TE Vwgh Erkenntnis 2008/10/23 2008/21/0435

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Veröffentlicht am 23.10.2008
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Asylrecht;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 2005 §12 Abs1;
AsylG 2005 §12;
AsylG 2005 §13;
AVG §68 Abs1;
FrPolG 2005 §125 Abs3;
FrPolG 2005 §62 Abs1;
NAG 2005 §1 Abs1;
NAG 2005 §1 Abs2 Z1;
NAG 2005;
VwGG §30 Abs1;
VwGG §30 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher, Dr. Pfiel und Mag. Eder als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Matt, über die Beschwerde des AS in N, geboren 1981, vertreten durch Dr. Peter Lechenauer und Dr. Margrit Swozil, Rechtsanwälte in 5020 Salzburg, Hubert-Sattler-Gasse 10, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 19. Mai 2008, Zl. 318.132/2-III/4/08, betreffend Niederlassungsbewilligung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid wurde der Antrag des aus dem Kosovo stammenden Beschwerdeführers auf Verlängerung seiner Niederlassungsbewilligung gemäß § 1 Abs. 2 Z 1 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) abgewiesen (gemeint: zurückgewiesen, vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 28. August 2008, Zl. 2008/22/0070, mwH).

Begründend führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer sei seit 15. März 2004 im Besitz von insgesamt vier Niederlassungsbewilligungen gewesen, wobei die zuletzt erteilte bis 11. Februar 2008 Gültigkeit gehabt habe. Der Beschwerdeführer habe am 10. Jänner 2008 einen Verlängerungsantrag gestellt. Schon am 29. August 2007 habe er allerdings einen Asylantrag gestellt, der "von der zweiten Instanz gemäß § 68 (AVG) zurückgewiesen" worden sei. Einer gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates beim Verwaltungsgerichtshof erhobenen Beschwerde sei mit Beschluss vom 24. Jänner 2008, Zl. AW 200/01/0041-2 (gemeint: AW 2008/01/0041-2), aufschiebende Wirkung insofern zuerkannt worden, als dem Beschwerdeführer wieder die Rechtsstellung als Asylwerber zukomme. Daher stehe fest, dass der Beschwerdeführer "gemäß dem Asylgesetz vorläufig zum Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt" sei. Das NAG sei somit auf ihn nicht anwendbar. "Von einer inhaltlichen Wertung" der Berufungsgründe sei abzusehen gewesen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde nach Vorlage der Akten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:

Die Beschwerde richtet sich gegen die Annahme der belangten Behörde, § 1 Abs. 2 Z 1 NAG sei auf Fälle wie den vorliegenden, in dem ein Antrag auf Verlängerung einer Niederlassungsbewilligung gestellt wurde, anwendbar. Sie ist - im Ergebnis - berechtigt.

Gemäß § 1 Abs. 1 NAG regelt dieses Bundesgesetz die Erteilung, Versagung und Entziehung von Aufenthaltstiteln von Fremden, die sich länger als sechs Monate im Bundesgebiet aufhalten oder aufhalten wollen, sowie die Dokumentation von bestehenden Aufenthalts- und Niederlassungsrechten. Das NAG gilt nicht für Fremde, die nach dem Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) und nach vorigen asylgesetzlichen Bestimmungen zum Aufenthalt berechtigt sind, soweit dieses Bundesgesetz nicht anderes bestimmt (§ 1 Abs. 2 Z 1 NAG).

Die belangte Behörde vertritt die Ansicht, das NAG sei deswegen gemäß § 1 Abs. 2 Z 1 NAG auf den Beschwerdeführer nicht anwendbar, weil er gegen die im Asylverfahren getroffene Entscheidung Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof erhoben und dieser der Beschwerde insofern aufschiebende Wirkung zuerkannt habe, als der Beschwerdeführer wieder als Asylwerber anzusehen sei. Damit verkennt die belangte Behörde im vorliegenden Fall die Wirkung dieser Entscheidungen.

Hat der Verwaltungsgerichtshof einem Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 30 Abs. 2 VwGG stattgegeben, so bedeutet dies, dass der Eintritt der durch die Rechtsordnung an den - formell rechtskräftigen - Bescheid geknüpften Rechtswirkungen hinausgeschoben wird. In ständiger Judikatur vertritt der Verwaltungsgerichtshof die Auffassung, dass durch die aufschiebende Wirkung niemals mehr erreicht werden kann als durch die Beschwerde selbst. Dem Beschwerdeführer kann auf diese Weise - auch nicht nur vorläufig - keine bessere Rechtsposition eingeräumt werden als jene, die er vor Erlassung des angefochtenen Bescheides besessen hat (vgl. das hg. Erkenntnis vom 17. September 2008, Zl. 2008/22/0080, mwH).

