TE Vwgh Erkenntnis 2008/10/28 2005/18/0720

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 28.10.2008
beobachten
merken

Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Melderecht;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AVG §63 Abs5;
FrG 1997 §36 Abs1;
FrG 1997 §36 Abs2 Z1;
MeldeG 1991 §19a Abs2;
ZustG §17 Abs3;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger und die Hofräte Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer, die Hofrätin Mag. Merl und den Hofrat Dr. Lukasser als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Schmidl, über die Beschwerde des L S in W, geboren am 1. August 1986, vertreten durch Dr. Saskia Leinschitz, Rechtsanwalt in 1040 Wien, Schelleingasse 14-16, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 27. Juli 2005, Zl. SD 473/05, betreffend Zurückweisung der Berufung gegen die Erlassung eines Aufenthaltsverbots, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 51,50 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit Bescheid vom 28. Dezember 2004 erließ die Bundespolizeidirektion Wien gegen den Beschwerdeführer, einen Staatsangehörigen von Gambia, gemäß § 36 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z. 1 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ein für die Dauer von 10 Jahren befristetes Aufenthaltsverbot.

Mit Bescheid vom 27. Juli 2005 wies die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (die belangte Behörde) die gegen diesen Bescheid gerichtete Berufung gemäß § 63 Abs. 5 iVm § 66 Abs. 4 iVm § 13 Abs. 3 AVG als verspätet zurück.

Der erstinstanzliche Bescheid sei dem Berufungswerber nach zwei erfolglosen Zustellversuchen am 8. Jänner 2005 durch Hinterlegung beim zuständigen Zustellpostamt rechtswirksam zugestellt worden. In einem mit 15. Jänner 2005 datierten und bei der Erstbehörde mit selbem Datum am Faxwege eingebrachten Schriftsatz habe der Beschwerdeführer dagegen eine Berufung eingebracht und gleichzeitig angekündigt, eine ausführliche schriftliche Begründung der Berufung "in Kürze" nachzureichen. Mit Schreiben der belangten Behörde vom 17. Mai 2005 sei der Beschwerdeführer aufgefordert worden, das Formgebrechen der fehlenden Berufungsbegründung gemäß § 13 Abs. 3 AVG binnen einer Frist von einer Woche ab Zustellung dieses Schreibens zu beheben, widrigenfalls sein Anbringen gemäß dieser Bestimmung zurückzuweisen wäre.

Obwohl dieser Verbesserungsauftrag dem Beschwerdeführer am 24. Mai 2005 durch Hinterlegung rechtswirksam zugestellt worden sei, habe der Beschwerdeführer erst in einem mit 11. Juni 2005 datierten Schreiben, welches (offenbar irrtümlich) nicht an die belangte Behörde, sondern an die "Fremdenpolizei" (gemeint: die Erstbehörde) gefaxt worden sei, die entsprechende Berufungsbegründung, jedoch mit der aktenwidrigen Behauptung, die Aufforderung gemäß § 13 Abs. 3 AVG am 6. Juni 2005 zugestellt bekommen zu haben, nachgereicht.

Im Hinblick auf diese Eingabe des Beschwerdeführers sei mit Schreiben vom 22. Juni 2005 eine neuerliche Mitteilung der belangten Behörde an den Beschwerdeführer ergangen, im Hinblick auf die verspätete Behebung des Formgebrechens die Berufung zurückweisen zu wollen. Dazu sei keine Stellungnahme eingelangt.

Der Mangel der fehlenden Berufungsbegründung könne erst mit 11. Juni bzw. 22. Juni 2005 (dem Einlangen des Schreibens des Beschwerdeführers vom 11. Juni 2005 bei der belangten Behörde) als verbessert und die Berufung als fehlerfrei angesehen werden. Dies sei jedoch erst nach Ablauf der gewährten Frist von einer Woche erfolgt. Die Berufung gelte daher nicht als ursprünglich richtig eingebracht.

Da der bekämpfte Bescheid sohin bereits mit 24. Jänner 2005 in Rechtskraft erwachsen sei, habe die fehlerfrei eingebrachte Berufung als verspätet zurückgewiesen werden müssen, ohne dass die belangte Behörde in diesem Verfahren in der Lage gewesen wäre, sich mit den Berufungsausführungen in der Sache selbst auseinander zu setzen.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, sah jedoch von der Erstattung einer Gegenschrift ab.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. § 19a Meldegesetz 1991 - MeldeG (BGBl. Nr. 9/1992 in der Fassung BGBl. I Nr. 28/2001) lautet:

"Hauptwohnsitzbestätigung

§ 19a. (1) Die Meldebehörde hat einem Obdachlosen auf Antrag nach dem Muster der Anlage D in zwei Ausfertigungen zu bestätigen, dass er den Mittelpunkt seiner Lebensbeziehungen in dieser Gemeinde hat (Hauptwohnsitzbestätigung), wenn er

1. glaubhaft macht, dass er seit mindestens einem Monat den Mittelpunkt seiner Lebensbeziehungen ausschließlich im Gebiet dieser Gemeinde hat, und

2. im Gebiet dieser Gemeinde eine Stelle bezeichnen kann, die er regelmäßig aufsucht (Kontaktstelle).

