Index
10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
FrPolG 2005 §60 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger und die Hofräte Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer, die Hofrätin Mag. Merl und den Hofrat Dr. Lukasser als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Schmidl, über die Beschwerde des B S in E, geboren am 18. August 1980, vertreten durch Mag. Heimo Lindner, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Landstraße 35 B, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion Oberösterreich vom 31. Oktober 2006, Zl. St 219/06, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 51,50 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I.
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion Oberösterreich (der belangten Behörde) vom 31. Oktober 2006 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen serbischen Staatsangehörigen, gemäß § 60 Abs. 1 und 2 Z. 1 iVm den §§ 63 und 66 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 - FPG, BGBl. I Nr. 100, ein für die Dauer von zehn Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen.
Der Beschwerdeführer sei am 2. März 2005 illegal und an einem unbekannten Ort in das Bundesgebiet eingereist und habe am selben Tag einen Asylantrag gestellt, welcher mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 8. März 2005 negativ entschieden worden sei. Gleichzeitig sei gegen ihn die Ausweisung aus dem Bundesgebiet ausgesprochen worden. Die gegen diesen Bescheid am 15. März 2005 erhobene Berufung habe er dann zurückgezogen, sodass der genannte Bescheid des Bundesasylamtes am 29. November 2005 mit der Feststellung der Zulässigkeit der Zurückweisung nach Serbien und Montenegro in Rechtskraft erwachsen sei.
Am 4. März 2005 habe der Beschwerdeführer vor dem Bundesasylamt R. als seine Ehegattin angegeben. Am 30. Juli 2005 habe er die österreichische Staatsbürgerin S. standesamtlich ehelichen wollen. Zu diesem Zweck habe er eine Bescheinigung vom 18. April 2005 (mit beglaubigter Übersetzung des serbischen Originals vom 14. Juli 2005) vorgelegt, wonach er nicht verheiratet sei. In seinem Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung vom 27. Dezember 2005 habe er ein beglaubigtes Urteil betreffend seine Scheidung von R. vorgelegt, das mit 13. Oktober 2005 rechtskräftig geworden sei.
Am 26. November 2005 habe er die österreichische Staatsbürgerin S. geheiratet, worauf ihm von der Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung (Erstbehörde) eine Niederlassungsbewilligung für den Zweck "Familiengemeinschaft mit Ö." erteilt worden sei.
Am 8. Februar 2006 sei der Beschwerdeführer vom Landesgericht Linz gemäß § 87 Abs. 1 und § 15 StGB wegen des Verbrechens der (zum Teil versuchten und zum Teil vollendeten) absichtlichen schweren Körperverletzung zu einer Geldstrafe von 360 Tagessätzen und einer bedingten Freiheitsstrafe von acht Monaten rechtskräftig verurteilt worden, weil er am 19. November 2005 in M dem Stefan P. durch Versetzen von Faustschlägen gegen den Körper und das Gesicht eine Nasenprellung und Nasenbluten zugefügt habe, wobei es mangels einer schweren Körperverletzung beim Versuch geblieben sei, und einem anderen durch Versetzen von Faustschlägen und Fußtritten gegen dessen Körper und Gesicht eine Fraktur des Hinterhauptbeines im Bereich des Schläfenbeins und der Schädelbasis sowie des Unterkiefers links, eine Schädelprellung und ein Hämatom an der Lippe, sohin eine schwere Körperverletzung, absichtlich zugefügt habe.
Begründend führte die belangte Behörde weiter aus, dass den Ausführungen der Erstbehörde zufolge der Beschwerdeführer eine gegenwärtige und erhebliche Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstelle. Dies sei einerseits mit der genannten Verurteilung zu begründen, andererseits durch die Aussage von D. bei seiner Vernehmung bei der Polizeiinspektion M, wo dieser angegeben habe, dass er (der Beschwerdeführer) manchmal die Kontrolle und das Maß bei seiner Arbeit verlöre, und die Behörde gehe davon aus, dass bei ihm eine niedrige Hemmschwelle vorhanden sei, die Rechtsnormen der Republik Österreich zu übertreten. Die Gesundheit und die damit verbundene körperliche Unversehrtheit seien ein Grundinteresse der Gesellschaft. Das Fehlverhalten des Beschwerdeführers stelle daher eine erhebliche Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit dar. Ferner habe er, um die österreichische Staatsbürgerin S. am 30. Juli 2005 am Standesamt ehelichen zu können, eine unrichtige Bescheinigung der Gemeinde G. über den Familienstand vorgelegt. Zu diesem Zeitpunkt sei er mit R. verheiratet gewesen.
