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20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB);Norm
ABGB §1024;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hargassner und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Zorn, Dr. Büsser und Mag. Novak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Zaunbauer, über die Beschwerde der M U, vertreten durch Dr. Fritz Miller, Rechtsanwalt in 6780 Schruns, Gerichtsweg 2, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Feldkirch, vom 18. November 2005, RV/0125-F/05, betreffend u.a. Umsatzsteuer 1994, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird, soweit er Umsatzsteuer 1994 betrifft, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Kostenmehrgebehren wird abgewiesen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin ist eine Errichtergemeinschaft, bestehend aus zehn natürlichen Personen.
In einem mit "Auftrag zur Organisation eines Bauwerkes durch Baumeister I" überschriebenen Vertrag ist festgehalten, dass die Bauherrengemeinschaft beabsichtige, ein Mehrfamilienhaus mit zehn Wohnungen samt Tiefgarage zu errichten und am Gebäude Wohnungseigentum zu begründen (Wohnanlage A). Mit diesem Vertrag wird vereinbart, dass die Bauherrengemeinschaft Baumeister I beauftrage, den Bau einschließlich der Gesamtorganisation durchzuführen, für die Bauherrengemeinschaft zu organisieren und alle Arbeiten zu unternehmen, die für die Erstellung des Baues erforderlich sind. Baumeister I werde alle Offerte, Ausschreibungen und Aufträge für die gemeinsamen Arbeiten im Namen und auf Rechnung der Bauherrengemeinschaft einholen, durchführen und erteilen. Baumeister I besorge die Buchführung, die Umsatzsteuerabrechnung und die Einzelheiten der Abwicklung.
In der Beilage zur Umsatzsteuererklärung 1994, mit welchem die "Miterrichtergemeinschaft" eine Vorsteuergutschrift vom 469.509 S geltend gemacht hat, wird ausgeführt:
"Miterrichtergemeinschaft Wohnanlage (A), steuerl. vertr. d. Bmstr. (I)".
Die Veranlagung zur Umsatzsteuer 1994 erfolgte erklärungsgemäß.
Über das Vermögen des Baumeisters I ist am 17. Februar 1998 der Konkurs eröffnet worden. Zum Masseverwalter ist Rechtsanwalt Mag. KT bestellt worden.
Aus dem Bericht über eine abgabenbehördliche Prüfung vom 3. September 1998 ergibt sich, dass der Prüfer zur Auffassung gelangte, dass hinsichtlich der Wohnanlage A die Bauherreneigenschaft Baumeister I zugekommen sei. Unter Tz 11 des Berichts wird sodann ausgeführt:
"Im vorliegenden Fall kommt der Miterrichtergemeinschaft, vertreten durch (Baumeister I) bzw dieser wiederum durch den Masseverwalter RA Mag. (KT) keine Unternehmereigenschaft nach § 2 Abs 2 UStG 72 bzw. 94 zu."
Mit Bescheid vom 10. September 1998, gerichtet an die Miterrichtergemeinschaft A, zu Handen Rechtsanwalt Mag. KT, nahm das Finanzamt das Verfahren betreffend Umsatzsteuer 1994 wieder auf und setzte die Umsatzsteuer 1994 mit "0,00 S" fest.
In der Berufung gegen diesen Bescheid begehrte die Miterrichtergemeinschaft, die Umsatzsteuer 1994 wieder mit einer Gutschrift von 469.509 S festzusetzen.
Ein an das Finanzamt gerichtetes Schreiben des Rechtsanwaltes Mag. KT vom 15. Februar 2005 lautet wie folgt:
"Betreff: (Baumeister I) - Konkurs
Steuer Nr. (...) - Miterrichtergemeinschaft (A)
Sehr geehrte Damen und Herren,
für die Abgabe der Umsatzsteuererklärung für das Jahr 2004 betreffend die Miterrichtergemeinschaft (A) bin ich nicht zuständig. Die Zustellung erfolgte offensichtlich ob der Tatsache, dass ich seinerzeit Masseverwalter des (Baumeisters I) war.
Das Konkursverfahren ist jedoch bereits seit Mai 2004 aufgehoben.
Dessen ungeachtet halte ich fest, dass ich auch in meiner Funktion als Masseverwalter des (Baumeisters I) für die Abgabe von Steuererklärungen betreffend die jeweiligen Miterrichtergemeinschaften nicht zuständig war. Ich ersuche Sie, die entsprechenden Aufforderungen den zuständigen Gremien zu übermitteln.
Die mir übermittelten Unterlagen schließe ich Ihnen im Original bei.
Ich zeichne
hochachtungsvoll
Mag. KT
Unterlagen retour"
Mit dem angefochtenen Bescheid, der an die Miterrichtergemeinschaft A, zu Handen des bevollmächtigten Rechtsanwaltes Dr. M gerichtet und diesem bevollmächtigten Vertreter zugestellt worden ist, wurde u.a. die in Rede stehende Berufung betreffend Umsatzsteuer 1994 als unbegründet abgewiesen.
