TE Vwgh Erkenntnis 2008/10/29 2006/08/0040

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Veröffentlicht am 29.10.2008
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB);
66/02 Andere Sozialversicherungsgesetze;

Norm

ABGB §7;
B-VG Art7;
GSVG 1978 §2 Abs1 Z3;
GSVG 1978 §2 Abs1 Z4;
GSVG 1978 §4 Abs1 Z5;
GSVG 1978 §4 Abs1 Z6 litb;
GSVG 1978 §4 Abs1 Z6;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Strohmayer, Dr. Moritz, Dr. Lehofer und Dr. Doblinger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Zykan, über die Beschwerde der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft in Wien, vertreten durch Dr. Eva-Maria Bachmann-Lang und Dr. Christian Bachmann, Rechtsanwälte in 1010 Wien, Opernring 8, gegen den Bescheid der Bundesministerin für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz vom 3. Jänner 2006, Zl. BMSG- 320128/0001-II/A/3/2005, betreffend Pflichtversicherung in der Kranken- und Pensionsversicherung gemäß § 2 Abs. 1 Z 3 GSVG (mitbeteiligte Partei: Mag. K in W), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für Soziales und Konsumentenschutz) hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom 10. Jänner 2005 stellte die beschwerdeführende Sozialversicherungsanstalt fest, dass die Mitbeteiligte als geschäftsführende Gesellschafterin der "O GmbH" vom 9. Dezember 2002 bis 28. Februar 2003, vom 1. Juni 2003 bis 31. Juli 2003 und vom 1. Dezember 2003 bis 29. Februar 2004 gemäß § 2 Abs. 1 Z. 3 GSVG in der Kranken- und Pensionsversicherung pflichtversichert sei.

Begründend führte die beschwerdeführende Sozialversicherungsanstalt aus, dass die Mitbeteiligte seit 30. Jänner 2002 geschäftsführende Gesellschafterin der genannten wirtschaftskammerzugehörigen GmbH gewesen sei. Die Mitbeteiligte sei seit einem vor dem 1. Jänner 2002 gelegenen Zeitpunkt bis 20. Juli 2002, vom 1. März bis 31. Mai 2003 und vom 1. August bis 30. November 2003 als angestellte Geschäftsführerin der genannten GmbH nach dem ASVG pflichtversichert gewesen. In der Zeit vom 21. Juli bis 8. Dezember 2002 habe sie Wochengeld nach dem ASVG von der Niederösterreichischen Gebietskrankenkasse bezogen. Seit 9. Dezember 2002 beziehe sie Kinderbetreuungsgeld nach dem Kinderbetreuungsgeldgesetz. Seit 26. Februar 2004 sei die Mitbeteiligte wieder als angestellte Geschäftsführerin der genannten GmbH nach dem ASVG pflichtversichert. In rechtlicher Hinsicht stützte sich die erstinstanzliche Behörde im Wesentlichen darauf, dass der Bezug von Kinderbetreuungsgeld nach dem eindeutigen Wortlaut des § 2 Abs. 1 Z. 3 GSVG zu keiner Ausnahme von der Pflichtversicherung nach dem GSVG führe.

Dem gegen diesen Bescheid erhobenen Einspruch der Mitbeteiligten gab der Landeshauptmann von Niederösterreich keine Folge. Die Mitbeteiligte erhob dagegen Berufung, in der sie im Wesentlichen ausführte, dass ein Abweichen vom klaren Gesetzeswortlaut zulässig sei, wenn eindeutig feststehe, dass der Gesetzgeber etwas anderes gewollt habe, als er zum Ausdruck gebracht habe. Die Sozialversicherungsträger selbst hätten sich bis zum Sommer 2004 dieser Sichtweise angeschlossen, da nach Aussagen von Mitarbeitern der Sozialversicherungsträger die Vorschreibung von GSVG-Beiträgen während der Zeiten des Bezugs von Kinderbetreuungsgeld erst seit dem Jahr 2004 auch tatsächlich vollzogen würde. Vor dem genannten Zeitpunkt sei offensichtlich von einer Vorschreibung von GSVG-Beiträgen Abstand genommen worden. Während der Zeiten des Bezugs von Kinderbetreuungsgeld würden üblicherweise keine Einkünfte von der Gesellschaft bezogen. Kinderbetreuungsgeld habe ja gerade den Zweck, für die Zeit, in der wegen intensiver Betreuung des Kindes nicht der Tätigkeit des Geschäftsführers nachgegangen werden könne und damit die Geschäftsführerbezüge nicht erwirtschaftet werden könnten, eine einkommensunabhängige Unterstützung der Eltern zu gewährleisten. Es könne auch nicht verlangt werden, dass - um eine Pflichtversicherung nach dem GSVG auszuschließen - die handelsrechtliche Geschäftsführerbefugnis für die Zeit des Bezugs von Kinderbetreuungsgeld aus rein sozialversicherungsrechtlichen Gründen zurückgelegt werde. Bei der Position des handelsrechtlichen Geschäftsführers handle es sich um eine verantwortungsvolle Position, bei der es auch um das Vertrauen der Kunden in die genannte Person gehe. Ein kurzfristiger Wechsel der Person des handelsrechtlichen Geschäftsführers sei grundsätzlich nur schwer möglich und auch im Falle der GmbH, deren Geschäftsführerin die Mitbeteiligte ist, im gegenständlichen Fall nicht möglich gewesen. Die unterschiedliche Behandlung von Geschäftsführern kammerzugehöriger Gesellschaften im Vergleich zu jenen von nicht kammerzugehörigen Gesellschaften würde auch dem Gleichheitsgrundsatz widersprechen.

