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L34002 Abgabenordnung Kärnten;Norm
BAO §200 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gruber und die Hofräte Dr. Holeschofsky, Dr. Köhler, Dr. Zens und Dr. Zehetner als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Gold, über die Beschwerde der Marktgemeinde B, vertreten durch die Reif und Partner Rechtsanwälte OEG in 9500 Villach, Italienerstraße 17, gegen den Bescheid der Kärntner Landesregierung vom 27. April 2005, Zl. 3-SV 44-50/2-2005, betreffend Wasseranschlussbeitrag (mitbeteiligte Partei: EH in K), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Kärnten hat der beschwerdeführenden Marktgemeinde Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit Bescheid vom 29. Juli 2003 erteilte der Bürgermeister der beschwerdeführenden Marktgemeinde der mitbeteiligten Partei für ein näher bezeichnetes Grundstück die Bewilligung für die Änderung des Nebengebäudes in ein Wohnhaus.
Mit vorläufigem Abgabenbescheid ebenfalls vom 29. Juli 2003 setzte der Bürgermeister der beschwerdeführenden Marktgemeinde für den Anschluss dieses Grundstücks bzw. des darauf zu errichtenden Bauwerkes an die Gemeindewasserversorgungsanlage den vorläufigen Wasseranschlussbeitrag mit EUR 802,60 fest. Begründend wurde u.a. ausgeführt, Änderungen, die sich im Zuge der Erteilung der Benützungsbewilligung in den anrechenbaren Flächen ergäben, würden in einem endgültigen Abgabenbescheid "nachverrechnet".
Mit Bescheid vom 21. Oktober 2003 wies der Gemeindevorstand der beschwerdeführenden Marktgemeinde die dagegen erhobene Berufung als unbegründet ab.
Die mitbeteiligte Partei erhob dagegen Vorstellung.
Mit Bescheid vom 18. November 2003 bestätigte der Bürgermeister (als Baubehörde) nach Meldung der Vollendung des Bauvorhabens der mitbeteiligten Partei, dass die Belege nach § 40 Abs. 1 lit. a bis c Kärntner Bauordnung 1996 vollständig beigebracht worden seien und führte weiters aus, dass mit dieser Meldung die Voraussetzungen für die Benützung des Objektes gegeben seien.
Mit Bescheid vom 3. März 2004 gab die belangte Behörde der Vorstellung der mitbeteiligten Partei Folge, hob den vor ihr bekämpften Bescheid auf und verwies die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die beschwerdeführende Marktgemeinde. Begründend führte die belangte Behörde aus, unabhängig von der Anzahl der darauf befindlichen Bauwerke könne je Grundstück nur einmal ein Wasseranschlussbeitrag festgesetzt werden. Jede Änderung am Grundstück bzw. an dessen Bebauung könne unter bestimmten Voraussetzungen einen Ergänzungsbeitrag nach sich ziehen. Dieser hänge im konkreten Fall davon ab, ob sich aus den durchgeführten Maßnahmen am Gebäude eine Erhöhung gegenüber den zum Zeitpunkt der Erfüllung des Abgabentatbestandes des Wasseranschlussbeitrages maßgeblichen Bewertungseinheiten um mindestens 0,25 Einheiten ergeben habe. Die Abgabenbehörde werde daher zu überprüfen haben, wie sich das Gebäude auf dem verfahrensgegenständlichen Grundstück zum Zeitpunkt der Anschlussbeitragsvorschreibung im Jahre 1963 dargestellt habe (Größe, Widmung) und es sei diesem Zustand die aktuelle umbaubedingte Situation gegenüber zu stellen.
Mit Bescheid des Gemeindevorstands der beschwerdeführenden Marktgemeinde vom 18. Mai 2004 wurde der Berufung der mitbeteiligten Partei stattgegeben, die erstinstanzliche Abgabenvorschreibung aufgehoben und "die Angelegenheit an die Abgabenbehörde I. Instanz zur neuerlichen Entscheidung zugewiesen".
Mit Bescheid vom 28. Dezember 2004 setzte der Bürgermeister der beschwerdeführenden Marktgemeinde für das verfahrensgegenständliche Grundstück den Wasseranschlussbeitrag mit EUR 949,05 fest. Begründend führte der Bürgermeister u.a. aus, der Vorstellungsbescheid sei von einer aktenwidrigen Annahme, hervorgerufen durch einen Schreibfehler der beschwerdeführenden Marktgemeinde im Schreiben vom 19. Jänner 2004, ausgegangen, dass in den 60er-Jahren ein Wasseranschlussauftrag ausgesprochen worden wäre. Die Baubewilligung vom 29. Juli 2003 habe auch die Feststellung der Anschlusspflicht an die Gemeindewasserversorgungsanlage enthalten. Es liege daher ein völlig anderer tatsächlicher Sachverhalt vor, welcher die Abgabenbehörde erster Instanz zu einer neuen rechtlichen Beurteilung berechtige.
Mit Bescheid vom 24. Februar 2005 wurde die dagegen erhobene Berufung als unbegründet abgewiesen. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, Ermittlungen hätten ergeben, dass für das verfahrensgegenständliche Bauwerk die Anschluss- und Benützungspflicht erstmals mit Baubescheid über den Um- und Ausbau vom 29. Juli 2003 ausgesprochen worden sei.
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der dagegen erhobenen Vorstellung Folge gegeben, der bekämpfte Bescheid aufgehoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die beschwerdeführende Marktgemeinde zurückverwiesen.
Begründend führte die belangte Behörde nach Wiedergabe des Verfahrensganges im Wesentlichen aus, nach § 215 K-LAO habe die Abgabenbehörde zweiter Instanz, sofern eine Berufung nicht gemäß § 210 K-LAO zurückzuweisen sei, immer in der Sache selbst zu entscheiden. Damit sei eine Zurückverweisung der Sache an die Abgabenbehörde erster Instanz ausgeschlossen. Eine kassatorische Entscheidung zum Zweck der Durchführung eines neuerlichen erstinstanzlichen Verfahrens sei im Abgabenverfahrensrecht nicht vorgesehen. Durch die Entscheidung der Abgabenbehörde zweiter Rechtsstufe vom 18. Mai 2004, welche in Rechtskraft erwachsen sei, seien zufolge Nichteinhaltung der oben gegebenen Verfahrensvorschriften subjektiv-öffentliche Rechte des Vorstellungswerbers verletzt worden. Das nunmehr bekämpfte Abgabenverfahren der Abgabenbehörden der beschwerdeführende Marktgemeinde basiere auf diesem Bescheid vom 18. Mai 2004. Solange dieser - wenn auch rechtswidrige - Bescheid in Rechtskraft sei, könnten frühere Versäumnisse nicht in einem neuerlichen Verfahren nachgeholt werden, da dies im Ergebnis auf eine unzulässige Durchbrechung der Rechtskraft des letztinstanzlichen Bescheides vom 18. Mai 2004 hinauslaufen würde.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit welcher Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend gemacht wird.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.
Die mitbeteiligte Partei erstattete eine Gegenschrift.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Nach § 10 des Gemeindewasserversorgungsgesetzes - K-GWVG, LGBl. Nr. 107/1997 (Wiederverlautbarung), werden Gemeinden, die eine Wasserversorgungsanlage nach den Bestimmungen des 1. Abschnittes errichten und betreiben, ermächtigt, durch Verordnung des Gemeinderates einen Wasseranschlussbeitrag (Ergänzungsbeitrag, Nachtragsbeitrag) zur Deckung der Kosten der Errichtung dieser Wasserversorgungsanlage zu erheben.
Der Wasseranschlussbeitrag ist gemäß § 11 leg. cit. für jene Grundstücke oder Bauwerke zu errichten, für die die Anschluss- und Benützungspflicht oder das Anschlussrecht ausgesprochen wurde.
Werden Gebäude oder deren Verwendung geändert oder werden Grundstücke vergrößert oder deren Verwendung geändert, so ist nach § 16 leg. cit. ein Ergänzungsbeitrag zu entrichten, wenn sich aus einer solchen Maßnahme eine Erhöhung der dem Wasseranschlussbeitrag zu Grunde gelegten Bewertungseinheiten um mindestens 0,25 Einheiten ergibt.
Nach § 150 Abs. 1 K-LAO kann die Abgabenbehörde die Abgabe vorläufig festsetzen, wenn nach den Ergebnissen des Ermittlungsverfahrens die Abgabepflicht zwar noch ungewiss, aber wahrscheinlich oder wenn der Umfang der Abgabepflicht noch ungewiss ist. Die Ersetzung eines vorläufigen durch einen anderen vorläufigen Bescheid ist im Fall der teilweisen Beseitigung der Ungewissheit zulässig.
Nach Abs. 2 leg. cit. ist die vorläufige Abgabenfestsetzung durch eine endgültige Festsetzung zu ersetzen, wenn die Ungewissheit beseitigt ist. Gibt die Beseitigung der Ungewissheit zu einer Berichtigung der vorläufigen Festsetzung keinen Anlass, so ist ein Bescheid zu erlassen, der den vorläufigen zum endgültigen Abgabenbescheid erklärt.
Gemäß § 198 K-LAO sind Bescheide, die an die Stelle eines früheren Bescheides treten, im vollen Umfang anfechtbar.
Nach § 215 Abs. 1 K-LAO hat die Abgabenbehörde zweiter Instanz, sofern die Berufung nicht gemäß § 210 K-LAO zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden. Sie kann aber auch die Abgabenbehörde erster Instanz zur Erlassung einer Berufungsvorentscheidung anweisen, sofern § 208 Abs. 2 K-LAO dem nicht entgegensteht.
Die Abgabenbehörde zweiter Instanz ist nach Abs. 2 leg. cit. berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung ihre Anschauung an die Stelle jener der Abgabenbehörde erster Instanz zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern, aufzuheben oder die Berufung als unbegründet abzuweisen.
Eine kassatorische Entscheidung zum Zweck der Durchführung eines neuerlichen erstinstanzlichen Verfahrens ist im Kärntner Abgabenverfahrensrecht nicht vorgesehen. Ein derartiger Aufhebungsbescheid ist unzulässig und damit rechtswidrig. Erachtet die Berufungsbehörde die Ermittlung des Sachverhaltes als mangelhaft, so hat sie die erforderlichen Maßnahmen selbst zu treffen (§ 211 Abs. 1 K-LAO). Sie kann aber auch die notwendigen Ergänzungen des Ermittlungsverfahrens durch die Abgabenbehörde erster Instanz vornehmen lassen (§ 211 Abs. 2 K-LAO), dies jedoch unter ihrer eigenen Verantwortung und unter Berücksichtigung in der von ihr selbst zu treffenden meritorischen Berufungsentscheidung. Auf die Beachtung dieser Verfahrensrechtslage hat der Berufungswerber ein subjektives Recht (zur vergleichbaren Rechtslage der Burgenländischen LAO siehe das hg. Erkenntnis vom 22. März 1996, Zl. 95/17/0393, mwN).
Die belangte Behörde begründet ihre aufhebende Entscheidung damit, dass die aufhebende Berufungsentscheidung vom 18. Mai 2004 verfehlt gewesen und dies einer neuerlichen Entscheidung in dieser Angelegenheit durch die Abgabenbehörde erster Instanz entgegengestanden sei. Damit verkennt sie aber die Rechtslage in zweifacher Hinsicht:
Zum einen wurde durch die genannte rechtskräftige Berufungsentscheidung der Abgabenbehörde erster Instanz die Rechtsansicht überbunden, in dieser Sache nochmals entscheiden zu müssen. Auf Grund dieser Bindungswirkung hätte allein die Tatsache einer neuerlichen Abgabenvorschreibung noch keine von der Berufungsbehörde wahrzunehmende Rechtswidrigkeit bewirkt.
Zum anderen verkennt die belangte Behörde, dass die Abgabenbehörde erster Instanz im Beschwerdefall gar keine neuerliche Entscheidung in derselben Sache erlassen hat.
Sache des Berufungsverfahrens (welches mit der Berufungsentscheidung vom 18. Mai 2004 beendet wurde) war der Inhalt des Spruchs des erstinstanzlichen Bescheides vom 29. Juli 2003, sohin die vorläufige Vorschreibung des Wasseranschlussbeitrages (vgl. dazu das zur OÖ LAO ergangene hg. Erkenntnis vom 18. Dezember 2002, Zl. 2002/17/0282, mwN).
Der Bescheid des Bürgermeisters vom 28. Dezember 2004 hatte hingegen eine endgültige Abgabenfestsetzung zum Gegenstand. Dies ergibt sich daraus, dass dieser Bescheid nicht ausdrücklich als vorläufiger Bescheid bezeichnet wurde. Damit ist er (aus seinem Wesen heraus) als endgültiger Bescheid anzusehen (vgl. Stoll, BAO, 2108).
Bei Erlassung eines endgültigen Bescheides kann die Abgabenbehörde nicht nur hinsichtlich jener Punkte, in denen die Ungewissheit bestand, vom - allenfalls im Instanzenzug ergangenen -
vorläufigen Bescheid abweichen, sondern auch in anderen Punkten einen geänderten Standpunkt einnehmen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 30. September 1975, Zl. 43/74, sowie Ritz, BAO3, Tz 11 ff. zu § 200). Daher ist der endgültige Bescheid nach § 198 K-LAO auch im vollen Umfang anfechtbar.
Der Erlassung des erstinstanzlichen (endgültigen) Bescheides vom 28. Dezember 2004 stand nicht die Rechtskraft der (hinsichtlich der vorläufigen Abgabenvorschreibung kassatorischen) Berufungsentscheidung vom 18. Mai 2004 entgegen.
Indem die belangte Behörde dies verkannte, hat sie den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit belastet.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003. Der beschwerdeführenden Marktgemeinde war ein Ersatz der Eingabegebühr nicht zuzusprechen, weil Gebietskörperschaften nach § 24 Abs. 3 Z 3 VwGG von deren Entrichtung befreit sind.
Wien, am 27. Oktober 2008
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2008:2005170166.X00Im RIS seit
01.12.2008Zuletzt aktualisiert am
08.04.2009