(2) Die Kontaktstelle gilt als Abgabestelle im Sinne des Zustellgesetzes, BGBl. Nr. 200/1982, sofern der Obdachlose hiezu die Zustimmung des für diese Stelle Verfügungsberechtigten nachweist.

(3) Die Hauptwohnsitzbestätigung wird ungültig, wenn der Betroffene gemäß §§ 3 oder 5 bei einer Meldebehörde angemeldet wird oder wenn von einer anderen Meldebehörde eine Bestätigung gemäß Abs. 1 ausgestellt wird. § 4 Abs. 4 gilt mit der Maßgabe, dass anstelle der Abmeldung die Ungültigkeit zu bestätigen ist.

(4) Für Zwecke des 2. Abschnittes sind Bestätigungen gemäß Abs. 1 Anmeldungen und die Ungültigkeitserklärung gemäß Abs. 3 Abmeldungen gleichzuhalten.

(5) § 9 gilt für Hauswohnsitzbestätigungen entsprechend."

§ 17 Zustellgesetz - ZustG (BGBl. Nr. 200/1982) lautet:

"Hinterlegung

§ 17. (1) Kann die Sendung an der Abgabestelle nicht zugestellt werden und hat der Zusteller Grund zur Annahme, dass sich der Empfänger oder ein Vertreter im Sinne des § 13 Abs. 3 regelmäßig an der Abgabestelle aufhält, so ist das Schriftstück im Falle der Zustellung durch die Post beim zuständigen Postamt, in allen anderen Fällen aber beim zuständigen Gemeindeamt oder bei der Behörde, wenn sie sich in derselben Gemeinde befindet, zu hinterlegen.

(2) Von der Hinterlegung ist der Empfänger schriftlich zu verständigen. Die Verständigung ist in den für die Abgabestelle bestimmten Briefkasten (Briefeinwurf, Hausbrieffach) einzulegen, an der Abgabestelle zurückzulassen oder, wenn dies nicht möglich ist, an der Eingangstüre (Wohnungs-, Haus-, Gartentüre) anzubringen. Sie hat den Ort der Hinterlegung zu bezeichnen, den Beginn und die Dauer der Abholfrist anzugeben sowie auf die Wirkung der Hinterlegung hinzuweisen.

(3) Die hinterlegte Sendung ist mindestens zwei Wochen zur Abholung bereitzuhalten. Der Lauf dieser Frist beginnt mit dem Tag, an dem die Sendung erstmals zur Abholung bereitgehalten wird. Hinterlegte Sendungen gelten mit dem ersten Tag dieser Frist als zugestellt. Sie gelten nicht als zugestellt, wenn sich ergibt, dass der Empfänger oder dessen Vertreter im Sinne des § 13 Abs. 3 wegen Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte, doch wird die Zustellung an dem der Rückkehr an die Abgabestelle folgenden Tag innerhalb der Abholfrist wirksam, an dem die hinterlegte Sendung behoben werden könnte.

(4) Die im Wege der Hinterlegung vorgenommene Zustellung ist auch dann gültig, wenn die im Abs. 2 oder die im § 21 Abs. 2 genannte Verständigung beschädigt oder entfernt wurde."

2. Zunächst ging die belangte Behörde zutreffend davon aus, dass gemäß § 13 Abs. 3 AVG Formgebrechen schriftlicher Anbringen die Behörde nicht zur Zurückweisung ermächtigen, sondern dem Einschreiter die Behebung der Formgebrechen mit der Wirkung aufzutragen ist, dass das Anbringen nach fruchtlosem Ablauf einer gleichzeitig zu bestimmenden, angemessenen Frist zurückgewiesen wird, und forderte daher den Beschwerdeführer mit Schreiben vom 17. Mai 2005 dazu auf, das Formgebrechen der fehlenden Begründung binnen einer Frist von einer Woche ab Zustellung dieses Schreibens zu beheben, widrigenfalls sein Anbringen zurückzuweisen sein werde. Die belangte Behörde ging von der Wirksamkeit der Zustellung dieses Verbesserungsauftrages durch postamtliche Hinterlegung am 24. Mai 2005 aus.

