TE Vwgh Erkenntnis 2008/10/22 2005/06/0093

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Veröffentlicht am 22.10.2008
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Index

L80007 Raumordnung Raumplanung Flächenwidmung Bebauungsplan Tirol;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §59 Abs1;
ROG Tir 2001 §39 Abs1 litc;
ROG Tir 2001 §39 Abs5;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Giendl und die Hofräte Dr. Bernegger, Dr. Waldstätten, Dr. Rosenmayr und Dr. Bayjones als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Crnja, über die Beschwerde der Ärztekammer für T, vertreten durch Dr. Gerhard Ebner und Dr. Joachim Tschütscher, Rechtsanwälte in 6020 Innsbruck, Anichstraße 24, gegen den Bescheid des Stadtsenates der Landeshauptstadt Innsbruck vom 4. Februar 2005, Zl. I-Rm- 00078e/2004, betreffend Versagung einer Baubewilligung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat der Landeshauptstadt Innsbruck Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit einem bei der Behörde am 13. Mai 2004 eingelangten Ansuchen beantragte die Beschwerdeführerin die Erteilung der Baubewilligung für Umbauten sowie die Nutzungsänderung im Obergeschoß eines Gebäudes, das im Gewerbe-Industriegebiet liegt. Die Änderung betraf die Beseitigung bzw. Errichtung von Zwischenwänden, die Änderung der Nutzung von derzeit Büro auf Archiv mit Nassgruppe (Top 1) und die Änderung der Nutzung von derzeit Büro auf Kleinwohnungen (Top 2 und Top 3). Nach den ausgewiesenen Plänen vom 7. Mai 2004 besteht im Betriebsgebäude bereits eine Wohnung (Top 4) in der Größe von ca. 85 m2. Mit Stellungnahme der Magistratsabteilung III (Stadtplanung) vom 7. Juni 2004 wurde ausgeführt, das Grundstück sei als Gewerbe- und Industriegebiet gewidmet, die Nutzungsänderung von Büro in Wohnen sei nicht zulässig, die beabsichtigte Nutzungsänderung von Büro auf Archiv mit Nassgruppe lasse eine Wohnnutzung vermuten. Das Bauvorhaben entspreche nicht den planungsrechtlichen Voraussetzungen. Diese Stellungnahme wurde der Beschwerdeführerin zur Kenntnis gebracht und darauf hingewiesen, dass offensichtlich die Festlegungen in § 39 Abs. 5 des Tiroler Raumordnungsgesetzes 2001 überschritten würden.

Von der eingeräumten Möglichkeit, eine Stellungnahme abzugeben, hat die Beschwerdeführerin keinen Gebrauch gemacht.

Mit Bescheid vom 9. August 2004 hat der Stadtmagistrat das Baugesuch abgewiesen. Das Ermittlungsverfahren habe ergeben, dass das gegenständliche Bauvorhaben den bau- und raumordnungsrechtlichen Vorschriften widerspreche, zumal das Vorhaben von der Aufzählung in § 39 Abs. 1 des Tiroler Raumordnungsgesetzes 2001 nicht erfasst sei und die in § 39 Abs. 5 leg. cit. angeführten Festlegungen überschritten würden.

In der gegen diesen Bescheid eingebrachten Berufung führte die anwaltlich vertretene Beschwerdeführerin aus, gemäß § 39 Abs. 1 lit. c des Tiroler Raumordnungsgesetzes 2001 dürften im Gewerbe- und Industriegebiet betriebstechnisch notwendige Wohnungen errichtet werden. Aus dem angefochtenen Bescheid sei nicht ersichtlich, ob es sich bei den beantragten Kleinwohnungen um betriebstechnisch notwendige Wohnungen handle oder nicht und ob die Behörde die diesbezügliche Frage geprüft habe. Auch sei nicht erkennbar, ob tatsächlich und wenn, um wie viel, die in § 39 Abs. 5 des Tiroler Raumordnungsgesetzes 2001 angeführten Festlegungen überschritten würden. Überdies hätte die Behörde erster Instanz die beantragte Baubewilligung nur teilweise abweisen dürfen, nämlich hinsichtlich der Nutzungsänderung, hätte aber die Baubewilligung hinsichtlich der Umbauten erteilen müssen.

Die Berufungsbehörde hat die Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 30. August 2004 aufgefordert, binnen einer Frist von zwei Wochen bekannt zu geben, welche Nutzung für die mit Wohnung 1, Wohnung 2 und Archiv 3 in der planlichen Eingabe bezeichneten Einheiten tatsächlich vorgesehen sei, andernfalls diese Nutzungsbekanntgabe laut Planunterlagen der Entscheidung zu Grunde gelegt werden müssten. Mit Schreiben vom 16. September 2004 erklärte die Beschwerdeführerin, die Einheit mit der Bezeichnung Archiv 3 werde gewerblich genutzt, Archiv 3 sei an die Firma R-M zu geschäftlichen Zwecken vermietet. Die Einheiten Wohnung 1 und Wohnung 2 würden als Wohnungen genutzt.

