Index
E000 EU- Recht allgemein;Norm
31991L0671 Gurtanlegepflicht-RL Art2 Abs1 lita Zi idF 32003L0020;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger und die Hofräte Dr. Riedinger und Dr. Beck als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Becker, über die Beschwerde des R M in B H, vertreten durch Stolz & Schartner Rechtsanwälte GmbH in 5550 Radstadt, Schernbergstraße 19, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Salzburg vom 3. Juli 2008, Zl. UVS- 7/14369/4-2008, betreffend Übertretung des KFG, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 3. Juli 2008 wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe als Lenker eines dem Kennzeichen nach näher bestimmten Personenkraftwagens am 15. März 2007 nicht dafür gesorgt, dass die Vorschriften des KFG eingehalten worden seien, weil festgestellt worden sei, dass er Kinder, welche das 14. Lebensjahr noch nicht vollendet gehabt hätten und welche kleiner als 150 cm gewesen seien, befördert habe und diese dabei nicht mit einer geeigneten, der Größe und dem Gewicht der Kinder jeweils entsprechenden Rückhalteeinrichtung, welche die Gefahr von Körperverletzungen bei einem Unfall verringere, gesichert gehabt habe. Anzahl der beförderten Kinder: 1 (sechs Jahre).
Er habe dadurch eine Übertretung des § 106 Abs. 5 Z. 2 KFG in der zum Tatzeitpunkt geltenden Fassung begangen, weshalb über ihn gemäß § 134 Abs. 1 KFG eine Geldstrafe (Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt wurde.
In der Begründung des angefochtenen Bescheides wird insbesondere ausgeführt, der Beschwerdeführer sei seit etlichen Jahren - teilweise nur während der Wintersaison - Hausmeister bei G. S., welcher das Hotel P. in B. betreibe. In dieser Funktion habe er über Anweisung seines Dienstgebers das verfahrensgegenständliche Kfz vom Hotel P. zum Hotel T., ebenfalls in B. befindlich, gelenkt. Auf der Rückbank des Pkws habe der Beschwerdeführer die 6-jährige Tochter des Arbeitgebers (mit einer geringeren Körpergröße als 150 cm) befördert, ohne dass diese durch eine geeignete Rückhalteeinrichtung gesichert gewesen sei.
Der Auftrag an den Beschwerdeführer von seinem Dienstgeber habe gelautet, die Tochter zu ihrer im Hotel T. wohnhaften Freundin zu bringen. Es habe sich sohin "hinsichtlich des Fahrgastes um eine private Fahrt" des Beschwerdeführers gehandelt. Der Beschwerdeführer habe einen Gewerbeschein seines Dienstgebers für das Mietwagengewerbe vorgelegt.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof. Dieser hat erwogen:
In der Beschwerde wird u.a. gerügt, es sei § 106 Abs. 6 Z. 4 KFG i.d.F. der Novelle BGBl. I Nr. 117/2005 anzuwenden. Der Beschwerdeführer habe schon in der Berufung in Übereinstimmung mit dem Gesetz gerügt, dass jede Beförderung (egal ob entgeltlich oder unentgeltlich) in einem grundsätzlich zur Personenbeförderung vorgesehenen Fahrzeug vom Ausnahmetatbestand erfasst sei. Nach Annahme der belangten Behörde sei die Ausnahmebestimmung einschränkend auszulegen und der Gesetzestext insofern zu ergänzen, dass nur die entgeltliche Beförderung in Fahrzeugen, die zur entgeltlichen Beförderung vorgesehen seien, vom Ausnahmetatbestand umfasst sei. Nach Ansicht der belangten Behörde sei also eine viel weitere Strafbarkeit gegeben, als dies dem Gesetzestext eigentlich zu entnehmen sei, was freilich im Widerspruch zu dem Grundsatz stehe, wonach nur Verwaltungsstraftaten abgestraft werden könnten, die tatsächlich und völlig eindeutig auch strafbar seien.
Die einzig zulässige Interpretation der Bestimmung des § 106 Abs. 6 Z. 4 KFG sei jene , dass dessen Ausnahmebestimmung für Fahrzeuge gelte, die zur entgeltlichen Personenbeförderung bestimmt seien - unabhängig davon, ob mit ihnen im Einzelfall eine entgeltliche Personenbeförderung durchgeführt werde oder nicht.
Der Lenker hat gemäß § 106 Abs. 5 Z. 2 KFG dafür zu sorgen, dass Kinder bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres, die kleiner als 150 cm sind, in Kraftwagen, ausgenommen Fahrzeuge der Klassen M2 und M3, nur befördert werden, wenn dabei geeignete, der Größe und dem Gewicht der Kinder entsprechende Rückhalteeinrichtungen verwendet werden, welche die Gefahr von Körperverletzungen bei einem Unfall verringern.
§ 106 Abs. 5 KFG vorletzter Satz lautet:
"Ist das Fahrzeug, ausgenommen Beförderung in Fahrzeugen der Klassen M2 und M3, nicht mit Sicherheitssystemen (Sicherheitsgurten oder Rückhalteeinrichtung) ausgerüstet, so dürfen Kinder, die das dritte Lebensjahr noch nicht vollendet haben, nicht befördert werden und müssen Kinder ab vollendetem dritten Lebensjahr auf anderen als den Vordersitzen befördert werden."
Dass im Beschwerdefall ein Anwendungsfall für die Ausnahme nach § 106 Abs. 5 vorletzter Satz KFG vorliegen würden, wurde vom Beschwerdeführer nicht behauptet. Es gibt auch sonst keine sonstigen Anhaltspunkte, dass im vorliegenden Beschwerdefall diese Ausnahme anzuwenden wäre.
Nach § 106 Abs. 6 Z. 4 KFG i.d.F. der Novelle BGBl. I Nr. 117/2005 gilt Abs. 5 nicht bei der Beförderung in Fahrzeugen zur entgeltlichen Personenbeförderung (Taxi-, Mietwagen-, Gästewagengewerbe), es sei denn, es handelt sich um Schülertransporte gemäß Abs. 10.
Wie sich schon aus der Einleitung zu § 106 Abs. 6 KFG in der vorgenannten Fassung (Arg.: "Abs. 5 gilt nicht ...") ergibt, stellt diese Bestimmung eine Ausnahme zu den in § 106 Abs. 5 leg. cit. enthaltenen Verpflichtungen des Lenkers dar. Nach der hg. Judikatur sind Ausnahmebestimmungen grundsätzlich restriktiv auszulegen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 19. Juli 2007, Zl. 2007/07/0062, m.w.N.).
Wie sich aus den Erläuterungen zur Regierungsvorlage dieser Novelle (1000 der Beil. zu den Sten. Prot. des NR, XXII. GP) ergibt, diente u.a. die Neufassung des § 106 KFG der Umsetzung der Richtlinie 2003/20/EG des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 8. April 2003 zur Änderung der Richtlinie 91/671/EWG des Rates zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Gurtanlegepflicht in Kraftfahrzeugen mit einem Gewicht von weniger als 3,5 Tonnen.
Wie bereits aus den einleitenden Erwägungen zu dieser Richtlinie hervorgeht, dient diese insbesondere dem Schutz der Kinder vor Verletzungen und der Verminderung der Schwere vor Unfallverletzungen (siehe insbesondere Erwägung Nr. 7).
Nach dem neu gefassten Art. 2 Abs. 1 lit. a Z. iii der Richtlinie 91/671/EWG können die Mitgliedstaaten jedoch gestatten, dass in ihrem Hoheitsgebiet die unter den Ziffern i) und ii) genannten Kinder bei der Beförderung in Taxis nicht durch eine Kinderrückhalteeinrichtung gesichert werden. Jedoch müssen diese Kinder in Taxis, die nicht mit Kinderrückhalteeinrichtungen ausgestattet sind, auf anderen Sitzen als den vorderen Fahrgastsitzen befördert werden.
Der Wortlaut der vom Beschwerdeführer genannten Ausnahmebestimmung des § 106 Abs. 6 Z. 4 KFG in der genannten Fassung spricht von der "Beförderung in Fahrzeugen zur entgeltlichen Personenbeförderung (Taxi-, Mietwagen-, Gästewagengewerbe)". Dass diese restriktiv auszulegende Ausnahme auch für nicht entgeltliche Fahrten in derartigen Fahrzeugen gelten sollte, würde sowohl dem Schutzzweck der vorgenannten Richtlinie als auch dem Schutzzweck der in Umsetzung dieser Richtlinie erfolgten Novellierung des KFG widersprechen.
Der Verwaltungsgerichtshof vermag bei dieser Auslegung der Ausnahmebestimmung auch keine Gleichheitswidrigkeit zu erkennen, zumal eben nur in bestimmten Ausnahmefällen der Grundsatz der Sicherungspflicht von Kindern in Kinderrückhalteeinrichtungen durchbrochen werden soll. Es liegt jedoch auf der Hand, dass die nicht entgeltlich erfolgende Beförderung von Kindern in derartigen Fahrzeugen durchaus jener gleichzuhalten ist, die in anderen, nicht der entgeltlichen Beförderung dienenden Kraftfahrzeugen erfolgt. Der Verwaltungsgerichtshof sieht sich daher auch nicht veranlasst, diese Bestimmung dem Verfassungsgerichtshof zur Prüfung vorzulegen.
Die vorliegende Beschwerde erweist sich daher als unbegründet und war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.
Wien, am 24. Oktober 2008
Schlagworte
Anzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2Gemeinschaftsrecht Richtlinie EURallg4Gemeinschaftsrecht Auslegung des Mitgliedstaatenrechtes EURallg2Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Verhältnis der wörtlichen Auslegung zur teleologischen und historischen Auslegung Bedeutung der Gesetzesmaterialien VwRallg3/2/2Gemeinschaftsrecht Richtlinie richtlinienkonforme Auslegung des innerstaatlichen Rechts EURallg4/3Auslegung Diverses VwRallg3/5European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2008:2008020257.X00Im RIS seit
24.11.2008Zuletzt aktualisiert am
26.02.2015