TE Vwgh Erkenntnis 2008/10/29 2008/08/0183

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Veröffentlicht am 29.10.2008
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/13 Amtshaftung Organhaftpflicht Polizeibefugnis-Entschädigung;
62 Arbeitsmarktverwaltung;
66/02 Andere Sozialversicherungsgesetze;

Norm

AHG 1949 §1;
AlVG 1977 §33 Abs4;
AlVG 1977 §37;
AlVG 1977 §46;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Strohmayer, Dr. Moritz, Dr. Lehofer und Dr. Doblinger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Zykan, über die Beschwerde der Mag. EK in R, vertreten durch Dr. Walter Vasoll, Rechtsanwalt in 9620 Hermagor, Riedergasse 3/15, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Kärnten vom 16. Mai 2008, Zl. LGS/SfA/05662/2008, betreffend Fortbezug der Notstandshilfe, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Aus der Beschwerde und dem ihr angeschlossenen angefochtenen Bescheid ergibt sich folgender entscheidungswesentlicher Sachverhalt:

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde dem Antrag der Beschwerdeführerin auf Gewährung von Notstandshilfe "gemäß § 37 Arbeitslosenversicherungsgesetz wegen Verstreichen der Dreijahresfrist keine Folge gegeben."

Die belangte Behörde stellte fest, dass die Beschwerdeführerin am 3. März 2008 bei der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Hermagor (im Folgenden: Arbeitsmarktservice Hermagor) den Antrag auf Zuerkennung von Notstandshilfe gestellt habe. Die Beschwerdeführerin habe zuletzt bis zum 28. Februar 2005 Notstandshilfe bezogen. In der Zeit vom 5. Februar bis zum 20. Februar 2006 sei sie in einem freien Dienstverhältnis gestanden, vom 4. Mai bis zum 26. Juni 2007 in einem Angestelltenverhältnis und vom 14. Jänner bis zum 8. Februar 2008 sei sie ebenfalls unselbständig beschäftigt gewesen. Die Beschwerdeführerin habe am 3. Dezember 2007 beim Arbeitsmarktservice Hermagor vorgesprochen. Ein - im angefochtenen Bescheid namentlich genannter - Berater des Arbeitsmarktservice Hermagor habe "in ihrem Datensatz" Folgendes vermerkt:

"Kundin bezieht derzeit Sozialhilfe, hat Interesse an CAD-Kurs in Villach ab Feber 2008. Hat zwar Grundkenntnisse, möchte sich durch Kurs wieder Einstieg im Job ermöglichen. Meldet sich Anfang Jänner zur weiteren Beratung bei Kollegin (S)."

Der Berater habe die Beschwerdeführerin als arbeitsuchend vorgemerkt, weshalb für die Zeit vom 3. Dezember 2007 bis 31. Jänner 2008 beim Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger Zeiten der Arbeitsuche gespeichert seien. Die Beschwerdeführerin habe keinen Antrag auf Gewährung der Notstandshilfe gestellt. Weitere Versicherungszeiten lägen nicht vor.

In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde nach Wiedergabe des § 37 und des § 15 Abs. 3 bis 5 AlVG aus, dass der letzte mögliche Fortbezugstag im Sinne des § 37 AlVG der 28. Februar 2008 gewesen sei, da der letzte Bezugstag der Notstandshilfe am 28. Februar 2005 gewesen sei. Innerhalb dieses Zeitraumes lägen keine die Rahmenfrist erstreckenden Zeiten nach § 15 Abs. 3 bis 5 AlVG. Da die Beschwerdeführerin erst am 3. März 2008 einen Antrag auf Gewährung der Notstandshilfe gestellt habe, könne diesem Antrag unter Anwendung des § 37 AlVG keine Folge gegeben werden.

Unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes führte die belangte Behörde aus, dass durch die grundsätzliche Begrenzung der Fortbezugsfrist der zeitliche Zusammenhang zwischen Leistungen der Arbeitslosenversicherung und dem Verlust des Arbeitsplatzes betont werde; eine - über den Wortlaut der Bestimmung hinausgehende - extensive Interpretation der Rahmenfristerstreckungsgründe scheitere daher schon am Gesetzeswortlaut.

Zum Berufungsvorbringen der Beschwerdeführerin, wonach es das Arbeitsmarktservice verabsäumt habe, die Beschwerdeführerin über das Verstreichen der Dreijahresfrist schriftlich oder mündlich zu informieren, führte die belangte Behörde aus, dass es nur um Rechtsbelehrungen in Bezug auf Verfahrenshandlungen und deren unmittelbare Folgen, nicht jedoch auch in Bezug auf Rechtshandlungen außerhalb des Verfahrens gehe. Die regionale Geschäftsstelle sei somit nicht verpflichtet gewesen, die Beschwerdeführerin über den Ablauf dieser Frist nach § 37 AlVG zu informieren. Außerdem habe die Beschwerdeführerin erst am 3. März 2008 eine Verfahrenshandlung (Antrag auf Zuerkennung der Notstandshilfe) gesetzt, weshalb eine Aufklärungsverpflichtung über diese Verfahrenshandlung erst zu diesem Zeitpunkt wirksam geworden sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Antrag, ihn kostenpflichtig aufzuheben.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Gemäß § 37 Arbeitslosenversicherungsgesetz (AlVG), in der hier maßgebenden Fassung BGBl. I Nr. 128/2003, kann dem Arbeitslosen, wenn er den Bezug der Notstandshilfe unterbricht, innerhalb von drei Jahren, gerechnet vom Tag des letzten Bezuges der Notstandshilfe, der Fortbezug der Notstandshilfe gewährt werden, sofern er die sonstigen Bedingungen für die Gewährung der Notstandshilfe erfüllt. Die vorstehende Frist verlängert sich darüber hinaus um Zeiträume gemäß § 15 Abs. 3 bis 5 AlVG.

§ 15 Abs. 3 bis 5 AlVG lauten:

"(3) Die Rahmenfrist verlängert sich weiters um Zeiträume, in denen der Arbeitslose im Inland

1. Krankengeld bzw. Wochengeld bezogen hat oder in einer Heil- oder Pflegeanstalt untergebracht gewesen ist;

2. nach Erschöpfung des Anspruches auf Krankengeld aus der gesetzlichen Krankenversicherung nachweislich arbeitsunfähig gewesen ist;

3. wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit oder Minderung der Erwerbsfähigkeit, die nach ihrem Ausmaß der Arbeitsunfähigkeit gemäß § 8 gleichkommt, eine Pension aus der gesetzlichen Pensionsversicherung bezogen hat;

4. einen nahen Angehörigen (eine nahe Angehörige) mit Anspruch auf Pflegegeld mindestens in Höhe der Stufe 3 gemäß § 5 des Bundespflegegeldgesetzes (BPGG), BGBl. Nr. 110/1993, oder nach den Bestimmungen der Landespflegegeldgesetze in häuslicher Umgebung gepflegt hat und gemäß § 18b ASVG oder § 77 Abs. 6 ASVG oder § 28 Abs. 6 BSVG oder § 33 Abs. 9 GSVG in der Pensionsversicherung versichert war;

5. ein behindertes Kind gepflegt hat oder entweder gemäß § 18a ASVG oder gemäß § 8 Abs. 1 Z 2 lit. g ASVG, § 3 Abs. 3 Z 4 GSVG oder § 4a Z 4 BSVG in der Pensionsversicherung versichert war oder Ersatzzeiten für Kindererziehung gemäß § 227a ASVG erworben hat;

6. Kinderbetreuungsgeld bezogen hat.

(4) Die Rahmenfrist verlängert sich weiters um Zeiträume, in denen der Arbeitslose im Ausland eine der in Abs. 3 angeführten vergleichbaren Leistungen wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit oder Minderung der Erwerbsfähigkeit oder Krankheit bezogen hat, soweit mit dem betreffenden Staat zwischenstaatliche Regelungen über Arbeitslosenversicherung getroffen wurden oder dies in internationalen Verträgen festgelegt ist.

(5) Die Rahmenfrist verlängert sich weiters um Zeiträume einer krankenversicherungspflichtigen Erwerbstätigkeit nach dem GSVG oder BSVG."

2. Die Beschwerdeführerin bestreitet nicht, dass ihr letzter Bezug von Notstandshilfe am 28. Februar 2005 geendet hat, und bringt auch nicht vor, dass seit diesem Zeitpunkt rahmenfristerstreckende Umstände im Sinne des § 15 Abs. 3 bis 5 AlVG vorgelegen wären. Vor diesem Hintergrund ist auch nach dem Beschwerdevorbringen unstrittig, dass der am 3. März 2008 gestellte Antrag auf Fortbezug der Notstandshilfe nicht innerhalb von drei Jahren ab dem Tag des letzten Bezuges der Notstandshilfe gestellt wurde.

3. Die Beschwerdeführerin macht jedoch geltend, dass eine derart kurze Überschreitung einer ungewöhnlich langen Frist, die für die Beschwerdeführerin von existenzsichernder Wichtigkeit sei, als rechtzeitiger Antrag gewertet werden müsse. Sie verweist diesbezüglich auf Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (Erkenntnis vom 17. Juli 1997, Zl. 95/18/1118) im Zusammenhang mit einer geringfügigen Versäumung der Frist zur Antragstellung auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung von Fremden.

Bei der in § 37 AlVG vorgesehenen Frist handelt es sich - wie bei der vergleichbaren Frist des § 33 Abs. 4 (früher Abs. 5) AlVG (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 12. Jänner 1993, Zl. 92/08/0233) - um eine materiellrechtliche Frist, sodass weder eine Wiedereinsetzung in Betracht kommt noch eine auch unverschuldete Überschreitung gegebenenfalls als unbeachtlich angesehen werden könnte. Auch aus dem von der Beschwerdeführerin zitierten Erkenntnis zum (seit 1. Jänner 1998 nicht mehr in Kraft stehenden) § 6 Aufenthaltsgesetz lässt sich für sie schon deshalb nichts gewinnen, da es in diesem Fall nicht um die Versäumung einer gesetzlich ausdrücklich geregelten materiellrechtlichen Frist zur Geltendmachung eines Anspruches ging, sondern - unter Zugrundelegung der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (vgl. das Erkenntnis vom 16. Juni 1995, B 1611-1614/94, Slg. Nr. 14.148) - eine im dort relevanten Zusammenhang festgestellte echte Gesetzeslücke durch Analogie geschlossen wurde.

4. Die Beschwerdeführerin macht weiters geltend, dass sie am 3. Dezember 2007 persönlich beim Arbeitsmarktservice Hermagor vorgesprochen habe und zu diesem Zeitpunkt vom Mitarbeiter dahingehend hätte angeleitet werden müssen, dass die Dreijahresfrist am 28. Februar 2008 ende. Dies sei schuldhaft unterblieben. Die Beschwerdeführerin habe anlässlich dieses Besuches um eine Auskunft über mögliche zukünftige Ansprüche und über alternative Fortbildungsmöglichkeiten ersucht. Sie berufe sich somit auf die ab diesem Zeitpunkt bestehende Auskunftspflicht, weil sie ein ausdrückliches Auskunftsbegehren gestellt habe.

Es kann dahingestellt bleiben, ob die Beschwerdeführerin tatsächlich, wie sie in der Beschwerde vorbringt, ein "Auskunftsbegehren" gestellt hat, da jedenfalls unstrittig ist, dass sie anlässlich ihrer Vorsprache keinen Antrag auf eine Leistung der Arbeitslosenversicherung gestellt hat. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Geltendmachung des Arbeitslosengeldanspruches gemäß § 46 AlVG (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 23. Mai 2007, Zl. 2006/08/0330) lässt es die mit dieser Bestimmung getroffene abschließende Normierung selbst im Fall des Fehlens eines Verschuldens des Arbeitslosen nicht zu, die Folgen einer (irrtümlich) unterlassenen rechtzeitigen Antragstellung nachträglich zu sanieren, zumal selbst in jenen Fällen, in denen ein Arbeitsloser auf Grund einer von einem Organ des Arbeitsmarktservice schuldhaft erteilten unrichtigen Auskunft einen Schaden erleidet, dieser auf die Geltendmachung allfälliger Amtshaftungsansprüche verwiesen ist und die Fiktion einer dem Gesetz entsprechenden Antragstellung keine gesetzliche Grundlage findet. Diese Grundsätze sind auch im Fall des Antrags auf Fortbezug der Notstandshilfe heranzuziehen, sodass selbst dann, wenn eine Verletzung einer Manuduktionspflicht erfolgt wäre, dies die Beschwerde nicht zum Erfolg führen könnte.

5. Soweit die Beschwerdeführerin schließlich geltend macht, sie hätte jedenfalls zur Abgabe von Kontrollmeldungen angeleitet werden müssen, geht dies insoweit ins Leere, als sie unstrittig nicht im Bezug von Arbeitslosengeld bzw. Notstandshilfe stand und somit keine Grundlage für die Vorschreibung von Kontrollmeldungen im Sinne des § 49 AlVG bestand.

6. Die Beschwerdeführerin rügt weiters, dass für die Beurteilung ihres tatsächlichen Informationsstandes zum Zeitpunkt des Termins am 3. Dezember 2007 seitens der belangten Behörde keine weiteren Erhebungen durchgeführt worden seien. Wie bereits dargelegt, würde aber selbst die unter Zugrundelegung des Vorbringens der Beschwerdeführerin, wonach sie an diesem Tag ausdrücklich Auskunft über mögliche Ansprüche begehrt habe, nicht dazu führen, dass ihr verspätet gestellter Antrag auf Fortbezug der Notstandshilfe als rechtzeitig anzusehen wäre.

7. Soweit die Beschwerdeführerin schließlich rügt, dass der erstinstanzliche Bescheid nicht unterfertigt worden sei, genügt der Hinweis auf § 82a AVG in der Fassung des Verwaltungsverfahrens- und Zustellrechtsänderungsgesetzes 2007, BGBl. I Nr. 5/2008, wonach schriftliche Ausfertigungen von elektronisch erstellten Erledigungen bis zum Ablauf des 31. Dezember 2010 keiner Unterschrift, Beglaubigung oder Amtssignatur bedürfen.

Die Beschwerde war daher, da bereits ihr Inhalt erkennen ließ, dass die von der Beschwerdeführerin behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 29. Oktober 2008

Schlagworte

Rechtsgrundsätze Fristen VwRallg6/5

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2008:2008080183.X00

Im RIS seit

02.12.2008

Zuletzt aktualisiert am

16.12.2010
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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