Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AVG §66 Abs4;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Thienel und die Hofräte Dr. Händschke und Dr. Rosenmayr als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Kühnberg, über die Beschwerde des F S in L, vertreten durch Mag. Wolfgang Kempf, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Bürgerstraße 41, gegen den Bescheid der beim Bundesministerium für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz eingerichteten Bundesberufungskommission für Sozialentschädigungs- und Behindertenangelegenheiten vom 30. November 2006, Zl. 41.550/665- 9/06, betreffend Zurückweisung von Anträgen nach dem KOVG, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der am 18. August 1920 geborene Beschwerdeführer erlitt kriegsbedingt - soweit dies im vorliegenden Verfahren noch von Relevanz ist, u.a. - am 28. Dezember 1941 einen Schulterdurchschuss, der eine Zertrümmerung des körperfernen Endes der Clavicula sowie der Gelenkfläche des Schulterblattes der linken Schulter zur Folge hatte.
Mit Bescheid des Landesinvalidenamtes für Oberösterreich vom 30. Juli 1947 wurde ihm auf Grund des Wehrmachtfürsorge- und Versorgungsgesetzes (WFVG) in Verbindung mit dem Gesetz über vorläufige Maßnahmen zur Entschädigung der Kriegsopfer vom 16. Juni 1945 für den Körperschaden "hochgradige Bewegungseinschränkung des linken Schultergelenkes nach Schulterblattschussbruch", welcher als Dienstbeschädigung anerkannt wurde, eine Beschädigtenrente zuerkannt.
Mit Stellungnahme vom 14. Mai 1976 beantragte der Beschwerdeführer im Zuge eines Berufungsverfahrens gegen den Bescheid des Landesinvalidenamtes für Salzburg vom 11. Dezember 1974, mit welchem der Antrag des Beschwerdeführers auf Neubemessung der Beschädigtenrente und Anerkennung weiterer Gesundheitsschädigungen als Dienstbeschädigung abgewiesen worden war, erstmals die zusätzliche Anerkennung auch seines Leidens "Cervicalsyndrom".
Mit Bescheid des Landesinvalidenamtes für Salzburg vom 4. April 1979 wurde (u.a.) die Gesundheitsschädigung "Cervicalsyndrom links" nicht als Dienstbeschädigung anerkannt. Mit Bescheid der Schiedskommission beim Landesinvalidenamt für Salzburg vom 18. Dezember 1980 wurde die gegen den Bescheid vom 4. April 1979 erhobene Berufung des Beschwerdeführers (in diesem Punkt) abgewiesen und damit die Nichtanerkennung unter anderem der Gesundheitsschädigung "Cervicalsyndrom" bestätigt.
Mit Eingabe vom 20. Jänner 1998 stellte der Beschwerdeführer neuerlich den Antrag, (u.a.) seine Gesundheitsschädigung "Cervicalsyndrom" als Dienstbeschädigung anzuerkennen. Mit Bescheid des Bundessozialamtes Oberösterreich vom 19. August 1998 wurde dieser neuerliche Antrag wegen entschiedener Sache zurückgewiesen. Die vom Beschwerdeführer dagegen erhobene Berufung wurde von der Schiedskommission beim Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen in Wien mit Bescheid vom 8. Juni 1999 abgewiesen.
Mit Antrag vom 4. Dezember 2000 beantragte der Beschwerdeführer (u.a.) die zusätzliche Anerkennung der weiteren Gesundheitsschädigung "Veränderungen der Hals-, Brust- und Lendenwirbelsäule mit Verspannungen" als zusätzliche Dienstbeschädigung. Mit Bescheid des Bundessozialamtes Oberösterreich vom 8. Juni 2001 wurde dieser Antrag abgewiesen. Dieser Bescheid ist in Rechtskraft erwachsen.
