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L34004 Abgabenordnung Oberösterreich;Norm
BAO §238;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hargassner und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Zorn, Dr. Büsser und Mag. Novak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Zaunbauer, über die Beschwerde des J H in W, vertreten durch MMag. Christoph Doppelbauer, Rechtsanwalt in 4600 Wels, Vogelweiderstraße 9, gegen den Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 8. Juni 2006, Gem- 524515/4-2006-Wa/Pl, betreffend Haftung für Abgaben (mitbeteiligte Partei: Stadt Wels, vertreten durch den Bürgermeister in 4600 Wels, Stadtplatz 1), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Oberösterreich hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer ist seit 1995 handelsrechtlicher Geschäftsführer der O-GmbH (im Folgenden GmbH). Die GmbH ist einzige Komplementärin der O-GmbH und Co KG (im Folgenden KG).
Mit Beschlüssen des Landesgerichtes Wels vom 16. Juni 1997 wurde sowohl über das Vermögen der GmbH als auch über das Vermögen der KG der Konkurs eröffnet.
Mit Beschluss des Landesgerichtes Wels vom 30. April 2004 wurde der Konkurs über das Vermögen der KG nach Verteilung gemäß § 139 KO aufgehoben und der Konkurs über das Vermögen der GmbH mangels Kostendeckung gemäß § 166 KO aufgehoben.
Auf Vorhalt teilte der Beschwerdeführer mit Eingabe vom 8. Februar 2005 dem Magistrat der Stadt Wels mit, die Voraussetzungen für eine Haftung für Abgaben der KG oder der GmbH seien nicht gegeben. Er sei zwar Geschäftsführer gewesen, es sei aber nicht zu einer schuldhaften Verletzung von Pflichten gekommen. Der Beschwerdeführer habe den Konkurs beantragt. Unmittelbar vor Eröffnung der Konkursverfahren hätten die Banken die in Auftrag gegebenen Zahlungen (Überweisungen) nur mehr teilweise durchgeführt, obwohl der "Rahmen" offen gewesen wäre. Es sei für den Beschwerdeführer nicht erkennbar gewesen, ob und welche Überweisungen tatsächlich durchgeführt worden seien.
Im Verwaltungsakt findet sich die Kopie eines Aktenvermerkes vom 13. November 1997 eines Bediensteten des Finanzamtes, in welchem festgehalten wird, dass der Beschwerdeführer anlässlich einer persönlichen Vorsprache (beim Finanzamt) vorgebracht habe, er habe den Auftrag zur Entrichtung der Lohnabgaben pünktlich der Bank erteilt. Diese habe jedoch nur die Überweisung für die Lohnsteuer durchgeführt. Bis zu diesem Zeitpunkt habe es keine Probleme bei Überweisungen gegeben.
Mit Bescheid des Magistrates der Stadt Wels vom 9. Juni 2005 wurde der Beschwerdeführer gemäß § 7 Abs. 1 und § 57 Abs. 1 der Oberösterreichischen Landesabgabenordnung, LGBl. Nr. 107/1996 (im Folgenden: LAO), als Geschäftsführer der GmbH für Abgaben der GmbH im Betrag von EUR 970,98 (Kommunalsteuer inklusive Nebengebühren betreffend April bis Juni 1997) sowie für Abgaben der KG im Betrag von EUR 14.783,10 (Kommunalsteuer inklusive Nebengebühren für April 1997) zur Haftung herangezogen. Zur Begründung wurde ausgeführt, die KG habe bis April 1997 Löhne und Gehälter ausbezahlt, ohne die dafür anfallende Kommunalsteuer zu entrichten. Der Konkurs über das Vermögen der KG sei am 30. April 2004 nach Verteilung aufgehoben worden, die Konkursquote sei der Abgabenbehörde mit dem Betrag von EUR 4.361,76 überwiesen worden. Das Konkursverfahren der GmbH sei mit Beschluss vom 30. April 2004 mangels Kostendeckung aufgehoben worden.
