TE Vfgh Erkenntnis 2003/10/11 V46/02

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Veröffentlicht am 11.10.2003
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Index

L2 Dienstrecht
L2400 Gemeindebedienstete

Norm

B-VG Art18 Abs2
B-VG Art139 Abs4
Dienst- und GehaltsO der Beamten der Landeshauptstadt Graz 1956 §74
Grazer DienstzulagenV 1982 §21

Leitsatz

Gesetzwidrigkeit einer Verordnungsbestimmung über den weiteren Bezug einer Dienstzulage bei Verwendungsänderung nur aufgrund der Gebührlichkeit der Zulage in der alten Verwendung und bei langer bisheriger Dienstzeit und einschlägiger Verwendung mangels gesetzlicher Grundlage

Spruch

§21 Abs2 erster Satz der Verordnung des Gemeinderates der Landeshauptstadt Graz vom 8. Juli 1982 betreffend die Dienstzulagen der Beamten der Landeshauptstadt Graz (Dienstzulagenverordnung 1982), kundgemacht im Amtsblatt der Landeshauptstadt Graz vom 29. Juli 1982, in der Fassung des Gemeinderatsbeschlusses vom 3. März 1994, kundgemacht im Amtsblatt der Landeshauptstadt Graz vom 7. April 1994, wird als gesetzwidrig aufgehoben.

Die Steiermärkische Landesregierung ist zur unverzüglichen Kundmachung dieser Aufhebung im Landesgesetzblatt für die Steiermark verpflichtet.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Beim Verwaltungsgerichtshof ist zur Geschäftszahl A2002/0012 (98/12/0445) ein Beschwerdeverfahren anhängig, dem folgender Sachverhalt zu Grunde liegt:

1.1. Die Beschwerdeführerin steht in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zur Landeshauptstadt Graz. Bis September 1995 bezog sie - eingestuft in die Verwendungsgruppe C - als "erste Schreibkraft des Bürgermeister-Stellvertreters" eine Dienstzulage gemäß §18a Abs1 Z4 der Dienstzulagenverordnung 1982. Mit Oktober 1995 wurde die Beschwerdeführerin in die Krankenfürsorgeanstalt für die Beamten der Landeshauptstadt Graz versetzt. Im Hinblick auf ihre dortige Tätigkeit wurde sie mit Beschluss des Stadtsenates vom 21. März 1997 mit Wirkung vom 1. Oktober 1996 in die Verwendungsgruppe B überstellt.

Mit Schreiben vom 12. Mai 1997 beantragte die Beschwerdeführerin die Weitergewährung der Dienstzulage gemäß §18a Abs1 Z4 der Dienstzulagenverordnung 1982 in voller Höhe.

1.2. Dieser Antrag wurde von der Dienstbehörde erster Instanz gemäß §74 Abs2 der Dienst- und Gehaltsordnung der Beamten der Landeshauptstadt Graz 1956 in Verbindung mit §21 Abs4 der Dienstzulagenverordnung 1982 idF des Gemeinderatsbeschlusses vom 28.9.1995 abgewiesen.

Dagegen erhob die Beschwerdeführerin Berufung und vertrat darin die Ansicht, mit Ablauf des März 1993 einen Rechtsanspruch darauf erworben zu haben, dass ihr im Fall einer Verwendungsänderung die Dienstzulage nach der Dienstzulagenverordnung 1982 verbleibe.

1.3. Mit Bescheid des Gemeinderates der Landeshauptstadt Graz vom 17. September 1998 wurde der Berufung nicht stattgegeben und der angefochtene Bescheid bestätigt. Begründend wurde ausgeführt, die Beschwerdeführerin habe mit März 1993 zehn Jahre hindurch eine Dienstzulage gemäß §18a Abs1 Z4 Dienstzulagenverordnung 1982 als erste Schreibkraft des Bürgermeister-Stellvertreters bezogen. §21 Abs2 Dienstzulagenverordnung 1982 idF des Gemeinderatsbeschlusses vom 27. Feber 1992 normiere, dass u.a. die Dienstzulagen gemäß §18a (für Bedienstete in politischen Sekretariaten sowie analogen Funktionen) im Fall einer Verwendungsänderung im zuletzt bezogenen Ausmaß verblieben, wenn der betroffene Beamte "mindestens zehn Jahre oder zwei Gemeinderatsperioden" in dieser Funktion tatsächlich verwendet worden sei. Die mit der neuen Verwendung verbundenen Dienstzulagen, Verwendungszulagen und monatlichen Nebengebühren seien gegenzuverrechnen. Die Beschwerdeführerin habe - durch die über zehn Jahre hindurch bezogene Dienstzulage - die Voraussetzung des §21 Abs2 Dienstzulagenverordnung 1982 erfüllt. Mit Oktober 1995 sei sie - bislang in der Verwendungsgruppe C eingestuft - in die Krankenfürsorgeanstalt für die Beamten der Landeshauptstadt Graz versetzt und im Hinblick auf ihre dortige Tätigkeit mit Wirkung vom 1. Oktober 1996 in die Verwendungsgruppe B überstellt worden.

Zum Zeitpunkt der Überstellung "sei §21 Abs2 der Dienstzulagenverordnung 1982 in der Fassung des Gemeinderatsbeschlusses vom 28. September 1995 (§21 Abs2 sei zuletzt mit Beschluss vom 3. März 1994 geändert worden)" anzuwenden gewesen. Danach verbleibe eine Dienstzulage im Fall einer Verwendungsänderung im zuletzt bezogenen Ausmaß, wenn der Beamte im Zeitpunkt der Verwendungsänderung eine für den Ruhegenuss anrechenbare Dienstzeit von mindestens fünfzehn Jahren und eine zehnjährige einschlägige Verwendung aufweise. Bei Überstellung in eine andere Verwendungsgruppe oder in ein anderes Schema sei - sofern eine Dienstzulage gemäß den voranstehenden Bestimmungen verbleibe - §73 Abs8 DGO anzuwenden. Gemäß dem ersten Satz dieser Bestimmung gebühre dem Beamten - sofern bei einer Überstellung das Gehalt in der neuen Verwendungsgruppe niedriger sei als das Gehalt, das dem Beamten jeweils in seiner bisherigen Verwendungsgruppe zukommen würde - eine für die Bemessung des Ruhegenusses anrechenbare Ergänzungszulage auf dieses Gehalt. Für die Bemessung des Ruhegenusses anrechenbare Zulagen - ausgenommen die Verwendungszulage - seien bei der Ermittlung dem Gehalt zuzurechnen.

Die Beschwerdeführerin habe im März 1993 die Voraussetzungen nach §21 Abs2 Dienstzulagenverordnung 1982 idF des Gemeinderatsbeschlusses vom 27. Feber 1992 erfüllt. Diese Verordnung sei mit Gemeinderatsbeschluss vom 3. März 1994 und 28. September 1995 novelliert worden. Für den angefochtenen Bescheid sei entscheidend gewesen, welche Rechtslage anzuwenden sei. Im gegenständlichen Fall sei der Zeitpunkt der Überstellung (1. Oktober 1996) für die anzuwendende Rechtslage maßgebend.

Gegen diesen Bescheid richtete sich die auf Art131 B-VG gestützte Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof.

2. Aus Anlass dieser Beschwerde stellte der Verwaltungsgerichtshof an den Verfassungsgerichtshof gemäß Art139 Abs1 B-VG den Antrag,

"§21 Abs2 erster Satz der Dienstzulagenverordnung 1982 des Gemeinderates der Landeshauptstadt Graz vom 8. Juli 1982, kundgemacht im Amtsblatt der Landeshauptstadt Graz vom 29. Juli 1982, in der Fassung dieses Satzes durch den Gemeinderatsbeschluss vom 3. März 1994, kundgemacht im Amtsblatt der Landeshauptstadt Graz vom 7. April 1994, als gesetzwidrig aufzuheben,

in eventu

festzustellen, dass §21 Abs2 erster Satz der Dienstzulagenverordnung 1982 des Gemeinderates der Landeshauptstadt Graz vom 8. Juli 1982, kundgemacht im Amtsblatt der Landeshauptstadt Graz vom 29. Juli 1982, in der Fassung dieses Satzes durch den Gemeinderatsbeschluss vom 3. März 1994, kundgemacht im Amtsblatt der Landeshauptstadt Graz vom 7. April 1994, gesetzwidrig war."

