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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
BAG 1969 §2 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gruber und die Hofräte Dr. Rigler und Dr. Grünstäudl als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Eisner, über die Beschwerde des F M in G, vertreten durch Dr. Martin Holzer, Rechtsanwalt in 8600 Bruck an der Mur, Herzog Ernst Gasse 2a, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes der Steiermark vom 9. November 2004, Zl. A14-23/68-04/3, betreffend Untersagung der Ausbildung von Lehrlingen nach dem Berufsausbildungsgesetz, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seinen Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Schreiben vom 28. Juli 2003 stellte die Kammer für Arbeiter und Angestellte für die Steiermark bei der Gewerbebehörde der Stadt Graz den Antrag, der M. GmbH die Ausbildungsberechtigung gemäß § 4 Abs. 4 lit. d des Berufsausbildungsgesetzes (BAG) zu entziehen, weil in diesem Lehrbetrieb nach Aussagen von Lehrlingen grobe Pflichtverletzungen (v.a. verbale Beleidigungen der Lehrlinge sowohl durch den Geschäftsführer und als auch den Ausbilder der M. GmbH sowie Heranziehung der Lehrlinge zu berufsfremden Tätigkeiten) stattgefunden hätten. Aus den Lehrverträgen, die diesem Schreiben angeschlossen waren, ergibt sich, dass die M. GmbH Lehrberechtigte der besagten Lehrlinge und der Beschwerdeführer Geschäftsführer dieser GmbH ist, als Ausbilder der Lehrlinge ist der Sohn des Beschwerdeführers genannt. Auch im Schreiben vom 19. November 2003 wies die Wirtschaftskammer Steiermark gegenüber der Behörde darauf hin, dass Lehrberechtigte die M. GmbH sei und dass gemäß § 2 Abs. 1 BAG auch juristische Personen Lehrberechtigte sein können.
Mit Bescheid des Magistrates der Stadt Graz vom 5. Juli 2004 wurde dem Beschwerdeführer "in seiner Eigenschaft als handelsrechtlicher Geschäftsführer der M. GmbH ... bzw. als Lehreberechtigter dieses Betriebes" die Ausbildung von Lehrlingen gemäß § 4 Abs. 4 BAG dauerhaft untersagt. In der Begründung dieses Bescheides wurden die erwähnten Pflichtverletzungen als erwiesen angenommen und der Tatbestand des § 4 Abs. 4 lit. d leg. cit. als erfüllt angesehen. Dieser Bescheid war an den Beschwerdeführer zu Handen seines Rechtsvertreters adressiert.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid vom 5. Juli 2004 ab. In der Begründung traf sie Feststellungen zu den Pflichtverletzungen gegenüber den Lehrlingen, dies zum Zwecke der Beurteilung "ob dem Lehrberechtigten Herrn F. M. sen."
(Beschwerdeführer) eine Erfüllung des Tatbestandes des § 4 Abs. 4 lit. d BAG zur Last zu legen sei, was sie in ihrer rechtlichen Beurteilung letztlich bejahte .
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der die Behandlung dieser Beschwerde mit Beschluss vom 28. Februar 2005, B1583/04-4, abgelehnt und dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten hat. Der Beschwerdeführer hat seine Beschwerde gegenüber dem Verwaltungsgerichtshof ergänzt, die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Der Beschwerdeführer wendet sich in seiner Beschwerde zunächst gegen die Annahme der belangten Behörde, dass er selbst als Lehrberechtigter anzusehen sei. Vielmehr sei, wie auch die Aktenlage zeige, die M. GmbH die Lehrberechtigte gegenüber den genannten Lehrlingen . Dass der Beschwerdeführer handelsrechtlicher Geschäftsführer der M. GmbH sei, bewirke noch nicht, dass er damit auch selbst als Lehrberechtigter anzusehen sei. Mangels Lehrberechtigung könne dem Beschwerdeführer eine solche auch nicht entzogen werden, sodass ihm die Passivlegitimation fehle. Im Übrigen bestreitet der Beschwerdeführer die festgestellten Pflichtverletzungen.
In ihrer Gegenschrift verweist die belangte Behörde darauf, dass gemäß § 2 Abs. 1 BAG auch juristische Personen als "Lehrherren" in Betracht kommen. Da es sich im gegenständlichen Fall "beim Betrieb des nunmehrigen Beschwerdeführers um eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung handelt", und der Beschwerdeführer als alleiniger handelsrechtlicher Geschäftsführer fungiere, sei "ihm in seiner Eigenschaft als handelsrechtlicher Geschäftsführer" der M. GmbH die Lehrberechtigung zu entziehen gewesen.
Das Berufsausbildungsgesetz BGBl. Nr. 142/1969 in der hier maßgebenden Fassung BGBl. I Nr. 79/2003 (BAG) lautet auszugsweise:
"Der Lehrberechtigte
§ 2. (1) Lehrberechtigte im Sinne dieses Bundesgesetzes sind nach Maßgabe der Abs. 2 bis 5 natürliche und juristische Personen sowie Personengesellschaften des Handelsrechtes, bei denen Lehrlinge (§ 1) auf Grund eines Lehrvertrages (§ 12) zur Erlernung eines in der Lehrberufsliste (§ 7) angeführten Lehrberufes fachlich ausgebildet und im Rahmen dieser Ausbildung verwendet (§ 9) werden.
(2) Inhaber eines Gewerbes dürfen Lehrlinge in einem in der Lehrberufsliste angeführten Lehrberuf nur ausbilden, wenn
a)
...
b)
sie nicht nach den Bestimmungen des § 4 dieses Bundesgesetzes vom Recht zur Ausbildung von Lehrlingen ausgeschlossen sind,
c) ...
Der Ausbilder
§ 3. (1) Der Lehrberechtigte hat mit der Ausbildung von Lehrlingen andere Personen (Ausbilder) zu betrauen, die die Anforderungen des § 2 Abs. 2 lit. b und c erfüllen und in der Lage sind, sich im Lehrbetrieb (in der Ausbildungsstätte) entsprechend zu betätigen, sofern
1. der Lehrberechtigte eine juristische Person, eine Personengesellschaft des Handelsrechts, eine eingetragene Erwerbsgesellschaft oder eine natürliche Person, die zur Gewerbeausübung einen Geschäftsführer zu bestellen hat (§ 16 GewO 1994) und selbst nicht die Fachkenntnisse für die Ausbildung von Lehrlingen gemäß § 2 Abs. 2 lit. c nachweisen kann, ist, ...
Verbot des Ausbildens von Lehrlingen
§ 4. (1) ...
(4) Die Bezirksverwaltungsbehörde hat einem Lehrberechtigten nach Anhörung der für ihn zuständigen Fachgruppe (Fachvertretung, Kammer der gewerblichen Wirtschaft - Sektion Handel) und der Kammer für Arbeiter und Angestellte die Ausbildung von Lehrlingen zu untersagen,
...
d) wenn der Lehrberechtigte oder der Ausbilder die Pflichten gegenüber seinem Lehrling gröblich verletzt, insbesondere wenn eine dieser Personen an dem nicht entsprechenden Ergebnis einer Lehrabschlussprüfung Schuld trägt, Vereinbarungen betreffend eine Ausbildung im Rahmen eines Ausbildungsverbundes nicht einhält oder diese Personen bzw. die verwaltungsstrafrechtlich verantwortlichen Personen wiederholt gemäß § 32 Abs. 1 bestraft wurden und dennoch diesen Pflichten nicht nachgekommen sind, oder
...
10) Das Verfahren zur Untersagung der Ausbildung von Lehrlingen gemäß Abs. 4 ist von Amts wegen oder auf Antrag der Lehrlingsstelle, der Landeskammer der gewerblichen Wirtschaft oder der Kammer für Arbeiter und Angestellte einzuleiten. Anträge auf Untersagung der Ausbildung sind schriftlich zu stellen und zu begründen."
Im vorliegenden Beschwerdefall geht es um Pflichtverletzungen gegenüber Lehrlingen, deren Lehrberechtigte unstrittig die juristische Person M. GmbH ist (§ 2 Abs. 1 BAG) . Weder in den Sachverhaltsfeststellungen der belangten Behörde noch im Verwaltungsakt finden sich Anhaltspunkte dafür, dass gegenüber den in Rede stehenden Lehrlingen auch der Beschwerdeführer (als natürliche Person) Lehrberechtigter im Sinne der zuletzt genannten Bestimmung sei; auch in der Gegenschrift wird dies nicht behauptet.
Selbst wenn man daher mit der belangten Behörde die gegenständlichen Pflichtverletzungen als erwiesen zu Grunde legte, so könnte dies in Anwendung des im angefochtenen Bescheid herangezogenen § 4 Abs. 4 lit. d BAG nur dazu führen, dem Lehrberechtigten - hier also der M. GmbH - die Ausbildung von Lehrlingen zu untersagen. Hingegen bietet das Gesetz keine Grundlage für die offensichtliche Rechtsauffassung der belangten Behörde, dass in einem Fall wie dem vorliegenden dem handelsrechtlichen Geschäftsführer des Lehrberechtigten die Ausbildung von Lehrlingen zu untersagen sei. Insbesondere geht es im vorliegenden Fall nicht um die strafrechtliche Verantwortlichkeit, sodass § 9 Abs. 1 VStG hier nicht zur Anwendung kommt.
Die belangte Behörde hat den angefochtenen Bescheid somit auf eine unzutreffende Rechtsansicht gestützt, die zu einer Verletzung von subjektiven Rechten des Beschwerdeführers führt (vergleiche zur Rechtsfolge der rechtskräftigen Untersagung etwa § 2 Abs. 2 lit. b BAG).
Der angefochtene Bescheid war daher wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung beruht auf den § 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.
Wien, am 19. November 2008
Schlagworte
Besondere RechtsgebieteEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2008:2005040079.X00Im RIS seit
11.12.2008Zuletzt aktualisiert am
18.03.2009