Der Beschwerdeführer sei im maßgeblichen Zeitraum Geschäftsführer der GmbH und daher verantwortlicher Vertreter gewesen. Die GmbH vertrete zudem die KG als persönlich haftende Gesellschafterin. Es sei Sache eines Geschäftsführers darzutun, weshalb er nicht dafür habe Sorge tragen können, dass die Gesellschaft die anfallenden Abgaben rechtzeitig entrichte, widrigenfalls von der Abgabenbehörde eine schuldhafte Pflichtverletzung angenommen werden dürfe. Außerdem habe der Vertreter darzutun, dass er die Abgabenforderungen bei der Verfügung über die vorhandenen Mittel nicht benachteiligt habe.
Der Beschwerdeführer habe in seiner Rechtfertigung zum Ausdruck gebracht, dass die Banken die in Auftrag gegebenen Zahlungen nur teilweise durchgeführt hätten, obwohl der "Rahmen" noch offen gewesen sei. Unabhängig davon, dass sich der Geschäftsführer davon hätte überzeugen müssen, ob die in Auftrag gegebenen Überweisungen tatsächlich durchgeführt worden seien, sei zu beachten, dass keine Äußerungen zur Aufteilung der vorhandenen Mittel bzw. der teilweise geleisteten Zahlungen abgegeben worden seien. Es bestehe daher nach Ansicht der Abgabenbehörde der "dringende Verdacht", dass die offenen Abgabenforderungen bei der Verfügung über die vorhandenen Mittel benachteiligt worden seien. Der Beschwerdeführer hafte daher uneingeschränkt für die nicht entrichteten Abgaben.
In der Berufung gegen diesen Bescheid brachte der Beschwerdeführer vor, er habe bereits darauf verwiesen, dass seitens der Banken eine Durchführung von Überweisungen nicht mehr vorgenommen worden sei, obwohl die Kreditlinien offen gewesen seien. Dieser Sachverhalt ergebe sich auch aus den Konkursakten und sei vom Masseverwalter nicht widerlegt worden. Im Übrigen seien die Abgabenforderungen verjährt.
Der Stadtsenat der Stadt Wels wies die Berufung mit Bescheid vom 7. November 2005 als unbegründet ab. Dem Beschwerdeführer gelinge eine schuldbefreiende Entlastung mit dem bloßen Hinweis auf den betreffenden Konkursakt nicht, zumal ihn eine qualifizierte Behauptungs- und Konkretisierungslast treffe. Dieser habe der Beschwerdeführer auch nicht durch die Vorlage eines Aktenvermerkes eines Beamten des Finanzamtes entsprochen, weil hier lediglich auf einen Überweisungsbeleg als Beweismittel hingewiesen werde, der aber vom Beschwerdeführer nicht vorgelegt worden sei. Darüber hinaus habe der Beschwerdeführer keinen Beweis darüber erbracht, dass zum damaligen Zeitpunkt tatsächlich ausreichend finanzielle Mittel zur Verfügung gestanden seien, um alle Gläubiger zur Gänze zu befriedigen. Der bloße Hinweis, alle Kreditlinien seien offen gestanden, sei jedenfalls für eine schuldbefreiende Entlastung nicht ausreichend. Das faktische Verhalten der Hausbank der GmbH und der KG gebe jedenfalls Anlass, das Gegenteil anzunehmen. Der Beschwerdeführer habe somit seine Verpflichtung verletzt, die tatsächlich vorhandenen Mittel anteilig für die Begleichung aller Verbindlichkeiten der Gesellschaften zu verwenden.
Dem Einwand der Verjährung werde entgegen gehalten, dass nach § 9 KO durch die Anmeldung im Konkurs die Verjährung der angemeldeten Forderung unterbrochen werde. Die Verjährung gegenüber dem Gemeinschuldner beginne von neuem mit Ablauf des Tages, an dem der Beschluss über die Aufhebung des Konkurses rechtskräftig geworden sei, zu laufen. Daher sei trotz der langen Dauer des Konkursverfahrens (von Juni 1997 bis April 2004) eine Verjährung der streitgegenständlichen Abgabenschulden nicht eingetreten.
Mit Eingabe vom 22. November 2005 erhob der Beschwerdeführer Vorstellung an die belangte Behörde. Er brachte ergänzend vor, der Zahlungsauftrag für die Lohnzahlungen sei pünktlich bei der Bank eingereicht worden, von dieser aber nicht mehr durchgeführt worden. Es sei naheliegend, dass gleichzeitig mit den Lohnzahlungen auch die Lohnnebenforderungen zur Überweisung gegeben worden seien. Die Abgabenbehörden hätten im Übrigen nicht begründet, weshalb andere Forderungen als besser behandelt anzusehen seien.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Vorstellung als unbegründet ab. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, aus dem gesamten Verwaltungsakt sei nicht ersichtlich, der Beschwerdeführer hätte nachgewiesen, dass ausreichende Mittel fehlten bzw. diese Mittel auch anteilig für die Begleichung aller Verbindlichkeiten verwendet worden wären. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sei es aber Aufgabe des Geschäftsführers darzutun, weshalb er den auferlegten Pflichten nicht entsprochen habe.
Gemäß § 184 LAO verjähre das Recht, eine fällige Abgabe einzuheben, binnen fünf Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Abgabe fällig geworden sei, keinesfalls jedoch früher als das Recht zur Festsetzung der Abgabe. Nach § 9 KO werde durch die Anmeldung einer Forderung im Konkurs die Verjährung unterbrochen. Mit dem Beschluss über die Aufhebung des Konkurses beginne die Verjährungsfrist neu zu laufen, soweit das Insolvenzverfahren nicht zur Befriedigung der Abgabenforderung geführt habe. Einhebungsmaßnahmen dem Hauptschuldner gegenüber unterbrächen die Verjährung, innerhalb der die Abgaben auch dem Haftenden gegenüber mit Haftungsbescheid geltend gemacht werden könnten. Zu Recht hätten die Abgabenbehörden daher angenommen, dass keine Verjährung eingetreten sei.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde erwogen:
Gemäß § 7 Abs. 1 LAO, haften die in den §§ 57 ff bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben soweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können. Nach § 57 Abs. 1 LAO haben die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen, und sind befugt, die diesen zustehenden Rechte wahrzunehmen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 7 Abs. 1 LAO vergleichbaren Haftungsbestimmungen setzt eine Haftungsinanspruchnahme voraus, dass die rückständigen Abgaben uneinbringlich sind und dies auf eine schuldhafte Pflichtverletzung des Vertreters zurückzuführen ist. Die Heranziehung des Vertreters zur Haftung hat weiters zur Voraussetzung, dass zwischen der schuldhaften Pflichtverletzung des Vertreters und der Uneinbringlichkeit der Forderung ein Rechtswidrigkeitszusammenhang besteht. Ein solcher Zusammenhang besteht insbesondere, wenn der Vertreter bei oder nach Fälligkeit der Verbindlichkeiten Mittel für die Bezahlung zur Verfügung hatte und nicht, wenn auch nur anteilig, für die Abgabentilgung Sorge getragen hat (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 12. November 1997, 95/16/0155).
Der Beschwerdeführer hat sich im gesamten Verwaltungsverfahren damit verantwortet, dass er der Bank (vom April bis Juni 1997) Aufträge zur Überweisung der Abgaben erteilt habe, und dass ein entsprechender Kreditrahmen offen gestanden sei. Die Berufungsentscheidung des Stadtsenates der mitbeteiligten Partei führt hiezu aus, der Hinweis auf die offenen Kreditlinien reiche nicht aus, um nachzuweisen, dass den Beschwerdeführer kein Verschulden an der Nichtentrichtung treffe. In der Vorstellung hat der Beschwerdeführer neuerlich auf seine Überweisungsaufträge verwiesen. Dennoch hat sich die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid jeglicher Auseinandersetzung mit diesem Vorbringen des Beschwerdeführers, er habe der Bank die Aufträge zur Überweisung der (haftungsgegenständlichen) Abgaben erteilt, diese habe die Überweisungen aber vereinbarungswidrig nicht durchgeführt, enthalten.
