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41 Innere AngelegenheitenNorm
B-VG Art18 Abs1Leitsatz
Feststellung der Verfassungswidrigkeit der Quotenpflicht für den Familiennachzug auch im Fall des Bestehens eines aus der EMRK abzuleitenden Rechtsanspruches auf Familiennachzug; Sanierung dieser Verfassungswidrigkeit durch die Fremdengesetz-Novelle 2002; Verfassungswidrigkeit der Vorschriften über die Durchführungspraxis der Quotenregelung; keine ausreichende Bestimmtheit hinsichtlich der Verteilung der zur Verfügung stehenden Quotenplätze; Verstoß gegen das Rechtsstaatsprinzip mangels Überprüfbarkeit der Kriterien für die Reihung auf der vorgesehenen Warteliste; keine SanierungSpruch
§18 Abs1 Z3 ("Familienangehörigen Drittstaatsangehöriger, die sich vor dem 1. Jänner 1998 in Österreich niedergelassen haben,") Fremdengesetz 1997, BGBl. I Nr. 75, in der Stammfassung war bis zum 31. Dezember 2002 verfassungswidrig.
§22 Fremdengesetz 1997, BGBl. I Nr. 75, in der Stammfassung war verfassungswidrig.
Der Bundeskanzler ist zur unverzüglichen Kundmachung dieser Aussprüche im Bundesgesetzblatt I verpflichtet.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Der Verfassungsgerichtshof geht bei der Beurteilung der in Prüfung gezogenen Bestimmungen des Fremdengesetzes 1997, BGBl. I 75 (im Folgenden: FrG), von folgender einfachgesetzlichen Rechtslage zum Zeitpunkt der Erlassung der in den Anlassverfahren angefochtenen Bescheide (vom 30. Juli und 30. September 2002) aus:
§20 Abs1 FrG regelt den Familiennachzug für auf Dauer niedergelassene Fremde und sieht einen Rechtsanspruch auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung vor. Die Bestimmung lautete:
"Familiennachzug für auf Dauer niedergelassene Fremde
§20. (1) Ehegatten und minderjährigen unverheirateten Kindern solcher Fremder, die rechtmäßig in Österreich auf Dauer niedergelassen sind, ist auf deren Antrag eine Erstniederlassungsbewilligung zu erteilen, sofern sie ein gültiges Reisedokument besitzen und kein Versagungsgrund wirksam wird (§§10 bis 12). Das Recht, weiterhin niedergelassen zu sein, bleibt Ehegatten erhalten, wenn die Voraussetzungen für den Familiennachzug später als vier Jahre nach der Erteilung der Erstniederlassungsbewilligung wegfallen."
Neben dem Nichtvorliegen von Versagungsgründen (§§10 bis 12 FrG) sieht das Gesetz als weitere Voraussetzung für die Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung vor, dass ein so genannter "Quotenplatz" vorhanden sein muss, wobei die jeweils in Betracht kommenden Quoten (Höchstzahlen der zu vergebenden Niederlassungsbewilligungen für jeweils bestimmte Aufenthaltszwecke) durch eine Verordnung der Bundesregierung im Einvernehmen mit dem Hauptausschuss des Nationalrates (sogenannte Niederlassungsverordnung) festzulegen sind. Solche Quoten sind auch für Familienangehörige Drittstaatsangehöriger, die sich vor dem 1. Jänner 1998 in Österreich niedergelassen haben, festzulegen. Die in Österreich befindlichen Ehemänner der Antragsteller in den Anlassverfahren haben sich vor diesem Stichtag in Österreich niedergelassen. §18 Abs1 Z3 FrG, der die Niederlassungsverordnung für den Familiennachzug regelt, lautet (die als verfassungswidrig erkannte Norm ist hervorgehoben):
"§18. (1) Die Bundesregierung hat im Einvernehmen mit dem Hauptausschuß des Nationalrates mit Verordnung für jeweils ein Jahr die Anzahl der Niederlassungsbewilligungen festzulegen, die
1.
...
2.
...
3.
Familienangehörigen Drittstaatsangehöriger, die sich vor dem 1. Jänner 1998 in Österreich niedergelassen haben,
höchstens erteilt werden dürfen (Niederlassungsverordnung). Die Bundesregierung hat dabei die Entwicklung eines geordneten Arbeitsmarktes sicherzustellen und in der Verordnung die Bewilligungen so auf die Länder aufzuteilen, wie es deren Möglichkeiten und Erfordernissen entspricht."
Weiters wird in §19 Abs1 FrG die Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung geregelt, insbesondere die Auslandsantragstellung betont, und auch hier ausgeführt, dass Erstniederlassungsbewilligungen nur im Rahmen der Niederlassungsverordnung erteilt werden dürfen mit Ausnahme der in Absatz 2 des §19 aufgezählten Fälle. §19 Abs1 und 2 FrG lautete:
"Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung
§19. (1) Fremden, die sich auf Dauer niederlassen wollen, kann auf Antrag eine Erstniederlassungsbewilligung erteilt werden, wenn die Voraussetzungen des 2. Abschnittes über die Erteilung von Aufenthaltstiteln bis auf weiteres gesichert scheinen. Sie darf - außer in den Fällen des Abs2 - nur im Rahmen der Niederlassungsverordnung erteilt werden (Quotenpflicht).
(2) Keiner Quotenpflicht unterliegt die Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung an Drittstaatsangehörige, die
1.Bedienstete ausländischer Informationsmedien sind, sofern ihr Unterhalt durch das Einkommen gedeckt wird, das sie als Bedienstete dieser Medien beziehen und sie in Österreich keine andere Erwerbstätigkeit ausüben;
2. Künstler sind, deren Tätigkeit überwiegend durch Aufgaben der künstlerischen Gestaltung bestimmt ist, sofern ihr Unterhalt durch das Einkommen gedeckt wird, das sie aus ihrer künstlerischen Tätigkeit beziehen;
3. zwar unselbständig erwerbstätig aber vom sachlichen Geltungsbereich des Ausländerbeschäftigungsgesetzes ausgenommen sind (§1 Abs2 und 4 AuslBG);
4. in Österreich sichtvermerkspflichtig sind aber Niederlassungsfreiheit genießen (§§46, 47 und 49);
5. Ehegatten oder minderjährige unverheiratete Kinder der in Z1 bis 4 genannten Fremden sind, sofern sie nicht erwerbstätig sein wollen."
Verfahrenrechtlich ist in §22 FrG vorgesehen, dass die Behörde zunächst die allgemeinen Voraussetzungen zur Erteilung einer Niederlassungsbewilligung prüft und - falls kein Quotenplatz zur Verfügung steht - den Antrag nicht abweist, sondern bis zum Vorhandensein eines Quotenplatzes unerledigt lässt. In der Praxis wurden die Antragsteller teilweise formlos vom Nichtvorhandensein eines Quotenplatzes verständigt, ohne dass dies im Gesetz vorgesehen war. §22 FrG lautete:
"Beachtung der Quotenpflicht
§22. Eine quotenpflichtige Erstniederlassungsbewilligung darf nur erteilt werden, wenn die für den Fremden samt dem Familiennachzug nach §21 Abs2 erforderlichen Bewilligungen in dem Land der beabsichtigten Niederlassung nach der Niederlassungsverordnung noch zur Verfügung stehen. Wird die Erstniederlassungsbewilligung erteilt, so vermindert sich diese Zahl entsprechend. Ist die Zahl bereits ausgeschöpft, so ist die Entscheidung über die zu diesem Zeitpunkt anhängigen und über die danach einlangenden Anträge, denen im Falle noch zur Verfügung stehender Bewilligungen stattzugeben wäre, so lange aufzuschieben, bis in einer nachfolgenden Niederlassungsverordnung auf sie Bedacht genommen werden kann. §73 AVG und §27 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 - VwGG, BGBl. Nr. 10, sind nur insoweit anwendbar, als die Zeit des zulässigen Aufschubes überschritten wird."
