TE Vwgh Erkenntnis 2008/10/30 2005/07/0068

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Veröffentlicht am 30.10.2008
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
81/01 Wasserrechtsgesetz;

Norm

VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
VwRallg;
WRG 1959 §138 Abs1 lita;
WRG 1959 §38 Abs1 idF 1990/252;
WRG 1959 §38 Abs1;
WRG 1959 §38 Abs3 idF 1990/252;
WRG 1959 §38 Abs3;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bumberger und die Hofräte Dr. Beck, Dr. Hinterwirth, Dr. Enzenhofer und Dr. Sulzbacher als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Jantschgi, über die Beschwerde 1. des Hermann W und 2. der Elfriede W, beide in E, beide vertreten durch Dr. Hans-Peter Just, Rechtsanwalt in 4070 Eferding, Halbgasse 2, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 28. Februar 2005, Zl. Wa-305046/9-2005-Mül/Ka, betreffend wasserpolizeilicher Auftrag gemäß § 138 Abs. 2 WRG 1959, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von insgesamt EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft E (kurz: BH) vom 4. März 2002 wurde den Beschwerdeführern gemäß § 138 Abs. 2 i.V.m. §§ 98 und 105 Wasserrechtsgesetz 1959 (WRG 1959) aufgetragen:

"a) das auf dem Grundstück Nr. 517/4, KG O., Gemeinde P., im Jahre 1976 errichtete Haus, die im Jahre 1982 vorgenommene Anschüttung und die im Jahre 1984 errichtete Einfriedung bis 31. Dezember 2002 gänzlich zu beseitigen und die Beseitigung dieser Anlagen der BH unaufgefordert schriftlich zu melden, oder

b) nachträglich bis 31. Dezember 2002 unter Vorlage der entsprechenden Projektsunterlagen um die wasserrechtliche Bewilligung für die Errichtung der genannten Anlagen im Hochwasserabflussbereich des Innbaches anzusuchen."

Gegen diesen Bescheid erhoben die Beschwerdeführer Berufung. Die Beschwerdeführer machten darin u.a. geltend, dass es rückschauend vor den maßgeblichen Zeitpunkten (Errichtung des Einfamilienhauses im Jahre 1976, Aufschüttung im Jahre 1982 und Errichtung der Einfriedung im Jahre 1984) insgesamt drei Hochwasserereignisse gegeben habe, die ihr Grundstück Nr. 517/4, KG O., überflutet hätten. Es handle sich dabei um das Katastrophenhochwasser der Donau im Jahre 1954, das Aschach-Innbachhochwasser im Jahre 1970 und das Aschach-Innbachhochwasser im Jahre 1982.

Die Hochwässer im Dezember 1974, Februar 1970 und August 1966 hätten - mit Ausnahme des Innbachhochwassers 1970 - jedenfalls das Grundstück der Beschwerdeführer nicht erreicht. Alleine aus den Pegelständen beim Pegel Fraham/Innbach sei keinesfalls objektivierbar, dass auch die Hochwässer im Dezember 1974 und August 1966 das Grundstück der Beschwerdeführer tatsächlich erreicht und überflutet hätten. Eine derartige im hydrographischen Gutachten aus dem Jahre 1988 vorgenommene Schlussfolgerung sei schon deshalb nicht möglich, weil die Pegelstelle Fraham/Innbach vom Grundstück der Beschwerdeführer relativ weit (einige Kilometer) entfernt sei. Ferner seien aus den dortigen Pegelständen der Hochwässer 1985 und 1994 und deren Ausbreitung objektiv sichere Schlussfolgerungen auf ein tatsächlich exaktes Ausbreitungsgebiet vorhergegangener Hochwässer im Dezember 1974 und im August 1966 schon insofern nicht möglich, als sich einerseits nicht jedes, von der Wassermenge her gesehen gleich großes oder ähnlich großes Hochwasser in topographisch gleicher Weise ausbreite, andererseits zwischenzeitig im Hochwasserabflussgebiet ständig eintretende topographische Veränderungen, sowie aber vor allem zwischenzeitige Veränderungen bei den Gewässern selbst, insbesondere aufgrund von zwischenzeitig in großem Ausmaß durchgeführten Regulierungsmaßnahmen, zu berücksichtigen seien. Diese Regulierungsmaßnahmen hätten sich vor allem auf den Oberlauf des Innbaches und auf dessen Zuflussgewässer (Polsenz, Trattnach) bezogen. Die Regulierungsmaßnahmen hätten eine wesentliche Veränderung, nämlich eine Verschärfung der Hochwassersituation zeitlich nach den vorgenannten Beurteilungszeitpunkten (1976, 1982 und 1984) hervorgerufen.

Ferner habe auch die im Jahre 1973 erfolgte Errichtung des Donaukraftwerkes Ottensheim-Wilhering in der Folge Veränderungen der Hochwassersituation an den in die Donau einmündenden Gewässern, sohin auch nicht unwesentliche Veränderungen der Hochwassersituation des Innbaches betreffend das gegenständliche Gebiet und auch das Grundstück der Beschwerdeführer bewirkt. Es sei daher die Hochwassersituation im Gebiet des Innbaches nach Errichtung dieses Kraftwerkes mit der Hochwassersituation vor Errichtung dieses Kraftwerkes nicht vergleichbar.

Aus den Zeugenaussagen der Ehegatten M.-H. seien zeitlich konkretisierende Jahresangaben der behaupteten Überflutungen nicht zu entnehmen, sodass auch aus deren Zeugenaussage nicht geschlossen werden könne, dass zeitlich rückschauend ab den rechtlich relevanten Beurteilungszeitpunkten (1976, 1982 und 1984) das Grundstück der Beschwerdeführer in zeitlichen Abständen von 10 Jahren oder kürzer tatsächlich von Hochwässern überflutet worden sei.

In einer ergänzenden Stellungnahme des hydrographischen Amtssachverständigen vom 17. Juni 2004 wird u.a. ausgeführt, es sei bezüglich des Pegels Fraham für die Liegenschaft der Beschwerdeführer zusammenfassend festzustellen, dass die aus den Wasserstandsregistrierungen ermittelten Hochwasserdaten auch für den Bereich der Beschwerdeführer gälten, weil in der Zwischenstrecke keine wesentlichen Veränderungen der Hochwasserdurchflüsse stattfänden. Die Wasserstände seien hingegen wegen der völlig anderen Profilgestalt und wegen des dazwischenliegenden Fließgefälles nicht übertragbar.

Laut mündlicher Auskunft des Leiters des Gewässerbezirkes G seien die wesentlichen Regulierungsmaßnahmen im Einzugsgebiet des Innbaches und seiner Zubringer Ende der Sechziger- bzw. Anfang der Siebziger-Jahre abgeschlossen gewesen. Anschließend errichtete Regulierungen bis zu den Hochwässern 1985 und 1994 hätten sich auf einzelne, lokal beschränkte Bereiche beschränkt, wobei selbst durch Summenwirkung keine spürbaren Auswirkungen auf die Hochwasserabflussverhältnisse am Unterlauf des Innbaches zu erwarten seien.

Unterschiede in der Hochwasserausbreitung abflussmäßig vergleichbarer Hochwässer seien in Abhängigkeit von der Wellenform und der auftretenden Hochwasserfrachten grundsätzlich möglich. Die denkbaren Unterschiede seien begrenzt durch das Verhältnis zwischen den auftretenden Hochwasserfrachten und dem vorhandenen Retentionsraum. Genau nachvollziehbar seien solche Einflüsse durch sehr aufwändige 2-dimensionale hydraulische Modellrechnungen für instationäre Zuflüsse.

Da am Unterlauf des Innbaches schon kleine, häufig wiederkehrende Hochwässer relativ große Hochwasserfrachten in der Größenordnung von vielen Millionen Kubikmetern abführten und das Ausmaß der Retentionsräume in der betrachteten Fließstrecke zwischen dem Pegel Fraham und dem gegenständlichen Bereich dagegen gering sei, blieben die daraus resultierenden Unterschiede begrenzt. Wesentliche topographische Änderungen, die zu spürbaren Änderungen der Hochwasserausbreitung führen könnten, seien im betrachteten Überflutungsgebiet nicht bekannt. Insgesamt betrachtet sei nicht zu erwarten, dass durch Unterschiede in der Hochwasserausbreitung wesentliche Verzerrungen zwischen den registrierten Hochwasserspitzen an der Pegelstelle Fraham/Innbach und den Überflutungen im gegenständlichen Bereich aufträten. Dies gelte insbesondere für die herangezogenen Vergleichshochwässer, die keinen extrem unterschiedlichen Wellenablauf aufwiesen.

Die im Gutachten vom 13. Mai 1998 erwähnten Fotos befänden sich im Akt. Jene Bilder, auf denen die Liegenschaft der Beschwerdeführer im Detail abgebildet und die örtliche Hochwassersituation deutlich erkennbar sei, seien mit Lesezeichen 1 (Hochwasser April 1994) und mit Lesezeichen 2 (Hochwasser 1985) markiert worden. Auf diesen Fotos sei klar ersichtlich, dass die damaligen Hochwässer genau bis zur Gartenmauer reichten und nur diese mit der dahinterliegenden Anschüttung samt Wohnhaus aus der örtlichen Überflutungszone herausgeragt seien. Die streng geometrische Form des Wasseranschlages lasse keine Zweifel an einer Anschüttung zu. Zudem sei keinesfalls sicher, dass die Aufnahmen zum Zeitpunkt des Höchststandes gemacht worden seien. Die auf den Bildern dokumentierten Überflutungen und Wasserstandshöhen stellten daher ein Mindestausmaß dar. Bei der Beurteilung der markierten Fotos sei zu berücksichtigen, dass es sich bei den Hochwässern im Februar 1985 und April 1994 um höchstens 5-jährliche Ereignisse gehandelt habe und bei Auftreten eines 10-jährlichen Hochwassers am Innbach mit höheren Wasserständen zu rechnen sei. Bei einem Lokalaugenschein vor Ort sei der aktuelle Zustand erkundet worden und die Anschüttung gegenüber dem Urgelände noch deutlicher hervorgetreten, als auf den Fotos ersichtlich sei.

Aus fachlicher Sicht könne trotz aller möglichen Unschärfen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit bestätigt werden, dass sich das Grundstück Nr. 517/4, KG O., im ursprünglichen Zustand vor der Vornahme von Einbauten innerhalb des 10-jährlichen Hochwasserabflussgebietes des Innbaches befunden habe und für alle Maßnahmen auf dieser Parzelle zum jeweiligen Errichtungszeitpunkt eine Bewilligungspflicht gemäß § 38 WRG 1959 gegeben gewesen sei.

Im Rahmen des Parteiengehörs vertraten die Beschwerdeführer in der Stellungnahme vom 23. August 2004 u.a. die Auffassung, dass die Hochwässer vom August 1966 und vom Dezember 1974 keinesfalls tatsächlich auf das Grundstück Nr. 517/4, KG O., gelangt seien. Auch aus dem ergänzenden hydrographischen Gutachten vom 17. Juni 2004 gehe keinesfalls beweismäßig schlüssig hervor, dass die Hochwässer vom August 1966 und vom Dezember 1974 tatsächlich dieses Grundstück überflutet hätten. Die mit Örtlichkeitsfotos dokumentierten Hochwässer vom Februar 1985 und vom April 1994 mit jeweils 83,6 m3/s würden nicht unwesentlich höhere Hochwasserabflussmengen aufweisen, als die (zeitlich vorangegangenen) Hochwässer vom August 1966 und Dezember 1974, welche nach der im Gutachten enthaltenen Datenaufstellung lediglich Hochwasserabflussmengen von je 73,8 m3/s aufwiesen. Bereits daraus ergebe sich, dass es keinesfalls als schlüssig bewiesen angesehen werden könne, dass die Hochwässer vom August 1966 und Dezember 1974 tatsächlich das Grundstück der Beschwerdeführer erreicht und überflutet hätten.

Entgegen den Ausführungen im Gutachten vom 17. Juni 2004, wonach wesentliche topographische Veränderungen, die zu spürbaren Änderungen der Hochwasserausbreitung führen könnten, im betrachteten Überflutungsgebiet nicht bekannt seien, sei vielmehr zutreffend, dass es im Gebiet zwischen der Pegelmessstelle Fraham und der Liegenschaft der Beschwerdeführer in der Vergangenheit mannigfache topographische Veränderungen, insbesondere durch Aufschüttungsmaßnahmen, Tiefbaumaßnahmen (Schaffung von Verkehrswegen), Hochbaumaßnahmen (Errichtung von Häusern, Gebäuden etc.) gegeben habe, welche zeitlich nach den für den vorliegenden Fall geltenden Beurteilungszeitpunkten (1976, 1982 und 1984) erhebliche Veränderungen in der Hochwasserabflusssituation zu Lasten des Grundstückes der Beschwerdeführer bedingen würden. Nach den Daten des statistischen Zentralamtes in Wien habe sich im für die gegenständliche Örtlichkeit relevanten Einzugsgebiet die Flächenversiegelung seit den vorgenannten Zeitpunkten mehr als verdoppelt.

Nach Beobachtung der Beschwerdeführer seien in den letzten 20 Jahren am Innbach und seinen Zubringern im nähren Einzugsbereich der Liegenschaft der Beschwerdeführer topographische Veränderungen, wie Zuschüttung von Gräben, Flächenversiegelungen durch Betriebe, Häuser und Straßen etc. gesetzt worden, welche zu einem mittlerweile rascheren und vermehrten Oberflächenabfluss geführt hätten.

Auch durch die mittlerweile (seit 1976, 1982 und 1984) geänderten hydrologischen Verhältnisse habe sich die Hochwassersituation zu Lasten des Grundstücks der Beschwerdeführer wesentlich verschlechtert. Im Zuge der Intensivierung der Landwirtschaft habe sich auch die landwirtschaftliche Bewirtschaftung der Grundflächen gleichfalls wesentlich verändert. Der Anteil der Wiesen im Einzugsgebiet sei von etwa 50 % auf unter 30 % reduziert worden, was auch insbesondere auf das Gebiet zwischen der Pegelmessstelle Fraham und der gegenständlichen Parzelle der Beschwerdeführer zutreffe.

Seit den vorgenannten Beurteilungszeitpunkten seien im für die Beschwerdeführer wesentlichen Oberflächengewässereinzugsgebiet - neben Errichtung von Großkläranlagen, Industriebetrieben, Wohnsiedlungen und Verkehrswegen usw. - die natürlich vorhandenen Überflutungsräume durch flussbauliche Maßnahmen, Drainagierungen und "Ausfüllungen" in großem Maße ausgeschaltet und sohin eine Verlagerung des Hochwassers zu den Gewässerunterliegern hin bewirkt worden.

Weiters habe auch die im Jahre 1973 erfolgte Errichtung des Donaukraftwerkes Ottensheim-Wilhering in der Folge Veränderungen der Hochwassersituation an den in die Donau einmündenden Gewässern, sohin nicht unwesentliche Veränderungen der Hochwassersituation des Innbaches betreffend das gegenständliche Gebiet und das Grundstück der Beschwerdeführer bewirkt. Es sei daher die Hochwassersituation im betreffenden Gebiet des Innbaches vor und nach Errichtung des Donaukraftwerkes nicht vergleichbar.

In einer ergänzenden Stellungnahme vom 22. November 2004 führte der hydrographische Amtssachverständige u.a. aus, es lasse sich aus den Fotos der Hochwässer von 1985 und 1994 eine Überflutung der damals noch unverbauten Liegenschaft der Beschwerdeführer durch die Hochwässer von 1966 und 1974 nicht beweisen, weil die letztgenannten Hochwässer etwas kleiner gewesen seien, als die durch die Fotos dokumentierten Hochwässer von 1985 und 1994.

Das Wohnhaus der Beschwerdeführer sei im Jahre 1976 errichtet worden. Betrachte man einen längeren Zeitabschnitt zuvor, so seien zwischen 1954 und 1975 fünf Hochwasserereignisse aufgetreten, deren Größe an Hand der Aufzeichnungen an der Pegelstelle Fraham/Innbach deutlich über jener des Hochwassers 1985 gelegen seien. Es seien dies die Hochwässer vom 9. Juli 1954, 4. März 1956, 17. Februar 1958, 13. August 1959 und vom 22. Februar 1970. Für den erweiterten Zeitraum bis zur Errichtung der Einfriedung bzw. der Anschüttung im Jahre 1984 falle zusätzlich das Hochwasserereignis vom 31. Jänner 1982 an. Sowohl für den Zeitraum von 1954 bis 1975 als auch von 1954 bis 1983 ergebe sich aus den fünf bzw. sechs dokumentierten Hochwasserereignissen "eine durchschnittlich öftere Überflutung" als einmal in zehn Jahren.

Im Zuge des Parteiengehörs führten die Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 13. Dezember 2004 u.a. zu dieser ergänzenden Stellungnahme aus, es sei schlichtweg falsch, dass sich für den Zeitraum von 1954 bis 1975 und für den Zeitraum von 1954 bis 1983 "eine durchschnittlich öftere Überflutung" des Grundstücks der Beschwerdeführer als einmal in 10 Jahren ergebe. Dass tatsächlich die Hochwässer vom 4. März 1956, vom 17. Februar 1958 und vom 13. August 1959 das Grundstück der Beschwerdeführer überflutet hätten, sei im Verfahren keinesfalls objektiv belegt (durch Bilddokumente, behördliche Hochwassermappen, Hochwasseraufzeichnungen der Gemeinde P. etc.) und könne sohin keineswegs der behördlichen Sachverhaltsfeststellung zugrunde gelegt werden.

Ferner seien in der Äußerung des Amtssachverständigen vom 22. November 2004 die Pegelstände und die Abflussmengen der vorgenannten Hochwässer nicht einmal angeführt, sodass schon aus diesem Grunde nicht nachvollziehbar sei, dass die letztgenannten Hochwässer an der Pegelstelle Fraham/Innbach gleich hohe oder höhere Pegelstände und Abflussmengen als das Hochwasser von 1985 erreicht hätten.

In einer ergänzenden Stellungnahme vom 4. Jänner 2005 führte der hydrographische Amtssachverständige aus, es seien an der Pegelstelle Fraham/Innbach an Hand der registrierten Hochwasserstände folgende Abflussmengen ermittelt worden und diese seien unter Verwendung der späteren hochwasserstatistischen

Bearbeitung folgend einzustufen (alt= Einstufung 1998,

neu= Einstufung 2004; siehe Festlegung im Gutachten vom 17. Juni 2004):

Datum

Abfluss

Jährlichkeit alt

Jährlichkeit neu

04.03.1956

96,8 m3/s

ca. 9

6-7

17.02.1958

99,6 m3/s

ca. 10

7-8

13.08.1959

140,0 m3/s

ca. 40

ca. 35

Beim Hochwasser 1954 sei das gegenständliche Areal sowohl von ausufernden Hochwässern des Innbaches als auch von der Donau überflutet worden. Die Hochwasserwelle des Innbaches habe damals denselben Scheiteldurchfluss wie das Hochwasserereignis im Februar 1970 gehabt:

Datum

Abfluss

Jährlichkeit alt

Jährlichkeit neu

09.07.1954

123,0 m3/s

20-25

15-20

Unmittelbar im Anschluss an die Innbach-Hochwasserwelle sei diese von einer ca. 140-jährlichen Hochwasserwelle der Donau mit noch höheren Hochwasserständen überlagert worden. Der Wasserscheitel des Donauhochwassers sei im Eferdinger Becken in der Nacht vom 10. auf den 11. Juli 1954 aufgetreten.

Auf die Hochwassersituation des Innbaches habe die Errichtung des Donaukraftwerkes Ottensheim-Wilhering keine maßgebliche Auswirkung. Bezüglich der großen Donauhochwässer werde der Einfluss des Donaukraftwerkes oft stark überschätzt. Die im Zuge des Kraftwerksbaues errichteten Dämme würden Überflutungen des südlichen Eferdinger Beckens beim Auftreten der früher breitflächig ausgeuferten häufigen Hochwässer verhindern bzw. vermindern. Um negative Auswirkungen auf Unterlieger auf Grund eines eintretenden Retentionsverlustes zu vermeiden, seien die Uferbegleitdämme mit Überströmstrecken ausgeführt worden, wodurch bereits bei einem 30-jährlichen Hochwasserereignis an der Donau an Hand der durchgeführten Modellversuche weiterhin mit ausgedehnten breitflächigen Überflutungen zu rechnen sei. Nach den Modellversuchen befinde sich der verfahrensgegenständliche Bereich innerhalb des 30-jährlichen Hochwasserabflussgebietes. Ein Donauhochwasser dieser Größe sei seit der Errichtung des Donaukraftwerkes Ottensheim-Wilhering noch nicht aufgetreten. Ein extremes Donauhochwasser wie im Jahre 1954 würde auch nach der Kraftwerkserrichtung zu annähernd gleichen Überflutungsflächen und Hochwasserständen führen wie vorher.

Mit Schriftsatz vom 31. Jänner 2005 erwiderten die Beschwerdeführer auf das ergänzte Gutachten des hydrographischen Amtssachverständigen dahingehend, dass ihr Grundstück nur dreimal, nämlich im Jahre 1954, 1970 und 1982 bei Hochwässern überflutet worden sei. Ferner bestritten die Beschwerdeführer die Schlüssigkeit der Ableitung der Überflutung ihres Grundstücks in den Jahren 1956, 1958 und 1959 allein aufgrund der ergänzend ermittelten Pegelstände beim Pegel Fraham/Innbach und wiederholten diesbezüglich ihre bisherigen Einwendungen.

Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 28. Februar 2005 wurde die Berufung abgewiesen. Gleichzeitig wurde die Erfüllungsfrist bis 31. Dezember 2005 verlängert.

In der Begründung dieses Bescheides wird u.a. ausgeführt, das Grundstück der Beschwerdeführer werde nach der eingeholten Stellungnahme eines Amtssachverständigen "erfahrungsgemäß häufig" im Sinne des § 38 Abs. 3 WRG 1959 (i.d.F. vor der WRG-Novelle 1990) überflutet. Dem stehe auch nicht entgegen, dass sich die Häufigkeit nur als Durchschnittswert über einen längeren Zeitraum darstellen lasse und die Grundfläche zwischenzeitig auch länger hochwasserfrei gewesen sei (wie zwischen 1959 und 1970 sowie 1970 und 1982). Häufig im Sinne des § 38 Abs. 3 WRG 1959 (i.d.F. vor der WRG-Novelle 1990) seien solche Überflutungen, welche häufiger als 10-jährlich stattfänden. Aus dem Gutachten des Amtssachverständigen für Hydrologie vom 17. November 2004 habe sich ergeben, dass Überflutungen des verfahrensgegenständlichen Grundstückes fünf mal innerhalb von 22 Jahren (zwischen 1954 und der Errichtung des Hauses 1976) und jeweils sechs mal innerhalb von 28 bzw. 30 Jahren (zwischen 1954 und der vorgenommenen Anschüttung 1982 bzw. der errichteten Einfriedung 1984) aufgetreten seien und dies somit häufiger als 10-jährlich sei. Die bewilligungslos vorgenommene Errichtung von Anlagen im Sinne des § 38 Abs. 1 WRG 1959 seien daher als eigenmächtig vorgenommene Neuerungen gemäß § 138 Abs. 2 WRG 1959 anzusehen gewesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

§ 38 Abs. 1 WRG 1959 lautet:

"(1) Zur Errichtung und Abänderung von Brücken, Stegen und von Bauten an Ufern, dann von anderen Anlagen innerhalb der Grenzen des Hochwasserabflusses fließender Gewässer sowie von Unterführungen unter Wasserläufen, schließlich von Einbauten in stehende öffentliche Gewässer, die nicht unter die Bestimmungen des § 127 fallen, ist nebst der sonst etwa erforderlichen Genehmigung auch die wasserrechtliche Bewilligung einzuholen, wenn eine solche nicht schon nach den Bestimmungen des § 9 oder § 41 dieses Bundesgesetzes erforderlich ist. Die Bewilligung kann auch zeitlich befristet erteilt werden."

Mit der Wasserrechtsgesetz-Novelle 1990, BGBl. Nr. 252/1990, in Kraft getreten am 1. Juli 1990, wurde § 38 Abs. 3 WRG 1959 geändert. Bis dahin hatte diese Gesetzesstelle folgenden Wortlaut:

"(3) Soweit bei den Gemeinden Abdrucke der Katastralmappen erliegen, die mit der Katastralmappe beim zuständigen Vermessungsamt übereinstimmen, sind auf Anordnung des Landeshauptmannes vom Amte der Landesregierung die Grenzen der Hochwasserabflussgebiete (Abs. 1) für 20- bis 30-jährliche Hochwässer ersichtlich zu machen. Bis dahin sind als Hochwasserabflussgebiete jene Flächen anzusehen, die erfahrungsgemäß häufig überflutet werden."

§ 138 WRG 1959 lautet auszugsweise:

     "§ 138. Herstellung des gesetzmäßigen Zustandes

     (1) Unabhängig von Bestrafung und Schadenersatzpflicht ist

derjenige, der die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes übertreten

hat, wenn das öffentliche Interesse es erfordert oder der

Betroffene es verlangt, von der Wasserrechtsbehörde zu verhalten,

auf seine Kosten

     a)        eigenmächtig vorgenommene Neuerungen zu beseitigen

oder die unterlassenen Arbeiten nachzuholen,

     ......

     (2) In allen anderen Fällen einer eigenmächtig vorgenommenen

Neuerung oder unterlassenen Arbeit hat die Wasserrechtsbehörde

eine angemessene Frist zu bestimmen, innerhalb deren entweder um

die erforderliche wasserrechtliche Bewilligung nachträglich

anzusuchen, die Neuerung zu beseitigen oder die unterlassene

Arbeit nachzuholen ist.

     ......"

Im Beschwerdefall ist maßgeblich, ob überhaupt eine "eigenmächtige Neuerung" gegeben war, ob also für die Maßnahmen der Beschwerdeführer eine wasserrechtliche Bewilligung deshalb einzuholen gewesen wäre, weil das verfahrensgegenständliche Grundstück innerhalb der Grenzen des Hochwasserabflusses fließender Gewässer (§ 38 Abs. 1 WRG 1959) zu liegen kam.

Für die vor dem 1. Juli 1990 errichteten "anderen Anlagen innerhalb der Grenzen des Hochwasserabflusses fließender Gewässer" gemäß § 38 Abs. 1 WRG 1959 bedeutet dies, dass eine wasserrechtliche Bewilligung nicht schon dann einzuholen war, wenn diese Anlage innerhalb eines Gebietes liegt, welches bei 30- jährlichen Hochwässern überflutet wird; vielmehr ist die wasserrechtliche Bewilligungspflicht nach § 38 Abs. 1 WRG 1959 erst dann eingetreten, wenn die Anlage auf einer Fläche errichtet worden ist, die erfahrungsgemäß häufig überflutet wurde (vgl. das hg. Erkenntnis vom 15. Juli 1999, Zl. 98/07/0106).

Es ist daher im Beschwerdefall auf den Zeitpunkt, zu dem die jeweilige Maßnahme getroffen wurde, abzustellen; dieser liegt in allen drei Fällen (1976 (Hausbau), 1982 und 1984 (Anschüttungen bzw. Einfriedung)) vor dem Inkrafttreten der WRG-Novelle 1990, BGBl. Nr. 252/1990.

Eine "erfahrungsgemäß häufige Überflutung von Flächen" im Sinne des § 38 Abs. 3 zweiter Satz WRG 1959 a.F. liegt nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bei Überflutungen in Abständen von etwa zehn oder weniger Jahren vor (vgl. das hg. Erkenntnis vom 20. September 1988, Zl. 87/07/0018, m.w.N.).

Unstrittig ist, dass das Grundstück der Beschwerdeführer durch die Hochwässer vom 9. Juli 1954, 22. Februar 1970 und 31. Jänner 1982 überflutet wurde. Weiters unbestritten ist, dass das Hochwasser 1982 erst nach der Errichtung des Hauses 1976 eintrat und somit für die Beurteilung in diesem Zusammenhang nicht mehr relevant ist, wohl jedoch für die Errichtung der Anschüttung und der Einfriedung 1982 bzw. 1984.

Ferner ist unbestritten, dass für den in Rede stehenden Bereich des Hochwasserabflussgebietes keine Grenzen im Sinne des § 38 Abs. 3 erster Satz WRG 1959 a.F. ersichtlich gemacht worden sind. Es war demnach auf fachkundiger Basis zu klären, ob und gegebenenfalls welche Flächen "erfahrungsgemäß häufig" im Sinne des § 38 Abs. 3 zweiter Satz WRG 1959 a.F. überflutet werden, um beurteilen zu können, ob die - gleichfalls außer Streit stehende - Errichtung des Hauses, die Anschüttung und die Einfriedung eine eigenmächtige Neuerung im Sinne des § 138 Abs. 2 WRG 1959 darstellen.

Die belangte Behörde hat auf der Grundlage des ihr vorgelegenen Sachverständigenbeweises angenommen, dass die Hochwässer 1956, 1958 und 1959 zu einer Überflutung des verfahrensgegenständlichen Grundstückes führten und daraus in Zusammenschau mit den unstrittigen Hochwässern 1954, 1970 und 1982 geschlossen, dass es sich um ein Gebiet handle, das häufiger als 10-jährlich und somit "erfahrungsgemäß häufig" überflutet werde.

Hochwässer eines längeren Zeitraumes können nach Ansicht der belangten Behörde berücksichtigt werden; es werde als ausreichend angesehen, wenn sich die Häufigkeit nur als Durchschnittswert über diesen ganzen Zeitraum darstellen lasse. Es schade nicht, dass die Gründstücke zwischenzeitig länger hochwasserfrei gewesen seien; zwischen den Hochwässern 1959 und 1970 bzw. 1970 und 1982 sei ein Zeitraum von 11 bzw. 12 Jahren gelegen.

Dass bei der Beurteilung des Zeitraumes der Überflutungen auf ein "durchschnittliches Erreichen" eines Grundstückes alle zehn Jahre abgestellt werden kann, hat der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 28. April 1981, Zl. 07/3725/80 ausgesprochen.

Die Begründung des angefochtenen Bescheides lässt auch auf der Grundlage der ergänzend eingeholten fachlichen Stellungnahmen des hydrographischen Amtssachverständigen nicht hinreichend schlüssig erkennen, ob das Grundstück der Beschwerdeführer in den Jahren 1956, 1958 und 1959 - dies wurde von den Beschwerdeführern stets bestritten - tatsächlich überflutet wurde, zumal in der Begründung des angefochtenen Bescheides die bestrittenen Überflutungen durch Verweis auf Fotos betreffend die Überflutungen der Jahre 1985 und 1994 i.V.m. den seinerzeit gemessenen Pegelständen angenommen wurden. Von den Beschwerdeführern wurde jedoch auf die - nach Abschluss der von ihnen gesetzten Maßnahmen -

maßgeblich geänderten Abflussverhältnisse des Innbaches hingewiesen. Diesen Einwendungen wurde auf fachlicher Ebene - soweit für den Verwaltungsgerichtshof aus den vorgelegten Verwaltungsakten ersichtlich ist - nur in Teilbereichen entgegnet (etwa in Bezug auf den aktuellen Einfluss von Donauhochwässern aufgrund des nachträglich erfolgten Baues des Kraftwerkes Wilhering-Ottensheim oder hinsichtlich der von den Beschwerdeführern eingewendeten späteren Regulierung des Innbaches). Hingegen blieb etwa eine fachlich fundierte Stellungnahme zur Frage des eingewendeten und nicht unerheblich scheinenden Ausmaßes der Bodenversiegelung in den letzten Jahrzehnten (etwa durch den Neubau von Häusern, Straßen, das Verschwinden von Wiesenflächen etc.) offen. Diese Einwendung wurde bereits - wie vorstehend dargelegt - im Zuge des Berufungsverfahrens erhoben und stellt daher entgegen den Ausführungen der belangten Behörde in der Gegenschrift auch keine unzulässige Neuerung im Sinne des § 41 Abs. 1 VwGG dar. Überdies musste von der Behörde während des Berufungsverfahrens aufgrund der Verschiebung des Pegels Fraham/Innbach und der zu berücksichtigenden Änderungen im Uferbereich des Innbaches nachträglich eine Neuberechnung und Neubewertung der Pegelstände und der Häufigkeit der Hochwässer vorgenommen werden, weshalb im Rahmen einer schlüssigen Beweiswürdigung eine eingehende Begründung zur angenommenen Überflutung des Grundstücks der Beschwerdeführer in den Jahren 1956, 1958 und 1959 auch unter Berücksichtigung dieses Aspektes erforderlich gewesen wäre. Darüber hinaus können die Feststellungen der belangten Behörde bezüglich der Überflutung des Grundstücks der Beschwerdeführer in den zuletzt genannten Jahren auch nicht auf die Aussagen der im Zuge des erstinstanzlichen Verfahrens einvernommenen Zeugen gestützt werden, zumal die Beschwerdeführer zutreffend darauf hinwiesen, dass diese Personen bezüglich der Hochwässer der Jahre 1956, 1958 und 1959 keine konkreten Aussagen in Bezug auf die Überflutung ihres Grundstücks machen konnten. Die ergänzend von der belangten Behörde durchgeführten und in der Begründung des angefochtenen Bescheides herangezogenen Ermittlungen waren daher nicht ausreichend, um die Frage der erfahrungsgemäß häufigen Überflutung des Grundstücks der Beschwerdeführer in den Jahren 1956, 1958 und 1959 klären.

Es kann daher nicht ausgeschlossen werden, dass die belangte Behörde bei Vermeidung dieses Verfahrensmangels zu einem anderen Bescheid hätte kommen können. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.

Wien, am 30. Oktober 2008

Schlagworte

Anzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2Begründung BegründungsmangelBesondere Rechtsgebiete"zu einem anderen Bescheid"

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2008:2005070068.X00

Im RIS seit

26.11.2008

Zuletzt aktualisiert am

12.03.2009
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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