Index
32 Steuerrecht;Norm
AbgSiG 2007;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hargassner und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Zorn, Dr. Büsser und Mag. Novak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Zaunbauer, über die Beschwerde des Finanzamtes Neunkirchen Wiener Neustadt, Grazer Straße 95, 2700 Wiener Neustadt, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Wien, vom 20. September 2006, GZ. RV/1515-W/06, betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2005, (mitbeteiligte Partei: P A. in M), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Begründung
Der Mitbeteiligte machte in seiner Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung für das Jahr 2005 die auswärtige Berufsausbildung eines Kindes als außergewöhnliche Belastung geltend. Weiters beantragte er den Alleinverdienerabsetzbetrag und gab an, dass er für drei Kinder für mindestens sieben Monate die Familienbeihilfe bezogen habe.
Die (erklärungsgemäße) Veranlagung des Mitbeteiligten führte zu einer Abgabennachforderung.
Der Mitbeteiligte erhob Berufung gegen den Einkommensteuerbescheid und erklärte, sich keiner Schuld an der offenbar unrichtigen Lohnsteuerabfuhr durch den Arbeitgeber bewusst zu sein. Möglicherweise liege dem Finanzamt auch ein falscher Lohnzettel vor. Er könne dies nicht kontrollieren und ziehe hiemit seinen Antrag auf Durchführung einer Arbeitnehmerveranlagung für das Jahr 2005 zurück.
In seiner abweisenden Berufungsvorentscheidung vertrat das Finanzamt die Ansicht, dass eine Zurücknahme des Antrages auf Durchführung einer Arbeitnehmerveranlagung im Beschwerdefall nicht möglich sei, weil "bei den Lohnberechnungen der Alleinverdienerabsetzbetrag 5 Kinder" berücksichtigt worden sei. Da der Mitbeteiligte nur für drei Kinder Familienbeihilfe bezogen habe, müsse "der Übergenuss von Amts wegen rückgerechnet werden".
Der Mitbeteiligte stellte den Antrag auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz.
Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung Folge und hob den bekämpften Einkommensteuerbescheid 2005 ersatzlos auf. Der Pflichtveranlagungstatbestand des § 41 Abs. 1 Z 5 EStG 1988 liege entgegen der Ansicht des beschwerdeführenden Finanzamtes nicht vor. Seit der Neuregelung des Alleinverdienerabsetzbetrages (durch das StReformG 2005) bestünden - in Abhängigkeit von der Anzahl der Kinder - mehr als zwei Möglichkeiten der Gewährung des Alleinverdienerabsetzbetrages. Dennoch habe der Gesetzgeber die Bestimmung des § 41 Abs. 1 Z 5 EStG 1988 nicht der Neuregelung angepasst, sondern stelle nach wie vor nur darauf ab, ob der Alleinverdienerabsetzbetrag zustehe oder nicht. Der Mitbeteiligte habe im Jahr 2005 die Voraussetzungen für die Gewährung des Alleinverdienerabsetzbetrages und zwar in Höhe von 889 EUR erfüllt. Dass der Arbeitgeber den Alleinverdienerabsetzbetrag in unrichtiger Höhe berücksichtigt habe, sei ein Umstand, der nicht von der Bestimmung des § 41 Abs. 1 Z 5 leg.cit. erfasst werde.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die vom Finanzamt gemäß § 292 BAO erhobene Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens gehen zutreffend davon aus, dass ein Antrag gemäß § 41 Abs. 2 EStG 1988 bis zur Rechtskraft der Arbeitnehmerveranlagung zurückgezogen werden kann (vgl. mit grundsätzlichen Ausführungen das einen Antrag gemäß § 65 Abs. 3 BewG betreffende hg. Erkenntnis vom 28. Mai 1997, 94/13/0273).
Im Beschwerdefall ist daher entscheidend, ob einer der im § 41 Abs. 1 EStG 1988 normierten Pflichtveranlagungstatbestände - gegenständlich dessen Z 5 - vorliegt.
Das beschwerdeführende Finanzamt bringt vor, § 41 Abs. 1 Z 5 EStG 1988 korreliere mit der in § 129 Abs. 1 EStG 1988 verankerten Pflicht des Arbeitnehmers, dem Arbeitgeber auf einem amtlichen Vordruck eine Erklärung über das Vorliegen der Voraussetzungen des § 33 Abs. 4 Z 1 leg.cit. abzugeben. In dieser Erklärung seien Name und Versicherungsnummer des Ehepartners und der Kinder (§ 106 EStG) anzugeben. Änderungen der Verhältnisse müsse der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber innerhalb eines Monats melden. Eine solche Änderungsmeldung sei daher sowohl dann zu übermitteln, wenn der Alleinverdienerabsetzbetrag dem Grunde nach nicht zustehe, als auch bei Änderungen in der Anzahl der für den so genannten Kinderzuschlag heranzuziehenden Kinder.
Gemäß § 41 Abs. 1 Z 5 EStG 1988 ist der Steuerpflichtige zu veranlagen, wenn der Alleinverdiener- oder der Alleinerzieherabsetzbetrag berücksichtigt wurde, aber die Voraussetzungen nicht vorlagen.
§ 33 Abs. 4 Z 1 EStG 1988 in der Fassung des StReformG 2005, BGBl. I Nr. 57/2004, lautet auszugsweise:
"Zur Abgeltung gesetzlicher Unterhaltsverpflichtungen stehen nachfolgende Absetzbeträge zu:
1. Einem Alleinverdiener steht ein Alleinverdienerabsetzbetrag zu. Dieser beträgt jährlich
-
ohne Kind 364 Euro
-
bei einem Kind (§ 106 Abs. 1) 494 Euro
-
bei zwei Kindern (§ 106 Abs. 1) 669 Euro.
Dieser Betrag erhöht sich für das dritte und jedes weitere Kind (§ 106 Abs. 1) um jeweils 220 Euro jährlich. Alleinverdiener ist ein Steuerpflichtiger, der mehr als sechs Monate im Kalenderjahr verheiratet ist und von seinem unbeschränkt steuerpflichtigen Ehegatten nicht dauernd getrennt lebt. ..."
§ 129 Abs. 1 EStG 1988 in der Fassung des StReformG 2005, BGBl. I Nr. 57/2004, lautet:
"(1) Für die Inanspruchnahme des Alleinverdiener- oder des Alleinerzieherabsetzbetrages hat der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber auf einem amtlichen Vordruck eine Erklärung über das Vorliegen der Voraussetzungen gemäß § 33 Abs. 4 Z 1 oder 2 abzugeben. In dieser Erklärung sind Name und Versicherungsnummer des Ehepartners und von Kindern (§ 106 Abs. 1) anzugeben. Der Arbeitgeber hat die Erklärung des Arbeitnehmers zum Lohnkonto (§ 76) zu nehmen. Änderungen der Verhältnisse muss der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber innerhalb eines Monates melden. Ab dem Zeitpunkt der Meldung über die Änderung der Verhältnisse hat der Arbeitgeber den Alleinverdiener- oder den Alleinerzieherabsetzbetrag nicht mehr oder in geänderter Höhe zu berücksichtigen.
Im § 41 Abs. 1 EStG 1988 werden die Voraussetzungen für eine Veranlagung von Amts wegen festgelegt, wenn im Einkommen lohnsteuerpflichtige Einkünfte enthalten sind. Sind die Voraussetzungen nach § 41 leg.cit. gegeben, so wird ein fehlerhafter Lohnsteuerabzug - soweit nicht einer der in Abs. 4 leg.cit. genannten Ausnahmefälle vorliegt - bei der Veranlagung korrigiert (vgl. Hofstätter/Reichel, EStG 1988, § 41 Tz. 3).
Seit der Neufassung des § 33 Abs. 4 Z 1 EStG 1988 durch das StReformG 2005 kennt das EStG nicht nur "einen" Alleinverdiener- (Alleinerzieher-)absetzbetrag, dessen Voraussetzungen entweder vorliegen können oder nicht, sondern nach der Anzahl der Kinder iSd § 106 Abs. 1 EStG 1988 gestaffelte Absetzbeträge. Demgemäß treffen den Arbeitnehmer auch entsprechende Erklärungs- und Meldepflichten bei Änderung der Verhältnisse, u.a. hinsichtlich der Zahl der Kinder iSd § 106 Abs. 1 EStG 1988. Der gegenständliche Pflichtveranlagungstatbestand stellt allerdings - anders als der mit dem AbgSiG 2007 neu eingeführte Pflichtveranlagungstatbestand der Z 6 leg.cit. - nicht darauf ab, ob der Arbeitnehmer eine unrichtige Erklärung abgegeben hat oder seiner Meldepflicht gemäß § 129 Abs. 1 EStG 1988 nicht nachgekommen ist.
Da nach § 33 Abs. 4 Z 1 EStG 1988 in der Fassung BGBl. I Nr. 57/2004 unterschiedliche, von der Anzahl der Kinder abhängige Alleinverdienerabsetzbeträge zu berücksichtigen sind, stellt auch die Anzahl der Kinder iSd § 106 Abs. 1 EStG 1988 ein Tatbestandselement für die Gewährung des jeweiligen Alleinverdienerabsetzbetrages dar. Nach der durch das StReformG 2005 gestalteten Rechtslage besteht daher - anders als von der belangten Behörde vertreten - nicht mehr "ein" Alleinverdienerabsetzbetrag, der dem Grunde nach zusteht, sondern sind je nach der Anzahl der Kinder iSd § 106 Abs. 1 EStG 1988 unterschiedliche Absetzbeträge zu berücksichtigen. Liegen die Voraussetzungen für die Gewährung des jeweiligen Absetzbetrages nicht vor, ist der Tatbestand des § 41 Abs. 1 Z 5 EStG 1988 erfüllt. Der von der belangten Behörde vermissten Anpassung der entsprechenden Gesetzesbestimmung bedurfte es dazu nicht.
Im Beschwerdefall ist sachverhaltsbezogen unbestritten, dass der Arbeitgeber beim Lohnsteuerabzug den Alleinverdienerabsetzbetrag bei fünf Kindern iSd § 106 Abs. 1 EStG 1988 berücksichtigt hat, die Voraussetzungen hiefür aber nicht vorlagen.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Wien, am 18. November 2008
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2008:2006150320.X00Im RIS seit
15.12.2008Zuletzt aktualisiert am
19.08.2009