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L8 Boden- und VerkehrsrechtNorm
B-VG Art144 Abs1 / AnlaßfallSpruch
Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid wegen Anwendung einer gesetzwidrigen Verordnung in seinen Rechten verletzt worden.
Der Bescheid wird aufgehoben.
Das Land Niederösterreich ist schuldig, dem Beschwerdeführer zu Handen seines Rechtsvertreters die mit 2.143,68 € bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Die bauwerbende Gesellschaft, welche Büromöbel herstellt, ersuchte mit Eingabe vom 14. Juni 2000 um baubehördliche Bewilligung zur Errichtung einer neuen Lagerhalle auf dem als Bauland-Betriebsgebiet gewidmeten Teil des Grundstücks Nr. 842/1, EZ 159, KG Kreilhof. Die Lagerhalle sollte in einer Entfernung von 3-6 m zu den im Osten angrenzenden als Bauland-Wohngebiet gewidmeten Nachbargrundstücken errichtet werden. Einige Anrainer - ua. der Beschwerdeführer - erhoben mit Schreiben vom 29. Juni 2000 Einwendungen und behaupteten eine unzumutbare Lärmbelästigung. Weiters sei die Änderung des Flächenwidmungsplanes im Jahr 1999, die den zwischen "Betriebs"- und Wohngebiet festgelegten Grüngürtel auf eine Breite von 6 m bzw. 3 m reduziert habe, gesetzwidrig. Nach Durchführung einer mündlichen Bauverhandlung am 29. Juni 2000 erteilte der Magistrat der Stadt Waidhofen/Ybbs mit Bescheid vom 3. Juli 2000 die beantragte Baubewilligung. Der Beschwerdeführer und andere Anrainer erhoben dagegen Berufung. Im Rahmen des ergänzenden Berufungsverfahrens wurde das anlässlich der am 29. Juni 2000 durchgeführten (bau- und gewerbebehördlichen) Verhandlung erstellte lärmschutztechnische Gutachten zur Kenntnis- und Stellungnahme übermittelt. Aufgrund weiterer Stellungnahmen wurde am 16. Oktober 2000 unter Beiziehung ua. des lärmschutztechnischen Amtssachverständigen des NÖ Gebietsbauamtes eine Berufungsverhandlung durchgeführt. Der lärmschutztechnische Amtssachverständige führte in seinem Befund und Gutachten aus, dass in der Lagerhalle Palettenware gelagert werden solle; Be- und Entladungen der Paletten seien nicht vorgesehen. Die Betriebslärmemissionen dieser Betriebsanlage würden einerseits unterhalb des Grundgeräuschpegels zur Tagzeit und andererseits soweit unterhalb der bereits bestehenden, genehmigten und damit als örtlich zumutbar anzusehenden Betriebslärmemissionen liegen, dass grundsätzlich keine Erhöhung der bereits genehmigten Immissionen zu erwarten sei. Der errechnete Beurteilungspegel und die angeführten Betriebslärmimmissionen würden unterhalb des im Bauland-Wohngebiet zulässigen Grenzwertes des äquivalenten Dauerschallpegels zur Tagzeit (55 dB) liegen. Das Gutachten des medizinischen Amtssachverständigen führte aus, dass eine das örtliche Ausmaß übersteigende Belästigung oder gesundheitliche Beeinträchtigung nicht zu erwarten sei. Der Stadtsenat der Stadt Waidhofen/Ybbs gab der Berufung mit bekämpftem Bescheid vom 25. Oktober 2000 keine Folge. Er erachtete die Emissionen, die von dem Bauwerk bzw. seiner Benutzung ausgehen, gemäß §48 Abs1 NÖ BauO 1996 als örtlich zumutbare Belästigung.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde des Anrainers (Grundstück Nr. 847/2), in der die Verletzung in Rechten wegen Anwendung einer gesetzwidrigen Verordnung behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt wird.
3. Der Stadtsenat der Stadt Waidhofen/Ybbs erstattete eine Gegenschrift, in der er die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt. Er führt aus, dass die Stadt Waidhofen/Ybbs im Jahr 1990 einen neuen Flächenwidmungsplan basierend auf einer umfassenden Grundlagenforschung erlassen habe. Aus §2 Z1 und 2 der Verordnung des Gemeinderates der Stadt Waidhofen/Ybbs vom 1. Oktober 1990, Z5-T/Fl-1/100-1990, ergebe sich als besonderes Ziel, dass die Stadt Waidhofen/Ybbs die Erhaltung und Stärkung ihrer Funktion als regionales Wirtschafts- und Kulturzentrum anstrebe sowie die Abwanderung durch Betriebsansiedlungen vermindert bzw. verhindert werden solle.
Basierend auf dem von der bauwerbenden Gesellschaft im Umwidmungsverfahren vorgelegten schallschutztechnischen Gutachten und unter Berücksichtigung der 6. Novelle zum NÖ Raumordnungsgesetz 1976 sei die Breite des Grüngürtels durch die bekämpfte Verordnung gegenüber dem Grundstück des Beschwerdeführers mit 6 m bzw. gegenüber einem anderen Anrainergrundstück mit 3 m bei gleichzeitiger Abänderung der Nutzungsart auf Bauland-Betriebsgebiet festgelegt worden.
4. Die bauwerbende Gesellschaft erstattete als mitbeteiligte Partei eine Äußerung.
II. 1. Aus Anlass dieser Beschwerde hat der Verfassungsgerichtshof von Amts wegen gemäß Art139 Abs1 B-VG mit Beschluss vom 11. Juni 2003 ein Verfahren zur Prüfung der Gesetzmäßigkeit der Verordnung der Stadt Waidhofen an der Ybbs vom 31. Mai 1999 betreffend eine Abänderung des örtlichen Raumordnungsprogrammes, genehmigt durch Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 30. Juni 1999, kundgemacht durch Anschlag an der Amtstafel vom 12. Juli 1999 bis 26. Juli 1999, eingeleitet.
Mit Erkenntnis vom 8. Oktober 2003, V85/03, hat der Verfassungsgerichtshof die Verordnung der Stadt Waidhofen an der Ybbs vom 31. Mai 1999 betreffend eine Abänderung des örtlichen Raumordnungsprogrammes, genehmigt durch Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 30. Juni 1999, kundgemacht durch Anschlag an der Amtstafel vom 12. Juli 1999 bis 26. Juli 1999, als gesetzwidrig aufgehoben.
2. Der angefochtene Bescheid stützt sich auf die gesetzwidrige Verordnung. Es ist nach der Lage des Falles nicht ausgeschlossen, dass ihre Anwendung für die Rechtsposition des Beschwerdeführers nachteilig war. Der Beschwerdeführer wurde durch den angefochtenen Bescheid wegen Anwendung einer gesetzwidrigen Verordnung in seinen Rechten verletzt (vgl. VfSlg. 10.404/1985).
Der Bescheid war daher aufzuheben.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf §88 VfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von € 327,- und eine Eingabegebühr in der Höhe von € 181,68 enthalten.
4. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 Z3 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
Schlagworte
VfGH / AnlaßfallEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2003:B1784.2000Dokumentnummer
JFT_09968992_00B01784_00