TE Vwgh Erkenntnis 2008/11/4 2008/22/0056

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Veröffentlicht am 04.11.2008
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AVG §1;
AVG §56;
AVG §6 Abs1;
AVG §66 Abs4;
FrG 1997 §47 Abs3 Z2;
FrG 1997 §47 Abs3;
FrG 1997 §49 Abs1;
FrG 1997 §89 Abs2 Z1;
FrG 1997 §89 Abs2 Z3;
NAG 2005 §81 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Heinzl und die Hofräte Dr. Robl und Mag. Eder, die Hofrätin Mag. Merl und den Hofrat Dr. Lukasser als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Perauer, über die Beschwerde der SM in W, geboren am 19. Februar 1982, vertreten durch KWR Karasek Wietrzyk Rechtsanwälte GmbH in 1220 Wien, Wagramer Straße 19, gegen den Bescheid der Bundesministerin für Inneres vom 11. April 2006, Zl. 144.510/2-III/4/06, betreffend Versagung einer Niederlassungsbewilligung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid wies die belangte Behörde den am 7. September 2004 bei der Bundespolizeidirektion Wien eingebrachten Antrag der Beschwerdeführerin, einer ukrainischen Staatsangehörigen, auf Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung für den Aufenthaltszweck "begünstigter Drittsta.-Ö, § 49 Abs. 1 FrG" gemäß § 21 Abs. 1 und 2 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz - NAG ab.

Begründend führte die belangte Behörde aus, die Beschwerdeführerin habe vorgebracht, ihr Ehemann sei Adoptivsohn eines österreichischen Staatsbürgers. Dieser sei für die Zeit vom 12. Februar 2004 bis 12. Februar 2005 und vom 30. März 2005 bis 30. März 2006 im Besitz einer Niederlassungsbewilligung für begünstigte Drittstaatsangehörige gewesen. Die Beschwerdeführerin habe jedoch auf Grund ihres österreichischen Schwiegervaters keine Begünstigungen ableiten können, weshalb ihr Antrag am 19. April 2005 von der Bundespolizeidirektion Wien an den Landeshauptmann von Wien, der den Antrag mit Bescheid vom 15. September 2005 (nach den Bestimmungen des am 31. Dezember 2005 außer Kraft getretenen Fremdengesetzes 1997 - FrG) abgewiesen habe, weitergeleitet worden sei. Gemäß § 81 Abs. 1 NAG seien Verfahren auf Erteilung von Aufenthalts- und Niederlassungsberechtigungen, die bei Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes anhängig sind, nach den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes zu Ende zu führen. Da die Beschwerdeführerin ihren Antrag im Inland gestellt habe, stehe § 21 Abs. 1 NAG, wonach Erstanträge vor der Einreise in das Bundesgebiet bei der örtlich zuständigen Berufsvertretungsbehörde im Ausland einzubringen sind und die Entscheidung im Ausland abzuwarten ist, einer Bewilligung entgegen, zumal humanitäre Gründe, die es ermöglichen würden, eine Inlandsantragstellung zuzulassen, nicht vorliegen würden.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde nach Vorlage der Akten durch die belangte Behörde erwogen:

Der Beschwerde kommt - im Ergebnis - Berechtigung zu.

Aus dem angefochtenen Bescheid ergibt sich, dass dem Ehemann der Beschwerdeführerin, einem ukrainischen Staatsangehörigen mit österreichischem Adoptivvater, gemäß § 49 Abs. 1 FrG eine zuletzt bis 30. März 2006 gültige Niederlassungsbewilligung als begünstigter Drittstaatsangehöriger im Sinne der §§ 47 Abs. 3 Z 2 iVm 49 Abs. 1 FrG erteilt wurde.

§ 89 Abs. 2 Z 3 FrG sah vor, dass Entscheidungen im Zusammenhang mit Niederlassungsbewilligungen und Niederlassungsnachweisen die Bezirksverwaltungsbehörde, im örtlichen Wirkungsbereich einer Bundespolizeibehörde diese, zu treffen hat, wenn es sich um Aufenthaltstitel für Ehegatten oder minderjährige Kinder eines Drittstaatsangehörigen handelt, der nach dem 4. Hauptstück Niederlassungsfreiheit genießt, sofern die Ehegatten und Kinder nicht erwerbstätig sein wollen.