Mit Eingabe vom 19. Mai 2004 beantragte der Beschwerdeführer (erkennbar) wiederum - neben den bereits anerkannten Dienstbeschädigungen - die Anerkennung auch der Gesundheitsschädigung "Cervicalsyndrom" und "Wirbelsäulenveränderungen". Mit Bescheid des Bundessozialamtes vom 20. September 2004 wurde auch dieser Antrag auf Anerkennung der Gesundheitsschädigungen (u.a.) "Cervicalsyndrom" und "Veränderungen der Hals-, Brust- und Lendenwirbelsäule" wegen entschiedener Sache zurückgewiesen. Dabei wurde in der Begründung dieses Bescheides insbesondere darauf Bezug genommen, dass bereits mit Bescheid des Landesinvalidenamtes für Salzburg vom 4. April 1979, bestätigt mit Bescheid der Schiedskommission vom 18. Dezember 1980, der Antrag auf Anerkennung eines "Cervicalsyndroms" und mit in Rechtskraft erwachsenem Bescheid des Bundessozialamtes für Oberösterreich vom 8. Juni 2001 die Anerkennung der "Veränderungen der Hals-, Brust- und Lendenwirbelsäule mit Verspannungen" als Dienstbeschädigungen abgewiesen worden seien. Dem nunmehrigen Antrag vom 19. Mai 2004 seien keine neuen Beweismittel beigelegt worden. Mit Bescheid der belangten Behörde vom 11. Mai 2005 wurde der vom Beschwerdeführer gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung keine Folge gegeben.
Mit Eingaben vom 16. Jänner 2006 und vom 8. Mai 2006 beantragte der Beschwerdeführer neuerlich die Anerkennung (u.a.) der Gesundheitsschädigungen "Cervicalsyndrom" und "Veränderungen der Hals-, Brust- und Lendenwirbelsäule" als Dienstbeschädigungen und legte diesem Antrag einen radiologischen Befund vom 21. Juli 2005 bei.
Mit Bescheid des Bundessozialamtes vom 24. Mai 2006 wurde dieser Antrag gemäß § 68 Abs. 1 AVG in Verbindung mit § 86 Abs. 1 KOVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen. Dabei wurde in der Begründung dieses Bescheides auf den mit dem Antrag vom 16. Jänner 2006 vorgelegten radiologischen Befund Bezug genommen, in welchem eine "Fehlhaltung der gesamten WS mit deutlichen multisegmentalen Spondyloosteochondrosen und Spondylarthrosen, Zustand nach Morbus Scheuermann, ventrale Keilwirbelbildung von TH12 (vermutlich posttraumatisch), Listhese bei L4/L5" diagnostiziert wurde. Die Behörde stellte fest, dass sich irgendwelche Hinweise auf ein kausales Geschehen aus diesem Befund nicht ergeben hätten. Im Gegenteil werde der mangelnde wahrscheinliche ursächliche Zusammenhang zwischen der Wehrdienstleistung und den Strapazen während der Kriegsgefangenschaft einerseits und den Veränderungen der gesamten Wirbelsäule einschließlich des Cervicalsyndroms dadurch sogar erhärtet. Eine maßgebliche Änderung des Sachverhaltes sei demnach nicht eingetreten, die relevante Rechtslage sei unverändert geblieben. Bei gleicher Sach- und Rechtslage sei der neuerliche Antrag auf Anerkennung dieser Gesundheitsschädigungen als zusätzliche Dienstbeschädigungen daher infolge der bereits in Rechtskraft erwachsenen Entscheidungen hierüber wegen entschiedener Sache zurückzuweisen gewesen.
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Berufung.
Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 30. November 2006 wurde dieser Berufung keine Folge gegeben und der angefochtene (Zurückweisungs-)Bescheid bestätigt. Nach Darstellung des Verfahrensganges einschließlich der den bereits rechtskräftig über die Anerkennungsbegehren des Beschwerdeführers hinsichtlich der Gesundheitsschädigungen "Cervicalsyndrom" und "Veränderungen der Hals-, Brust- und Lendenwirbelsäule" ergangenen Entscheidungen traf die belangte Behörde auf Grund des von ihr eingeholten medizinischen Sachverständigengutachtens die Feststellungen, dass das Cervicalsyndrom sowie die degenerativen Veränderungen der Hals- , Brust- und Lendenwirbelsäule altersbedingte schicksalhafte Erkrankungen seien, die in keinem kausalen Zusammenhang mit der erlittenen Dienstbeschädigung stünden. Auch die neu vorgelegten Befunde bedingten hinsichtlich der Kausalität der Erkrankungen kein abweichendes Kalkül. Bei der Anerkennung eines kausalen Leidens müsse zumindest ein überwiegender Teil der geltend gemachten Schädigung auf die erlittene Dienstbeschädigung zurückzuführen sein. Im konkreten Fall überwögen auf jeden Fall die altersbedingten degenerativen Veränderungen der Wirbelsäule, die bei einem Vergleichsklientel, das keine Dienstbeschädigung erlitten habe, ebenfalls im selben Ausmaß vorkomme. Aus den neu vorgelegten Befunden ergäbe sich, was die Kausalität der geltend gemachten Gesundheitsschädigungen anlange, kein abweichendes Kalkül zu den vorher eingeholten Sachverständigengutachten.
Rechtlich kam die belangte Behörde auf Grund dieser Feststellungen zum Ergebnis, in den eingeholten medizinischen Stellungnahmen vom 10. August 2006 und 28. September 2006, die schlüssig seien und keine Widersprüche aufwiesen, sei nachvollziehbar ausgeführt, dass es sich bei den geltend gemachten Gesundheitsschädigungen "Cervicalsyndrom" und "Veränderungen der Hals-, Brust- und Lendenwirbelsäule" um rein anlagebedingte bzw. schicksalhafte Leidenszustände handle, die mit der Wehrdienstleistung des Beschwerdeführers bzw. der anerkannten Dienstbeschädigung in keinem Zusammenhang stünden. Die im Rahmen des Parteiengehörs vorgelegten Unterlagen seien nicht geeignet gewesen, das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens zu entkräften bzw. eine Erweiterung des Ermittlungsverfahrens zu bewirken. Seitens der medizinischen Sachverständigen sei ausführlich auf das Vorbringen eingegangen und übereinstimmend und schlüssig dargelegt worden, warum keine Kausalität vorliege. Die Angaben des Beschwerdeführers hätten über den erstellten Befund hinaus nicht objektiviert werden können. Die ärztlichen Stellungnahmen seien daher in freier Beweiswürdigung der Entscheidung zugrunde zu legen gewesen. Alle bisher zu den geltend gemachten Gesundheitsschädigungen eingeholten ärztlichen Sachverständigengutachten stimmten im Ergebnis miteinander überein, sodass keine Veranlassung bestanden habe, weitere fachärztliche Gutachten einzuholen. Da eine maßgebende Änderung des Sachverhaltes nicht eingetreten bzw. eine solche nicht glaubhaft gemacht habe werden können, sei auf Grund der gegebenen Sach- und Rechtslage spruchgemäß zu entscheiden gewesen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in welcher die inhaltliche Rechtswidrigkeit sowie die Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.
Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift, in welcher sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte, und legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
In Ausführung der Beschwerde macht der Beschwerdeführer ausschließlich seinen Leidenszustand betreffende Umstände geltend; er geht mit keinem Wort darauf ein, dass die belangte Behörde die von der Behörde erster Instanz ausgesprochene Zurückweisung wegen entschiedener Sache gemäß § 68 Abs. 1 AVG, und damit eine formalrechtliche Erledigung der Anträge des Beschwerdeführers, bestätigte. Damit verkennt er, dass sich auch die belangte Behörde nur insoweit mit den geltend gemachten Gesundheitsschädigungen des Beschwerdeführers inhaltlich befassen musste, soweit es um die Frage ging, ob überhaupt seit der letzten rechtskräftigen Entscheidung über die geltend gemachten Ansprüche eine Veränderung der Sach- und Rechtslage stattgefunden hat.
Gemäß § 68 Abs. 1 AVG sind Anbringen von Beteiligten, die außer den Fällen der §§ 69 und 71 die Abänderung eines der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, dann wenn die Behörde nicht den Anlass zu einer Verfügung gemäß den Absätzen 2 bis 4 findet, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen.
Diese Bestimmung ist auf Grund des § 86 Abs. 1 KOVG 1957 auch in den Angelegenheiten der Kriegsopferversorgung anzuwenden.
Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist Voraussetzung für die Zurückweisung wegen "entschiedener Sache" im Sinne des § 68 Abs. 1 AVG die tatsächliche Identität der Sache. Haben sich seit der Erlassung des rechtskräftigen (Vor-)Bescheides keine wesentlichen Änderungen im Sachverhalt oder in der Rechtslage ergeben und deckt sich auch das neue Parteienvorbringen im Wesentlichen mit dem früheren, so liegt Identität der Sache vor (vgl. die in Walter/Thienel, Die österreichischen Verwaltungsverfahrensgesetze2, zu § 68 unter E 80 abgedruckte hg. Judikatur).
Nach dem Spruch des erstinstanzlichen Bescheides, mit dem der Antrag auf Anerkennung der Gesundheitsschädigungen "Cervicalsyndrom" und "Veränderungen der Hals-, Brust- und Lendenwirbelsäule" wegen entschiedener Sache zurückgewiesen wurde, war "Sache" des Berufungsverfahrens im Sinn des § 66 Abs. 4 AVG allein die Frage, ob die Behörde erster Instanz mit Recht gehindert war, über den vom Beschwerdeführer neuerlich gestellten Antrag eine Sachentscheidung zu treffen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 4. April 2001, Zl. 98/09/0041, mwN).
Weder in den von ihm eingebrachten Anträgen vom 16. Jänner 2006 und vom 8. Mai 2006 noch im Verwaltungsverfahren noch auch in seiner Beschwerde bringt der Beschwerdeführer vor, es habe sich seit der Erlassung des Berufungsbescheides vom 11. Mai 2005 (der letzten rechtskräftigen Entscheidung über die von ihm wiederholt begehrte Anerkennung der Gesundheitsbeschädigungen "Cervicalsyndrom" und "Veränderungen der Hals-, Brust- und Lendenwirbelsäule") im Sachverhalt eine wesentliche Änderung ergeben. Im Gegenteil: Der Beschwerdeführer verweist auch in seiner Beschwerde darauf, dass seine bereits früher geltend gemachten Leidenszustände zu Unrecht als akausal erachtet und daher zu Unrecht nicht als Dienstbeschädigungen anerkannt worden seien. Noch in der Beschwerde argumentiert der Beschwerdeführer mit Sachverhalten, die im Zeitpunkt der Erlassung der Vorbescheide bereits bekannt waren, und legt Urkunden vor, die schon mehrfach im Akt enthalten und auch von den Vorgutachten - soweit ihnen eben Relevanz zuerkannt werden konnte - berücksichtigt worden waren. Damit lag aber betreffend die in den Vorbescheiden rechtskräftig festgestellte Akausalität der geltend gemachten Leidenszustände bereits entschiedene Sache vor. Ansuchen, die offenbar die Aufrollung einer bereits rechtskräftig entschiedenen Sache bezwecken, sind auch dann wegen res judicata zurückzuweisen, wenn das Begehren nicht ausdrücklich darauf lautet (vgl. die in Walter/Thienel, aaO, unter E 163 abgedruckte hg. Judikatur).
Aus diesem Grunde war die lediglich materiellrechtliche Fragen aufwerfende Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.
Wien, am 20. November 2008
Schlagworte
Beschränkungen der Abänderungsbefugnis Beschränkung durch die Sache Besondere Rechtsprobleme Verfahrensrechtliche Entscheidung der Vorinstanz (siehe auch Inhalt der Berufungsentscheidung Anspruch auf meritorische Erledigung)Zurückweisung wegen entschiedener SacheEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2008:2007090036.X00Im RIS seit
29.12.2008Zuletzt aktualisiert am
13.03.2009