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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
AsylG 1997 §21 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher, Dr. Pfiel und Mag. Eder als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Matt, über die Beschwerde des ZS in W, geboren 1983, vertreten durch Solicitor Edward W. Daigneault in 1170 Wien, Hernalser Gürtel 47/4, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 6. August 2008, Zl. UVS- 01/30/2059/2008-3, betreffend Schubhaft, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde eine Schubhaftbeschwerde des Beschwerdeführers, eines algerischen Staatsangehörigen, gemäß "§ 83 Abs. 1, 2 und 4 Fremdengesetz 2005 - FPG" kostenpflichtig als unbegründet ab.
Begründend führte die belangte Behörde unter Zitierung von Vorschriften des - ihrer Ansicht nach im Entscheidungszeitpunkt geltenden - Fremdengesetzes 1997 - FrG aus, es sei davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer, "welcher ein in erster Instanz negatives Asylverfahren absolviert hat, in seinem Geburtsland keiner Verfolgung ausgesetzt sein werde". Er habe "bereits zahlreiche rechtskräftige Bestrafungen über sich ergehen lassen müssen". Darüber hinaus habe er zwei verfälschte Reisepässe sowie einen verfälschten tschechischen Führerschein bei sich geführt und sich damit gegenüber der Polizei ausgewiesen. Die belangte Behörde komme daher im Zuge der "Verhaltensprognose" zur Auffassung, dass "nicht nur bei Zugrundelegung eines rechtskräftigen aufrechten Aufenthaltsverbotes sondern schon auf Grund der Häufigkeit der Straftaten des Beschwerdeführers aber auch insbesondere auf Grund des wiederholten einschlägigen Missachtens der behördlichen Identitätsfeststellungsgrundsätze (Passfälschung) Grund zur Annahme vorliegt, dass der Zweck der Schubhaft zum Zeitpunkt der Festnahme und während der gesamten Anhaltung in Schubhaft vom 09.03. bis 11.03.20008 (gemeint: 11.03.2008) gegeben" gewesen sei. "Bei dem gegenständlich vorliegenden Grad des rechtswidrigen Verhaltens" erscheine sogar im Falle einer vollwertigen Integration des Beschwerdeführers die Anwendung gelinderer Mittel nicht geboten.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde nach Vorlage der Akten durch die belangte Behörde erwogen:
Der Beschwerdeführer brachte in der Schubhaftbeschwerde vor, sein am 2. Dezember 2002 gestellter Asylantrag sei noch nicht rechtskräftig abgewiesen worden, weil die im Asylverfahren am 23. Juli 2004 vorgenommene Zustellung des erstinstanzlichen Bescheides, die gemäß § 8 Abs. 2 iVm § 23 ZustellG erfolgt sei, unwirksam gewesen wäre. Er habe zu dieser Zeit noch an seiner "alten Anschrift" gewohnt. Zwar seien ein vom Beschwerdeführer gestellter Wiedereinsetzungsantrag sowie ein Antrag auf Neuzustellung abgewiesen worden, jedoch habe er gegen den den Asylantrag abweisenden Bescheid auch Berufung erhoben. Über diese Berufung sei noch nicht entschieden worden, jedoch werde sie - so das Vorbringen des Beschwerdeführers - mangels Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides zurückgewiesen werden. Das Unterbleiben der Zustellung an seiner Wohnadresse, bei der der Zusteller fälschlicherweise von einem "unbekannten Empfänger" ausgegangen sei, sei ihm nicht zuzurechnen.
Nach den unbestrittenen Feststellungen im angefochtenen Bescheid wurde der Beschwerdeführer am 9. März 2008 festgenommen und bis 11. März 2008 in Schubhaft angehalten.
Für den Verwaltungsgerichtshof ist - unabhängig davon, ob von den im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen oder von jenem Sachverhalt auszugehen ist, wie er vom Beschwerdeführer vorgebracht wurde - nicht nachvollziehbar, weshalb die belangte Behörde bei der Entscheidung über die am 19. März 2008 eingebrachte Schubhaftbeschwerde die Rechtslage des am 31. Dezember 2005 außer Kraft getretenen FrG zur Anwendung brachte und eine Prüfung anhand dieser Vorschriften vornahm.
