TE Vfgh Erkenntnis 2003/10/8 V83/03

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Veröffentlicht am 08.10.2003
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Index

L8 Boden- und Verkehrsrecht
L8000 Raumordnung

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Verordnung
Teilbebauungsplan der Gemeinde Wolfsberg vom 29.11.94. Zl. 6 - St 172/3/94
Krnt GemeindeplanungsG 1982 §24 Abs3

Leitsatz

Gesetzwidrigkeit eines - ausschließlich zur nachträglichen Schaffung einer gesetzlichen Grundlage für eine rechtswidrige Bauführung erlassenen - Teilbebauungsplanes wegen Verstoß gegen das Gleichheitsgebot

Spruch

Die Verordnung des Gemeinderates der Stadtgemeinde Wolfsberg vom 29. November 1994, genehmigt durch Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Wolfsberg vom 31. Jänner 1995 (dieser kundgemacht in der Kärntner Landeszeitung vom 23. Februar 1995), wird, soweit sie sich auf das Grundstück Nr. 495/8, mit eingeschlossener Baufläche Nr. .321, KG Kleinedling, bezieht, als gesetzwidrig aufgehoben.

Die Kärntner Landesregierung ist zur unverzüglichen Kundmachung dieser Aufhebung im Landesgesetzblatt verpflichtet.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Beim Verfassungsgerichtshof ist zu B1323/00 eine Beschwerde anhängig, der folgender Sachverhalt zugrunde liegt:

Der nunmehrige Beschwerdeführer ist Eigentümer des Grundstückes Nr. 494/14, KG Kleinedling (Stadtgemeinde Wolfsberg). Auf dem Nachbargrundstück Nr. 495/8 (mit eingeschlossener Baufläche Nr. .321) erteilte der Bürgermeister der Stadtgemeinde Wolfsberg mit Bescheid vom 18. Februar 2000 die Baubewilligung zur Errichtung einer Terrassenüberdachung beim bestehenden Wohnhaus. Der Beschwerdeführer machte die Gesetzwidrigkeit des Teilbebauungsplans und eine Verletzung der gesetzlichen Abstandsbestimmungen geltend; diesen Einwendungen trat der Bürgermeister mit dem Hinweis auf die Geltung des Teilbebauungsplans entgegen. Der Stadtrat der Stadtgemeinde Wolfsberg wies die dagegen erhobene Berufung mit Bescheid vom 25. April 2000 als unbegründet ab. Er führte in seiner Begründung aus, dass dem Bauwerber mit Bescheid des Bürgermeisters der Stadtgemeinde Wolfsberg vom 24. Mai 1995 "die nachträgliche Baubewilligung zur Errichtung eines Wohnhauses bzw. Abänderungen beim Wohnhaus sowie beim Nebengebäude mit Zwischentrakt auf der Parz. 495/8, KG Kleinedling" unter Anwendung des Teilbebauungsplans der Stadtgemeinde Wolfsberg vom 29. November 1994 rechtskräftig erteilt worden sei. Diesbezügliche Einwendungen gingen insofern ins Leere. Die eingewendete Abstandsflächenverringerung entspreche den Anforderungen des §9 Abs2 Kärntner Bauvorschriften 1985. Die Kärntner Landesregierung wies die dagegen erhobene Vorstellung mit Bescheid vom 20. Juni 2000 als unbegründet ab. Gemäß §4 Abs2 Kärntner Bauvorschriften 1985 seien, wenn und soweit in einem Bebauungsplan Abstände festgelegt sind, die Bestimmungen des Abs1 letzter Satz und der §§5 bis 10 Kärntner Bauvorschriften 1985 nicht anzuwenden. Der Bebauungsplan lege die Abstände an der Nordgrenze des Baugrundstücks durch eine in der zeichnerischen Darstellung definierte Baulinie fest. Daher finde §9 Abs2 Kärntner Bauvorschriften 1985 keine Anwendung. Eine Rechtsverletzung sei dadurch jedoch nicht eingetreten, da der Spruch des Bescheides durch diese Begründung nicht berührt werde.

2. Gegen diesen Bescheid der Kärntner Landesregierung richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der der Beschwerdeführer die Verletzung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz (Art2 StGG) und in Rechten wegen Anwendung einer gesetzwidrigen Verordnung des Gemeinderates der Stadtgemeinde Wolfsberg vom 29. November 1994 geltend macht und die kostenpflichtige Aufhebung des bekämpften Bescheides, in eventu die Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof beantragt. Der Teilbebauungsplan sei gesetzwidrig, da er der Sanierung "konsens- und rechtswidriger Bauzustände auf der Parzelle Nr. 495/8 bzw. 321" diene.

