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21/03 GesmbH-Recht;Norm
AlVG 1977 §12;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Strohmayer und Dr. Doblinger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Zykan, über die Beschwerden des Dr. B in W, vertreten durch Dr. Herbert Tanzler, Rechtsanwalt in 1031 Wien, Erdbergstraße 202, gegen die auf Grund jeweils eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheide der Landesgeschäftstelle des Arbeitsmarktservice Wien jeweils vom 19. September 2007, Zlen. LGSW/Abt. 3-AlV/05661/2007-11382 (protokolliert zu hg. Zl. 2008/08/0088) und LGSW/Abt. 3- AlV/05661/2007-11381 (protokolliert zu hg. Zl. 2008/08/0089), betreffend Widerruf und Rückforderung von Arbeitslosengeld und Notstandshilfe, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit) Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die belangte Behörde hat in Anwendung der §§ 24, 25 und 38 Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 (AlVG) mit den im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheiden
1. die Zuerkennung des Arbeitslosengeldes für den Zeitraum vom 1. Februar 2003 bis 10. März 2004 an den Beschwerdeführer widerrufen und ausgesprochen, dass der Beschwerdeführer zum Ersatz des unberechtigt Empfangenen in Höhe von EUR 14.884,86 an Arbeitslosengeld verpflichtet sei;
2. den Widerruf der Zuerkennung der Notstandshilfe für die Zeiträume vom 11. März 2004 bis 16. August 2004 (wie aus der detaillierten Aufschlüsselung in der Bescheidbegründung erkennbar gemeint: 16. August 2005), vom 20. September bis 14. Oktober 2005, vom 21. Oktober 2005 bis 17. April 2006 sowie vom 24. April 2006 bis 28. Februar 2007 ausgesprochen und den Beschwerdeführer zur Rückzahlung der unberechtigt empfangenen Notstandshilfe in Höhe von EUR 35.211,71 verpflichtet.
In den großteils gleichlautenden Begründungen wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der Beschwerdeführer in den in den Bescheidsprüchen genannten Zeiträumen Arbeitslosengeld bzw. Notstandshilfe bezogen habe, wobei er in den Antragsformularen vom 30. Jänner 2003, 10. März 2005, 24. April 2006 sowie 2. Mai 2007 die Frage im Antragsformular "ich stehe derzeit in Beschäftigung", wozu in Klammer daneben "z.B. Dienstnehmer, Hausbesorger, ..."
auch "Geschäftsführer" aufgezählt sei, mit "nein" beantwortet habe. Er sei vom 5. August 1998 bis 14. Dezember 2006 Geschäftsführer und seit 6. Dezember 2006 Liquidator der Firma M. Handelsgesellschaft gewesen. Dies habe das AMS (erst) im Mai 2007 festgestellt. Der Beschwerdeführer habe seine Tätigkeit als Liquidator im berufungsgegenständlichen Zeitraum nicht zurückgelegt; es könne nicht festgestellt werden, dass er dem AMS gemeldet habe, dass er als Geschäftsführer bzw. als Liquidator der genannten Firma tätig sei. In rechtlicher Hinsicht gelangte die belangte Behörde zum Ergebnis, dass der Beschwerdeführer dadurch, dass er dem AMS weder seine Tätigkeit als Geschäftsführer noch jene als Liquidator gemeldet habe, gegen die Meldeverpflichtung gemäß § 50 AlVG verstoßen und durch dieses ihm zurechenbare, vorsätzliche Verhalten den Tatbestand gemäß § 25 Abs. 1 AlVG erfüllt habe.
Gegen diese Bescheide richten sich die vorliegenden, nach Ablehnung durch den Verfassungsgerichtshof mit Beschlüssen vom 26. Februar 2008, B 2089/07 und B 2088/07, für das Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof ergänzten Beschwerden, in welchen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht wird. Dazu ist im Übrigen anzumerken, dass der Verfassungsgerichtshof mit Beschluss vom 26. Februar 2008, B 2089/07, auch die Behandlung der Beschwerde des Beschwerdeführers gegen den Bescheid der belangten Behörde vom 19. September 2007, Zl. LGSW/Abt.3-AlV/05661/2007- 11379, womit - nach dem Vorbringen des Beschwerdeführers - dessen Antrag auf Gewährung der Notstandshilfe vom 2. Mai 2007, gemäß § 33 iVm §§ 38, 7 und 12 AlVG mangels Arbeitslosigkeit keine Folge gegeben wurde, abgelehnt hat.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in denen sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerden beantragte.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat nach Verbindung der Beschwerden auf Grund ihres persönlichen und sachlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung über diese erwogen:
1. Arbeitslos ist gemäß § 12 Abs. 1 AlVG, wer nach Beendigung seines Beschäftigungsverhältnisses keine neue Beschäftigung gefunden hat.