Mit dem angefochtenen Bescheid stellte die belangte Behörde in Stattgebung der Berufung fest, dass die Mitbeteiligte in den Zeiten vom 9. bis 31. Dezember 2002, vom 1. Jänner bis 28. Februar 2003, vom 1. Juni bis 31. Juli 2003 und vom 1. Dezember 2003 bis 29. Februar 2004 nicht der Pflichtversicherung nach § 2 Abs. 1 Z. 3 GSVG unterlegen sei. Nach Darlegung des Verfahrensganges und Wiedergabe von § 2 Abs. 1 Z. 3 GSVG, § 4 Abs. 1 Z. 6 GSVG, § 6 Abs. 1 KBGG, § 28 Abs. 1 und 2 KBGG und § 7 ABGB stellte die belangte Behörde fest, dass die Mitbeteiligte seit 30. Jänner 2002 geschäftsführende Gesellschafterin der O GmbH mit einem Anteil am Stammkapital von 25 % sei. Sie sei zu dieser GmbH in den Zeiträumen vor dem 1. Jänner bis zum 20. Juli 2002, vom 1. März bis zum 20. Mai 2003, vom 1. August bis zum 30. November 2003 und wieder ab 26. Februar 2004 in einem Dienstverhältnis gestanden und nach § 4 ASVG der Pflichtversicherung unterlegen. Nach der Geburt ihres Kindes habe sie vom 21. Juli bis zum 8. Dezember 2002 Wochengeld und vom 9. Dezember 2002 bis zum 28. Februar 2003, vom 1. Juni bis zum 31. Juli 2003 sowie vom 1. Dezember 2003 bis zum 29. Dezember 2004 Kinderbetreuungsgeld bezogen.

In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde aus, sie gehe "im Ergebnis davon aus," dass im Beschwerdefall eine echte Gesetzeslücke vorliege, welche im Wege der Analogie zu schließen sei, "um eine verfassungskonforme Interpretation des § 2 Abs. 1 Z 3 GSVG zu ermöglichen".

Das österreichische System der Sozialversicherung sei von dem Grundsatz geprägt, dass für jede Erwerbstätigkeit eine Einbeziehung in das entsprechende System der Kranken- und Pensionsversicherung zu erfolgen habe. Dabei trete für einzelne Personen, die mehrere Erwerbstätigkeiten ausübten, durchaus eine Mehrfachversicherung ein, systemwidrig sei es allerdings, dass eine Einbeziehung in ein System auf Grund der Nichtausübung einer Tätigkeit erfolge. Im Beschwerdefall falle der Ausnahmetatbestand in der Pflichtversicherung der Pensionsversicherung nach dem ASVG von der Pflichtversicherung im GSVG "auf Grund der zeitlich befristeten Nichtausübung der Geschäftsführertätigkeit" wegen Kinderbetreuung weg, gleichzeitig gebe es aber keinen Ausnahmetatbestand wegen Kinderbetreuung bzw. des Bezugs von Kinderbetreuungsgeld nach dem Kinderbetreuungsgeldgesetz. Dies hätte zur Konsequenz, dass eine Versicherungspflicht eintrete, "obwohl und gerade weil die betroffene geschäftsführende Gesellschafterin in dem eigentlich die Versicherungspflicht auslösenden Tätigkeitsbereich nicht erwerbstätig" sei.

