TE Vwgh Erkenntnis 2008/11/17 2008/17/0163

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Veröffentlicht am 17.11.2008
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
16/02 Rundfunk;
40/01 Verwaltungsverfahren;
91/01 Fernmeldewesen;

Norm

AVG §37;
AVG §45 Abs3;
AVG §56;
RGG 1999 §2;
RGG 1999 §6 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z1;

Beachte

Serie (erledigt im gleichen Sinn):2009/17/0041 E 8. September 2009 2009/17/0093 E 10. Mai 2010 2009/17/0177 E 10. Mai 2010

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gruber und die Hofräte Dr. Holeschofsky, Dr. Köhler, Dr. Zens und Dr. Zehetner als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Gold, über die Beschwerde der J D in W, vertreten durch Poganitsch & Ragger, Rechtsanwälte GmbH in 9400 Wolfsberg, Am Weiher 11/3/4, gegen den Bescheid des Finanzamtes für Gebühren und Verkehrsteuern in Wien vom 24. Juli 2008, Zl. GIS 0508/08, betreffend Rundfunkgebühren für Fernsehen und Radio und damit verbundene Entgelte und Abgaben, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.211,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die GIS Gebühren Infoservice GmbH erließ einen "Bescheid" vom 18. Juni 2008 betreffend die Beschwerdeführerin mit nachstehendem Spruch:

"Da Sie am Standort ... Rundfunkempfangseinrichtungen

(Fernsehen und Radio) betreiben bzw. zum Betrieb bereithalten, werden Ihnen als Rundfunkteilnehmer daher ab 01.05.2008 Rundfunkgebühren für Fernsehen und Radio und damit verbundene Entgelte und Abgaben unter der oben angegebenen Teilnehmernummer vorgeschrieben."

Begründend führte die Behörde unter anderem an, die Beschwerdeführerin sei am 17. Mai 2008 am "Standort" von einem Außendienstmitarbeiter besucht worden; dieser habe "zweifelsfrei" feststellen können, dass Rundfunkempfangseinrichtungen betriebsbereit errichtet gewesen seien. Die Beschwerdeführerin habe selbst bestätigt, Rundfunkempfangsgeräte zu betreiben. Da ein die Gebührenpflicht ausschließender Grund gemäß § 2 Abs. 2 Rundfunkgebührengesetz (RGG) nicht vorläge, hätte der Betrieb von Rundfunkempfangseinrichtungen und das Entstehen der Gebührenpflicht an die Behörde erster Instanz gemeldet werden müssen; dieser Verpflichtung sei die Beschwerdeführerin nicht nachgekommen. Aus diesem Grunde würden ihr ab 1. Mai 2008 Rundfunkgebühren und sonstige damit verbundene Abgaben und Entgelte vorgeschrieben.

In ihrer dagegen erhobenen Berufung bestritt die Beschwerdeführerin, dass kein die Gebührenpflicht ausschließender Grund gemäß § 2 Abs. 2 RGG vorliege. Die für den "Standort" bestehende Gebührenpflicht werde von ihrer Tochter wahrgenommen; die Beschwerdeführerin lebe mit dieser in einem Haushalt, es bestehe (nur) eine Küche, die Wohnräume würden gemeinsam benutzt.

Mit ihrem Bescheid vom 24. Juli 2008 wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab.

In ihrer Bescheidbegründung führte die belangte Behörde unter anderem aus, Standort im Sinne des RGG könne sowohl eine gewerblich, industriell, betrieblich oder öffentlich genutzte Liegenschaft als auch eine privat genutzte Liegenschaft sein. Ein Standort könne somit z.B. auch eine Gartenhütte, ein Jagdhaus, ein Bootshaus, ein Mobilheim oder ein Wohnwagen, aufgestellt auf einem fixen Standplatz oder auch eine Zweit-Einliegerwohnung sein. Primär bestehe Gebührenpflicht für jeden Standort. Bei Einfamilienhäusern mit mehreren Wohnungen sei jedoch etwa das Kriterium der eigenen Adresse nicht heranzuziehen. Hier sei der Bauplan zu Rate zu ziehen. Bestehe etwa ein eigenes getrenntes Stiegenhaus ausgehend von der Haupteingangstüre und könnten beide Parteien unabhängig voneinander ihre auch räumlich getrennten Wohneinheiten betreten, ohne in den Bereich der anderen Einheit zu gelangen, so sei von zwei getrennten Wohneinheiten auszugehen. Im Allgemeinen werde eine Wohnung oder eine sonstige Räumlichkeit bzw. ein geschlossener Verband von Räumlichkeiten mit einem einheitlichen Nutzungszweck als Standort bezeichnet.

Zur Frage der Beurteilung des Standortes in einem "Mehrfamilienhaus" sei (im Beschwerdefall) grundsätzlich vom Bauplan auszugehen; könne eine Partei unabhängig von der anderen Partei ihre eigene Wohnung oder Wohneinheit betreten, so lägen mehrere Standorte vor. Von einer Wohneinheit sei in diesem Fall zu sprechen, wenn alle für das Leben erforderlichen Einrichtungen, wie etwa Küche, Nasszellenwohnbereiche, mehrfach vorhanden seien. Ein weiteres Indiz für mehrere Standorte in einem "Einfamilienhaus" ergebe sich aus der Gestaltung von Sprech- und Rufanlagen. Befänden sich im Eingangsbereich zwei getrennte Klingeln oder im Haus mehrere Telefonanschlüsse lautend auf unterschiedliche Personen der im Haus wohnenden Familienangehörigen, spreche der Hinweis auf die im Haus lebenden verschiedenen Personen oder Kleinfamilien, so sei von mehreren getrennten Wohneinheiten auszugehen. Im Beschwerdefall sei davon auszugehen, "dass es sich gemäß den Ergebnissen der Einsicht in den Bauplan, um zwei unterschiedliche Standorte, jedoch lediglich mit einer Post-Adresse" handle.

Die Beschwerdeführerin bekämpft diesen Bescheid vor dem Verwaltungsgerichtshof wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift mit dem Antrag erstattet, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach § 2 Abs. 1 des Rundfunkgebührengesetzes, BGBl. I Nr. 159/1999 in der Fassung BGBl. I Nr. 71/2003, hat, wer eine Rundfunkempfangseinrichtung im Sinne des § 1 Abs. 1 in Gebäuden betreibt (Rundfunkteilnehmer), Gebühren nach § 3 zu entrichten. Dem Betrieb einer Rundfunkempfangseinrichtung ist deren Betriebsbereitschaft gleichzuhalten.

Nach § 2 Abs. 2 leg. cit. besteht die Gebührenpflicht nach § 1 (gemeint wohl: § 2 Abs. 1) leg. cit. nicht, wenn dem Rundfunkteilnehmer eine Befreiung nach § 3 Abs. 5 erteilt wurde (Z. 1) oder für den Standort bereits die Gebühren nach § 3 entrichtet werden (Z. 2). Standort ist die Wohnung oder eine sonstige Räumlichkeit bzw. ein geschlossener Verband von Räumlichkeiten mit einheitlichem Nutzungszweck, wo eine Rundfunkempfangseinrichtung betrieben wird.

Gemäß § 6 Abs. 1 letzter Satz RGG ist auf das Verfahren das AVG anzuwenden.

Im Hinblick auf die mit dem angefochtenen Bescheid durch Abweisung der Berufung der Beschwerdeführerin gegen den erstinstanzlichen Bescheid getroffene Feststellung, wonach der Beschwerdeführerin ab 1. Mai 2008 Rundfunkgebühren für Fernsehen und Radio und damit verbundene Entgelte und Abgaben vorgeschrieben würden, erweist sich die Beschwerde aufgrund eines zwar nicht ausdrücklich geltend gemachten, jedoch im Rahmen des Beschwerdepunkts aufzugreifenden Grundes als berechtigt.

Nach Lehre und Rechtsprechung (vgl. Walter/Mayer, Verwaltungsverfahrenrecht7, 174, Rz 407 und Walter/Thienel, Die Österreichischen Verwaltungsverfahrensgesetze I2, E 223 zu § 56 AVG) ist für einen Feststellungsbescheid dort kein Raum, wo ein Leistungsbescheid möglich ist. Im hier zu entscheidenden Beschwerdefall ist kein Grund ersichtlich, warum die Behörde nicht mit einem Leistungsbescheid mit konkreten Leistungsbefehl vorgehen hätte können und sich mit einer feststellenden Umschreibung begnügen musste. Dadurch, dass die belangte Behörde dies nicht wahrgenommen hat, belastete sie ihren Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit.

Im Übrigen sei noch darauf hingewiesen, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die Berufungsbehörde verpflichtet ist, eine Änderung bzw. Ergänzung im festzustellenden Sachverhalt (wie im Beschwerdefall durch Einsichtnahme in Baupläne) gemäß § 45 Abs. 3 AVG den Parteien vorzuhalten und diesen dadurch Gelegenheit zum Parteiengehör zu geben (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom 3. April 2001, Zl. 96/08/0231, und vom 19. September 1995, Zl. 93/05/0162). Der Beschwerdeführerin war es daher vor dem Verwaltungsgerichtshof nicht verwehrt, auf die mangelnde Übereinstimmung der von der belangten Behörde im Berufungsverfahren eingesehenen Pläne mit der Wirklichkeit zu verweisen und damit die Relevanz des Verfahrensmangels darzutun.

Der angefochtene Bescheid war daher wegen Prävalieren der Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.

Wien, am 17. November 2008

Schlagworte

Parteiengehör RechtsmittelverfahrenParteiengehör Erhebungen ErmittlungsverfahrenAnspruch auf bescheidmäßige Erledigung und auf Zustellung, Recht der Behörde zur Bescheiderlassung Feststellungsbescheide

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2008:2008170163.X00

Im RIS seit

26.12.2008

Zuletzt aktualisiert am

06.11.2012
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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