Gemäß § 24 Abs. 2 AlVG ist, wenn sich die Zuerkennung oder die Bemessung des Arbeitslosengeldes nachträglich als gesetzlich nicht begründet herausstellt, die Zuerkennung zu widerrufen oder die Bemessung rückwirkend zu berichtigen.
Nach § 25 Abs. 1 leg. cit. ist bei Einstellung, Herabsetzung Widerruf oder Berichtigung einer Leistung der Empfänger des Arbeitslosengeldes zum Ersatz des unberechtigt Empfangenen zu verpflichten, wenn er den Bezug durch unwahre Angaben oder durch Verschweigung maßgebender Tatsachen herbeigeführt hat oder wenn er erkennen musste, dass die Leistung nicht oder nicht in dieser Höhe gebührte.
Gemäß § 50 Abs. 1 AlVG hat der aus der Arbeitslosenversicherung Leistungen beziehende Arbeitslose (neben der Aufnahme einer Tätigkeit gemäß § 12 Abs. 3 AlVG auch) jede andere für das Fortbestehen und das Ausmaß des Anspruches maßgebende Änderung seiner wirtschaftlichen Verhältnisse sowie jede Wohnungsänderung der regionalen Geschäftsstelle ohne Verzug, spätestens jedoch binnen einer Woche seit dem Eintritt des Ereignisses anzuzeigen.
Diese Bestimmungen sind auch auf die Notstandshilfe anzuwenden (§ 38 AlVG).
In seinem Erkenntnis vom 30. Mai 1995, Zl. 93/08/0138, hat der Verwaltungsgerichtshof ausgeführt und ausführlich begründet, dass im Falle eines Geschäftsführers einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung die Arbeitslosigkeit im Sinne des § 12 AlVG nicht schon dann vorliegt, wenn beim anwartschaftsbegründenden Beschäftigungsverhältnis der Anstellungsvertrag aufgelöst wurde, sondern erst dann, wenn auch die Hauptleistungspflicht, soweit sie mit der Innehabung der Funktion eines Geschäftsführers nach dem GmbH-Gesetz zwingend verbunden ist, nicht mehr besteht, das heißt, dass auch das Organschaftsverhältnis zur Gesellschaft erloschen sein muss. Besteht das Organschaftsverhältnis weiter, ist es ohne Bedeutung, ob der Geschäftsführer tatsächlich eine Tätigkeit entfaltet (vgl. z.B. das Erkenntnis vom 20. Februar 2002, Zl. 99/08/0022) oder ob er Entgelt erhält (vgl. das Erkenntnis vom 20. Februar 2002, Zl. 2002/08/0009). Es spielt auch keine Rolle, dass über das Vermögen der Gesellschaft - verbunden mit Auflösung der Gesellschaft - der Konkurs eröffnet wurde (vgl. das Erkenntnis vom 30. April 2002, Zl. 2002/08/0046).
Diese Grundsätze gelten nach dem Erkenntnis vom 7. Juni 2000, Zl. 99/03/0205, auch dann, wenn der bisherige Geschäftsführer einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung nach deren Auflösung gemäß § 89 Abs. 2 erster Satz GmbH-Gesetz als Liquidator eintritt, finden doch - soweit das GmbH-Gesetz nichts anderes vorsieht - gemäß § 92 Abs. 1 leg. cit. alle in diesem Gesetz hinsichtlich der Geschäftsführung getroffenen Bestimmungen sinngemäß auch in Bezug auf die Liquidatoren Anwendung. Gemäß § 93 Abs. 1 GmbH-Gesetz haben die Liquidatoren nach Beendigung der Liquidation und Nachweisung der durch Beschluss der Gesellschaft erwirkten Entlastung bei dem Handelsgericht um die Löschung der Liquidationsfirma anzusuchen. Daraus folgt, dass die Organstellung der Liquidatoren nicht mit der Beendigung der Liquidation endet; die insoweit (- entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers -) weiterbestehende Hauptleistungspflicht der Liquidatoren umfasst vielmehr auch noch das Ansuchen um Löschung der Liquidationsfirma (vgl. auch die hg. Erkenntnisse vom 16. Oktober 2002, Zl. 99/03/0201, und vom 23. Oktober 2002, Zl. 2000/08/0119).
2. Im vorliegenden Fall ist unstrittig, dass der Beschwerdeführer in den relevanten Zeiträumen als handelsrechtlicher Geschäftsführers bzw. als Liquidator der genannten GmbH im Firmenbuch eingetragen gewesen ist, nachdem er beim selben Unternehmen im Zeitraum vom 1. Juli 2002 bis 31. Jänner 2003 als "Verkaufsleiter" im anwartschaftsbegründenden Dienstverhältnis gestanden ist. Auch die Feststellung der belangten Behörde, dass der Beschwerdeführer diesen Umstand bei der Antragstellung auf Geldleistungen nach dem AlVG jeweils verschwiegen hat, wird in den Beschwerden nicht bekämpft.
Auf dem Boden dieser Rechtslage kann der Annahme der belangten Behörde, es sei im Beschwerdefall zu keiner Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses im Sinn des § 12 Abs. 1 AlVG gekommen, nicht mit Erfolg entgegengetreten werden.
Ebenso gehen die Beschwerden ins Leere, soweit die Unterlassung einer Fragestellung bei der Antragsaufnahme dahingehend, ob der Beschwerdeführer - unabhängig davon, ob der die Tätigkeit ausübt bzw. ein Entgelt bezieht - im Firmenbuch als Geschäftsführer einer GmbH eingetragen gewesen sei, gerügt, darin eine relevante mangelhafte Sachverhaltsfeststellung erblickt und weiters dazu vorgebracht wird, diesfalls hätte der Beschwerdeführer unverzüglich die Löschung der Eintragung als Geschäftsführer im Firmenbuch veranlasst, weshalb ihm daraufhin Arbeitslosengeld bzw. später die Notstandshilfe gewährt worden wäre. Dem ist entgegenzuhalten, dass im bundeseinheitlichen Antragsformular zur Gewährung von Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung der Antragsteller in Frage 5 um Stellungnahme ersucht wird, ob er derzeit in Beschäftigung steht, und im Falle der Bejahung die Angabe der Art der Tätigkeit erfragt wird, wozu in Klammer beispielhaft u.a. die Tätigkeit eines "Geschäftsführers" genannt ist; des Weiteren enthält das Antragsformular auch eine Belehrung des Antragstellers über die ihn treffenden Meldepflichten gemäß § 50 AlVG. Im Hinblick darauf, dass der Antragsteller jeweils diese Frage in den Formularen unmissverständlich durch Ankreuzen mit "nein" beantwortet hat, und sich weder nach dem Akteninhalt noch nach dem Vorbringen des Beschwerdeführers im Verwaltungsverfahren erkennbare Hinweise der Behörden für ein Missverständnis des Beschwerdeführers bei Antragstellung ergaben, bestand nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes keine weitere Ermittlungs- oder Manuduktionspflicht der Behörden im Sinne des Beschwerdebegehrens, sodass der Beschwerdeführer die Rechtsfolgen der verschwiegenen, aufrechten Geschäftsführer- bzw. Liquidatorfunktion zu tragen hat.
Des Weiteren vermag auch die (zur Zl. 2008/08/0088 protokollierte) Beschwerde keine Rechtswidrigkeit infolge der behaupteten Unzuständigkeit der belangten Behörde aufzuzeigen, soweit sie die Abänderung des erstinstanzlichen Bescheides dahingehend rügt, dass auch die Zuerkennung der Notstandshilfe für den Zeitraum vom 12. März bis 13. Juni 2004 widerrufen wird. Dabei verkennt der Beschwerdeführer, dass die belangte Behörde dadurch, dass sie gleichzeitig in der Begründung des angefochtenen Bescheides die einzelnen Zeiträume unter jeweiliger Zuordnung der daraus resultierenden Rückforderungen detailliert aufschlüsselt und der gesamte rückgeforderte Betrag (- der im Übrigen auch der Höhe nach vom Beschwerdeführer nicht bestritten wird -) unverändert bleibt, mit der gerügten Modifikation des Spruches eine zulässige Berichtigung gemäß § 62 Abs. 4 AVG vorgenommen hat.
Die Beschwerden waren daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung BGBl. II Nr. 333/2003.
Wien, am 29. Oktober 2008
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2008:2008080088.X00Im RIS seit
09.12.2008Zuletzt aktualisiert am
12.03.2009