Es sei unzumutbar bzw. überschießend, dass sich die Mitbeteiligte aus dem Firmenbuch als Geschäftsführerin während der Zeit des Bezuges des Kinderbetreuungsgeldes "austragen" lassen müsse, um "eine Nichttätigkeit" ausdrücklich zu dokumentieren. Die "Austragung" bzw. kurzzeitige Eintragung eines Ersatzgeschäftsführers im Firmenbuch wäre geschäftsschädigend, da das Vertrauen der Vertragspartner und Kunden in die Kontinuität des Unternehmens darunter leiden würde, und benachteilige daher unverhältnismäßig geschäftsführende Gesellschafter, da diese, um einem solchen Vertrauensverlust entgegenzuwirken, wohl eher auf den Bezug des Kinderbetreuungsgeldes verzichten würden, als sich "aus dem Firmenbuch austragen zu lassen".

Zum Zweiten sei der bürokratische und finanzielle Aufwand, "nur um eine Nichttätigkeit, die an und für sich ohnehin durch den Bezug des Kinderbetreuungsgeldes und die Abmeldung von der regulären Pflichtversicherung für die Geschäftsführertätigkeit nach dem ASVG dokumentiert ist, (zu ergänzen wohl: zu dokumentieren,) nicht unerheblich" und stelle daher "eine überflüssige Belastung dieser Berufsgruppe dar".

Die Einbeziehung in die Pflichtversicherung in der Kranken- und Pensionsversicherung nach § 2 Abs. 1 Z. 3 GSVG trotz des Bezuges von Kinderbetreuungsgeld nach dem Kinderbetreuungsgeldgesetz "und damit der Nichtausübung der Tätigkeit" stelle eine Gesetzeslücke dar, die per Analogie zu § 4 Abs. 1 Z. 6 lit. b GSVG zu schließen sei.

Der Gesetzgeber selbst gehe im § 4 Abs. 1 Z. 6 lit. b GSVG von einer Ausnahme von der Pflichtversicherung in der Kranken- und Pensionsversicherung auf Grund des Bezuges von Kinderbetreuungsgeld aus und knüpfe diese Ausnahme von der Pflichtversicherung an keine weiteren Voraussetzungen. Dies betreffe allerdings nur Personen, welche auf Grund ihrer selbständigen Tätigkeit nach § 2 Abs. 1 Z. 4 GSVG versichert seien. Die Analogie zur Regelung des § 2 Abs. 1 Z. 3 GSVG lasse sich auch dadurch rechtfertigen, dass es sich ebenfalls um eine selbständige Tätigkeit handle, der zugrundeliegende Sachverhalt insoweit vergleichbar sei und der belangten Behörde kein objektiver und sachlicher Grund ersichtlich sei, der eine Differenzierung zwischen Versicherten nach § 2 Abs. 1 Z. 3 GSVG und solchen nach Ziffer 4 der Bestimmung rechtfertige. Da es zu keiner der Bestimmungen erläuternde Bemerkungen oder andere Materialien gebe, die über den Willen des Gesetzgebers hinsichtlich dieser Regelung Aufschluss geben könnten, gehe die belangte Behörde davon aus, dass übersehen worden sei, im § 2 Abs 1 Z. 3 GSVG einen dem § 4 Abs. 1 Z. 6 lit. b GSVG gleichzuhaltenden Ausnahmetatbestand vorzusehen.

Unter Verweis auf die Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes und des Verwaltungsgerichtshofes argumentiert die belangte Behörde weiter, dass zwar prinzipiell ein Vorrang der "Verbalinterpretation" in Verbindung mit der grammatikalischen und der systematischen Auslegung bestehe, dies allerdings dann nicht gelte, wenn ein Gesetz in der an den Wortlaut gebundenen Auslegung Anlass zu Zweifel an seiner Verfassungsmäßigkeit gebe.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit seines Inhaltes geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn kostenpflichtig aufzuheben. Die beschwerdeführende Sozialversicherungsanstalt erachtet sich in ihrem Recht verletzt, den Bestand der Pflichtversicherung der Mitbeteiligten als geschäftsführende Gesellschafterin der eingangs genannten GmbH "vom 09.12.2002 bis 28.02.2003, vom 01.06.2003 bis 31.07.2003 und vom 01.12.2003 bis 29.02.2004" in der Kranken- und Pensionsversicherung gemäß § 3 Abs. 1 Z. 3 GSVG festzustellen.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und stellte unter Abstandnahme von der Erstattung einer Gegenschrift den Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig als unbegründet abzuweisen.