Die Erlassung des Aufenthaltsverbotes sei gemäß § 66 Abs. 1 FPG zur Erreichung von in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zielen, insbesondere zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe und Ordnung, zur Verhinderung von strafbaren Handlungen und zum Schutz der Gesundheit und der Rechte und Freiheiten anderer, dringend geboten, weil der Beschwerdeführer bei Verwirklichung der seiner Verurteilung zugrunde liegenden Straftaten ein Verhalten offenbart habe, das einen Rückschluss auf sein hohes Aggressionspotenzial und seine geringe Hemmschwelle zulasse bzw. geradezu aufdränge. Darüber hinaus zeige die Straffälligkeit bereits ca. neun Monate nach seiner Einreise in das Bundesgebiet eine Gleichgültigkeit gegenüber den Rechtsnormen seines Gastlandes.
Hinsichtlich seiner persönlichen und familiären Situation sei zu beachten gewesen, dass ihm eine der Dauer seines Aufenthaltes und der Ehe mit einer österreichischen Staatsbürgerin, welche behauptetermaßen von ihm ein Kind erwarte, und seiner Berufstätigkeit seit der Einreise entsprechende Integration zuzubilligen sei. Für den Unterhalt seiner Ehegattin bzw. seinen eigenen Unterhalt könne er auch vom Ausland her aufkommen. Im Hinblick auf die für seinen weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet zu stellende negative Verhaltensprognose wögen die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes schwerer als die Auswirkungen dieser Maßnahme auf seine Lebenssituation, weshalb das Aufenthaltsverbot auch gemäß § 66 Abs. 2 FPG zulässig sei.
Die Ermessensbestimmung des § 60 Abs. 1 FPG sei anzuwenden gewesen, weil eine Abstandnahme von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes die öffentliche Ordnung zu schwer beeinträchtigt hätte.
Die Dauer des verhängten Aufenthaltsverbotes sei mit zehn Jahren zu befristen gewesen, weil der Beschwerdeführer das strafbare Verhalten bereits neun Monate nach seiner Einreise begangen habe und angesichts seiner aggressiven und von einer geringen Hemmschwelle geprägten Verhaltensweise - so habe er auch der genannten anderen Person mehrere Faustschläge und Fußtritte gegen den Körper und das Gesicht versetzt - erst nach Ablauf dieser Zeit erwartet werden könne, dass er sich an die im Bundesgebiet geltenden Normen halten werde.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, sah jedoch von der Erstattung einer Gegenschrift ab.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1.1. In der Beschwerde bleibt die Auffassung der belangten Behörde, dass vorliegend der Tatbestand des § 60 Abs. 2 Z. 1 FPG erfüllt sei, unbekämpft. In Anbetracht der unbestrittenen rechtskräftigen Verurteilung des Beschwerdeführers vom 8. Februar 2006 begegnet diese Beurteilung keinen Bedenken.
1.2. Auf dem Boden der weiteren unbestrittenen Feststellungen betreffend die dieser Verurteilung zugrunde liegenden Straftaten des Beschwerdeführers - so hat er am 19. November 2005 nicht nur versucht, einem anderen absichtlich eine schwere Verletzung zuzufügen, und diesen am Körper verletzt, sondern einer weiteren Person (u.a.) eine Fraktur des Hinterhauptbeins im Bereich des Schläfenbeins und der Schädelbasis sowie des Unterkiefers und damit absichtlich eine schwere Körperverletzung zugefügt - begegnet auch die weitere Beurteilung im angefochtenen Bescheid, dass er eine gegenwärtige und erhebliche Gefahr für die Ordnung und Sicherheit darstelle (vgl. in diesem Zusammenhang die im Beschwerdefall gemäß § 87 FPG anzuwendende Bestimmung des § 86 Abs. 1 erster und zweiter Satz leg. cit.), keinem Einwand.