Gegen diesen Bescheid, soweit er Umsatzsteuer 1994 betrifft, wendet sich die Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Ist ein Zustellungsbevollmächtigter bestellt, so hat die Behörde, sofern gesetzlich nicht ausdrücklich anderes bestimmt ist, diese Person als Empfänger zu bezeichnen (vgl § 9 ZustellG).
§ 1024 ABGB lautet:
"Verfällt der Machtgeber in Konkurs; so sind alle Handlungen, die der Gewalthaber nach Kundmachung des Konkurses im Namen des Konkurs-Schuldners unternommen hat, ohne Rechtskraft. Eben so erklärt die Verhängung des Konkurses über das Vermögen des Machthabers schon an und für sich die erteilte Vollmacht für aufgehoben."
Gemäß § 81 Abs 1 BAO sind abgabenrechtliche Pflichten einer Personenvereinigung (Personengemeinschaft) ohne eigene Rechtspersönlichkeit von den zur Führung der Geschäfte bestellten Personen und, wenn solche nicht vorhanden sind, von den Gesellschaftern (Mitgliedern) zu erfüllen. Kommen zur Erfüllung der umschriebenen Pflichten mehrere Personen in Betracht, so haben nach § 81 Abs 2 BAO diese hiefür eine Person aus ihrer Mitte oder einen gemeinsamen Bevollmächtigten der Abgabenbehörde gegenüber als vertretungsbefugte Person namhaft zu machen; diese Person gilt solange als zur Empfangnahme von Schriftstücken der Abgabenbehörde ermächtigt, als nicht eine andere Person als Zustellungsbevollmächtigter namhaft gemacht wird.
Das Finanzamt ist offenkundig davon ausgegangen, dass Baumeister I zur Vertretung der Miterrichtergemeinschaft in Umsatzsteuerverfahren bevollmächtigt gewesen ist. Hat es die Erteilung einer Vollmacht aus dem oben erwähnten "Auftrag zur Organisation eines Bauwerkes durch Baumeister I" abgeleitet, kommt dem Umstand der Einschränkung der Befugnis auf eine Abgabenart, nämlich Umsatzsteuer, im gegebenen Zusammenhang keine Bedeutung zu, weil, soweit es sich um wiederkehrend zu erhebende Abgaben iSd § 213 BAO und § 103 Abs 2 BAO handelt, der Beschwerdeführerin gegenüber ohnedies bloß Verwaltungsverfahren betreffend Umsatzsteuer geführt worden sind.
Mit 17. Februar 1998 ist über das Vermögen des Baumeisters I der Konkurs eröffnet worden. Dieser Umstand hat ipso iure die Aufhebung aller an Baumeister I erteilten Vollmachten bewirkt (vgl Strasser in Rummel3, §§ 1020 bis 1026, Rz 31). Solcherart trifft es aber nicht zu, dass durch die Eröffnung des Konkurses über das Vermögen des Baumeisters I dem Masseverwalter Mag KT die Zustellvollmacht in Umsatzsteuerangelegenheiten der beschwerdeführenden Errichtergemeinschaft zugekommen ist.
Mit dem Vermerk "z.H." auf Erledigungen einer Behörde wird der Umstand einer Vertretung zur Zustellung gekennzeichnet (vgl das hg Erkenntnis vom 15. Februar 2006, 2005/13/0179, und den hg Beschluss vom 20. Februar 2008, 2005/15/0159).
Das Finanzamt hat für die Erledigung vom 10. September 1998 betreffend Umsatzsteuer 1994 den Masseverwalter Mag KT als Empfänger benannt und ihm die Erledigung zugestellt. Mangels Zustellvollmacht für Mag KT ist diese Erledigung mit der Zustellung an Mag KT als Empfänger nicht wirksam erlassen worden.
Behandelt die belangte Behörde die gegen eine Erledigung des Finanzamtes, welcher kein Bescheidcharakter zukommt, gerichtete Berufung meritorisch, nimmt sie eine (funktionelle) Zuständigkeit in Anspruch genommen, die ihr nicht zukommt.
In § 7 ZustellG kennt das Gesetz eine Heilung von Zustellmängeln (vgl hiezu allerdings den hg Beschluss vom 20. Februar 2008, 2005/15/0159). Dass im konkreten Fall - in der Berufung ist davon die Rede, dass die "Bescheide vom 10.09.1998" der Miterrichtergemeinschaft am 29. September 1998 zugestellt worden seien - eine Heilung des Zustellmangels eingetreten wäre, ist dem Verwaltungsakt nicht zu entnehmen. Die belangte Behörde hat es unterlassen, Erhebungen über eine allfällige Heilung anzustellen und in der Begründung des angefochtenen Bescheides, mit welchem sie meritorisch über die Berufung abgesprochen hat, das Ergebnis dieser Erhebungen darzustellen.
Der angefochtene Bescheid ist somit, soweit er Umsatzsteuer 1994 betrifft, mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften belastet und war daher insoweit gemäß § 42 Abs 2 Z 3 VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003. Der Pauschalsatz für den Schriftsatzaufwand enthält bereits die Umsatzsteuer.
Wien, am 28. Oktober 2008
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2008:2006150002.X00Im RIS seit
12.12.2008Zuletzt aktualisiert am
18.03.2009