Die mitbeteiligte Partei erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. § 2 GSVG in der im Beschwerdefall maßgebenden Fassung BGBl. I Nr. 139/1998 lautet auszugsweise wie folgt:

"§ 2. (1) Auf Grund dieses Bundesgesetzes sind, soweit es sich um natürliche Personen handelt, in der Krankenversicherung und in der Pensionsversicherung nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen pflichtversichert:

1. die Mitglieder der Kammern der gewerblichen Wirtschaft;

...

3. die zu Geschäftsführern bestellten Gesellschafter einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung, sofern diese Gesellschaft Mitglied einer der in Z 1 bezeichneten Kammern ist und diese Personen nicht bereits aufgrund ihrer Beschäftigung (§ 4 Abs. 1 Z 1 in Verbindung mit § 4 Abs. 2 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes) als Geschäftsführer der Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung nach dem Allgemeinen Sozialversicherungsgesetz unterliegen oder aufgrund dieser Pflichtversicherung Anspruch auf Kranken- oder Wochengeld aus der Krankenversicherung nach dem Allgemeinen Sozialversicherungsgesetz haben, auch wenn dieser Anspruch ruht, oder auf Rechnung eines Versicherungsträgers Anstaltspflege erhalten oder in einem Genesungs-, Erholungs- oder Kurheim oder in einer Sonderkrankenanstalt untergebracht sind oder Anspruch auf Ersatz der Pflegegebühren gemäß § 131 oder § 150 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes einem Versicherungsträger gegenüber haben;

4. selbständig erwerbstätige Personen, die auf Grund einer betrieblichen Tätigkeit Einkünfte im Sinne der §§ 22 Z 1 bis 3 und 5 und (oder) 23 des Einkommensteuergesetzes 1988 (EStG 1988), BGBl. Nr. 400, erzielen, wenn auf Grund dieser betrieblichen Tätigkeit nicht bereits Pflichtversicherung nach diesem Bundesgesetz oder einem anderen Bundesgesetz in dem (den) entsprechenden Versicherungszweig(en) eingetreten ist. Solange ein rechtskräftiger Einkommensteuerbescheid oder ein sonstiger maßgeblicher Einkommensnachweis nicht vorliegt, ist die Pflichtversicherung nur dann festzustellen, wenn der Versicherte erklärt, daß seine Einkünfte aus sämtlichen der Pflichtversicherung nach diesem Bundesgesetz unterliegenden Tätigkeiten im Kalenderjahr die in Betracht kommende Versicherungsgrenze (§ 4 Abs. 1 Z 5 oder Z 6) übersteigen werden. In allen anderen Fällen ist der Eintritt der Pflichtversicherung erst nach Vorliegen des rechtskräftigen Einkommensteuerbescheides oder eines sonstigen maßgeblichen Einkommensnachweises im nachhinein festzustellen."

Der die Ausnahmen von der Pflichtversicherung regelnde § 4 GSVG in der für den Beschwerdefall maßgebenden Fassung BGBl. I Nr. 103/2001 lautet auszugsweise wie folgt:

"§ 4. (1) Von der Pflichtversicherung in der Kranken- und Pensionsversicherung sind ausgenommen:

... 5. Personen gemäß § 2 Abs. 1 Z 4, deren Beitragsgrundlagen ( § 25) im Kalenderjahr das 12fache des Betrages gemäß § 25 Abs. 4 Z 2 lit. a aus sämtlichen der Pflichtversicherung nach § 2 Abs. 1 Z 4 unterliegenden Tätigkeiten nicht übersteigen, wenn sie im betreffenden Kalenderjahr ausschließlich diese Erwerbstätigkeit(en) ausüben und keine in Z 6 lit. b angeführte Leistung beziehen; dies gilt nicht für Personen, die eine Erklärung gemäß § 2 Abs. 1 Z 4 zweiter Satz abgegeben haben;

