieteEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2008:2007200561.X00Im RIS seit
05.12.2008Zuletzt aktualisiert am
27.02.2009