3. Aus Anlass dieser Beschwerde hat der Verfassungsgerichtshof am 11. Juni 2003 beschlossen, gemäß Art139 Abs1 B-VG die Gesetzmäßigkeit der Verordnung des Gemeinderates der Stadtgemeinde Wolfsberg vom 29. November 1994, genehmigt durch Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Wolfsberg vom 31. Jänner 1995 (dieser kundgemacht in der Kärntner Landeszeitung vom 23. Februar 1995), soweit sie sich auf das Grundstück Nr. 495/8, mit eingeschlossener Baufläche Nr. .321, KG Kleinedling, bezieht, von Amts wegen zu prüfen.

4. Bei der Behandlung der Beschwerde sind dieselben Bedenken gegen die Gesetzmäßigkeit der Verordnung des Gemeinderates der Stadtgemeinde Wolfsberg vom 29. November 1994, genehmigt durch Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Wolfsberg vom 31. Jänner 1995 (dieser kundgemacht in der Kärntner Landeszeitung vom 23. Februar 1995), soweit sie sich auf das Grundstück Nr. 495/8, mit eingeschlossener Baufläche Nr. .321, KG Kleinedling, bezieht, entstanden, die bereits zu einer das angrenzende Grundstück Nr. 495/9, mit eingeschlossener Baufläche Nr. .320 betreffenden Aufhebung dieser Verordnung durch das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes VfSlg. 15.104/1998 geführt haben:

"[...] Der Verfassungsgerichtshof führte in dem Erkenntnis VfSlg. 15.104/1998 aus:

'[...]

[...] Aus den dem Verfassungsgerichtshof vorliegenden Verwaltungsakten (das im vorliegenden Zusammenhang v.a. relevante Verwaltungsgeschehen ist oben in Pkt. [...] wiedergegeben) sowie aus dem Protokoll über die Sitzung des Gemeinderates der Gemeinde Wolfsberg am 29. November 1994 (aus dem sich ergibt, daß mit der Planänderung 'alte Sünden richtiggestellt werden' sollten; siehe dazu oben Pkt. II.1.2.3.) ergibt sich eindeutig, daß die Erlassung der in Prüfung gezogenen Verordnungsbestimmung ausschließlich dazu bestimmt war, durch Anpassung des Bebauungsplanes an eine ihm widersprechende (und deshalb rechtswidrige) Bauführung für diese nachträglich die rechtliche Grundlage zu schaffen und solchermaßen den Bewilligungswerber zu begünstigen. Der Hinweis der verordnungserlassenden Behörde darauf, daß die in Rede stehende Verordnung (außerhalb der hier in Prüfung gezogenen Bestimmung) auch den Beschwerdeführer betrifft, ändert daran überhaupt nichts.

Zudem wäre von der verordnungserlassenden Behörde vor der Planänderung zu prüfen gewesen, ob die für die Änderung des Bebauungsplanes sprechenden, im öffentlichen Interesse gelegenen Gründe das Interesse am Bestand des früheren Bebauungsplanes, aus dem nicht nur der Grundeigentümer, sondern auch dessen Nachbarn für sich Rechte ableiten können, überwiegen (vgl. VfSlg. 14.378/1995). Im Hinblick auf den Gegenstand der in Prüfung gezogenen Regelung wäre dabei insbesondere auf die Höhe und die Situierung der Baukörper auf dem hier in Rede stehenden Grundstück, sowie auf den benachbarten Grundstücken Bedacht zu nehmen gewesen.

[...] Damit erweist sich aber auch die vorläufige Annahme des Verfassungsgerichtshofes, daß der Verordnungsgeber durch die in Prüfung gezogene Verordnungsbestimmung gegen das - auch für ihn geltende (vgl. dazu etwa VfSlg. 4211/1962, 5581/1967, 10.492/1985) - Gleichheitsgebot verstoßen hat (vgl. VfSlg. 12.171/1989), als zutreffend."

Der Verfassungsgerichtshof führte zu seinen Bedenken weiters aus:

"[...] Die mitbeteiligte Partei behauptet, dass die Erlassung der Verordnung vom 29. November 1994 ausschließlich dazu bestimmt gewesen sei, nachträglich eine rechtliche Grundlage für auf dem Nachbargrundstück Nr. 495/9, mit eingeschlossener Baufläche Nr. .320, KG Kleinedling, errichtete Gebäude zu schaffen und dass diese Verordnung für die auf dem Grundstück Nr. 495/8 der mitbeteiligten Partei - nach dem Vorbringen - konsensgemäß errichteten Gebäude nicht erforderlich gewesen wäre.

Der Stadtrat der Stadtgemeinde Wolfsberg wies jedoch in der Begründung des Berufungsbescheids vom 25. April 2000 darauf hin, dass mit Bescheid des Bürgersmeisters der Stadtgemeinde Wolfsberg vom 24. Mai 1995 'die nachträgliche Baubewilligung zur Errichtung eines Wohnhauses bzw. Abänderungen beim Wohnhaus sowie beim Nebengebäude mit Zwischentrakt auf dem Grundstück Nr. 495/8, KG Kleinedling' unter Anwendung des Teilbebauungsplans der Gemeinde Wolfsberg vom 29. November 1994 rechtskräftig erteilt worden sei.