6. Personen hinsichtlich ihrer selbständigen Erwerbstätigkeit im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 4, deren Beitragsgrundlagen (§ 25) im Kalenderjahr das 12fache des Betrages gemäß § 25 Abs. 4 Z 2 lit. b aus sämtlichen der Pflichtversicherung nach diesem Bundesgesetz unterliegenden Tätigkeiten nicht übersteigen, wenn sie im betreffenden Kalenderjahr

a)

sonstige Erwerbstätigkeiten ausüben, oder

b)

eine Pension nach diesem oder einem anderen Bundesgesetz, einen Ruhe- oder Versorgungsgenuß, Kranken- oder Wochengeld, Karenzgeld nach dem Karenzgeldgesetz, BGBl. I Nr. 47/1997, Kinderbetreuungsgeld nach dem Kinderbetreuungsgeldgesetz, Sonderunterstützung nach dem Sonderunterstützungsgesetz, BGBl. Nr. 642/1973, oder Geldleistungen nach dem AlVG 1977, BGBl. Nr. 609, beziehen;

dies gilt nicht für Personen, die eine Erklärung gemäß § 2 Abs. 1 Z 4 zweiter Satz abgegeben haben; ..."

              2.              Gemäß § 6 Abs. 1 Z. 5 GSVG beginnt die Pflichtversicherung in der Krankenversicherung nach Wegfall eines Ausnahmegrundes gemäß § 4 GSVG mit diesem Zeitpunkt; gemäß § 6 Abs. 3 Z. 6 GSVG beginnt die Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung mit dem Tag nach dem Wegfall eines Ausnahmegrundes. Die Pflichtversicherung in der Kranken- und Pensionsversicherung endet gemäß § 7 Abs. 1 Z. 7 bzw. Abs. 2 Z. 6 GSVG bei Eintritt eines Ausnahmegrundes mit dem Letzten des Kalendermonates, in dem der Ausnahmegrund eintritt.

Die von der belangten Behörde getroffenen Feststellungen decken sich hinsichtlich der Zeiträume der Pflichtversicherung der Mitbeteiligten als Dienstnehmerin nach dem ASVG insoweit nicht mit den Feststellungen der Vorinstanzen, als die belangte Behörde eine Beendigung der ASVG-Pflichtversicherung mit 20. Mai 2003 festgestellt hat, während die Vorinstanzen von einer ASVG-Pflichtversicherung bis 31. Mai 2003 ausgegangen sind. Im Hinblick auf den oben wiedergegebenen Beschwerdepunkt kann jedoch dahingestellt bleiben, ob die Pflichtversicherung als Dienstnehmerin nach dem ASVG bereits am 20. oder erst am 31. Mai 2003 geendet hat. Auch die von den Vorinstanzen abweichende Feststellung, wonach Kinderbetreuungsgeld nur während jener Zeiträume bezogen worden sei, in denen keine ASVG-Pflichtversicherung vorlag, ist für die hier zu beantwortende Rechtsfrage nicht entscheidend.

              3.              Unstrittig ist, dass die Mitbeteiligte in den Zeiträumen vom 9. Dezember 2002 bis zum 28. Februar 2003, vom 1. Juni bis zum 31. Juli 2003 und vom 1. Dezember 2003 bis einschließlich 25. Februar 2004 (in der Folge als verfahrensgegenständliche Zeiträume bezeichnet) mit einem Anteil von 25 % geschäftführende Gesellschafterin einer wirtschaftskammerzugehörigen GmbH war und dass sie in diesem Zeiträumen Kinderbetreuungsgeld nach dem Kinderbetreuungsgeldgesetz bezog.

              4.              Die beschwerdeführende Sozialversicherungsanstalt macht geltend, dass es sich bei dem Pflichtversicherungstatbestand des § 2 Abs. 1 Z. 3 GSVG um einen Formaltatbestand handle, der auf der Eintragung der Geschäftsführereigenschaft eines Gesellschafters einer GmbH im Firmenbuch basiere. Diese Anknüpfung an rein formale Kriterien habe zur Folge, dass die Pflichtversicherung unabhängig davon eintrete, ob die Geschäftsführertätigkeit entgeltlich oder unentgeltlich ausgeübt werde bzw. ob überhaupt eine tatsächliche Tätigkeit als Geschäftsführer entfaltet werde. Unter Verweis auf das hg. Erkenntnis vom 13. August 2003, Zl. 2001/08/0052, führt die beschwerdeführende Sozialversicherungsanstalt weiter aus, dass auch im Bereich der Arbeitslosenversicherung Arbeitslosigkeit so lange nicht eintrete, als die Organstellung als Geschäftsführer weiterhin vorliege. Der Umstand allein, dass das Anstellungsverhältnis eines Geschäftsführers bei Fortdauer seiner Organstellung ende, bedeute noch keinen Entfall der Hauptleistungspflicht des Geschäftsführers, gleichgültig, ob er für seine Geschäftsführertätigkeit weiterhin Entgelt erhalte oder nicht. Auf die tatsächliche Tätigkeit nach Beendigung des Anstellungsverhältnisses komme es nicht an.

