TE Vwgh Erkenntnis 2008/10/29 2007/08/0206

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 29.10.2008
beobachten
merken

Index

40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §33 Abs3;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Strohmayer und Dr. Moritz als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Zykan, über die Beschwerde der Dr. P in W, vertreten durch Dr. Ursula Xell-Skreiner, Rechtsanwältin in 1010 Wien, Wipplingerstraße 32, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 4. Juli 2007, Zl. MA 15-II-2-6414/2007, betreffend Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (mitbeteiligte Partei: Wiener Gebietskrankenkasse, vertreten durch Dr. Heinz Edelmann, Rechtsanwalt in 1060 Wien, Windmühlgasse 30), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund (Bundesminister für Soziales und Konsumentenschutz) Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 sowie der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom 4. August 2006 wurde der Beschwerdeführerin von der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse die Entrichtung eines Zusatzbeitrages gemäß § 51d ASVG vorgeschrieben. Dieser Bescheid wurde der Beschwerdeführerin laut dem im Verwaltungsakt befindlichen Rückschein am 8. August 2006 durch Übernahme durch ihren Ehegatten zugestellt und enthielt die Rechtsmittelbelehrung, dass er binnen einem Monat nach Zustellung durch Einspruch an den Landeshauptmann von Wien angefochten werden kann.

Mit einem mit 8. September 2006 datierten Schriftsatz erhob die anwaltlich vertretene Beschwerdeführerin Einspruch gegen diesen Bescheid. Im Verwaltungsakt liegt eine Kopie des diesbezüglichen Kuverts. Darauf befindet sich ein mit 8. September 2006 datierter Freistempel, ein mit 12. September 2006 datierter Poststempel (Wellenstempel, PLZ 1000) sowie ein mit 15. September 2006 datierter Eingangsstempel der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse.

In der Gegenäußerung vom 5. Oktober 2006 gegen diesen Einspruch führte die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse aus, dass der Einspruch der Beschwerdeführerin außerhalb der Frist des § 412 Abs. 1 ASVG, nämlich erst am 12. September 2006 erhoben worden sei.

Mit Schreiben der belangten Behörde vom 17. Oktober 2006 wurde der Beschwerdeführerin die Gegenäußerung der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse zur Kenntnis gebracht und die Gelegenheit geboten, binnen zwei Wochen hiezu - insbesondere zur Verspätung des Einspruches - schriftlich Stellung zu nehmen.

Aus einem Aktenvermerk der belangten Behörde vom 8. November 2006 geht hervor, dass die Beschwerdeführerin durch einen Mitarbeiter ihrer Rechtsvertreterin Akteneinsicht nahm.

In einer Äußerung vom 22. November 2006 führte die Beschwerdeführerin im Wesentlichen aus, dass der gegenständliche Einspruch mit 8. September 2006 datiert sei und von der Rechtsvertreterin der Beschwerdeführerin fristgerecht am selben Tag zur Post gegeben worden sei, wie auch aus dem Kuvert ersichtlich sei. Eine Rückfrage beim Postamt 1013 Wien, Werdertorgasse/Börsegasse, habe ergeben, dass normale Poststücke, die am Freitag Nachmittag aufgegeben würden, am Wochenende nicht bearbeitet würden. Eine Übersendung an das Zustellpostamt bzw. Verteilerzentrum erfolge erst am darauffolgenden Montag, im gegenständlichen Fall wäre das der 11. September 2006 gewesen. Das Kuvert weise einen Stempel des Verteilerzentrums Favoriten vom 12. September 2006 auf. Das Datum sei für die Rechtsvertreterin der Beschwerdeführerin auf Grund der Tatsache, dass es sich beim 8. September 2006 um einen Freitag gehandelt habe und der ihr beim Postamt Werdertorgasse erteilten Information, dass Postsendungen am Wochenende nicht bearbeitet würden, nicht auffällig gewesen.