[...] Der Verfassungsgerichtshof geht daher vorläufig davon aus, dass der von ihm im Erkenntnis VfSlg. 15.104/1998 als gesetzwidrig erkannte Grund für die Erlassung des Teilbebauungsplans, soweit er das Grundstück Nr. 495/9 (mit eingeschlossener Baufläche Nr. .320), KG Kleinedling, betraf, auch den Verordnungsbestimmungen bezüglich des Grundstücks Nr. 495/8 (mit eingeschlossener Baufläche Nr. .321), KG Kleinedling, zugrunde lag und der Verordnungsgeber durch die nun in Prüfung gezogenen Verordnungsbestimmungen gegen das - auch für ihn geltende (vgl. dazu etwa VfSlg. 4211/1962, 5581/1967, 10.492/1985) - Gleichheitsgebot verstoßen zu haben scheint (vgl. VfSlg. 12.171/1989). Es dürfte dabei für das Vorliegen des von der Gemeinde angenommenen Änderungsanlasses auch nicht maßgeblich sein, ob auf dem Grundstück Nr. 495/8 tatsächlich eine dem ursprünglichen Bebauungsplan widersprechende - rechtswidrige - Bauführung bestand, da - wie sich aus dem Gemeinderatsprotokoll ergibt - der Gemeinderat jedenfalls von denselben - rechtlich unzulänglichen - Voraussetzungen für die Änderung des Bebauungsplans bezüglich der Grundstücke 'Nr. 495/8, 495/9 u. Bfl. 321 je KG Kleinedling' ausgegangen sein dürfte.

[...] Darüber hinaus dürften - das Gemeindeplanungsgesetz 1982, LGBl. Nr. 51/1982 (§§15, 16) enthielt keine ausdrücklichen Vorschriften über die materiellen Voraussetzungen betreffend die Änderung eines Bebauungsplans - auch sonst keine neu hervorgekommenen Gründe für ein nunmehriges Überwiegen wichtiger städtebaulicher öffentlich-rechtlicher Rücksichten im Hinblick auf eine Änderung einer bisher vorgesehenen planmäßigen Verbauung betreffend das Grundstück Nr. 495/8, mit eingeschlossener Baufläche Nr. .321, erkennbar sein (VfSlg. 5794/1968, 5808/1968, zum Kärntner Gemeindeplanungsgesetz vgl. VfSlg. 15.104/1998)."

5. Die Stadtgemeinde Wolfsberg erstattete eine Äußerung, in der sie mitteilt, keine Stellungnahme abzugeben.

6. Die Kärntner Landesregierung erstattete keine Äußerung.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:

1. Die vorläufigen Annahmen des Verfassungsgerichtshofes, dass das Beschwerdeverfahren, das Anlass zur Einleitung des Verordnungsprüfungsverfahrens gegeben hat, zulässig ist, und dass der Verfassungsgerichtshof bei seiner Entscheidung über die Beschwerde die in Prüfung gezogene Verordnung der Stadtgemeinde Wolfsberg anzuwenden hätte, haben sich als zutreffend erwiesen.

2. Auch die vorläufigen Bedenken des Verfassungsgerichtshofes gegen die Gesetzmäßigkeit der in Rede stehenden Verordnung treffen zu:

Weder die Kärntner Landesregierung noch die Stadtgemeinde Wolfsberg sind den im Prüfungsbeschluss gefassten Bedenken des Verfassungsgerichtshofes entgegengetreten.

Der Verfassungsgerichtshof bleibt daher bei seiner Ansicht, dass der von ihm im Erkenntnis VfSlg. 15.104/1998 als gesetzwidrig erkannte Grund für die Erlassung des Teilbebauungsplans, soweit er das Grundstück Nr. 495/9 (mit eingeschlossener Baufläche Nr. .320), KG Kleinedling, betraf, auch den Verordnungsbestimmungen bezüglich des Grundstücks Nr. 495/8 (mit eingeschlossener Baufläche Nr. .321), KG Kleinedling, zugrunde lag und der Verordnungsgeber durch die nun in Prüfung gezogenen Verordnungsbestimmungen gegen das - auch für ihn geltende (vgl. dazu etwa VfSlg. 4211/1962, 5581/1967, 10.492/1985) - Gleichheitsgebot verstoßen hat (vgl. VfSlg. 12.171/1989). Damit erübrigt es sich, auf die weiteren Bedenken einzugehen.

Aus diesem Grund war die genannte Verordnung aufzuheben.

3. Die Verpflichtung der Kärntner Landesregierung zur Kundmachung dieser Aufhebung stützt sich auf Art139 Abs5 B-VG.

4. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

Schlagworte

Baurecht, Raumordnung, Bebauungsplan

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2003:V83.2003

Dokumentnummer

JFT_09968992_03V00083_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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