TE Vfgh Erkenntnis 2003/10/8 B1129/03

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Veröffentlicht am 08.10.2003
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Index

L6 Land- und Forstwirtschaft
L6800 Ausländergrunderwerb, Grundverkehr

Norm

B-VG Art83 Abs2
Nö GVG 1989 §1 Z3 lita
Nö GVG 1989 §22

Leitsatz

Keine Verletzung im Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter durch die Zurückweisung der Berufung eines Interessenten mangels Parteistellung; keine Bedenken gegen die Regelung des Berufungsrechtes und der Parteistellung im Nö Grundverkehrsgesetz

Spruch

Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Mit Bescheid der Grundverkehrs-Bezirkskommission St. Pölten wurde dem zwischen L P, S P und J F einerseits und RA Dr. F N, als Masseverwalter im Konkurs über das Vermögens des Dr. J G K, andererseits abgeschlossenen Kaufvertrag die Genehmigung erteilt. Dagegen erhob der Interessent und nunmehrige Beschwerdeführer Berufung. Mit Bescheid der Grundverkehrs-Landeskommission beim Amt der Niederösterreichischen Landesregierung wurde diese Berufung mangels Parteistellung zurückgewiesen.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz und auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter (Art83 Abs2 B-VG) sowie die Verletzung in Rechten wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt wird.

3. Die belangte Behörde und die mitbeteiligte Partei erstatteten Äußerungen, in welchen sie die Abweisung der Beschwerde begehrten.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:

1. Die für die Entscheidung maßgeblichen Bestimmungen des Niederösterreichischen Grundverkehrsgesetzes 1989 (im folgenden: NÖ GVG 1989) LGBl. 6800-3 lauten:

"§1

Begriffsbestimmungen

...

Interessenten sind

a) Landwirte, die bereit sind, anstelle des Erwerbers oder des Nutzungsberechtigten ein gleichartiges Rechtsgeschäft unter Lebenden über die land- oder forstwirtschaftliche Liegenschaft abzuschließen, wenn sie glaubhaft machen, daß die Bezahlung des ortsüblichen Verkehrswertes oder Pachtzinses und die Erfüllung sonstiger ortsüblicher und für den Verkäufer (Verpächter, Fruchtgenußgeber u.dgl.) lebensnotwendiger Vertragsbedingungen gewährleistet ist;

...

§22

Berufungsrecht

Ein Berufungsrecht kommt zu:

a) den im Rechtsgeschäft oder im Antrag gemäß §20 bezeichneten Vertragsteilen, wenn ihrem Antrag nicht stattgegeben wurde; dem Meistbieter und der verpflichteten Partei, wenn ein Bescheid gemäß §17 Abs4 erlassen wurde;

..."

2.1. In der Beschwerde werden Bedenken gegen §22 NÖ GVG 1989 vorgebracht: Im Hinblick auf das Sachlichkeitsgebot sei es geboten, Interessenten ein Berufungsrecht einzuräumen. Für den Fall, daß der Verfassungsgerichtshof zur Ansicht gelange, daß §1 Z3 lita NÖ GVG 1989 iVm §8 AVG der von der belangten Behörde behauptete Inhalt unterstellt werden müsse, werde vorgebracht, daß das Fehlen der Interessenten iSd §1 Z3 lita NÖ GVG 1989 im Kreis der ausdrücklich genannten Berufungsberechtigten des §22 NÖ GVG verfassungswidrig sei.

2.2. §22 lita NÖ GVG 1989 räumt - von hier nicht in Betracht kommenden Personen abgesehen - nur den Vertragsparteien, nicht aber auch einem Interessenten ein Berufungsrecht ein.

Der Verfassungsgerichtshof hat bereits mehrfach ausgesprochen, daß diese Bestimmung aus verfassungsrechtlicher Sicht unbedenklich ist (VfSlg. 13519/1993, 13681/1994 und die dort zitierte Vorjudikatur). Auch unter dem Gesichtspunkt des vorliegenden Beschwerdefalles hegt der Verfassungsgerichtshof gegen diese Bestimmung keine verfassungsrechtlichen Bedenken.

3. Der Beschwerdeführer behauptet weiters, im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt zu sein, da die Unzulässigkeit der Berufung zu Unrecht mit dem Mangel der Parteistellung des Berufungswerbers begründet worden sei. Durch §1 Z3 lita NÖ GVG 1989 werde einem Interessenten die Möglichkeit der Abgabe eines Kaufpreisangebotes eingeräumt. Durch die subjektiven Mitwirkungsrechte der Interessenten am erstinstanzlichen Verfahren werde deutlich, daß es sich bei der Nichtaufzählung des Interessenten im Kreis der (ausdrücklich genannten) Berufungsberechtigten im §22 NÖ GVG 1989 um eine planwidrige Lücke des Gesetzes handle, die bei verfassungskonformer Interpretation durch Anerkennung eines Berufungsrechtes des Interessenten seitens der belangten Behörde zu schließen gewesen wäre.

Durch das Verneinen der Parteistellung unterstelle die belangte Behörde §1 Z3 lita iVm §22 NÖ GVG 1989 und §8 AVG einen verfassungswidrigen Inhalt.

3.1. Das Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter wird durch den Bescheid einer Verwaltungsbehörde verletzt, wenn die Behörde eine ihr gesetzlich nicht zukommende Zuständigkeit in Anspruch nimmt oder in gesetzwidriger Weise ihre Zuständigkeit ablehnt (zB VfSlg. 9696/1983), etwa indem sie zu Unrecht eine Sachentscheidung verweigert (zB VfSlg. 9737/1983).

3.2. Der Verfassungsgerichtshof hat bereits im Erkenntnis VfSlg. 6257/1970 ausgeführt, daß das NÖ Grundverkehrsgesetz 1969 LGBl. 140 einem Landwirt, der Interessent im Sinne des §8 Abs2 lita dieses Gesetzes ist, im Verfahren vor der Grundverkehrsbehörde nicht die Stellung einer Partei einräumt.

Diese Rechtsauffassung hat der Verfassungsgerichtshof auch auf die im wesentlichen gleichartige Rechtslage gemäß §1 Z3 lita NÖ GVG 1989 übertragen (VfSlg. 13519/1993). Auch nach dem NÖ GVG 1989 kommt einem Interessenten im Verfahren vor der Grundverkehrsbehörde keine Parteistellung zu (VfSlg. 13519/1993, 15312/1998).

Die behauptete Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter liegt sohin nicht vor.

4. Da die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers zu Recht zurückgewiesen hat, kann der Beschwerdeführer in dem von ihm weiters geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz nicht verletzt worden sein.

5. Mit Rücksicht auf die verfassungsrechtliche Unbedenklichkeit der angewandten Rechtsvorschriften ist es auch ausgeschlossen, daß der Beschwerdeführer wegen Anwendung von rechtswidrigen generellen Normen in seinen Rechten verletzt wurde.

Die Beschwerde war daher abzuweisen.

6. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

Schlagworte

Grundverkehrsrecht, Verwaltungsverfahren, Berufung, Parteistellung Grundverkehrsrecht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2003:B1129.2003

Dokumentnummer

JFT_09968992_03B01129_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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