§10 Abs4 FrG sieht die Möglichkeit der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen vor, falls Versagungsgründe nach Abs1 Z2, 3 und 4 sowie Abs2 Z1, 2 und 5 vorliegen. Das Nichtvorhandensein eines Quotenplatzes zählt nicht zu den dort genannten Versagungsgründen. §10 Abs4 FrG lautet:
"Versagung eines Einreise- oder Aufenthaltstitels
§10.
...
(4) Die Behörde kann Fremden trotz Vorliegens eines Versagungsgrundes gemäß Abs1 Z2, 3 und 4 sowie gemäß Abs2 Z1, 2 und 5 in besonders berücksichtigungswürdigen Fällen aus humanitären Gründen von Amts wegen eine Aufenthaltserlaubnis erteilen. Besonders berücksichtigungswürdige Fälle liegen insbesondere vor, wenn die Fremden einer Gefahr gemäß §57 Abs1 oder 2 ausgesetzt sind. Fremden, die ihre Heimat als Opfer eines bewaffneten Konfliktes verlassen haben, darf eine solche Aufenthaltserlaubnis nur für die voraussichtliche Dauer dieses Konfliktes, höchstens für drei Monate erteilt werden. Im Falle strafbarer Handlungen gemäß §217 StGB darf Zeugen zur Gewährleistung der Strafverfolgung sowie Opfern von Menschenhandel zur Durchsetzung zivilrechtlicher Ansprüche gegen die Täter eine solche Aufenthaltserlaubnis für die erforderliche Dauer erteilt werden."
2. Mit der FrG-Novelle 2002, BGBl. I 126, wurden einige der oben genannten Bestimmungen geändert. Die Änderungen traten mit 1. Jänner 2003 in Kraft (§111 Abs12 FrG).
In §20 FrG wurde nach der Nennung der Ehegatten und minderjährigen unverheirateten Kindern als Klammerausdruck der Begriff "Kernfamilie" eingefügt.
Änderungen in §18 FrG sind für das gegenständliche Verfahren bedeutungslos.
Dem §14 Abs2 FrG wurde folgender Satz hinzugefügt:
"Liegen die Voraussetzungen des §10 Abs4 vor, kann der Antrag auf Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung im Inland gestellt werden."
Nach der Rechtslage zum Zeitpunkt der Erlassung der Bescheide in den Anlassverfahren war nur die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen nach §10 Abs4 FrG vorgesehen, wobei zu den in dieser Bestimmung genannten Versagungsgründen, über die aus humanitären Gründen hinweggesehen werden kann, nicht das Fehlen eines Quotenplatzes zu zählen war. Außerdem konnte die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen nur angeregt, jedoch nicht beantragt werden und bestand auch kein Rechtsanspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen. Durch die FrG-Novelle 2002 besteht nun die Möglichkeit der Beantragung einer Niederlassungsbewilligung aus humanitären Gründen, auch wenn der Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung das Nichtvorhandensein eines Quotenplatzes entgegensteht.
§19 Abs2 FrG, der die Ausnahmen von der Quotenpflicht festlegt, wurde erweitert, wobei insbesonders die neue Ziffer 6 beachtlich ist. §19 Abs1 und 2 lauten in der novellierten Fassung (die Änderungen durch die FrG-Novelle 2002 sind hervorgehoben):
"Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung
§19. (1) Fremden, die sich auf Dauer niederlassen wollen, kann auf Antrag eine Erstniederlassungsbewilligung erteilt werden, wenn die Voraussetzungen des 2. Abschnittes über die Erteilung von Aufenthaltstiteln bis auf weiteres gesichert scheinen. Sie darf - außer in den Fällen des Abs2 - nur im Rahmen der Niederlassungsverordnung erteilt werden (Quotenpflicht).
(2) Keiner Quotenpflicht unterliegt die Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung an Drittstaatsangehörige, die
1. Bedienstete ausländischer Informationsmedien sind, sofern ihr Unterhalt durch das Einkommen gedeckt wird, das sie als Bedienstete dieser Medien beziehen und sie in Österreich keine andere Erwerbstätigkeit ausüben;
2. Künstler sind, deren Tätigkeit überwiegend durch Aufgaben der künstlerischen Gestaltung bestimmt ist, sofern ihr Unterhalt durch das Einkommen gedeckt wird, das sie aus ihrer künstlerischen Tätigkeit beziehen;
3. zwar unselbständig erwerbstätig aber vom sachlichen Geltungsbereich des Ausländerbeschäftigungsgesetzes ausgenommen sind (§1 Abs2 und 4 AuslBG);
4. in Österreich sichtvermerkspflichtig sind, aber auf Grund eines Staatsvertrages oder eines Rechtsaktes der europäischen Union Niederlassungsfreiheit genießen
4a. die Voraussetzungen des §14 Abs2a als Schlüsselkraft erfüllen.
5. Ehegatten oder minderjährige unverheiratete Kinder der in Z1 bis 4 genannten Fremden sind, sofern sie nicht erwerbstätig sein wollen.
6. die Voraussetzungen des §10 Abs4 erfüllen und entweder Familienangehörige (§20 Abs1) eines rechtmäßig auf Dauer niedergelassenen Fremden sind oder die Voraussetzungen gemäß Abs3 erfüllen."
In den Erläuterungen zur Regierungsvorlage (1172 BlgNR XXI. GP, 30) heißt es in Bezug auf die neu eingeführte Z6 in §19 Abs2 FrG:
"Die angefügte Z6 ist die korrespondierende Bestimmung zu §14 Abs2 letzter Satz des Vorschlags und soll es ermöglichen, diese Niederlassungsbewilligungen zu erteilen, wenn es sich um Familienangehörige von Fremden handelt, die rechtmäßig auf Dauer niedergelassen sind oder die beschäftigungsrechtlichen Voraussetzungen erfüllen."
Seit der FrG-Novelle 2002 ist es also möglich, an Familienangehörige eines rechtmäßig auf Dauer niedergelassenen Fremden eine Erstniederlassungsbewilligung zu erteilen, ohne dass hierfür ein Quotenplatz zur Verfügung stehen muss, wenn die sonstigen Voraussetzungen des §10 Abs4 FrG erfüllt sind.
§10 Abs4 FrG 1997 blieb unverändert, hingegen wurde §22 novelliert, indem ein neuer Absatz 2 betreffend Schlüsselkräfte eingefügt wurde, auf den in Absatz 1 Bezug genommen wird. Ferner wurde eine Pflicht zur Verständigung von Antragstellern darüber, dass kein Quotenplatz zur Verfügung steht, vorgesehen.
§22 Abs1 und 2 lautet in der novellierten Fassung (die Änderungen durch die FrG-Novelle 2002 sind hervorgehoben):
"§22. (1) Eine quotenpflichtige Erstniederlassungsbewilligung darf nur erteilt werden, wenn die für den Fremden samt dem Familiennachzug nach §21 Abs2 erforderlichen Bewilligungen in dem Land der beabsichtigten Niederlassung nach der Niederlassungsverordnung noch zur Verfügung stehen. Wird die Erstniederlassungsbewilligung erteilt, so vermindert sich diese Zahl entsprechend. Ist die Zahl bereits ausgeschöpft, so ist außer in den Fällen des Abs2 die Entscheidung über die zu diesem Zeitpunkt anhängigen und über die danach einlangenden Anträge, denen im Falle noch zur Verfügung stehender Bewilligungen stattzugeben wäre, so lange aufzuschieben, bis in einer nachfolgenden Niederlassungsverordnung auf sie Bedacht genommen werden kann; hierüber ist bei Anträgen auf Familiennachzug der bereits niedergelassene Fremde zu informieren. §73 AVG und §27 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 - VwGG, BGBl. Nr. 10, sind nur insoweit anwendbar, als die Zeit des zulässigen Aufschubes überschritten wird.
(2) Anträge auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung als Schlüsselkraft und deren Ehegatten und unverheiratete minderjährige Kinder (§18 Abs1 Z1, Abs1a) sind, wenn die Zahl der in der Niederlassungsverordnung für das entsprechende Jahr oder in einem Abkommen gemäß §1 Abs5 AuslBG festgelegten Bewilligungen bereits ausgeschöpft ist, ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen."
II. Beim Verfassungsgerichtshof sind Verfahren über zu B1407/02 und B1655/02 protokollierte Beschwerden gemäß Art144 B-VG anhängig. Die Beschwerdeführerinnen in diesen Verfahren beantragten die Erteilung einer Niederlassungsbewilligung für den Aufenthaltszweck "Familiengemeinschaft" mit ihren Ehemännern. Mit Schreiben vom Jänner sowie April 2002 teilte die Bezirkshauptmannschaft St. Veit an der Glan mit, dass die für das Bundesland Kärnten für das Jahr 2001 bzw. 2002 festgesetzte Höchstzahl an quotenpflichtigen Niederlassungsbewilligungen bereits erreicht worden bzw. noch keine Quotenzuteilung erfolgt sei und aus diesem Grund eine positive Erledigung ihrer Anträge derzeit nicht möglich sei. Ihre Anträge werden nicht abgewiesen, sondern die Entscheidung darüber verschoben. Mit Schriftsätzen vom 3. Juni 2002 und vom 12. Juni 2002 beantragten die Beschwerdeführerinnen den Übergang der Zuständigkeit zur Entscheidung auf die sachlich in Betracht kommende Oberbehörde im Sinne des §73 Abs2 AVG, da seit der Antragstellung bereits mehr als sechs Monate verstrichen seien und die Behörde noch keine Entscheidung getroffen habe. Diese Anträge wurden mit Bescheiden des Bundesministers für Inneres vom 30. Juli 2002 und 30. September 2002 gemäß §73 Abs1 und 2 AVG iVm §22 FrG zurückgewiesen. In den nahezu gleichlautenden Begründungen führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, dass die Zeiten, bei denen die Quote erschöpft ist, auf die Frist des §73 AVG nicht anzurechnen seien und die Behörde erster Instanz in diesen Zeiträumen keine Entscheidungspflicht getroffen habe. Daraus ergäbe sich zeitweise eine Hemmung der im §73 AVG normierten Frist und der Devolutionsantrag erweise sich daher als zu früh gestellt, weil die Behörde erster Instanz noch keine sechs Monate zur Entscheidung über den vorliegenden Antrag zur Verfügung gehabt hätte.
III. Aus Anlass dieser Beschwerdesachen beschloss der Verfassungsgerichtshof gemäß Art140 Abs1 B-VG von Amts wegen ein Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des §18 Abs1 Z3 sowie des §22 FrG 1997 in der Stammfassung einzuleiten.
1. Der Gerichtshof ging vorläufig davon aus, dass der Behandlung der Beschwerden Prozesshindernisse nicht entgegenstehen und die in Prüfung gezogenen Gesetzesbestimmungen präjudiziell sind. Im Gesetzesprüfungsverfahren werde allerdings zu untersuchen sein, welche Auswirkungen Bestimmungen der FrG-Novelle 2002, BGBl. I 126, auf das Verfahren haben könnten.
2. Die verfassungsrechtlichen Bedenken legte der Gerichtshof wie folgt dar:
"3. a) Gemäß Art8 Abs1 EMRK hat jedermann ua. Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens. Der Eingriff einer öffentlichen Behörde in dieses Recht ist gemäß Art8 Abs2 EMRK nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft ua. für die öffentliche Ruhe und Ordnung sowie das wirtschaftliche Wohl des Landes notwendig ist.
Wie der Verfassungsgerichtshof bereits im Erkenntnis VfSlg. 13.336/1993 dargetan hat, besteht bei einer Versagung des Sichtvermerkes nicht dieselbe spezifische Eingriffsnähe in das erwähnte Grundrecht wie etwa bei einem Aufenthaltsverbot; dennoch wäre die Annahme unzutreffend, dass Eingriffe in das durch Art8 EMRK verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht nur in vernachlässigbaren Einzelfällen eintreten könnten; bewirkt doch etwa die Versagung eines Sichtvermerkes häufig, dass eine Familienzusammenführung verhindert wird oder der Verlust der Aufenthaltsberechtigung eintritt, obgleich Familienangehörige des Sichtvermerkswerbers rechtmäßig in Österreich leben (vgl. auch VfSlg. 14.091/1995 und die dort zitierte Vorjudikatur).
b) Die Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes steht auch im Einklang mit jener des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (im Folgenden: EGMR), die hinsichtlich der Dichte des Eingriffs in das Privat- und Familienleben unterscheidet zwischen den Fällen, bei denen jemand die Einwanderung begehrt, um im Einwanderungsland das Familienleben herzustellen, und jenen Fällen, bei denen ein bestehendes gemeinsames Leben von Familienangehörigen im betreffenden Staat durch Maßnahmen einer Behörde gestört oder verhindert werden soll. Der EGMR räumt den Vertragsstaaten einen weiten Ermessensspielraum bei der Regelung der Einwanderung ein und führt aus, dass die durch Art8 EMRK auferlegte Pflicht nicht die generelle Verpflichtung auf Seiten eines Vertragsstaates umfasse, die Wahl des Familienwohnsitzes durch ein verheiratetes Paar zu respektieren und Ehepaare, die nicht die Nationalität des Vertragsstaates haben, zur Niederlassung zu akzeptieren. Ob eine Verletzung des Art8 EMRK vorliegt, misst der EGMR daran, ob Hindernisse für eine Wohnsitzgründung im Heimatstaat bestehen bzw. ob besondere Gründe vorliegen, warum eine solche Wohnsitzgründung nicht erwartet werden kann (vgl. EGMR 28.5.1985 Fall Abdulaziz, Cabales und Balkandali gegen Vereinigtes Königreich; 19.2.1996 Fall Gül gegen die Schweiz; 28.10.1996 Fall Ahmut gegen die Niederlande).
Im Fall Sen gegen die Niederlande (Urteil des EGMR vom 21.12.2001), dem ein Antrag eines türkischen Ehepaares und deren Tochter, die 1983 in der Türkei geboren wurde, zugrunde lag, hatte sich der Ehemann seit 1977 in den Niederlanden aufgehalten. Im Jahr 1986 war ihm seine Ehefrau nachgefolgt. 1990 und 1994 wurden dem Ehepaar zwei Kinder in den Niederlanden geboren. Der EGMR wiederholte zwar die Grundsätze seiner früheren Judikatur, meinte aber, dass im Gegensatz zum Fall Ahmut eine Verletzung des Art8 EMRK vorliege, da im gegenständlichen Fall ein wichtiges Hindernis für die Rückkehr der Familie vorläge. Der EGMR verwies auf die besondere Aufenthaltsverfestigung, zumal die beiden in den Niederlanden geborenen Kinder in die kulturelle und schulische Umwelt sehr stark integriert seien, sodass eine Fortsetzung des Familienlebens in der Türkei nicht mehr zumutbar sei. Unter diesen Umständen sei der Nachzug der Tochter in die Niederlande das adäquateste Mittel für die Etablierung eines gemeinsamen Familienlebens.
Insgesamt zeigt die Rechtsprechung des EGMR sowie jene des Verfassungsgerichtshofes, dass aus Art8 EMRK keine generelle Verpflichtung abzuleiten ist, dem Wunsch der Fremden, die Familienzusammenführung in einem bestimmten Land stattfinden zu lassen, nachkommen zu müssen. Bei einer Festlegung der Bedingungen für die Einwanderung wird den Vertragsstaaten ein weiter Gestaltungsspielraum zugestanden. Art8 EMRK darf aber bei der Festlegung der Bedingungen für die Einwanderung wohl nicht völlig außer Betracht bleiben. Die Voraussetzungen dürften nicht so gestaltet sein, dass ein Familiennachzug selbst dann ausgeschlossen ist, wenn einem gemeinsamen Familienleben im Heimatstaat der Fremden wesentliche Hindernisse entgegenstehen, oder der Aufenthalt eines Teiles der Familie in einem Staat derart gefestigt ist, dass die Übersiedlung in den Heimatstaat unzumutbar ist, wie dies beispielhaft der Fall Sen gegen die Niederlande zeigt.
c) Grundsätzlich dürfte der Einführung von Quoten für den Familiennachzug - ohne darauf hier näher eingehen zu müssen (vgl. auch VfSlg. 14.191/1995 zum Quotensystem allgemein) - nichts entgegenstehen, wenn davon nicht auch Fälle erfasst sind, bei denen der Familiennachzug im Sinn der oben zitierten Rechtsprechung geboten ist, also ausnahmsweise ein aus Art8 EMRK abzuleitender Anspruch auf Familiennachzug besteht.
Das Zusammenspiel der Bestimmungen der §§18 Abs1 Z3 und 22 FrG scheint aber zu bewirken, dass die Quotenpflicht auch für jene Gruppe von Familienangehörigen gilt, die einen Anspruch auf Familiennachzug hat (§20 Abs1 FrG, Art8 EMRK). Dies hat anscheinend zur Folge, dass diese Fremden trotzdem mitunter viele Jahre auf den Nachzug warten müssen, da die zur Verfügung gestellten Quotenplätze nach §18 Abs1 Z3 FrG in keiner Weise der Zahl der Nachzugsanträge zu entsprechen scheinen. Die unbedingte Geltung der Quotenpflicht scheint dazu zu führen, dass in keinem Fall geprüft werden kann, ob auf Grund besonderer Familienverhältnisse eine rasche Familienzusammenführung unter Beachtung des Art8 EMRK erforderlich sein könnte. Selbst dann, wenn ein Familiennachzug im Sinne des Art8 EMRK geboten erscheint, dürfte die Behörde keine Möglichkeit haben, diesen Fall bevorzugt bzw. unabhängig von einem Quotenplatz zu behandeln, um eine mehrjährige Wartezeit hintanzuhalten. Eine solche Regelung scheint Art8 EMRK zu widersprechen.
d) Im Gesetzesprüfungsverfahren wird allerdings zu untersuchen sein, ob es im System des Fremdengesetzes nicht eine Möglichkeit gibt, jene Fälle, bei denen der Familiennachzug nach Art8 EMRK geboten ist, ohne Beachtung einer Quote bei Vorliegen der allgemeinen Voraussetzungen positiv zu erledigen. Der Verfassungsgerichtshof vermag vorläufig eine solche Möglichkeit auf Grund der bei Erlassung des Bescheides geltenden Fassung des Fremdengesetzes nicht zu erkennen: §10 Abs4 FrG (Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen) scheint dem Fremden keinen Rechtsanspruch in Fällen des Art8 EMRK zu gewähren (VwGH 20.12.1999, Zl. 98/18/0230; 17.12.2001, Zl. 2001/18/0232), da diese Bestimmung bei bloßer Erschöpfung der Quote nicht anwendbar zu sein und die Aufenthaltserlaubnis nicht als Aufenthaltstitel, der eine dauernde Niederlassung in Österreich gewährleistet, geeignet zu sein scheint. §20 FrG (Familiennachzug für auf Dauer niedergelassene Fremde) scheint an der Quotenpflicht nichts zu ändern, da §18 Abs1 FrG, der die Festlegung von Quoten in Niederlassungsverordnungen regelt, alle Familienangehörige Drittstaatsangehöriger umfasst, soweit sie nicht ausdrücklich in §19 Abs2 FrG von der Quotenpflicht ausgenommen sind, und einen Rechtsanspruch für jene Fälle des §21 Abs3 FrG erst dann zu gewähren, wenn ein freier Quotenplatz zur Verfügung steht (vgl. VwGH 14.5.1999, Zl. 98/19/0225).
e) Der Verfassungsgerichtshof hat auch - unabhängig vom Fall des Rechtes auf Familiennachzug iSd Art8 EMRK - Bedenken ob der ausreichenden Bestimmtheit des §18 Abs1 Z3 FrG im Zusammenhang mit §22 FrG als gesetzliche Grundlage für die Durchführung der Verfahren auf Grund einer Niederlassungsverordnung. Die Regelung der genannten Bestimmungen scheint insofern unbestimmt zu sein, als nicht im Voraus festgelegt wird, wie diese freien Quotenplätze auf die offenen Anträge zu verteilen sind und wie eine wohl in der Praxis vorgenommene Reihung tatsächlich aussehen sollte. Sowohl für den betroffenen Fremden, der den Familiennachzug anstrebt, als auch für seinen in Österreich bereits niedergelassenen Angehörigen scheint es mangels eines Bescheides bei der 'Aufschiebung der Entscheidung' (§22 FrG) vollkommen unvorhersehbar zu sein, wie lange er auf den Familiennachzug warten muss bzw. wie er in eine Rangliste eingereiht wird und auf welchen Platz zB während der Wartezeit geborene Kinder, die ebenfalls um den Nachzug angesucht haben, eingereiht werden. Nicht geregelt scheint auch zu sein, wie die für ein Bundesland insgesamt geltenden Quotenplätze bei Behandlung von Anträgen in den einzelnen Bezirksverwaltungsbehörden Berücksichtigung finden und auf welche Weise dabei sichergestellt wird, dass die Quotenplätze in einer dem Sinn des Gesetzes entsprechenden, nicht manipulierbaren Reihenfolge auf alle Antragsteller in einem Bundesland verteilt werden. Die Regelung dürfte daher auch mit den Prinzipien eines dem Rechtsstaatsgebot entsprechenden Verfahrens unvereinbar sein, da sie weder über den Aufschub der Entscheidung noch über die Berücksichtigung der Reihenfolge der anhängigen Anträge eine bescheidmäßige Erledigung vorsieht, die im Verwaltungsweg und schließlich von den Gerichtshöfen des öffentlichen Rechts nachgeprüft werden kann."
IV. Die Bundesregierung erstattete eine Äußerung, in der sie begehrt, die in Prüfung gezogenen Gesetzesstellen nicht als verfassungswidrig aufzuheben. Für den Fall der Aufhebung beantragt sie, eine Frist von einem Jahr für das Außerkrafttreten zu bestimmen.
1. Zur Präjudizialität des §18 Abs1 Z3 FrG führt die Bundesregierung aus, dass diese Verordnungsermächtigung zwar die Bundesregierung zur Festlegung einer Anzahl von Niederlassungsbewilligungen für Familienangehörige von Drittstaatsangehörigen ermächtigt, die sich vor dem 1. Jänner 1998 in Österreich niedergelassen haben, sie jedoch nicht vom Bundesminister für Inneres zu vollziehen sei. Aus diesen Gründen stütze sich auch der Bescheid der belangten Behörde nicht auf diese Bestimmung. Es treffe zwar zu, dass die Behörde auf Grund der Erschöpfung der in §3 Abs2 Z3 Niederlassungsverordnung 2003 festgelegten Quote die Entscheidung über den Antrag aufgeschoben habe, diese Entscheidung wurde jedoch nicht in Anwendung des §18 Abs1 Z3 FrG getroffen und die Verordnungsermächtigung des §18 FrG habe durch den Bundesminister für Inneres auch nicht als eine Entscheidungsgrundlage herangezogen werden können.
Die Bundesregierung gehe hingegen in Bezug auf §22 FrG davon aus, dass im vorliegenden Gesetzesprüfungsverfahren diese Bestimmung als präjudiziell anzusehen sei und die Prozessvoraussetzungen daher insoweit gegeben seien.
2. In der Sache führt die Bundesregierung Folgendes aus:
"1. Zu den gegen §22 FrG 1997 vorgebrachten Bedenken im Hinblick auf einen Verstoß gegen das Rechtsstaatsprinzip:
...
Die Reihung der Anträge nach dem Prioritätsprinzip, also nach dem Datum des Einlanges bei der Behörde ergibt sich schon aus §22 selbst und zwar insofern, als dort auf die Devolutions- bzw. Säumigkeitsregelungen der §73 AVG und 27 Verwaltungsgerichtshofgesetz verwiesen wird (siehe hiezu den Beschluss des VwGH vom 15. Mai 2002, Zl. 2002/12/0028).
Auch die Erläuterungen zur Regierungsvorlage des FrG 1997 (685 BlgNR, XX. GP) führen zur Bestimmung des §22 aus:
'Erstniederlassungsbewilligungen, deren Erteilung der Quotenpflicht unterliegt, dürfen dann nicht erteilt werden, wenn sie zahlenmäßig keine Deckung in der Niederlassungsquote finden. Solche Anträge sind nicht zurückzuweisen, sondern - wie bisher - ist die Entscheidung hierüber so lange aufzuschieben, bis in einer nachfolgenden Niederlassungsverordnung auf sie Bedacht genommen werden kann. Das heißt, die Zuweisung der Quotenplätze ist nach dem jeweiligen Zeitpunkt des Einlangens der Anträge vorzunehmen.'
Ebenso wie sich der Lauf der Entscheidungsfrist des §73 AVG ab dem Antragsdatum berechnet, verhält es sich mit dem Zeitpunkt des Aufschubes der Entscheidung gemäß §22 FrG. Der Ablauf dieser Fristen lässt sich in diesen Fällen bestimmen, indem man die Zeiträume der offenen Quote addiert (und die den Fristenlauf hemmenden Zeiten der geschlossenen Quote unberücksichtigt lässt).
Es mag zwar zutreffen, dass die Beschwerdeführerinnen keinen im Instanzenzug bekämpfbaren Bescheid erhalten, welcher über ihre 'Reihung' in der für sie vorgesehenen Quotenplätze abspricht, sondern lediglich eine Mitteilung darüber, dass die Entscheidung über ihren Antrag infolge Erschöpfung der Quote aufgeschoben werde. Die Auffassung, dass diese Vorgangsweise dem 'Rechtsstaatsgebot' widerspricht, vermag jedoch nicht geteilt zu werden. Ein Vergleich der Rechtslage nach dem Aufenthaltsgesetz 1992 zeigt, dass dort vorgesehen war, dass die Entscheidung über Anträge gemäß §3 auf das folgende Jahr zu verschieben ist, und andere anhängige Anträge abzuweisen sind. §3 des Aufenthaltsgesetzes enthielt eine Privilegierung einer abstrakt umschriebenen Personengruppe, deren Anträge bevorzugt zu bewilligen waren bzw. sah im Zusammenhalt mit §9 Aufenthaltsgesetz vor, dass die Entscheidung über Anträge dieser Personen 'auf das folgende Jahr zu verschieben ist'. Der Verfassungsgerichtshof hat im Erkenntnis VfSlg Nr. 14191/1995 zu diesen Regelungen ausgesprochen, dass es keineswegs sachfremd sei, die Einwanderungspolitik auch in der Weise zu steuern, dass jährlich bloß einer beschränkten Zahl von Fremden die Bewilligung erteilt wird. Auch gegen den vorgesehenen Modus der 'Aufschiebung' der Anträge wurden im zitierten Erkenntnis keine Bedenken erhoben.
§22 FrG 1997 sah vor, dass jene Anträge, über die für den Fall, dass ein Quotenplatz zur Verfügung gestanden wäre, positiv zu entscheiden wäre, auf den Zeitraum einer neuen Quote zu verschieben sind. 'Betroffen' von einer entsprechenden 'Aufschiebung' sind daher nur jene Fremden, denen bei zur Verfügung stehender Quote eine Bewilligung erteilt wird. Diesen steht für den Fall einer Erlassung einer neuen Niederlassungsverordnung auch - sofern die erstinstanzliche Behörde über den im §73 AVG genannten Zeitraum (gerechnet ab dem Zeitpunkt der Antragstellung) hinaus die Bewilligung nicht erteilt - der Rechtsbehelf des Devolutionsantrages, und letztlich - bei weiterer Untätigkeit des Bundesministers für Inneres - die Säumnisbeschwerde zur Verfügung.
Nun ist dem Beschluss des VwGH Zl. 2002/12/0028, da in diesem unter anderem detailliert die seitens des VwGH geführten Ermittlungen zur Frage des Zeitpunktes der Erschöpfung der Quote, bezogen auf einen konkreten Beschwerdefall, wiedergegeben wurde, zu entnehmen, dass die Frage, ob eine Entscheidung zu Recht infolge Erschöpfung der Quote auf den Zeitraum einer nachfolgenden Niederlassungsverordnung aufgeschoben wurde, sehr wohl einer höchstgerichtlichen Überprüfung - wenn auch nur zur Frage, ob eine eingebrachte Säumnisbeschwerde als zulässig erscheint - unterzogen werden kann.
2. Zu den gegenüber dem Regelungszusammenhang von §18 Abs1 Z3 und §22 FrG vorgebrachten Bedenken
...
Wie der Verfassungsgerichtshof im gegenständlichen Prüfungsbeschluss ausgeführt hat, unterscheidet der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hinsichtlich der Intensität des Eingriffes in das Privat- und Familienleben gem. Art8 EMRK zwischen den Fällen, bei denen jemand die Einwanderung begehrt, um im Einwanderungsland das Familienleben herzustellen, und jenen Fällen, bei denen ein bestehendes gemeinsames Leben von Familienangehörigen im betreffenden Staat durch Maßnahmen einer Behörde gestört oder verhindert werden soll (siehe dazu etwa Wiederin, Art8 EMRK, in:
Korinek/Holoubek (Hrsg), Bundesverfassungsrecht, Rz 89; Grabenwarter, Europäische Menschenrechtskonvention [2003] §22, Rz 39).
So gesteht der EGMR in seiner Judikatur einer Ausländerfamilie nicht das unbedingte Recht auf ein gemeinsames Familienleben in einem Vertragsstaat zu. Art8 EMRK umfasst nicht die generelle Verpflichtung eines Vertragsstaates, die Wahl des Familienwohnsitzes durch die verschiedenen Familienmitglieder anzuerkennen und die Zusammenführung einer Familie auf seinem Gebiet zu erlauben (siehe Grabenwarter, aa0 §22 Rz 39; Urteil des EGMR im Fall Abdulaziz ua. gegen das Vereinigte Königreich vom 28.5.1985, Z68 ebenso wie im Fall Sen gegen die Niederlande, vom 21.12.2001). Auch beinhaltet Art8 EMRK nicht das Recht, den geeignetsten Ort für die Entwicklung des Familienlebens zu wählen (Urteil im Fall Ahmut gegen die Niederlande, vom 28.11.1996). Diese Auffassung des EGMR liegt darin begründet, dass er den allgemein anerkannten völkerrechtlichen Grundsatz respektiert, wonach jeder Staat das Recht habe, die Einreise von Nichtstaatsangehörigen in sein Gebiet einem Kontrollregime zu unterwerfen. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass der EGMR eine grundsätzliche positive Verpflichtung der Konventionsstaaten zur Herstellung des Familienlebens verneint. Das Ausmaß der 'Verpflichtung' eines Staates, Verwandten von Einwanderern Nachzug zu gewähren, hängt von den persönlichen Umständen der betroffenen Personen wie auch dem Allgemeininteresse ab. Im Rahmen dieser Interessensabwägung ist u.a. auf den Integrationsgrad des Familienangehörigen im Aufnahmeland, aber auch auf die Situation der Betroffenen in ihrer Heimat (Zumutbarkeit des Nachzuges ins Ausland) Bedacht zu nehmen.
Dieser Position des EGMR wird im Fremdengesetz 1997 durchaus Rechnung getragen.
Zur Sicherstellung einer geordneten und nachhaltigen Migrationspolitik verfolgt Österreich seit zehn Jahren das Ziel, die Zuwanderung im Wesentlichen über ein System von jährlich festzusetzenden Höchstzahlen bzw. Quoten zu steuern. Zielgruppe sind dabei nur jene Personen, die sich niederlassen wollen, die also eine dauerhafte Zuwanderung anstreben.
Die Anzahl der Quotenplätze wird - nach einem umfangreichen Anhörungs- und Stellungnahmeverfahren - in einer von der Bundesregierung im Einvernehmen mit dem Hauptausschuss des Nationalrates jährlich zu erlassenden Verordnung (Niederlassungs-VO) bestimmt. Kernziel dieser Maßnahme ist es, die Aufnahme- und Integrationskapazität in Bezug auf Zuwanderer mit der Aufnahmefähigkeit des inländischen Arbeitsmarktes in einer den Möglichkeiten und Erfordernissen der einzelnen Bundesländer entsprechenden Form in bestmöglicher Weise abzustimmen. Das Verhältnis von ausländischer und inländischer Wohnbevölkerung ist insgesamt deutlich höher als in anderen europäischen Staaten. Die Rahmenbedingungen des österreichischen Zuwanderungsmodells haben bislang sehr effizient und nachhaltig zur Erhaltung des sozialen Friedens und der weitestgehend erzielten Vermeidung von Spannungen beigetragen.
Darüber hinaus betrifft das Quotensystem aber nur einen Teil der tatsächlich Zuwandernden. Für viele ist eine 'quotenfreie' Zuwanderung möglich. Die sich daraus ergebende Gesamtzahl setzt sich aus zahlreichen einzelnen, jeweils sachlich gerechtfertigten Ausnahmen zusammen. So besteht Quotenfreiheit für begünstigte Drittstaatsangehörige, ausländische Medienbedienstete, Künstler, vom Ausländerbeschäftigungsgesetz auf Grund ihrer spezifischen Tätigkeit sachlich ausgenommene Fremde und deren Angehörige.
Dem Höchstzahlensystem unterworfen ist jedoch - abgesehen von den erwähnten Ausnahmefällen - sowohl der Neuzuzug von Arbeitskräften als auch der Familiennach- bzw -mitzuzug. Dies ist jene Personengruppe, die ihr Zuwanderungsrecht (ausschließlich) aus ihrer Zugehörigkeit zur Kernfamilie eines Zuwanderers ableitet und diesen in das Gastland begleitet, oder ihm dorthin nachfolgen will.
In der Regel wird der Antrag auf Familiennachzug (bzw. -mitzug) gleichzeitig mit dem Grundantrag des sog. 'Ankerfremden' gestellt und die Bewilligung erteilt. Im System des FrG wird dabei sowohl für diesen als auch für die mit- bzw. nachziehenden Ehegatten und minderjährige Kinder ein Quotenplatz aus der selben Quotenkategorie vergeben (FrG, Stammfassung: §18 Abs1 Z1 und 2; FrG, aktuelle Fassung: §18 Abs1 Z1 und Abs1a iVm §21 Abs1a). Auf diese Weise wird ein bereits bestehendes Familienleben jedenfalls respektiert und geschützt. Es entspricht auch der allgemeinen Lebenserfahrung, dass eine Familie zugleich oder zumindest relativ zeitnah die Zuwanderung plant.
Der im gegenständlichen Verfahren relevante §18 Abs1 Z3 legte dem gegenüber - von Anfang an - eine zusätzliche Kategorie für den Familiennachzug fest. Dies schien insofern notwendig, um auch Fremden, die sich bereits nach alter Rechtslage (bis zum 31.12.1997) niedergelassen hatten (und die aus diesem Grund keinen Rechtsanspruch auf Familiennachzug gemäß §21 Abs1 erheben konnten), die Nachholung ihrer im Ausland befindlichen Familienmitglieder zu ermöglichen. Dies betrifft einerseits Fälle, in denen die Zusammenführung bisher aus rechtlichen oder persönlichen Gründen noch nicht möglich oder gewollt war, und andererseits Sachverhalte, bei denen bereits in Österreich niedergelassene Fremde ein Familienleben - so wie in den Anlassfällen - nachträglich im Ausland begründen.
Da die Zahl der in diesem Sinne im Ausland 'wartenden' Familienangehörigen größer war als die ermittelte Aufnahmekapazität, hat sich ein gewisser Rückstau gebildet, der schrittweise abgebaut wird. Gerade auf die Notwendigkeit dieses schrittweisen Vorgehens haben sich zahlreiche Stellungnahmen im Rahmen des Anhörungsrechts gemäß §18 Abs2 FrG zu den jährlichen Niederlassungsverordnungen bezogen.
Die Höhe der einzelnen Quoten (und damit auch jener gemäß §18 Abs1 Z3 FrG) ist für jedes Bundesland gesondert festzusetzen; sie werden vom jeweiligen Landeshauptmann verwaltet, der Niederlassungsbehörde im Sinne des §89 Abs1 und 1a FrG ist. Eine weitere Untergliederung oder Verteilung der Höchstzahlen, etwa auf Verwaltungsbezirke, ist im FrG nicht vorgesehen. Eine allfällige interne Zuordnung innerhalb eines Bundeslandes wird zwar möglicherweise aus verwaltungstechnischer Zweckmäßigkeit vorgenommen, entfaltet aber keine Bindungswirkung.
Das Verfahren im Zusammenhang mit der Festsetzung der Quote(n) ist in §18 FrG ausführlich, nachvollziehbar und mit hohem Grad an Determiniertheit geregelt. Insbesondere der Abs5 dieser Regelung legt dabei - als Verfassungsbestimmung - fest, wie die Bundesregierung das ihr bei der Erlassung der Niederlassungsverordnung eingeräumte Ermessen zu üben hat.
Vorschläge der Länder in Bezug auf die Aufnahmekapazitäten haben dabei ein besonderes Gewicht. Eine Überschreitung der vom jeweiligen Bundesland vorgeschlagenen Landeshöchstzahlen in der Niederlassungsverordnung wäre lediglich mit Zustimmung des betroffenen Bundeslandes zulässig.
Im Hinblick auf die obigen Ausführungen zur Judikatur des EGMR kann man - wie auch der Verfassungsgerichtshof in seinem Unterbrechungsbeschluss festhält - feststellen, dass Art8 EMRK kein unmittelbares Zuwanderungsrecht gewährt, sondern den Konventionsstaaten vielmehr einen - breiten - Ermessensspielraum im Hinblick auf ihre Einwanderungspolitik eingeräumt wird.
Freilich kann es im Lichte des Schutzes und der Achtung des Familienlebens in bestimmten Einzelfällen einem Staat abverlangt werden, Artikel 8 EMRK in der Weise zu würdigen, dass sich (auch) ein individuelles Zuwanderungsrecht einer oder mehrerer Personen ergibt.
Wie die Rechtsprechung des EGMR zeigt, kommt es darüber hinaus in besonderem Maße auch auf die konkreten Umstände des Familienlebens an. Es besteht - im Hinblick auf allfällig entgegenstehende Zuwanderungsregelungen - kein absolutes 'Wahlrecht' einer Familie, in welchem Land sie ihr (künftiges) Familienleben führen oder fortführen will. Andererseits dürfen die Voraussetzungen (der Einwanderungsbestimmungen) nicht so gestaltet sein, dass ein Familienleben auch dann ausgeschlossen ist, wenn einem gemeinsamen Familienleben im Heimatstaat der Fremden wesentliche Hindernisse entgegenstehen, oder der Aufenthalt eines Teiles der Familie in einem Staat derart gefestigt ist, dass die Übersiedlung in den Heimatstaat unzumutbar ist. Gerade im Fall Sen gegen die Niederlande zeigt sich sehr deutlich, dass eine Beurteilung der konkreten (Familien)Verhältnisse, insbesondere auch im Hinblick auf den Begriff 'Teil der Familie' wesentlich ist. In diesem Fall erachtete es der EGMR für die beiden Elternteile und zwei in den Niederlanden geborene Kinder als unzumutbar, ihr gemeinsames Familienleben in ihrem Herkunftsland zu führen, in welchem sich jenes dritte Kind des Ehepaares befand, welches in die Niederlande nachziehen wollte.
Die hier vorliegenden Anlassfälle weisen schon aus diesem Grund wesentliche Unterschiede im Sachverhalt auf, da die männlichen Ehepartner in Österreich niedergelassen waren, während ihre Ehegattinnen, die sie erst nach dieser Niederlassung heirateten, jeweils in der Türkei leben (und davon ausgegangen werden kann, dass diese in ihrem Heimatland auch in die Gesellschaft integriert sind). Ganz anders als im Fall Sen sprechen hier keine offensichtlichen Umstände dafür, dass der Nachzug nach Österreich das (einzig) adäquate Mittel für die Etablierung des gemeinsamen Familienlebens ist. So lässt sich der Vorgehensweise der Beschwerdeführerinnen jedenfalls keine besondere Dringlichkeit, die eheliche Gemeinschaft mit den in Österreich niedergelassenen Ehegatten zu leben entnehmen, haben diese doch zufolge der Begründung des gegenständlichen Prüfungsbeschlusses bezogen auf die Eheschließung vom 6.1.2000 erst am 19.6.2001 und bezogen auf die Eheschließung vom 7.8.2001 am 11.10.2001 die Erteilung einer Niederlassungsbewilligung für den Aufenthaltszweck Familiengemeinschaft mit ihren Ehemännern beantragt. Hinzu kommt, dass dem Vorbringen der Beschwerdeführerinnen nicht entnommen werden kann, dass ihnen die Aufnahme des gemeinsamen Familienlebens im Ausland, respektive in ihrem Herkunftsland nicht zugemutet werden kann (vgl. EGMR Fall Abdulaziz ua gegen das Vereinigte Königreich).
Art 8 EMRK wurde vom Gesetzgeber bei der Gestaltung der Zuwanderungsregelungen, insbesondere auch hinsichtlich der Regelungen zur Familienzusammenführung, berücksichtigt. Dies ergibt sich auch daraus, dass seit 1. Jänner 1998 ein Rechtsanspruch auf Familiennachzug besteht (vgl. §21 FrG). Darüber hinaus sieht das FrG in seinem Gesamtsystem nunmehr (BGBl. I Nr. 126/2002) auch in §19 Abs2 Z6 eine Bestimmung vor, die es den Niederlassungsbehörden ermöglicht, besonders berücksichtigungswürdige Fälle amtswegig von der Quotenpflicht auszunehmen. Wo eine Familienzusammenführung im Lichte des Art8 EMRK dringend geboten scheint, wird sich schon allein daraus ein ausreichender 'humanitärer Grund' im Sinne des §10 Abs4 FrG ableiten lassen. Diese Auffassung wird auch durch die ausdrückliche Bezugnahme auf Familienangehörige in §19 Abs2 Z6 FrG gestärkt.
Der Vollständigkeit halber ist darauf hinzuweisen, dass die nationalen Migrationspolitiken im Rahmen der EU sukzessive vereinheitlicht werden. So wurde inzwischen bei der Richtlinie über die Familienzusammenführung bereits die politische Einigung erzielt. Diese Richtlinie sieht die Möglichkeit einer Quotenregelung weiterhin vor, allerdings mit der Einschränkung, dass der Familiennachzug jedenfalls spätestens nach einer Wartezeit von drei Jahren zu gewähren ist (Artikel 8). Da diese Richtlinie im nationalen Recht umzusetzen sein wird, wird auch dadurch ein zusätzlicher Sicherungsmechanismus eingeführt, um allzu lange Wartezeiten zu vermeiden."
V. 1. Dem von der Bundesregierung erhobenen Einwand, die in Prüfung gezogene Vorschrift des §18 Abs1 Z3 FrG sei nicht präjudiziell, vermag der Verfassungsgerichtshof nicht beizupflichten.
Die belangte Behörde hatte ihre Entscheidungen auch darauf gestützt, dass ab einem gewissen Datum kein Quotenplatz für den Familiennachzug der Beschwerdeführerinnen vorhanden gewesen sei und davon den Lauf der Frist für den Devolutionsantrag abhängig gemacht. Sie hatte daher bei ihren Entscheidungen unter anderem auch die Niederlassungsverordnungen für die Jahre 2001 und 2002 anzuwenden. Nun ist zwar richtig, dass die belangte Behörde bei der Anwendung einer Verordnung nicht die Rechtmäßigkeit der ihr zu Grunde liegenden Verordnungsermächtigung zu beurteilen hat, jedoch hat der Verfassungsgerichtshof bei der Prüfung von Verordnungen auch jene gesetzliche Bestimmung anzuwenden, die die Grundlage der Verordnungen bildet (vgl. VfGH 10.10.2002, G229, 230/02 ua. und die dort zitierten weiteren Entscheidungen). Die Verordnungsermächtigung des §18 Abs1 Z3 FrG ist daher präjudiziell.
Die Präjudizialität des §22 FrG wurde von der Bundesregierung nicht bestritten. Da sonstige Prozesshindernisse nicht hervorgekommen sind, ist das Gesetzesprüfungsverfahren zulässig.
2. Zu den Bedenken, dass §18 Abs1 Z3 FrG dem Art8 EMRK zu widersprechen scheint, da diese Bestimmung auch die Erfüllung der Quotenpflicht dann verlangt, wenn auf Grund besonderer Familienverhältnisse eine Familienzusammenführung unter Bedachtnahme auf Art8 EMRK geboten ist, legt die Bundesregierung unter Hinweis auf Judikatur und Literatur ausführlich dar, dass Art8 EMRK keinen verfassungsrechtlichen Anspruch auf Familienzusammenführung gewähre und Art8 EMRK den Mitgliedstaaten keine Verpflichtung auferlege, die Herstellung des Familienlebens von Ausländern in ihrem jeweiligen Staatsgebiet zu gewähren. Der Verfassungsgerichtshof hatte allerdings in seinem Prüfungsbeschluss keine Bedenken gegen die Quotenpflicht für den Familiennachzug an sich geäußert und festgehalten, dass grundsätzlich der Einführung von Quoten für den Familiennachzug nichts entgegenstehen dürfte. Insofern bestätigt die Bundesregierung bloß die im Prüfungsbeschluss bereits geäußerte vorläufige Ansicht des Verfassungsgerichtshofes, an der der Gerichtshof auch im Gesetzesprüfungsverfahren festhält.
Der Verfassungsgerichtshof hatte allerdings das vorläufigen Bedenken, dass diese Quotenpflicht nicht auch Fälle umfassen dürfe, bei denen der Familiennachzug im Sinne der Rechtsprechung des EGMR geboten ist, also ausnahmsweise ein aus Art8 EMRK abzuleitender Anspruch auf Familiennachzug besteht.