Die Beschwerdeführerin hat ihren Antrag mit der Familienzusammenführung mit ihrem Ehegatten (und ihrem Schwiegervater) begründet. Hinweise dafür, dass sie beabsichtigt hätte, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen, sind dem angefochtenen Bescheid nicht zu entnehmen.

Nach den Feststellungen im angefochtenen Bescheid verfügte der Ehemann der Beschwerdeführerin im Zeitpunkt der Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides (22. September 2005) über eine Niederlassungsbewilligung als begünstigter Drittstaatsangehöriger, weshalb davon auszugehen ist, dass er zu dieser Zeit als Drittstaatsangehöriger, der nach dem 4. Hauptstück des FrG Niederlassungsfreiheit genoss, anzusehen war. Dies wiederum hat zur Folge, dass für die Entscheidung über den von der Beschwerdeführerin gestellten Antrag zur angeführten Zeit gemäß § 89 Abs. 2 Z 3 FrG nicht der hier in erster Instanz entscheidende Landeshauptmann von Wien, sondern die Bundespolizeidirektion Wien zuständig war (vgl. das hg. Erkenntnis vom 28. August 2008, 2008/22/0262).

Sofern das Gesetz nicht anderes anordnet (insbesondere in Übergangsbestimmungen) ist für die Beurteilung der Zuständigkeit die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Bescheiderlassung (Zustellung oder Ausfolgung bzw. mündliche Verkündung) maßgeblich. Ändert sich der Vollzugsbereich nach Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides, so ist auf die Rechtslage im Zeitpunkt der Erlassung des unterbehördlichen Bescheides abzustellen. Die Berufungsbehörde ist im Falle von Änderungen der Zuständigkeit lediglich dazu befugt, den Bescheid ersatzlos aufzuheben und die Sache an die zuständige Behörde weiterzuleiten (vgl. Hengstschläger/Leeb AVG § 6 Rz 8 f).

Nach dem Gesagten ergibt sich, dass der Landeshauptmann von Wien im Zeitpunkt der Erlassung seines Bescheides für die Entscheidung über den von der Beschwerdeführerin gestellten Antrag nicht zuständig war, weshalb die Berufungsbehörde den angefochtenen Bescheid aus diesem Grund (ersatzlos) zu beheben gehabt hätte. An diesem Ergebnis vermag nun auch die in § 81 Abs. 1 NAG enthaltene Übergangsbestimmung nichts zu ändern, weil durch diese zwar (auch) die Änderung der Zuständigkeit für anhängige Verfahren ausdrücklich festgelegt, jedoch dadurch die früher fehlerhaft erfolgte Inanspruchnahme einer damals nicht gegebenen Zuständigkeit nicht beseitigt wird. Auch nach § 81 Abs. 1 NAG ergibt sich eine Zuständigkeit des Landeshauptmannes für Anträge wie den vorliegenden erst ab 1. Jänner 2006, nicht aber für die vor Inkrafttreten des NAG gelegene Zeit. § 81 Abs. 1 NAG kann aber auch nicht entnommen werden, dass mit dieser Vorschrift eine nach dem FrG (noch) nicht gegebene, fälschlicherweise in Anspruch genommene Zuständigkeit geheilt werden sollte. Dieser Bestimmung einen solchen Sinn zu unterstellen, erscheint schon deshalb verfehlt, weil dies im Ergebnis bedeuten würde, dass der Beschwerdeführerin das gesamte Verfahren einer Instanz vor der tatsächlich zuständigen Behörde genommen werden würde.

Der angefochtene Bescheid war sohin wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003. Wien, am 4. November 2008

Schlagworte

Änderung der ZuständigkeitMaßgebende Rechtslage maßgebender Sachverhaltsachliche Zuständigkeit in einzelnen AngelegenheitenMaßgebende Rechtslage maßgebender Sachverhalt Beachtung einer Änderung der Rechtslage sowie neuer Tatsachen und BeweiseMaßgebender ZeitpunktInhalt der Berufungsentscheidung Voraussetzungen der meritorischen Erledigung Zurückweisung (siehe auch §63 Abs1, 3 und 5 AVG)Besondere RechtsgebieteWeiterleitung an die zuständige Behörde auf Gefahr des Einschreiters

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2008:2008220056.X00

Im RIS seit

03.12.2008

Zuletzt aktualisiert am

14.06.2011
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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