Die Mitbeteiligte setze den Bezug von Kinderbetreuungsgeld (automatisch) der Nichtausübung der Tätigkeit gleich, was aber auf Grund der Systematik des Kinderbetreuungsgeldgesetzes mit der darin vorgesehenen Zuverdienstmöglichkeit verfehlt sei. Einem Analogieschluss zum Ausnahmetatbestand des Wochengeldbezugs sei zu erwidern, dass sich Wochengeld und Kinderbetreuungsgeld doch wesentlich voneinander unterschieden. Wochengeld stelle einen vollen Ersatz des wegfallenden konkreten Arbeitsverdienstes (ASVG-Pflichtversicherung vorausgesetzt) für 16 Wochen rund um die Geburt dar, wobei für den Zeitraum des Leistungsbezuges ein arbeitsrechtliches Beschäftigungsverbot bestehe. Die Leistung des Kinderbetreuungsgeldes sei von der Einkommenshöhe unabhängig, sie sei sogar von einer vorangehenden Erwerbstätigkeit bzw. Versicherung unabhängig und stehe somit auch Studentinnen und Hausfrauen als Grundsicherung für die Zeit der Kinderbetreuung für einen wesentlich längeren Bezugszeitraum zu, wobei kein Beschäftigungsverbot bestehe, sondern nur eine Zuverdienstgrenze normiert sei.

Gegen eine Annahme, dass der Gesetzgeber auch den Bezug von Kinderbetreuungsgeld generell als Ausnahme normieren wollte, spreche auch, dass dieser mit BGBl. I Nr. 103/2001 in § 4 Abs. 1 Z. 6 lit. b GSVG den Bezug von Kinderbetreuungsgeld ergänzt, dies im § 2 Abs. 1 Z. 3 GSVG aber unterlassen habe. Dies sei auch nachvollziehbar, da die bestehenden Ausnahmen von der Pflichtversicherung nach § 2 Abs. 1 Z. 3 GSVG in sich konsistent seien. Nur eine Pflichtversicherung nach ASVG und der Bezug versicherungsabhängiger Leistungen aus der ASVG-Krankenversicherung (Krankengeld, Wochengeld, Anstaltspflege) begründeten die Ausnahme. Diese Leistungen führten deshalb zur Ausnahme, da es sich um Zeiträume handle, in welchen nicht gearbeitet werden dürfe (Beschäftigungsverbot) oder könne (Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit) und daher die ASVG-Pflichtversicherung teilweise sogar unterbrochen werde. All dies treffe auf den Bezug von Kinderbetreuungsgeld nicht zu.

Auch die Schließung der von der belangten Behörde angenommenen - von der beschwerdeführenden Sozialversicherungsanstalt bestrittenen - Gesetzeslücke durch Analogie zu § 4 Abs. 1 Z. 6 lit. b GSVG sei verfehlt. Die Pflichtversicherungstatbestände des § 2 Abs. 1 Z. 1 bis 3 GSVG und des § 2 Abs. 1 Z. 4 GSVG normierten völlig unterschiedliche Tatbestandsvoraussetzungen für den Eintritt der Pflichtversicherung. Bei den Z. 1 bis 3 handle es sich um Formaltatbestände, für die ein faktisches Tätigwerden bzw. die Einkünfte ohne Relevanz seien, wohingegen Z. 4 für die "neuen Selbstständigen" eine grundsätzlich tätigkeits- und einkommensabhängige Beurteilung normiere. Diese Einkommensabhängigkeit komme auch in der Ausnahmeregelung des § 4 Abs. 1 Z. 6 lit. b GSVG zum Tragen, welche im Falle des Bezuges eines Erwerbsersatzeinkommens die niedrige Versicherungsgrenze in Anschlag bringe, was zur Folge habe, dass selbstständig Erwerbstätige schon dann in die Pflichtversicherung nach § 2 Abs. 1 Z. 4 GSVG einzubeziehen seien, wenn sie Einkünfte über der jährlichen Geringfügigkeitsgrenze des ASVG erzielten.