Die Bundesregierung vermeint, dass das FrG der Position des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte auch innerhalb des Quotensystems Rechnung trage. Zunächst weist die Bundesregierung darauf hin, dass eine Familie, die zuwandern will, in der Regel für alle Familienangehörige gleichzeitig oder zumindest zeitnah die Zuwanderung plant. Nun geht §18 Abs1 Z3 FrG typisch gerade nicht von solchen Fällen aus, sondern davon, dass sich zunächst ein Mitglied der Familie im Inland niederlässt und andere Familienangehörige später (in der Regel nachdem ein Familienmitglied selbst wirtschaftlich und persönlich im Inland Fuß gefasst hat) nachziehen lassen will. Zu den von der Bundesregierung als Regelfall bezeichneten Fällen zählen auch nicht jene, bei denen die in Österreich ansässige Person erst nach der Niederlassung im Inland heiratet oder die noch im Ausland lebende antragstellende Ehefrau Kinder bekommt, was bei mehrjährigen Wartezeiten, die durch die Quotenpflicht entstehen, kein ganz ausgefallener Einzelfall ist.
Jedenfalls widerlegt die Argumentation der Bundesregierung nicht die Annahme des Verfassungsgerichtshofes für die Rechtslage zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung, dass §18 Abs1 Z3 FrG und die darauf beruhenden Verordnungen dazu führen, dass selbst in jenen Fällen, in denen ein Familiennachzug nach Art8 EMRK geboten ist, diese wie jeder andere Familiennachzugsfall behandelt werden. Auch wenn es sich hierbei in der Praxis um sehr wenige Fälle handeln dürfte, sind diese besonders zu berücksichtigen.
Die Bundesregierung führt auch aus, dass - nach ihrer Ansicht - die konkreten Anlassfälle keine solchen seien, bei denen ein Anspruch auf Familiennachzug nach Art8 EMRK besteht. Sie beachtet hiebei nicht, dass der Verfassungsgerichtshof nach seiner ständigen Rechtsprechung eine präjudizielle Norm jedoch losgelöst von den Auswirkungen auf den Anlassfall zu prüfen hat (vgl. VfSlg. 14.798/1997, 11.190/1986).
Ferner weist die Bundesregierung darauf hin, dass ohnehin ein Rechtsanspruch auf Familiennachzug bestehe. Zwar ist es richtig, dass bei Erfüllung verschiedener Voraussetzungen ein Rechtsanspruch auf Familiennachzug besteht, doch gehört zu diesen Voraussetzungen eben auch das Bestehen eines Quotenplatzes. Dieses Erfordernis bewirkt jedoch, dass der Familiennachzug selbst in Fällen, in denen dieser nach Art8 EMRK geboten ist, zumindest für unbestimmte Zeit verhindert wird.
3. Die Bundesregierung verweist ferner auf die durch die FrG-Novelle 2002, BGBl. I 126, geänderte Rechtslage. Die Bundesregierung vermeint nun, dass die FrG-Novelle 2002 es Fremdenbehörden ermögliche, besonders berücksichtigungswürdige Fälle von der Quotenpflicht auszunehmen. Wenn eine Familienzusammenführung nach Art8 EMRK dringend geboten scheint, so würde sich allein daraus ein ausreichender humanitärer Grund im Sinne des §10 Abs4 FrG ableiten lassen. Auf §19 Abs2 Z6 FrG in der Fassung der Novelle BGBl. I 126/2002 hat der Verfassungsgerichtshof bereits in seinem Prüfungsbeschluss hingewiesen.
Der Verfassungsgerichtshof teilt die Ansicht der Bundesregierung, dass die Aufnahme der oben zitierten Z6 in §19 Abs2 FrG nunmehr die - verfassungskonforme - Auslegung ermöglicht, einen nach Art8 EMRK gebotenen Familiennachzug als besonders berücksichtigungswürdigen humanitären Grund im Sinne des §10 Abs4 FrG anzusehen.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH 17.12.2001, Zl. 2001/18/0232) vor der FrG-Novelle 2002 bestand nach dem Wortlaut des §10 Abs4 FrG (arg: "von Amts wegen") kein Rechtsanspruch auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung. Die Aufnahme des letzten Satzes in §14 Abs2 FrG in Verbindung mit der Aufnahme der Ziffer 6 in §19 Abs2 FrG durch die FrG-Novelle 2002 bewirkt nun seit 1. Jänner 2003 nicht nur die Möglichkeit der Erteilung einer Niederlassungsbewilligung aus humanitären Gründen, sondern auch, dass in den dort genannten Fällen auf Grund eines entsprechenden Antrags ein Rechtsanspruch auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung ohne Berücksichtigung von Quoten aus humanitären Gründen besteht (vgl. Muzak in Muzak/Taucher/Pinter/Lobner, Fremden- und Asylrecht, 1. Teil:
Fremdenrecht [2003] 67; Schumacher, Fremdenrecht [2003] 86).
Da die angefochtenen Bescheide vor dem Inkrafttreten der FrG-Novelle 2002 erlassen wurden, ist für sie die Rechtslage vor dem 1. Jänner 2003 anzuwenden. Die durch die genannte Novelle geänderte Rechtslage bewirkt jedoch, dass die verfassungsrechtlichen Bedenken gegen §18 Abs1 Z3 FrG durch die Novelle weggefallen sind, da nunmehr dem nach Art8 EMRK gebotenen Familiennachzug das Nichtvorhandensein eines Quotenplatzes nicht mehr entgegensteht. Daher ist §18 Abs1 Z3 FrG nicht als verfassungswidrig aufzuheben, sondern bloß dessen Verfassungswidrigkeit bis zum 31. Dezember 2002 festzustellen.
4. Der Verfassungsgerichtshof äußerte ferner unabhängig von den Fällen des Art8 EMRK die Bedenken, dass §22 FrG unbestimmt sei und dem Rechtsstaatsprinzip widerspreche, weil nicht im Voraus festgelegt werde, wie die freien Quotenplätze auf die offenen Anträge zu verteilen sind und weder über den Aufschub der Entscheidung noch über die Berücksichtigung der Reihenfolge eine bescheidmäßige Erledigung erfolge. Für die betroffenen Personen, nämlich den bereits in Österreich niedergelassenen Fremden und für seine Angehörigen, die den Familiennachzug anstreben, scheint unvorhersehbar zu sein, wie lange sie auf den Familiennachzug warten müssen bzw. wie die nachziehenden Angehörigen in eine Rangliste eingereiht werden und welchen Platz zB. während der Wartezeit geborene Kinder zugewiesen bekommen.
Über den Antrag auf Familiennachzug ist zwar letztendlich durch Bescheid abzusprechen, §22 FrG sieht jedoch vor, dass die Behörden unter bloßer Berufung auf das Nichtvorhandensein eines Quotenplatzes und ohne Bezugnahme auf bestimmte Kriterien für die Reihung auf der durch §22 FrG vorgesehenen Warteliste die Bescheiderlassung zurückzustellen und dies dem Antragesteller formlos mitzuteilen haben, wobei eine Pflicht zu dieser Mitteilung überhaupt erst durch die FrG-Novelle 2002 eingeführt wurde. Damit wird dem Antragsteller die Möglichkeit genommen, die Rechtmäßigkeit der Zurückstellung des Abspruchs über seinen Antrag zu überprüfen und im Rechtsmittelweg zu bekämpfen. Diese Vorgehensweise erfüllt nicht die Voraussetzungen eines dem Rechtsstaatsprinzip entsprechenden Verfahrens. Weiters hat der Gesetzgeber - auch wenn man die Notwendigkeit eines gewissen Ermessensspielraumes in diesem Bereich berücksichtigt - nicht im ausreichenden Maß geregelt, wie über zu vergebende Quotenplätze verfügt werden soll. Insofern erweist sich die Regelung auch als unbestimmt.
Die von der Bundesregierung unter Hinweis auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 15. Mai 2002, Zl. 2002/12/0028, aufgezeigte Möglichkeit der Nachprüfung der Reihung im Zuge eines Devolutionsantrages und der nachfolgenden Säum