Die Magistratsabteilung III hat die Baumassen der zur Umwidmung vorgesehenen Einheiten ermittelt und mit Schreiben vom 8. November 2004 wie folgt festgehalten:

"Baumasse Top 1 (Wohnung)

149,10 m3

 

Baumasse Top 2 (Wohnung)

189,71 m3

 

Baumasse Top 3 (Wohnung)

159,85 m3

 

Gesamtbaumasse der neuen Wohnungen

498,66 m3

 

 

 

 

Baumasse der bestehenden Wohnung Top 4

348,89 m3

 

zulässige Vergrößerung
(20% lt. § 39 Abs. 5, TROG 2001)

69,78 m3

 

 

 

 

tatsächliche Vergrößerung

498,66 m3

(d.h.,das Ausmaß

der zulässigen Vergrößerung wurde um ca. das 6- fache überschritten).

Hinweis: Bei dem in Ihrem Schreiben angeführten Archiv

handelt es sich um eine Wohnung mit der Nummer Top 1."

Zur Baumassenermittlung:

"Baumasse Top 1

7,1 x 6,0 x 3,5 =

149,10 m3

Baumasse Top 2

8,9 x 5,5 x 3,5
+ 1,75 x 3,0 x 3,5 =

189,71 m3

Baumasse Top 3

1,75 x 3,0 x 3,5
+ 0,6 x 2,45 x 3,5 =

159,85 m3"

Die Baumassenermittlung wurde der Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 15. November 2004 zur Kenntnis gebracht und ihr Gelegenheit eingeräumt, binnen 14 Tagen eine allfällige Stellungnahme einzubringen. Die Beschwerdeführerin führte mit Schreiben vom 2. Dezember 2004 aus, möglicherweise liege ein Missverständnis bei den jeweiligen Top-Bezeichnungen der Einheiten Top 1, Top 2 und Top 3 vor. Eine der drei Einheiten sei an die Firma R-M zu geschäftlichen Zwecken vermietet worden. Laut Baugesuch und Einreichplan müsste es sich dabei um die Einheit mit der Bezeichnung Top 1 handeln. In der Beilage wurden Fotos betreffend diese Einheit übermittelt, daraus ist ersichtlich, dass in dieser Einheit zahlreiche Regale aufgestellt sind, die mit Ordnern gefüllt sind, wodurch die Einheit offensichtlich als Archiv genützt wird, im Hintergrund ist eine Badewanne zu sehen. Ergänzend zum Vorbringen, dass diese Einheit als Archiv genützt werde, hat die Beschwerdeführerin noch die Durchführung eines Lokalaugenscheines und die Einvernahme des Geschäftsführers der Firma R-M angeboten.

In der Folge hat die belangte Behörde den nunmehr angefochtenen Bescheid erlassen, mit dem der von der Beschwerdeführerin erhobenen Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG keine Folge gegeben und die erstinstanzliche Entscheidung "unter Bedachtnahme auf § 26 Abs. 4 Tiroler Bauordnung 2001 und § 39 Abs. 5 Tiroler Raumordnungsgesetz 2001 im Rahmen des Berufungsvorbringens" bestätigt wurde.

Zur Begründung wurde nach Darstellung des Verwaltungsgeschehens im Wesentlichen ausgeführt, Inhalt des Bauansuchens sei die Erwirkung der nachträglichen Baubewilligung für die im Obergeschoß des Gebäudes B-H-S Nr. 7 durchgeführten Umbauten und die Nutzungsänderung. An der Südwestecke seien an Stelle von Büroflächen zwei Kleinwohnungen mit Nasseinheiten und Küchen und ein Archiv mit einer Nasseinheit eingebaut worden. Dazu seien Zwischenwände abgebrochen, versetzt und Wohnungstrennwände neu errichtet worden. Diese Einheiten würden über das bestehende Treppenhaus und den bestehenden Gang erschlossen. Wenn auf Grundflächen im Gewerbe- und Industriegebiet rechtmäßig bereits Wohnungen bestünden, seien gemäß § 39 Abs. 5 des Tiroler Raumordnungsgesetzes 2001 Bauvorhaben zulässig, durch die die Baumasse der zu Wohnzwecken genutzten Gebäude oder Gebäudeteile um insgesamt nicht mehr als 20 v.H., höchstens jedoch um 300 m3 vergrößert werde. Das Ermittlungsverfahren habe für Top 1 die Baumasse 149,10 m3, für Top 2 die Baumasse 189,71 m3, für Top 3 die Baumasse 159,85 m3, insgesamt daher 498,66 m3 ergeben, die bestehende Wohnung Top Nr. 4 weise eine Baumasse von 348,89 m3 auf. Die zulässige Vergrößerung (20 % des Bestandes) würde somit lediglich 69,78 m3 betragen. Die tatsächliche Vergrößerung betrage jedoch 498,66 m3, sodass das Ausmaß der zulässigen Vergrößerung um etwa das 6-fache überschritten werde. Angesichts dieser eklatanten Überschreitung erübrige es sich, auf das Vorbringen der Beschwerdeführerin, wonach die Einheit Top 1 nicht als Wohnung, sondern als Archiv genutzt werde, näher einzugehen. Aus den vorgelegten Lichtbildern ergebe sich zudem, dass sich auch in dem so genannten "Archiv" eine Nassgruppe befinde. Es sei in dieser Frage der Stellungnahme der Stadtplanung vom 7. Juni 2004 beizupflichten, die in diesem Zusammenhang auch im Bereich des so genannten "Archivs" eine mögliche Wohnnutzung vermute. Es sei lebensfremd anzunehmen, dass eine Einheit mit einer Nassgruppe auf Dauer lediglich als Archiv genutzt werde. Abgesehen davon habe die Beschwerdeführerin im Rahmen des Parteiengehörs nichts vorgelegt (beispielsweise Mietvertrag), aus welchem sich eindeutig und zweifelsfrei ergeben würde, dass diese Einheit lediglich als Archiv vermietet und nur als solches genutzt werden dürfe. Es werde auch durch nichts belegt, dass es sich bei den gegenständlichen Wohnungen um betriebstechnisch notwendige Wohnungen gemäß § 39 Abs. 1 lit. c des Tiroler Raumordnungsgesetzes 2001 handle, sodass das diesbezügliche Vorbringen in der Berufung nicht weiter zu prüfen gewesen sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten mit einer Gegenschrift vorgelegt und die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Das Baugrundstück liegt im Gewerbe- und Industriegebiet. § 39 Abs. 1 des Tiroler Raumordnungsgesetzes 2001, LGBl. Nr. 93/2001 (in der Folge: TROG 2001), lautet in seinen Absätzen 1 und 5 wie folgt:

"(1) Im Gewerbe- und Industriegebiet dürfen errichtet werden:

     a)        Gebäude für Gewerbebetriebe mit Ausnahme von

Gastgewerbebetrieben zur Beherbergung von Gästen;

     b)        Gebäude für Industriebetriebe;

     c)        betriebstechnisch notwendige Wohnungen;

     d)        Gebäude für Veranstaltungs- und Vergnügungsstätten,

wie Theater, Kinos und dergleichen;

     e)        Gebäude für Einrichtungen, die der Versorgung oder

den sozialen Bedürfnissen der Personen, die sich im Gewerbe- und Industriegebiet aufhalten, dienen.

...

(5) Bestehen auf Grundflächen im Gewerbe- und Industriegebiet rechtmäßig bereits Wohnungen, die nicht unter Abs. 1 lit. c fallen, so sind auch Bauvorhaben zulässig, durch die die Baumasse der zu Wohnzwecken genutzten Gebäude oder Gebäudeteile um insgesamt nicht mehr als 20 v. H., höchstens jedoch um 300 m3, vergrößert wird."

In der Verfahrensrüge wird ausgeführt, dass die belangte Behörde zu Unrecht die Einvernahme des angebotenen Zeugen zum Beweis dafür, dass eine der drei Einheiten zu geschäftlichen Zwecken vermietet und von der Mieterin zu gewerblichen Zwecken genutzt werde, nämlich als Archiv, unterlassen habe. Der Verfahrensrüge kommt angesichts des Umstandes, dass auch eine Außerachtlassung des genannten Archivs mit einer Baumassenzahl von 149,10 gegenüber der Baumasse von insgesamt 349,56 m3 für Top 2 und Top 3, die unbestritten als Wohnungen genutzt werden, im Verhältnis zur Baumasse der bestehenden Wohnung Top Nr. 4 von 348,89 m3, kein anderes Ergebnis erwarten lässt keine Relevanz zu, da auch bei Außerachtlassung der Baumasse für Top 1 sowohl die in § 39 Abs. 5 TROG 2001 festgesetzte Maximalgröße von 300 m3 durch die Wohnungen Top 2 und 3 überschritten wird, als auch der Prozentsatz von 20 v.H. bei weitem überschritten wird, weil allein die Baumassen für Top 2 und 3 eben 349,56 m3 betragen. Dass es sich bei den Wohnungen um betriebstechnisch notwendige Wohnungen im Sinne des § 39 Abs. 1 lit. c TROG 2001 handle, wurde weder im Verwaltungsverfahren behauptet noch in der Beschwerde.

Die Beschwerdeführerin rügt, dass der angefochtene Bescheid in seinem Spruch die in § 59 Abs. 1 AVG geforderte deutliche Fassung vermissen lasse, weil nicht verständlich sei, welche Bedeutung die Formulierung im Spruch, dass die erstinstanzliche Entscheidung "im Rahmen des Berufungsvorbringens" bestätigt werde.

Dazu ist festzustellen, dass der Spruch gerade noch erkennen lässt, dass der Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid keine Folge gegeben wurde, und zum Ausdruck gebracht werden sollte, dass auf das Berufungsvorbringen eingegangen wurde.

Da sich die Beschwerde somit als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 22. Oktober 2008

Schlagworte

Inhalt des Spruches Allgemein Angewendete Gesetzesbestimmung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2008:2005060093.X00

Im RIS seit

20.11.2008

Zuletzt aktualisiert am

01.01.2009
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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