Der Gesetzgeber habe also in § 4 Abs. 1 Z. 6 lit. b GSVG nicht eine an keine weiteren Voraussetzungen gebundene Ausnahme von der Pflichtversicherung wegen des Bezugs von Kinderbetreuungsgeld normiert, sondern vielmehr bewusst zum Ausdruck gebracht, dass er in diesen Fällen nicht die hohe Versicherungsgrenze angewendet wissen wolle. Dem Gesetzgeber könne somit nicht die Absicht unterstellt werden, dass er Bezieherinnen von Kinderbetreuungsgeld (genauso wenig wie die ebenfalls angeführten Pensions-, Ruhe- oder Versorgungsgenussbezieher) jedenfalls versicherungsfrei belassen wolle.

              5.              Auch die Mitbeteiligte hat im Verwaltungsverfahren nicht in Zweifel gezogen, dass in den verfahrensgegenständlichen Zeiträumen die Voraussetzungen für die Pflichtversicherung gemäß § 2 Abs. 1 Z. 3 GSVG vorlagen und ein Ausnahmegrund nach § 4 GSVG nicht gegeben war. Sie meinte jedoch, dass eine Gesetzeslücke vorliege, die zur Vermeidung eines verfassungswidrigen Ergebnisses durch analoge Anwendung der für "neue Selbständige" im Sinne des § 2 Abs. 1 Z. 4 GSVG bestehenden Ausnahme gemäß § 4 Abs. 1 Z. 6 lit. b GSVG auch auf nach § 2 Abs. 1 Z. 3 GSVG Pflichtversicherte zu schließen sei.

              6.              Diese von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid geteilte Ansicht geht von unzutreffenden Prämissen aus:

Die belangte Behörde verkennt, dass § 4 Abs. 1 Z. 6 lit. b GSVG "neue Selbständige", die Kinderbetreuungsgeld beziehen, nicht schlechthin von der Pflichtversicherung nach § 2 Abs. 1 Z. 4 GSVG ausnimmt. Vielmehr sieht § 4 Abs. 1 Z. 5 und 6 GSVG vor, dass "neue Selbständige" generell von der Pflichtversicherung ausgenommen sind, wenn ihre Einkünfte aus den der Pflichtversicherung unterliegenden Tätigkeiten einen bestimmten Betrag nicht überschreiten; diese Ausnahme gilt jedoch nicht, wenn eine Versicherungserklärung im Sinne des § 2 Abs. 1 Z. 4 zweiter Satz abgegeben wurde. Der Bezug von Kinderbetreuungsgeld ist im Hinblick auf die "Ausnahme von der Pflichtversicherung" nach § 4 Abs. 1 Z. 6 GSVG nur insoweit von Bedeutung, als im Falle des Kinderbetreuungsgeldbezuges (so wie zum Beispiel auch im Fall der Ausübung einer sonstigen Erwerbstätigkeit) die Pflichtversicherung bereits bei Erreichen der niedrigeren Versicherungsgrenze eintritt (sofern die Pflichtversicherung nicht ohnehin schon auf Grund der Abgabe einer Versicherungserklärung besteht).

Zudem ist nicht nachzuvollziehen, aus welchem Grund die belangte Behörde davon ausgeht, dass die Mitbeteiligte in den verfahrensgegenständlichen Zeiträumen "in dem eigentlich die Versicherungspflicht auslösenden Tätigkeitsbereich" nicht erwerbstätig geworden sei. Entgegen der Ansicht der belangten Behörde erfolgte mit der Feststellung der Pflichtversicherung nach § 2 Abs. 1 Z. 3 GSVG durch die erst- und zweitinstanzlichen Behörden keine "Einbeziehung in ein System (der Sozialversicherung) aufgrund der Nichtausübung einer Erwerbstätigkeit"; vielmehr steht unbestritten fest, dass die Mitbeteiligte in dieser Zeit handelsrechtliche Geschäftsführerin einer wirtschaftskammerzugehörigen GmbH war, sodass geradezu der Regelfall der an den Formaltatbestand der Geschäftsführereigenschaft anknüpfenden Versicherungspflicht nach § 2 Abs. 1 Z. 3 GSVG vorliegt.