2.1. Die Beschwerde bekämpft den angefochtenen Bescheid unter dem Blickwinkel des § 66 Abs. 1 und 2 FPG und bringt vor, dass der Beschwerdeführer seit seiner Einreise am 2. März 2005 danach gestrebt habe, sich in Österreich sozial zu integrieren und eine Existenz aufzubauen, weshalb er eine Tätigkeit als Türsteher aufgenommen habe. Nach den genannten Straftaten habe er diese Tätigkeit sofort beendet. Seither sei er durchgehend als Lagerarbeiter in einem Baumarkt beschäftigt. Er beabsichtige, mit seiner österreichischen Ehegattin, mit der er seit 26. November 2005 verheiratet sei, eine Familie zu gründen, und habe gute Deutschkenntnisse. Auch seine Schwester lebe in Österreich, und er habe im Kosovo keine nennenswerten sozialen Kontakte mehr.
2.2. Mit diesem Vorbringen zeigt die Beschwerde keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf.
Bei der Interessenabwägung nach der vorgenannten Gesetzesbestimmung hat die belangte Behörde den inländischen Aufenthalt des Beschwerdeführers ab 2. März 2005 und seine Bindungen zu seiner österreichischen Ehegattin, mit der er seit 26. November 2005 verheiratet ist, berücksichtigt und zutreffend einen mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen relevanten Eingriff in sein Privat- und Familienleben angenommen. Sie hat jedoch auch - unter gebührender Beachtung dieser persönlichen Interessen - zu Recht den Standpunkt vertreten, dass die Erlassung des Aufenthaltsverbotes zur Erreichung von in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zielen, nämlich zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe und Ordnung, zur Verhinderung von strafbaren Handlungen und zum Schutz der Gesundheit und der Rechte und Freiheiten anderer, dringend geboten und demnach gemäß § 66 Abs. 1 FPG zulässig ist, manifestiert sich doch in dem vom Beschwerdeführer gesetzten strafbaren Verhalten die von ihm ausgehende massive Gefahr für die körperliche Sicherheit und Unversehrtheit anderer und seine mangelnde Verbundenheit mit den in Österreich rechtlich geschützten Werten. Dass, wie im angefochtenen Bescheid ausgeführt wurde, der Beschwerdeführer eine niedrige Hemmschwelle aufweise, ist nicht nur aus den genannten Straftaten, sondern auch der Aussage des D. abzuleiten, der zufolge der Beschwerdeführer manchmal die Kontrolle und das Maß bei seiner Arbeit (als Türsteher) verliere.
In Anbetracht dessen kann es auch nicht als rechtswidrig erkannt werden, wenn die belangte Behörde bei der Abwägung nach § 66 Abs. 2 FPG den nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes jedenfalls kein geringeres Gewicht beigemessen hat als den obgenannten persönlichen Interessen des Beschwerdeführers. Wenn dieser in der Beschwerde im Übrigen noch auf seine Bindung zu einer hier lebenden Schwester hinweist, so handelt es sich bei diesem Vorbringen um ein im Verwaltungsverfahren nicht erstattetes Vorbringen, auf das wegen des im verwaltungsgerichtlichen Verfahren geltenden Neuerungsverbotes (vgl. § 41 Abs. 1 VwGG) nicht weiter einzugehen war. Dies gilt auch in Bezug auf das weitere Beschwerdevorbringen, dass im Kosovo das Leben des Beschwerdeführers und seiner Ehegattin gefährdet wäre, zumal mit der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes nicht ausgesprochen wird, dass der Fremde in ein bestimmtes Land auszureisen habe.
3. Ferner zeigt die Beschwerde mit ihrem weiteren Vorbringen gegen die Gültigkeitsdauer des vorliegenden Aufenthaltsverbotes keine Umstände auf, die den Schluss zuließen, dass im Sinn des § 63 Abs. 1 FPG ein Wegfall der für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes maßgeblichen Gründe vor Ablauf dieser Gültigkeitsdauer erwartet werden könne. In Anbetracht des Fehlverhaltens des Beschwerdeführers kann der belangten Behörde nicht entgegengetreten werden, wenn sie die Auffassung vertreten hat, dass ein Wegfall des für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes maßgeblichen Grundes nicht vor Verstreichen der mit dem angefochtenen Bescheid festgesetzten Gültigkeitsdauer erwartet werden könne.
4. Demzufolge war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
5. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.
Wien, am 28. Oktober 2008
Schlagworte
Sachverhalt Neuerungsverbot Besondere RechtsgebieteEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2008:2006180461.X00Im RIS seit
17.11.2008Zuletzt aktualisiert am
19.02.2009