Dieser Annahme tritt die Beschwerde zwar nicht konkret entgegen. Sie bringt jedoch vor, der Beschwerdeführer sei am 23. Mai, 27. Mai und 3. Juni 2005 bei SOS Mitmensch gewesen und habe jedes Mal die Auskunft erhalten, dass kein Schreiben für ihn gekommen sei. Erst am 6. Juni 2005 habe er die Verständigung von der Hinterlegung eines Schriftstückes erhalten und dieses noch am selben Tag beim Postamt abgeholt. In der Annahme, ab diesem Zeitpunkt eine Woche Zeit zu haben, habe der Beschwerdeführer die nur an Samstagen angebotene Rechtsberatung von SOS Mitmensch abwarten wollen. Ihm sei auch nicht präsent gewesen, dass er eine Begründung der Berufung nachliefern müsse. Von dem Telefonat zwischen der belangten Behörde und SOS Mitmensch sei ihm ebenfalls nichts zugetragen worden. Die belangte Behörde habe - anders als die "Fremdenpolizei" (gemeint: die Erstbehörde) - den Umstand der Obdachlosigkeit des Beschwerdeführers nicht berücksichtigt, denn sonst hätte sie die Verbesserungsfrist sicher nicht mit einer Woche festgesetzt. Auf Grund der Obdachlosigkeit des Beschwerdeführers - die der Behörde bekannt gewesen sei - sei es ihm unmöglich gewesen, innerhalb einer Woche eine ordentlich formulierte Begründung zu schreiben.

Mit diesem Vorbringen wird keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufgezeigt.

Unbestritten ist, dass der Beschwerdeführer obdachlos ist. Nach Ausweis der Verwaltungsakten liegt auch die Zustimmung des für die (Kontakt-)Stelle Verfügungsberechtigten gemäß § 19a Abs. 2 MeldeG in Form des Schreibens des Flüchtlingsprojektes Ute Bock vom 28. Juni 2004 vor. Den Auskünften aus dem zentralen Melderegister zufolge war der Beschwerdeführer an der Anschrift in Wien, Z-gasse 15, als "obdachlos" gemeldet. Der Beschwerdeführer bringt selbst vor, dass es sich bei dieser Adresse um "seine angegebene Zustelladresse" handle. Es besteht somit kein Zweifel, dass es sich dabei um die Abgabestelle des Beschwerdeführers iSd § 19a Abs. 2 MeldeG handelt. Eine Zustellung an diese Adresse war somit auch durch Hinterlegung gemäß § 17 Abs. 3 ZustG möglich (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 31. Jänner 2008, Zl. 2005/01/0809).

Dass der Beschwerdeführer nach Hinterlegung des Verbesserungsauftrages die Abgabestelle nicht regelmäßig aufgesucht habe (vgl. dazu nochmals das bereits zitierte hg. Erkenntnis Zl. 2005/01/0809) oder dass eine Benachrichtigung von der erfolgten Hinterlegung des Schriftstückes nicht hinterlassen worden wäre, wird nicht behauptet. Vielmehr bringt der Beschwerdeführer vor, mehrmals - u.a. auch am 27. Mai 2005 - an seiner Zustelladresse gewesen zu sein, die Verständigung von der Hinterlegung des Schriftstückes aber erst am 6. Juni 2005 bekommen zu haben. Es bestehen somit keine Bedenken an der Ordnungsmäßigkeit des Zustellvorganges.

Wenn der Beschwerdeführer weiters vorbringt, er sei verspätet über die Hinterlegungsanzeige informiert worden, wodurch er an der rechtzeitigen Verbesserung seiner Berufung gehindert worden sei, könnte dies allenfalls einen Grund für eine Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Frist darstellen (vgl. dazu die in Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2 (1998) E 48 zu § 17 ZustG zitierte hg. Judikatur).

Das Vorbringen, der Beschwerdeführer habe nicht gewusst, dass die Frist schon vor der Abholung des hinterlegten Schriftstückes zu laufen begonnen habe, ist ebenfalls nicht geeignet, eine Rechtswidrigkeit des Bescheides zu erweisen (vgl. dazu die in Walter/Thienel, a.a.O., E 45 zu § 17 ZustG zitierte hg. Judikatur).

Da der Beschwerdeführer in der Berufung vom 15. Jänner 2005 selbst angekündigt hat, "in Kürze" eine schriftliche Begründung derselben nachzureichen und bis zur Erteilung des Verbesserungsauftrages durch die belangte Behörde über vier Monate vergangen sind, kann die gleichzeitig festgesetzte Frist von einer Woche nicht als unangemessen erkannt werden, zumal der Beschwerdeführer - eigenen Angaben zufolge - am 27. Mai 2005 bei der Abgabestelle war und somit ausreichend Zeit zur Verbesserung seiner Berufung zur Verfügung gehabt hätte.

3. Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

4. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 28. Oktober 2008

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2008:2005180720.X00

Im RIS seit

28.11.2008

Zuletzt aktualisiert am

04.03.2009
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten