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L7 WirtschaftsrechtNorm
B-VG Art83 Abs2Spruch
Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid in seinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt worden.
Der Bescheid wird daher aufgehoben.
Das Land Wien ist schuldig, dem Beschwerdeführer zuhanden seiner Rechtsvertreter die mit € 2.143,68 bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Die Gemeinde Wien hat, vertreten durch den Wiener Krankenanstaltenverbund, die "Architekturleistung inklusive Haustechnikplanung für den Neubau eines chirurgischen OP-Traktes" für das Kaiserin Elisabeth Spital in Form eines Verhandlungsverfahrens ausgeschrieben. Der Beschwerdeführer hat sich an diesem Verfahren beteiligt; in der Folge wurde ihm aber mitgeteilt, dass sich die Jury für das Projekt eines anderen Bieters entschieden habe.
Der Beschwerdeführer beantragte in der Folge beim Vergabekontrollsenat beim Amt der Wiener Landesregierung (VKS) die Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens mit dem Begehren, die Zuschlagsentscheidung, in eventu die Entscheidung der Jury, für nichtig zu erklären und eine einstweiligen Verfügung zu erlassen.
Mit Bescheid vom 10. November 2000 wies der VKS diese Anträge ab.
2. Gegen diesen Bescheid wendet sich die auf Art144 Abs2 B-VG gestützte Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, in der die Verletzung des Beschwerdeführers in seinen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Gleichheit vor dem Gesetz, auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter sowie auf ein faires Verfahren gemäß Art6 EMRK behauptet und die kostenpflichtige Behebung des Bescheides begehrt wird. Außerdem wird gerügt, dass sich die belangte Behörde bei der Erlassung des angefochtenen Bescheides auf verfassungswidrige Bestimmungen (in concreto §§1 Abs1, 12, 99 Abs1 Z1, 101 WLVergG) gestützt hätte.
3. Der VKS hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der er den Beschwerdevorwürfen entgegentritt.
II. Aus Anlass anderer Beschwerden gegen Bescheide des VKS leitete der Verfassungsgerichtshof mit Beschluss vom 4. März 2003 ein Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit der Worte "oder Gemeinde" in §12 Abs1 Z1 des Gesetzes über die Vergabe von Aufträgen für Lieferungen, Bau- und Dienstleistungen (Wiener Landesvergabegesetz - WLVergG), LGBl. für Wien 36/1995, idF LGBl. 50/2000 ein.
Mit Erkenntnis vom 4. Oktober 2003, G53-55/03, sprach er aus, dass die Wortfolge "oder Gemeinde" in §12 Abs1 Z1 WLVergG idF BGBl. 50/2000 bis zum Ablauf des 31. August 2002 verfassungswidrig war.
III. Die Beschwerde ist im Ergebnis begründet:
1. Die Zuständigkeit des VKS zur Entscheidung über den Nachprüfungsantrag des Beschwerdeführers gründet sich auf die Wortfolge "oder Gemeinde" in §12 Abs1 Z1 iVm §94 ff. WLVergG, die den VKS zur Kontrolle der diesem Gesetz unterliegenden Auftragsvergaben der Gemeinde Wien berufen hat.
Gemäß Art140 Abs7 B-VG ist ein vom Verfassungsgerichtshof für verfassungswidrig erkanntes Gesetz auf den Anlassfall nicht mehr anzuwenden. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes sind einem Anlassfall (im engeren Sinn) jene Fälle gleichzuhalten, die zum Zeitpunkt des Beginns der mündlichen Verhandlung, bei Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung zum Zeitpunkt des Beginns der nichtöffentlichen Beratung über eine in der Beschwerdesache präjudizielle Gesetzesstelle anhängig sind (vgl. Erk. v. 9.10.1985, B168/85).
Die vorliegende Beschwerde wurde am 24. Jänner 2001 beim Verfassungsgerichtshof eingebracht. Der Zeitpunkt des Beginns der nichtöffentlichen Beratung im Normenprüfungsverfahren über die als verfassungswidrig qualifizierte Wortfolge des WLVergG war der 4. Oktober 2003. Die Gesetzesaufhebung wirkt daher auch für sie.
Da im vorliegenden Beschwerdefall der VKS mit dem angefochtenen Bescheid vom 10. November 2000 vor dem 1. September 2002 (aber auch vor der Kundmachung des BGBl. I 99/2002) tätig wurde und den angefochtenen Bescheid u.a. auf die als verfassungswidrig erkannte Gesetzesstelle gestützt hat, hat er eine Zuständigkeit in Anspruch genommen, die ihm im Bescheiderlassungszeitpunkt nicht zukam. Da das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter durch den Bescheid einer Verwaltungsbehörde verletzt wird, wenn die Behörde eine ihr gesetzlich nicht zukommende Zuständigkeit in Anspruch nimmt, verletzt der angefochtene Bescheid den Beschwerdeführer in diesem Recht (VfGH 1.12.1999, B2418/97 ua., 11.10.2001, B2214/98; vgl. auch VwGH 26.2.2003, 2003/04/0012).
Der Bescheid war daher aufzuheben.
2. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §88 VfGG. In den zugesprochenen Kosten sind eine Eingabengebühr gemäß §17a VfGG in der Höhe von € 181,68 und Umsatzsteuer in der Höhe von € 327,-- enthalten.
IV. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 Z3 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.
Schlagworte
VfGH / AnlaßfallEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2003:B116.2001Dokumentnummer
JFT_09968992_01B00116_00