Dies bedeutet, dass der Beschwerdeführer - ungeachtet dessen, dass er infolge der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung während der Anhängigkeit des das Asylverfahren betreffenden verwaltungsgerichtlichen Verfahrens nicht abgeschoben werden durfte - im Zeitpunkt der Entscheidung der belangten Behörde durch Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung nur dann (wieder) über eine asylrechtliche Aufenthaltsberechtigung verfügte, wenn ihm eine solche zuvor im Asylverfahren zukam (vgl. dazu etwa die zum Asylgesetz 1997 ergangenen, aber insoweit auch für die Rechtslage nach dem Asylgesetz 2005 maßgeblichen hg. Erkenntnisse vom 28. Februar 2002, Zl. 99/21/0246, und vom 5. September 2002, Zl. 98/21/0199).

Aus den von der belangten Behörde vorgelegten Verwaltungsakten ergibt sich, dass der am 29. August 2007 vom Beschwerdeführer gestellte Antrag auf internationalen Schutz ohne Zulassung des Asylverfahrens gemäß § 68 Abs. 1 AVG zurückgewiesen und gegen ihn eine Ausweisung nach § 10 AsylG 2005 erlassen wurde, nachdem zuvor gemäß § 29 Abs. 3 Z 4 AsylG 2005 das Ausweisungsverfahren eingeleitet worden war. Den vorgelegten Akten ist ferner nicht zu entnehmen, dass das Asylverfahren in irgendeinem Verfahrensstadium zugelassen worden wäre, was aber gemäß § 13 AsylG 2005 für das Entstehen der asylrechtlichen Aufenthaltsberechtigung Voraussetzung gewesen wäre.

Somit konnte nicht davon ausgegangen werden, dem Beschwerdeführer wäre während des Asylverfahrens eine Berechtigung zum Aufenthalt im Bundesgebiet nach § 13 AsylG 2005 (oder nach anderen asylgesetzlichen Vorschriften) zugekommen. Er genoss "lediglich" faktischen Abschiebeschutz im Sinne des § 12 Abs. 1 AsylG 2005. Die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung durch den Verwaltungsgerichtshof vermochte aber nun seine Stellung nicht dahingehend zu verbessern, dass ihm deswegen (erstmals) ein Aufenthaltsrecht nach asylgesetzlichen Bestimmungen zugestanden wäre. Vielmehr hatte die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung nach dem Vorgesagten zur Folge, dass ihm dadurch wiederum ("bloß") faktischer Abschiebeschutz zuteil wurde.

Der Gesetzgeber wollte gemäß § 1 Abs. 2 Z 1 NAG nur jene Fremden vom Geltungsbereich des NAG ausnehmen, die nach asylrechtlichen Bestimmungen zum Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt sind (soweit das NAG nicht anderes bestimmt), nicht aber Fremde, denen nach asylrechtlichen Bestimmungen "nur" Abschiebeschutz zukommt (vgl. neuerlich das hg. Erkenntnis vom 17. September 2008, Zl. 2008/22/0080, mH auf die Materialien).

Dies aber hatte zur Folge, dass die belangte Behörde im gegenständlichen Fall die Anwendbarkeit des NAG nicht unter Berufung auf § 1 Abs. 2 Z 1 NAG hätte verneinen dürfen. Der vom Beschwerdeführer gestellte Verlängerungsantrag hätte daher schon deshalb nicht aus diesem Grund zurückgewiesen werden dürfen, weshalb auf die in der Beschwerde enthaltenen weiteren Überlegungen betreffend die (Nicht)Anwendbarkeit des § 1 Abs. 2 Z 1 NAG auf Verlängerungsanträge hier nicht einzugehen war.

Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass im fortgesetzten Verfahren zu beachten sein wird, dass das gegen den Beschwerdeführer erlassene Rückkehrverbot wegen der der dagegen erhobenen Beschwerde zuerkannten aufschiebenden Wirkung bis zur Beendigung des diesbezüglichen verwaltungsgerichtlichen Verfahrens seine rechtsgestaltende Wirkung nach § 62 Abs. 1 zweiter Satz FPG nicht entfaltet (vgl. dazu das ebenfalls den Beschwerdeführer betreffende hg. Erkenntnis vom 20. Juni 2008, Zl. 2008/01/0060).

Der angefochtene Bescheid war sohin wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG schon infolge des Vorgesagten aufzuheben, ohne dass auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen war.

Die Kostenentscheidung gründet sich - im ziffernmäßig begehrten Ausmaß - auf §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.

Wien, am 23. Oktober 2008

Schlagworte

Definition von Begriffen mit allgemeiner Bedeutung VwRallg7Besondere RechtsgebieteBegriff der aufschiebenden WirkungAuslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Verhältnis der wörtlichen Auslegung zur teleologischen und historischen Auslegung Bedeutung der Gesetzesmaterialien VwRallg3/2/2Rechtskraft Umfang der Rechtskraftwirkung Allgemein Bindung der BehördeRechtskraft Besondere Rechtsprobleme Verfahren vor dem VwGHIndividuelle Normen und Parteienrechte Rechtswirkungen von Bescheiden Rechtskraft VwRallg9/3

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2008:2008210435.X00

Im RIS seit

01.12.2008

Zuletzt aktualisiert am

18.03.2009
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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