Gesetzt den Fall, diese Verantwortung des Beschwerdeführers erweist sich als der Wahrheit entsprechend, so ist in diesem Zusammenhang für das Verschulden des Beschwerdeführers an der Uneinbringlichkeit der Abgaben die Frage einer allenfalls vereinbarungswidrigen Vorgangsweise der Bank von Bedeutung (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 22. September 2005, 2001/14/0013).
Die belangte Behörde hat es - wie schon die Abgabenbehörden der mitbeteiligten Stadtgemeinde - verabsäumt, Feststellungen zum tatsächlichen Inhalt der mit der Bank im gegebenen Zusammenhang abgeschlossenen Vereinbarung sowie zu der vom Beschwerdeführer behaupteten Vorgangsweise der Bank zu treffen. Gegebenenfalls hätten sich die Behörden auch damit auseinander setzen müssen, wie und zu welchen Zeitpunkten der Beschwerdeführer auf das Verhalten der Bank hätte reagieren können.
Die qualifizierte Mitwirkungspflicht des Geschäftsführers, nach welcher es ihm obliegt, darzutun, weshalb er den auferlegten Pflichten nicht entsprochen hat, bedeutet nicht, dass die Behörde von jeder Ermittlungspflicht entbunden wäre. Entspricht der Geschäftsführer seiner Obliegenheit, das Nötige an Behauptung und Beweisanbot zu seiner Entlastung darzutun, dann liegt es an der Behörde, erforderlichenfalls Präzisierungen und Beweise vom Geschäftsführer abzufordern, jedenfalls aber konkrete Feststellungen über die von ihm angebotenen Entlastungsbehauptungen zu treffen (vgl. nochmals das hg. Erkenntnis 2001/14/0013).
Im Beschwerdefall ist weiters von Bedeutung, dass der Beschwerdeführer mit dem zweitinstanzlichen Bescheid des Stadtsenates der mitbeteiligten Stadt im Instanzenzug auch zur Haftung für die auf den Juni 1997 entfallende Kommunalsteuer der GmbH zur Haftung herangezogen worden ist, wobei weder den Bescheiden der Abgabenbehörden der mitbeteiligten Stadt noch dem angefochtenen Bescheid zu entnehmen ist, auf Grund welcher Überlegungen die belangte Behörde davon ausgeht, dass trotz der mit 16. Juni 1997 erfolgten Eröffnung des Konkurses über das Vermögen der GmbH noch den Beschwerdeführer die Verpflichtung zur Entrichtung der Abgaben der GmbH zum Fälligkeitstag (das ist gemäß § 11 Abs. 2 KommStG der 15. des Monates nach dem Entstehen der Steuerschuld) getroffen hat. Dieses gilt entsprechend für die Verpflichtung zur Entrichtung des Säumniszuschlages.
Unberechtigt ist hingegen der Einwand des Beschwerdeführers, der Geltendmachung der Haftung sei der Eintritt der Einhebungsverjährung entgegen gestanden. Die belangte Behörde konnte nämlich zutreffend darauf verweisen, dass durch die - im Beschwerdefall unstrittig erfolgte - Anmeldung der Forderungen im Konkurs die Verjährung der angemeldeten Forderungen unterbrochen wird und diese Verjährung der Forderung von neuem mit dem Ablauf des Tages, an dem der Beschluss über die Aufhebung des Konkurses rechtskräftig geworden ist, zu laufen beginnt (vgl. Ritz, BAO3, § 238 Tz 14). Dabei wirken Unterbrechungshandlungen anspruchsbezogen, unterbrechen also die Verjährung gegenüber jedem, der als Zahlungspflichtiger in Betracht kommt (vgl. das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 18. Oktober 1995, 91/13/0037, 91/13/0038, Slg. 7038 F).
Da die belangte Behörde weder den Sachverhalt im oben aufgezeigten Sinn ergänzt noch den wesentlichen Verfahrensmangel des gemeindebehördlichen Abgabenverfahrens aufgegriffen hat, hat sie den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet. Er war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.
Wien, am 28. Oktober 2008
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2008:2006150248.X00Im RIS seit
10.12.2008Zuletzt aktualisiert am
18.03.2009