Daran ändert es auch nichts, dass die Mitbeteiligte vor bzw. zwischen den verfahrensgegenständlichen Zeiträumen (auch) Dienstnehmerin der GmbH im Sinne des § 4 ASVG war und damit einen in § 2 Abs. 1 Z. 3 GSVG ausdrücklich genannten Ausnahmetatbestand verwirklichte. Auch wenn durch den Wegfall des Anstellungsverhältnisses in den verfahrensgegenständlichen Zeiträumen die aus dem Dienstvertrag resultierenden Pflichten zur Arbeitsleistung nicht bestanden, so war die Mitbeteiligte dennoch weiterhin Geschäftsführerin der GmbH mit allen sich für diese Organstellung schon aus dem GmbH-Gesetz ergebenden Pflichten. Es kann dahingestellt bleiben, in welchem Umfang die Mitbeteiligte auf Grund der ihr als Geschäftsführerin einer GmbH obliegenden Pflichten eine faktische Tätigkeit entfaltete, zumal nach der hg. Rechtsprechung die Geschäftsführereigenschaft eines Gesellschafters ein formalisiertes Merkmal der Versicherungspflicht ist und es für das Eintreten der Pflichtversicherung nach § 2 Abs. 1 Z. 3 GSVG weder auf das faktische Tätigwerden als geschäftsführender Gesellschafter noch auf die Entgeltlichkeit der Tätigkeit ankommt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 30. April 2002, Zl. 97/08/0551).

Wie die beschwerdeführende Partei zutreffend aufzeigt, bestehen für die Versicherungspflicht nach § 2 Abs. 1 Z. 3 GSVG einerseits und nach § 2 Abs. 1 Z. 4 GSVG andererseits grundsätzlich unterschiedliche Anknüpfungspunkte. So ist die Pflichtversicherung nach § 2 Abs. 1 Z. 3 GSVG unabhängig von der Höhe der Einkünfte aus der Erwerbstätigkeit und tritt selbst bei Verlusten ein, während für die sogenannten "neuen Selbständigen", soweit keine Erklärung nach § 2 Abs. 1 Z. 4 zweiter Satz GSVG abgegeben worden ist, eine Pflichtversicherung erst durch das Überschreiten bestimmter Einkommensgrenzen begründet wird. Gerade dieser unterschiedliche Anknüpfungspunkt liegt auch der für die "neuen Selbständigen" bestehenden - auf die Höhe der Beitragsgrundlagen abstellenden - Ausnahme des § 4 Abs. 1 Z. 6 lit. b GSVG zugrunde, sodass eine planwidrige Gesetzeslücke nicht zu erkennen ist.

              7.              Ein Analogieschluss ist aber auch nicht geboten, um eine verfassungsrechtlich bedenkliche Ungleichbehandlung zu vermeiden (vgl. zu den Voraussetzungen der Analogie in diesem Zusammenhang das hg. Erkenntnis vom 8. September 1998, 96/08/0207).

Wie bereits ausgeführt, unterliegen auch "neue Selbständige" im Sinne des § 2 Abs. 1 Z. 4 GSVG, die Kinderbetreuungsgeld beziehen, der Pflichtversicherung, sofern entweder ihre Einkünfte die (niedrigere) Versicherungsgrenze überschreiten oder sie eine Versicherungserklärung im Sinne des § 2 Abs. 1 Z. 4 zweiter Satz GSVG abgegeben haben. Die an den Formaltatbestand der Geschäftsführereigenschaft anknüpfende Pflichtversicherung nach § 2 Abs. 1 Z. 3 GSVG, die unabhängig von der Höhe der Einkünfte aus der Erwerbstätigkeit besteht und selbst bei Verlusten eintritt, ist mit der auf Grund einer Versicherungserklärung bestehenden Pflichtversicherung nach § 2 Abs. 1 Z. 4 GSVG vergleichbar; sie unterscheidet sich von dieser auch nicht in der hier maßgeblichen Frage der Pflichtversicherung während des Bezugs von Kinderbetreuungsgeld.

Der Verwaltungsgerichtshof kann daher auch die Bedenken der Mitbeteiligten betreffend die behauptete Ungleichbehandlung von

Pflichtversicherten nach § 2 Abs. 1 Z. 3 GSVG einerseits und Pflichtversicherten nach § 2 Abs. 1 Z. 4 GSVG andererseits, soweit diese jeweils Kinderbetreuungsgeld beziehen, nicht teilen.

              8.              Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.

Wien, am 29. Oktober 2008

Schlagworte

Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Analogie Schließung von Gesetzeslücken VwRallg3/2/3

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2008:2006080040.X00

Im RIS seit

27.11.2008

Zuletzt aktualisiert am

12.03.2009
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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