3.1. §21 der Dienstzulagenverordnung 1982, in der - vom Verwaltungsgerichtshof angefochtenen - Fassung des Gemeinderatsbeschlusses vom 3. März 1994 (im Folgenden: DienstzulagenVO), lautet auszugsweise wie folgt (der als bedenklich erachtete Satz ist hervorgehoben):

"§21

Verwendungsänderung

(1) Bei einer Verwendungsänderung werden, sofern in den folgenden Absätzen nicht anderes bestimmt ist, die Dienstzulagen eingestellt.

(2) Eine Dienstzulage verbleibt im zuletzt bezogenen Ausmaß, wenn der Beamte im Zeitpunkt der Verwendungsänderung eine für den Ruhegenuß anrechenbare Dienstzeit von mindestens fünfzehn Jahren und eine zehnjährige einschlägige Verwendung aufweist. Bei einer Verwendungsänderung aus disziplinären Gründen wird - sofern die Dienstpflichtverletzung mit der Verhängung einer Disziplinarstrafe geahndet wird - die Dienstzulage jedenfalls eingestellt.

...

(5) Bei Verbleiben einer Dienstzulage gemäß den Absätzen 2 bis 4 sind mit der neuen Verwendung verbundene Dienstzulagen, Verwendungszulagen und monatliche Nebengebühren gegenzuverrechnen. Bei einer Überstellung in eine andere Verwendungsgruppe oder in ein anderes Schema ist - sofern eine Dienstzulage gemäß den voranstehenden Bestimmungen verbleibt - §73 Abs8 der Dienst- und Gehaltsordnung anzuwenden."

3.2. §73 der Dienst- und Gehaltsordnung der Beamten der Landeshauptstadt Graz 1956, LGBl. 1957/30, in der hier maßgeblichen Fassung LGBl. 1989/37, sowie §74 Abs2 leg.cit. in der Fassung LGBl. 1968/126, auf den die angefochtene Verordnung vor allem gestützt ist [die organisationsrechtliche Bestimmung des §45 Abs2 des Statutes der Landeshauptstadt Graz 1967, LGBl. Nr. 130, kann hier außer Betracht bleiben], lauten auszugsweise wie folgt:

§73

Überstellung

(1) Überstellung ist die Ernennung zum Beamten eines anderen Schemas oder einer anderen Verwendungsgruppe.

...

(8) Ist das jeweilige Gehalt in der neuen Verwendungsgruppe niedriger als das Gehalt, das dem Beamten jeweils in seiner bisherigen Verwendungsgruppe zukommen würde, so gebührt dem Beamten eine für die Bemessung des Ruhegenusses anrechenbare Ergänzungszulage auf dieses Gehalt. ... Für die Bemessung des Ruhegenusses anrechenbare Zulagen - ausgenommen die Verwendungszulage - sind bei der Ermittlung der Ergänzungszulage dem Gehalt zuzurechnen. ...

§74

Dienstalterszulagen, Dienstzulagen, Belohnungen

(1) ...

(2) Der Gemeinderat kann verfügen, daß den Beamten Dienstzulagen zukommen. Dienstzulagen können unter Berücksichtigung der Vorbildung, der Besonderheit der Verwendung bzw. der Beanspruchung des Beamten in Beträgen bis zu monatlich 20 v.H. der Endbezüge der höchsten Dienstklasse seiner Verwendungsgruppe festgesetzt und für die Bemessung des Ruhegenusses anrechenbar erklärt werden."

4. Zur Präjudizialität der angefochtenen Verordnungsbestimmung in dem bei ihm anhängigen Beschwerdeverfahren sowie zu seinen Bedenken gegen diese Bestimmung führt der Verwaltungsgerichtshof in der Begründung seines Anfechtungsantrages Folgendes aus:

"Gestützt auf [§74 Abs2 DGO in der Fassung LGBl. 1968/126] hat der Gemeinderat der Landeshauptstadt Graz die Verordnung vom 8. Juli 1982 betreffend die Dienstzulagen der Beamten der Landeshauptstadt Graz (Dienstzulagenverordnung 1982), kundgemacht im Amtsblatt der Landeshauptstadt Graz Nr. 11/12 aus 1982, erlassen und in der Folge mehrfach novelliert. §21 der Dienstzulagenverordnung 1982 in der Fassung der Verordnung des Gemeinderates vom 8. Juli 1982 lautet:

'§21

Verwendungsänderung

(1) Bei der Verwendungsänderung werden, sofern in den folgenden Absätzen nichts anderes bestimmt ist, die Dienstzulagen eingestellt.

(2) Die Dienstzulagen gemäß den §§14 und 18a verbleiben im Falle einer Verwendungsänderung im zuletzt bezogenen Ausmaß, wenn der Beamte mindestens zehn Jahre oder zwei Gemeinderatsperioden in diesen Funktionen tatsächlich verwendet wurde. Mit der neuen Verwendung verbundene Dienstzulagen, Verwendungszulagen und monatliche Nebengebühren sind gegenzuverrechnen.'

Mit Beschluss vom 3. März 1994, kundgemacht im Amtsblatt der Landeshauptstadt Graz Nr. 6 aus 1994, fasste der Gemeinderat diese Bestimmung - wie folgt - neu (der angefochtene Satz ist kursiv ausgewiesen):

'§21

Verwendungsänderung

(1) Bei einer Verwendungsänderung werden, sofern in den folgenden Absätzen nicht anderes bestimmt ist, die Dienstzulagen eingestellt.

(2) Eine Dienstzulage verbleibt im zuletzt bezogenen Ausmaß, wenn der Beamte im Zeitpunkt der Verwendungsänderung eine für den Ruhegenuss anrechenbare Dienstzeit von mindestens fünfzehn Jahren und eine zehnjährige einschlägige Verwendung aufweist. Bei einer Verwendungsänderung aus disziplinären Gründen wird - sofern die Dienstpflichtverletzung mit der Verhängung einer Disziplinarstrafe geahndet wird - die Dienstzulage jedenfalls eingestellt.

...

(5) Bei Verbleiben einer Dienstzulage gemäß den Absätzen 2 bis 4 sind mit der neuen Verwendung verbundene Dienstzulagen, Verwendungszulagen und monatliche Nebengebühren gegenzuverrechnen. Bei einer Überstellung in eine andere Verwendungsgruppe oder in ein anderes Schema ist - sofern eine Dienstzulage gemäß den voranstehenden Bestimmungen verbleibt - §73 Abs8 der Dienst- und Gehaltsordnung anzuwenden.'

Mit Beschluss vom 28. September 1995, kundgemacht im Amtsblatt der Landeshauptstadt Graz Nr. 19 aus 1995 vom 25. Oktober 1995, fasste der Gemeinderat diese Bestimmung dahingehend neu, dass §21 Abs3 dieser Verordnung entfiel und die bisherigen Absätze 4 und 5 die Bezeichnung '(3)' und '(4)' erhielten.

Schließlich beschloss der Gemeinderat der Landeshauptstadt Graz am 29. Oktober 1997, kundgemacht im Amtsblatt der Landeshauptstadt Graz Nr. 21 aus 1997 am 20. November 1997, folgende Neufassung von §21 Abs2 und 4 der Dienstzulagenverordnung 1982:

'(2) Bei einer Verwendungsänderung verbleibt eine Dienstzulage im zuletzt bezogenen Ausmaß, wenn der Beamte im Zeitpunkt der Verwendungsänderung diese zumindest drei Jahre hindurch bezogen hat. Wird ein Beamter aus Gründen, die er selbst zu vertreten hat, durch Verwendungsänderung oder Versetzung von seinem bisherigen Arbeitsplatz abberufen, so wird die Dienstzulage jedenfalls eingestellt. Gründe, die vom Beamten nicht zu vertreten sind, sind insbesondere

a) Organisationsänderungen und

b) Krankheiten und Gebrechen, wenn sie der Beamte nicht vorsätzlich herbeigeführt hat.'

'(4) Eine gemäß Abs2 verbliebene Dienstzulage ist um jenen Betrag zu kürzen, der sich aus der Summe der auf Grund der neuen Verwendung gebührenden Dienstzulagen, Verwendungszulagen und monatlichen Nebengebühren ergibt. Weiters ist sie nach Maßgabe des Erreichens eines höheren Monatsbezuges gemäß den §§70 und 74 Abs1 DO zu kürzen bzw. einzuziehen.'

Nach ArtII Abs2 dieser Novelle ist auf Bedienstete, die bis zum 31. Dezember 1999 die Anspruchsvoraussetzungen für das Verbleiben einer Dienstzulage 'gemäß §21, i.d.F. vor dem Inkrafttreten dieser Verordnung', erfüllen, diese Bestimmung in der bis zum Ablauf des dem Inkrafttreten dieser Verordnung vorangegangenen Tages geltenden Fassung weiterhin anzuwenden. Nach ArtII Abs1 trat diese Novelle mit dem der Kundmachung folgenden Monatsersten [dh. mit 1.12.1997] in Kraft.

Gegenstand des angefochtenen Bescheides ist die Abweisung eines Antrages auf Weitergewährung der Dienstzulage nach §18a Abs1 Z. 4 der Dienstzulagenverordnung 1982. Die Beschwerdeführerin sieht die inhaltliche Rechtswidrigkeit darin, dass sie gemäß §21 Abs2 der genannten Verordnung einen Anspruch auf Weitergewährung dieser Dienstzulage habe. Den - insofern unbestrittenen - Feststellungen des angefochtenen Bescheides zufolge wurde die Beschwerdeführerin 'mit Oktober 1995' versetzt und mit Wirksamkeit vom l. Oktober 1996 von der Verwendungsgruppe C in die Verwendungsgruppe B überstellt, sodass der Verwaltungsgerichtshof davon ausgeht, dass - auf den Zeitpunkt der Verwendungsänderung abgestellt - §21 Abs2 der Dienstzulagenverordnung 1982 in der Fassung dieses Absatzes durch den Gemeinderatsbeschluss vom 3. März 1994 anwendbar ist.

Eine Anwendung der Rechtslage auf Grund der Novelle durch den Gemeinderatsbeschluss vom 20. November 1997 kommt nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes nur bei Verwendungsänderungen in Betracht, die nach dem In-Kraft-Treten dieser Novelle erfolgten und die überdies nicht von der Übergangsbestimmung des ArtII Abs2 dieser Novelle erfasst sind.

Die Dienstzulagenverordnung 1982 nennt als gesetzliche Grundlage ausdrücklich §74 Abs2 DGO. ... §74 Abs2 erster Satz DGO ermächtigt den Gemeinderat, den Beamten Dienstzulagen zuzuerkennen. Diesem Satz sind keine Determinanten für die Zuerkennung solcher Dienstzulagen zu entnehmen. Um ein Auslegungsergebnis zu vermeiden, bei dem diese Bestimmung gänzlich undeterminiert bliebe, ist davon auszugehen, dass der Verordnungsgeber nur nach den im zweiten Satz dieses Absatzes genannten Kriterien Dienstzulagen vorsehen darf.

Demnach dürfen diese Dienstzulagen nur unter Berücksichtigung der

Vorbildung, der Besonderheit der Verwendung bzw. der Beanspruchung

des Beamten in Beträgen bis zu monatlich 20 von Hundert der Endbezüge

der höchsten Dienstklasse seiner Verwendungsgruppe festgesetzt und

für die Bemessung des Ruhegenusses anrechenbar erklärt werden. Damit

nennt §74 Abs2 DGO bestimmte Gesichtspunkte, unter denen

Dienstzulagen - gegebenenfalls auch pauschaliert - festgesetzt werden

können. Gemeinsam ist diesen Gesichtspunkten die

Verwendungsbezogenheit, die auf die aktuelle qualitative und

quantitative Auslastung des Beamten abstellt (vgl. etwa '... unter

Berücksichtigung der ... Besonderheit der Verwendung bzw.

Beanspruchung ...'). Das ebenfalls verwendete Kriterium der 'Vorbildung' erlaubt es nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes nicht, von der Verwendungsbezogenheit abzusehen. Unter 'Vorbildung' ist nicht der Erfahrungszugewinn im Dienstverhältnis zu verstehen, sondern das Wissen, das schon in das Dienstverhältnis eingebracht wird und für die Verwendung nutzbar gemacht werden kann; der Hinweis auf das Kriterium der 'Vorbildung' stellt daher gleichfalls eine Bezugnahme auf eine solche für die konkrete, aktuelle Verwendung dar.

§74 Abs2 DGO enthält demnach nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes keine Ermächtigung für eine 'Behalteregel' bei Verwendungsänderungen; §74 Abs2 letzter Halbsatz DGO, wonach Dienstzulagen vom Gemeinderat für die Bemessung des Ruhegenusses anrechenbar erklärt werden können, stellt nur eine gesetzliche Grundlage für die Festsetzung der Ruhegenussfähigkeit der Dienstzulagen dar, nicht jedoch für deren Weitergewährung an Beamte des Dienststandes, die die genannten Verwendungserfordernisse nicht mehr erfüllen.

§21 Abs2 erster Satz der Dienstzulagenverordnung 1982, der den Beamten ungeachtet seiner tatsächlichen weiteren Verwendung im Genuss einer Dienstzulage belässt, steht nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes mit §74 Abs2 DGO im oben aufgezeigten Verständnis nicht im Einklang."

5. Im Verordnungsprüfungsverfahren legte der Gemeinderat der Landeshauptstadt Graz als verordnungserlassende Behörde die Verordnungsakten vor und erstattete eine Äußerung, in der er den vom Verwaltungsgerichtshof geäußerten Bedenken Folgendes entgegenhält:

"§21 der Dienstzulagenverordnung 1982 des Gemeinderates der Landeshauptstadt Graz vom 8. Juli 1982, zuletzt in der Fassung des Gemeinderatsbeschlusses vom 29.11.2001, regelt die Einstellung von Dienstzulagen bei Eintritt einer Verwendungsänderung bzw. das Verbleiben einer Dienstzulage trotz Wegfalls der zulagenanspruchsbegründenden Tätigkeit unter bestimmten Voraussetzungen.

Die nach Maßgabe der Anträge des Verwaltungsgerichtshofes von der Aufhebung durch den Verfassungsgerichtshof bedrohte Bestimmung des §21 Abs2 erster Satz der Dienstzulagenverordnung 1982, in der Fassung des Gemeinderatsbeschlusses vom 3. März 1994, normiert das Verbleiben einer Dienstzulage 'im zuletzt bezogenen Ausmaß, wenn der Beamte im Zeitpunkt der Verwendungsänderung eine für den Ruhegenuss anrechenbare Dienstzeit von mindestens fünfzehn Jahren und eine zehnjährige einschlägige Verwendung aufweist'.

Als gesetzliche Grundlage für die Dienstzulagenverordnung 1982 dient §74 Abs2 der Dienst- und Gehaltsordnung der Beamten der Landeshauptstadt Graz 1956, LGBl. Nr. 30/1957, in der Fassung der Novelle LGBl. Nr. 62/2001, wonach der Gemeinderat verfügen kann, 'dass den Beamten Dienstzulagen zukommen. Dienstzulagen können unter Berücksichtigung der Vorbildung, der Besonderheit der Verwendung bzw. der Beanspruchung des Beamten in Beträgen bis zu monatlich 20 v.H. der Endbezüge der höchsten Dienstklasse seiner Verwendungsgruppe festgesetzt und für die Bemessung des Ruhegenusses anrechenbar erklärt werden'.

Der Verwaltungsgerichtshof vertritt die Auffassung, dass die ggstdl. Bestimmung der Dienst- und Gehaltsordnung keine Ermächtigung für eine 'Behalteregel' bei Verwendungsänderungen umfasst. Anknüpfungspunkt für die Zuerkennung bzw. Gewährung einer Dienstzulage sei ausschließlich die konkrete Verwendung eines Beamten, seine aktuelle qualitative und quantitative Auslastung. Wird die anspruchsbegründende Tätigkeit nicht mehr ausgeübt, müsse mit dem Zeitpunkt der Verwendungsänderung die Einstellung der Dienstzulage erfolgen.

Der Auffassung der Verwaltungsgerichtshofes ist insofern beizupflichten, als die Zuerkennung einer Dienstzulage entsprechend den mit einer bestimmten dienstlichen Verwendung verbundenen Umständen im Sinne des §74 Abs2 zweiter Satz der Dienst- und Gehaltsordnung zu erfolgen hat. Dem entsprechend sind in der Dienstzulagenverordnung 1982 die in §1 der Verordnung taxativ aufgelisteten Dienstzulagen für bestimmte Bedienstetengruppen bzw. für bestimmte Tätigkeiten festgesetzt. Den einschlägigen Verwendungen gemeinsam ist das Kennzeichen, dass sie im Regelfall über sehr lange Zeiträume, wenn nicht die gesamte dienstliche Laufbahn hindurch ausgeübt werden. Typisch ist also nicht der Wechsel von zulagenbegründenden Tätigkeiten, sondern deren Ausübung über (sehr) lange Zeiträume. Daher unterliegt auch der Bezug von Dienstzulagen in seiner Gesamtheit geringen Veränderungen. Unter quantitativen Gesichtspunkten ist die Aussage zu treffen, dass Änderungen betreffend dienstliche Tätigkeiten, die einen Anspruch auf eine Dienstzulage begründen, die Ausnahme darstellen. Ein Dienstnehmer, der eine derartige Tätigkeit übernimmt, kann sohin davon ausgehen, dass der mit der betreffenden Verwendung einhergehende Dienstzulagenanspruch ein dauerhafter ist, zumindest über einen langen Zeitraum entsprechend dem absehbaren Laufbahnverlauf besteht. Seitens des betroffenen Dienstnehmers besteht somit grundsätzlich die Aussicht auf einen andauernden Einkommensbestandteil in Form der Dienstzulage.

Zum Schutze des Vertrauens des einzelnen Mitarbeiters auf Erhalt der mit seiner Tätigkeit verbundenen Dienstzulage hat der Gemeinderat im Rahmen der Beschlussfassung am 8. Juli 1982 über die Dienstzulagen der Beamten der Landeshauptstadt Graz 'Verbleibensregelungen' bei Verwendungsänderungen erlassen. Im Zuge seiner Beschlussfassung vom 3. März 1994 hat er den in Rede stehenden §21 Abs2 erster Satz der Dienstzulagenverordnung 1982, wonach eine Dienstzulage trotz Verwendungsänderung für den Fall verbleibt, dass eine für den Ruhegenuss anrechenbare Dienstzeit von mindestens 15 Jahren und eine 10-jährige einschlägige Verwendung vorliegt, angepasst. Diese Bestimmung soll sicherstellen, dass ein Bediensteter im Falle einer Verwendungsänderung keine Schmälerung seines Einkommens durch den Wegfall einer Dienstzulage erleidet, zumal die Aussicht auf eine dauerhafte Zulagenregelung zumindest ein mitbestimmendes Moment für den Entschluss des Bediensteten war, eine Funktion zu übernehmen, die mit persönlichen Belastungen verbunden ist, welche monetär im Wege der Gewährung einer Dienstzulage abgegolten werden.

Der Bedienstete übt seine Funktion gewissermaßen im Vertrauen darauf aus, dass er bei Erfüllen der in §21 Abs2 erster Satz der Dienstzulagenverordnung 1982 normierten Voraussetzungen (Verwendungsdauer, ruhegenussfähige Dienstzeit) eine Schmälerung seines Einkommens im Wege einer allfälligen Einstellung der Dienstzulage nicht zu gewärtigen braucht. Erschwerend kommt hinzu, dass Verwendungsänderungen - auch wenn sie typischerweise die Ausnahme darstellen - auf einer Entscheidung des Dienstgebers beruhen, die nicht im Einklang mit den Interessen des Bediensteten stehen muss. Gerade in einem derartigen Fall kommt dem Aspekt der Vermeidung eines Einkommensverlustes besondere Bedeutung zu. Vor diesem Hintergrund würde die Einstellung der Dienstzulage wohl einen qualifizierten Vertrauensbruch darstellen.

Die Aufhebung der in Rede stehenden Bestimmung durch den Verfassungerichtshof stünde im Widerspruch zum Anspruch des einzelnen Bediensteten als Dienstzulagenbezieher, vor nachträglicher Belastung durch Änderung jener normativen Grundlagen, die seine individuelle dienstliche Laufbahn und Einkommenssituation maßgeblich beeinflussen, geschützt zu werden. Insbesondere gilt dies für jene Dienstnehmer, denen eine Dienstzulage nach erfolgter Verwendungsänderung bereits verblieben ist, aber auch für jene, die die für ein Verbleiben der Dienstzulage normierten Voraussetzungen (Dauer der einschlägigen Verwendung, Ausmaß der für den Ruhegenuss anrechenbaren Dienstzeit) bereits erfüllen bzw. die einschlägigen Dienstzeiten zu einem großen Teil bereits zurückgelegt haben. Hinsichtlich dieser Bediensteten wäre die Aufhebung des §21 Abs2 erster Satz der Dienstzulagenverordnung 1982 ein massiver Eingriff in bereits erworbene Rechtspositionen."

II. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:

1.1. Nach Lage des beim Verwaltungsgerichtshof anhängigen Beschwerdefalles besteht kein Zweifel daran, dass der Verwaltungsgerichtshof die Bestimmung des §21 Abs2 DienstzulagenVO, in der hier bekämpften Fassung, anzuwenden hätte.

1.2. Da auch die übrigen Prozessvoraussetzungen vorliegen, ist der Verordnungsprüfungsantrag zulässig.

2.1. In der Sache bringt der Verwaltungsgerichtshof gegen die Gesetzmäßigkeit der angefochtenen Verordnungsbestimmung iW vor, dass der Verordnungsgeber Dienstzulagen gemäß §74 Abs2 DGO nur nach den im zweiten Satz dieser Bestimmung genannten Kriterien vorsehen dürfe. Es handle sich dabei durchwegs um Gesichtspunkte, denen die Verwendungsbezogenheit, die auf die aktuelle qualitative und quantitative Auslastung des Beamten abstelle, gemeinsam sei. §74 Abs2 DGO enthalte daher nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes keine Ermächtigung für eine "Behalteregel" bei Verwendungsänderungen.

2.2. Mit dieser Auffassung ist der Verwaltungsgerichtshof im Recht.

Gemäß §74 Abs2 DGO kann der Gemeinderat verfügen, dass den Beamten Dienstzulagen zukommen, die "unter Berücksichtigung der Vorbildung, der Besonderheit der Verwendung bzw. der Beanspruchung des Beamten ... festgesetzt ... werden". Mit dem Wortlaut dieser Bestimmung ist es nicht zu vereinbaren, einem Beamten im Falle der Änderung seiner Verwendung eine Dienstzulage - ohne "Berücksichtigung der Vorbildung, der Besonderheit der Verwendung bzw. der Beanspruchung des Beamten" - allein deshalb weiterhin zukommen zu lassen, weil diese Dienstzulage für die bisherige Verwendung des Beamten vorgesehen ("festgesetzt") war. §74 Abs2 DGO bildet also keine Grundlage dafür, im Fall einer Verwendungsänderung ein "Verbleiben" der vordem bezogenen Dienstzulage auch dann vorzusehen, wenn für die neue Verwendung eine solche nicht in Betracht kommt.

2.3. Mit Beschluss des Gemeinderates der Landeshauptstadt Graz vom 29. Oktober 1997, kundgemacht im Amtsblatt der Landeshauptstadt Graz vom 20. November 1997, wurde (u.a.) §21 Abs2 der Dienstzulagenverordnung 1982, in der - vom Verwaltungsgerichtshof angefochtenen - Fassung des Gemeinderatsbeschlusses vom 3. März 1994, kundgemacht im Amtsblatt der Landeshauptstadt Graz vom 7. April 1994, neu gefasst. Der Verfassungsgerichtshof hatte sich dennoch nicht darauf zu beschränken, im Sinne des Art139 Abs4 B-VG auszusprechen, dass diese Verordnungsbestimmung gesetzwidrig war; denn sie wurde zwar neu gefasst, ist aber gemäß ArtII Abs2 des zuletzt genannten Gemeinderatsbeschlusses auf Bedienstete, die bis zum 31. Dezember 1999 die Anspruchsvoraussetzungen für das Verbleiben einer Dienstzulage "gemäß §21 in der Fassung vor dem Inkrafttreten dieser Verordnung" erfüllen, weiterhin anzuwenden (vgl. VfSlg. 8709/1979, S 417, 11.666/1988, S 375, 12.843/1991, S 258).

3. Die Verpflichtung der Steiermärkischen Landesregierung zur Kundmachung dieses Ausspruches stützt sich auf Art139 Abs5 B-VG.

4. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne vorangegangene mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung gefasst werden.

Schlagworte

Dienstrecht, Verwendungszulage, Anwendbarkeit, Geltungsbereich (zeitlicher) einer Verordnung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2003:V46.2002

Dokumentnummer

JFT_09968989_02V00046_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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