Gemäß der Übergangsbestimmung des § 75 Abs. 1 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) sind alle am 31. Dezember 2005 anhängigen Asylverfahren nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 1997 (AsylG) zu Ende zu führen. Nach dem ebenfalls anwendbaren § 44 Abs. 1 AsylG ist desweiteren darauf Bedacht zu nehmen, dass Verfahren zur Entscheidung über Asylanträge, die bis zum 30. April 2004 gestellt wurden, nach den Bestimmungen des AsylG in der Fassung BGBl. I Nr. 126/2002 (somit idF vor der AsylG-Novelle 2003) zu Ende zu führen sind.
Dem - durch die Aktenlage bestätigten - Vorbringen zufolge hat der Beschwerdeführer seinen Asylantrag am 2. Dezember 2002 gestellt. Dies hätte - die Richtigkeit der Behauptungen zum immer noch anhängigen Asylverfahren vorausgesetzt - zur Folge, dass (unter anderem auch) § 21 Abs 1 AsylG idF vor der AsylG-Novelle 2003 anzuwenden gewesen wäre. Diese Bestimmung sieht vor, dass auf Asylwerber das FrG insgesamt Anwendung zu finden hat, die §§ 33 Abs. 2, 36 Abs. 2 Z 7, 55 und 61 bis 63 FrG jedoch nicht auf Asylwerber mit vorläufiger Aufenthaltsberechtigung, sofern sie entweder den Antrag außerhalb einer Vorführung persönlich beim Bundesasylamt eingebracht (Z 1) oder den Antrag anlässlich der Grenzkontrolle oder anlässlich eines von ihnen sonst mit der Sicherheitsbehörde oder einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes aufgenommenen Kontaktes gestellt haben (Z 2).
Zur nach dem Inkrafttreten des Fremdenpolizeigesetzes 2005 - FPG (1. Jänner 2006) anzuwendenden Rechtslage betreffend Verhängung der Schubhaft gegen einen Asylwerber, dessen Asylantrag noch nach dem AsylG idF vor der AsylG-Novelle 2003 zu prüfen war, hat der Verwaltungsgerichtshof bereits ausgeführt, dass an die Stelle der in § 21 Abs. 1 AsylG genannten, grundsätzlich die Schubhaft ermöglichenden Bestimmung des § 61 FrG nunmehr jene des § 76 Abs. 1 FPG getreten ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 22. November 2007, Zl. 2006/21/0333, mH auf die Übergangsbestimmung des § 124 Abs. 2 FPG).
Sohin kämen fallbezogen mit Blick auf den konkreten Zeitraum der Anhaltung Vorschriften des FrG keinesfalls zur Anwendung, und zwar ungeachtet dessen, ob das den Beschwerdeführer betreffende Asylverfahren im Zeitpunkt der Schubhaftverhängung schon beendet war oder dies nicht der Fall war. Schon von daher ist der angefochtene Bescheid mit Rechtswidrigkeit behaftet.
Der belangten Behörde ist aber auch vorzuwerfen, dass sie das in der Schubhaftbeschwerde enthaltene Vorbringen - weil sie dies offenkundig in Verkennung der Rechtslage als irrelevant erachtete -
zur Gänze ignorierte und dazu weder Feststellungen traf noch eine rechtliche Beurteilung vornahm. Auf die Behauptungen des Beschwerdeführers nicht näher eingehend ging die belangte Behörde, ohne dies näher zu begründen, davon aus, der Beschwerdeführer habe "ein in Erstinstanz negatives Asylverfahren absolviert".
Im Falle der Richtigkeit des Vorbringens des Beschwerdeführers wäre aber die Prüfung der in § 21 Abs. 1 AsylG 1997 idF vor der AsylG-Novelle 2003 vorgesehenen Voraussetzungen unerlässlich gewesen, weil in diesem Fall erst bei Vorliegen derselben die Anwendbarkeit der die Schubhaft ermöglichenden Bestimmung des § 76 Abs. 1 FPG bejaht hätte werden können.
Der angefochtene Bescheid war daher wegen - vorrangig wahrzunehmender - Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.
Wien, am 23. Oktober 2008
Schlagworte
Anzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2Besondere RechtsgebieteEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2008:2008210531.X00Im RIS seit
28.11.2008Zuletzt aktualisiert am
18.03.2009