Aus einer Niederschrift der belangten Behörde vom 18. Jänner 2007 geht hervor, dass N, ein Vertreter des Briefzentrums, im Wesentlichen ausgesagt habe, dass es grundsätzlich möglich sei, dass Briefsendungen im Postkasten hängen blieben. Aufgrund der Größe des gegenständlichen Kuverts und er Beschaffenheit der Sendung sei dies eher unwahrscheinlich. Bei Freistempelung erfolge in der Regel keine neuerliche Stempelung; eine solche finde aber statt, wenn die Daten der Freistempelung und des Einlangens im Briefzentrum nicht übereinstimmten.

Mit Bescheid vom 18. Jänner 2007 wies die belangte Behörde den Einspruch der Beschwerdeführerin als verspätet zurück. Begründend führte sie dazu im Wesentlichen aus, dass der Einspruch, wie aus dem Poststempel ersichtlich, offensichtlich verspätetet eingebracht worden sei. Zur Feststellung des Zeitpunktes des Beginnes des Postenlaufes sei grundsätzlich der von der Post angebrachte Stempel maßgeblich, eine Freistempelung könne "den Postenlauf nicht in Gang setzen".

Mit Schriftsatz vom 1. Februar 2007 stellte die Beschwerdeführerin an die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in die Frist zur Erhebung eines Einspruches gegen den Bescheid vom 4. August 2006 und führte dazu im Wesentlichen aus, dass erst auf Grund der Aussage des Zeugen N am 18. Jänner 2007 klar und offenkundig gewesen sei, dass die tatsächliche Postaufgabe aus welchen Gründen auch immer verspätet gewesen, weshalb die Frist zur Stellung eines Antrags auf Wiedereinsetzung jedenfalls gewahrt sei. Ein Fehlverhalten von Mitarbeitern der Rechtsvertreterin der Beschwerdeführerin bei der Postaufgabe - wobei diese verlässliche und erfahrene Kräfte seien, denen so etwas noch nie passiert sei - stelle eine unvorhersehbares und unabwendbares Ereignis dar.

Mit Bescheid der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse vom 13. März 2007 wurde der Wiedereinsetzungsantrag der Beschwerdeführerin abgewiesen. Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin Einspruch.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag der Beschwerdeführerin auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand als verspätet zurück. Begründend führte sie nach Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens im Wesentlichen aus, dass es für die Rechtzeitigkeit der Einbringung eines Wiedereinsetzungsantrages darauf ankomme, ob dieser Antrag innerhalb von zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses gestellt worden sei. Im vorliegenden Fall habe der Irrtum über den Ablauf der Einspruchsfrist mit dem Zeitpunkt der Akteineinsicht durch die Rechtsvertreterin der Beschwerdeführerin am 8. November 2006, bei der ihr das Schreiben der belangten Behörde vom 17. Oktober 2006 und die Stellungnahme der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse vom 5. Oktober 2006, in welchen ausdrücklich auf die Verspätung des Einspruches hingewiesen worden sei, zur Kenntnis gebracht worden seien, seine "Eigenschaft als Ereignis, welches die Fristeinhaltung verhindern" habe können, verloren, weshalb der am 1. Februar 2007 zur Post gegebene Wiedereinsetzungsantrag verspätet sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtwidrigkeit seines Inhaltes kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und - ebenso wie die mitbeteiligte Partei - eine Gegenschrift erstattet und die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde begehrt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Gemäß § 412 Abs. 1 ASVG können Bescheide der Versicherungsträger in Verwaltungssachen binnen einem Monat nach der Zustellung durch Einspruch an den zuständigen Landeshauptmann angefochten werden.

Gemäß § 357 Abs. 1 ASVG gelten für das Verfahren vor den Versicherungsträgern in Leistungssachen und in Verwaltungssachen entsprechend unter anderem die Bestimmungen des AVG über Fristen und die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand.

Gemäß § 33 Abs. 3 AVG werden die Tage des Postenlaufes in Fristen nicht eingerechnet.

§ 71 Abs. 1 und 2 AVG idF BGBl. I Nr. 158/1998 lauten:

"(1) Gegen die Versäumung einer Frist oder einer mündlichen Verhandlung ist auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn:

1. die Partei glaubhaft macht, daß sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten oder zur Verhandlung zu erscheinen und sie kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft, oder

2. die Partei die Rechtsmittelfrist versäumt hat, weil der Bescheid keine Rechtsmittelbelehrung, keine Rechtsmittelfrist oder fälschlich die Angabe enthält, daß kein Rechtsmittel zulässig sei.

(2) Der Antrag auf Wiedereinsetzung muß binnen zwei Wochen nach dem Wegfall des Hindernisses oder nach dem Zeitpunkt, in dem die Partei von der Zulässigkeit der Berufung Kenntnis erlangt hat, gestellt werden."

Die Beschwerdeführerin macht geltend, dass der Wiedereinsetzungsantrag vom 1. Februar 2007 rechtzeitig im Sinne des § 71 Abs. 2 AVG eingebracht worden sei, da sich erst mit der Aussage des N am 18. Jänner 2007 herausgestellt habe, dass der Einspruch vom 8. September 2006 mit größter Wahrscheinlichkeit verspätet aufgegeben worden sei.

Damit ist die Beschwerdeführerin nicht im Recht:

Von einer Kenntnis der Verspätung der Einbringung eines Rechtsmittels ist bereits dann auszugehen, sobald die Partei (bzw. deren Vertreter) die Verspätung des Rechtsmittels bei gehöriger Aufmerksamkeit erkennen konnte und musste (vgl. das hg. Erkenntnis vom 26. Juli 2002, Zl. 99/02/0314, mwN).

Im vorliegenden Fall konnte und musste die Beschwerdeführerin (bzw. ihre Rechtsvertreterin) ab dem Zeitpunkt der Akteneinsicht am 8. November 2006 erkennen, dass der Einspruch verspätet eingebracht worden war. Der Beschwerdeführerin musste nämlich angesichts der im Akt befindlichen (und der Beschwerdeführerin auch tatsächlich bekannten - siehe die Äußerung vom 22. November 2006) Kopie des Kuverts klar sein, dass auf Grund des Poststempels von einer verspäteten Einbringung auszugehen ist. Daran konnte es auch nichts ändern, wenn das Poststück mit einer Freistempelung versehen ist, weil durch diesen ein Zeichen der Gebührenentrichtung darstellenden Vorgang der Postlauf nicht in Gang gesetzt wird (vgl. das hg. Erkenntnis vom 8. August 1996, Zl. 95/10/0206).

Für die Frage der Versäumung der im § 71 Abs. 2 AVG vorgesehenen zweiwöchigen Frist zur Stellung eines Wiedereinsetzungsantrages ist es im Übrigen irrelevant, ob die Partei (bzw. deren Vertreter) kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens bezüglich der Versäumung jener Frist, gegen die die Wiedereinsetzung gewährt werden soll, trifft. Entscheidend dafür, ob die Frist des § 71 Abs. 2 AVG eingehalten wurde, ist allein, zu welchem Zeitpunkt das die Erhebung eines fristgerechten Rechtsmittels hindernde Ereignis weggefallen ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 23. Juni 1994, Zl. 94/18/0282).

Die belangte Behörde ging zu Recht davon aus, dass der Wegfall des Hindernisses spätestens mit der Akteneinsicht der Vertreterin der Beschwerdeführerin am 8. November 2006 und damit der für die Rechtsvertreterin objektiv gegebenen Möglichkeit, innerhalb der gesetzlichen Frist von zwei Wochen ab diesem Zeitpunkt einen Antrag auf Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Einspruchsfrist zu stellen, anzusetzen ist. Damit aber war der am 1. Februar 2007 eingebrachte Wiedereinsetzungsantrag verspätet.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 29. Oktober 2008

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2008:2007080206.X00

Im RIS seit

26.11.2008

Zuletzt aktualisiert am

12.03.2009
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten