TE Vwgh Erkenntnis 2008/11/24 2005/05/0355

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Veröffentlicht am 24.11.2008
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Index

L78003 Elektrizität Niederösterreich;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §41 Abs1 idF 1998/I/158;
AVG §42 Abs1 idF 1998/I/158;
AVG §42 Abs2 idF 1998/I/158;
AVG §8;
ElektrizitätswesenG NÖ 2001 §10 Abs1;
ElektrizitätswesenG NÖ 2001 §10 Abs2;
ElektrizitätswesenG NÖ 2001;
VwGG §42 Abs2 Z1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Giendl und die Hofräte Dr. Pallitsch, Dr. Handstanger, Dr. Hinterwirth und Dr. Moritz als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Zykan, über die Beschwerde 1. der Mag. G G, 2. des C H und 3. des Ing. H G, alle in Siegersdorf, vertreten durch Neumayer & Walter, Rechtsanwälte-Partnerschaft in 1030 Wien, Baumannstraße 9/11, gegen den Bescheid des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit vom 18. Oktober 2005, Zl. BMWA-551.600/0045-IV/1/2005, betreffend Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und Zurückweisung eines Devolutionsantrages nach Art. 12 Abs. 3 B-VG (mitbeteiligte Partei: A AG in Wien, vertreten durch Dr. Brigitte Weiser, Rechtsanwältin in 1030 Wien, Geologengasse 3), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufgehoben.

Der Bund hat den beschwerdeführenden Parteien Aufwendungen in der Höhe von insgesamt EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Eingabe vom 10. Juni 2002, bei der Behörde eingelangt am 11. Juni 2002, hat die mitbeteiligte Partei unter Vorlage von Projektunterlagen die Erteilung der elektrizitätsrechtlichen Bewilligung für den Bau und den Betrieb von drei Windenergieanlagen im Gemeindegebiet Ebenfurth, in unmittelbarer Nähe des Gemeindegebietes Pottendorf, beantragt.

Mit Ladung vom 8. November 2002 hat die Niederösterreichische Landesregierung über dieses Ansuchen eine mündliche Verhandlung für den 28. November 2002 anberaumt. Zu dieser Verhandlung wurden die Beschwerdeführer, deren Grundstücke nicht an die zu bebauenden Grundstücke angrenzen, nicht geladen (das Grundstück der Erstbeschwerdeführerin ist von der mittleren Windkraftanlage ca. 900 m entfernt und liegt im Gemeindegebiet von Pottendorf). Am 19. Februar 2003 wurde vom Amt der Niederösterreichischen Landesregierung eine weitere Verhandlung für den 12. März 2003 ausgeschrieben. Zu dieser Verhandlung wurden neben den Parteien und den bekannten Beteiligten des Verfahrens Amtssachverständige geladen; die Ladung wurde an das Gemeindeamt der Gemeinde Ebenfurth und an das Gemeindeamt der Gemeinde Pottendorf zum Anschlag der öffentlichen Bekanntmachung übermittelt. Der Anschlag an der Amtstafel des Gemeindeamtes Pottendorf erfolgte vom 5. März 2003 bis 12. März 2003. Die Ladung enthielt neben dem Hinweis auf die Möglichkeit der Einsichtnahme in die Projektunterlagen folgenden Hinweis:

"Sollten Sie gegen dieses Projekt Einwände haben, müssen Sie diese bis spätestens am Tage vor dem Beginn der Verhandlung beim Amt der Niederösterreichischen Landesregierung oder während der Verhandlung vorbringen.

Andernfalls verlieren Sie ihre Stellung als Partei.

Die Eigentümer der Grundstücke, die unmittelbar an das Grundstück angrenzen, auf welchem die Stromerzeugungsanlage errichtet werden soll, werden persönlich geladen, alle anderen Personen werden durch öffentliche Bekanntmachung durch Anschlag in der Gemeinde verständigt."

An der Verhandlung vom 12. März 2003 nahm keiner der Beschwerdeführer teil.

Mit Bescheid vom 18. März 2003 erteilte die Niederösterreichische Landesregierung der mitbeteiligten Partei die beantragte Bewilligung. Dieser Bescheid wurde u.a. einigen Nachbarn, die Einwendungen erhoben hatten, am 21. März 2003 zugestellt. An die Beschwerdeführer, die am Verfahren nicht teilgenommen hatten, erfolgte keine Zustellung.

Mit Schreiben vom 9. September 2003 übermittelte die Erstbeschwerdeführerin dem Amt der Niederösterreichischen Landesregierung folgenden "Einspruch", der am 10. September 2003 bei der Behörde einlangte:

"Im Namen aller Unterzeichnenden erhebe ich, Mag. G G, Einspruch gegen die von Ihnen erteilte Errichtungs- und Betriebsgenehmigung nach dem NÖ Elekritzitätsgesetz 2001 (NÖ ElWG 2001).

Wir als Nachbarn, gemäß § 9 von der Fa. A AG, errichtenden Windkraftanlagen der Type Nordex N62 auf den Grundstücken Nr. 1299, 1309 und 1311 KG Ebenfurth erheben den Anspruch auf unser Recht einer Parteienstellung gemäß § 7 und § 8.

Wir wurden über die gegenständliche Verhandlung nur unzureichend informiert (§ 11 Abs. 1 Zeile 2 und 3). Telefonische Auskünfte über gegenständliches Projekt wurden verweigert.

Der schriftliche Aushang an der Amtstafel belief sich maximal auf 8 Tage (04.03.2002 - 11.03.2002).

Auf Grund dieser Tatsache fordern wir, die Unterzeichnenden eine Wiederaufnahme der mündlichen Verhandlung um unsere Parteienstellung laut NÖ Landesrecht gewahrt zu wissen.

Bis dahin fordern wir die Anweisung eines sofortigen Baustopps sowie der Untersagung jeglicher Inbetriebnahme dieses Projekts durch die NÖ Landesregierung."

Der Eingabe war eine Unterschriftenliste angefügt, auf der 96 Unterschriften aufscheinen, darunter unter Nr. 52 der Zweitbeschwerdeführer und unter Nr. 64 der Drittbeschwerdeführer.

Mit Schreiben vom 12. September 2003 teilte die Niederösterreichische Landesregierung der Erstbeschwerdeführerin mit, ihrem Schreiben könne nicht eindeutig entnommen werden, ob der Antrag als Devolutionsantrag im Sinne des Art. 12 Abs. 3 B-VG, als Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens im Sinne des § 69 AVG oder als Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand im Sinne des § 71 AVG anzusehen sei, es werde daher ersucht, dies klarzustellen. Die Erklärung sei schon deshalb erforderlich, weil sich die Zuständigkeit zur Entscheidung (NÖ Landesregierung bzw. Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit) danach richte, um welche Form des Rechtsmittels es sich handle.

In einer umfangreichen Eingabe vom 30. September 2003 führte die Erstbeschwerdeführerin u.a. aus, dass die Grundvoraussetzungen für die mündliche Verhandlung am 12. März 2003 nicht gegeben gewesen seien, zusammenfassend richte sich der Einspruch in erster Linie dagegen, dass den Einschreitern durch die unzureichende Benachrichtigung (Aushang vom 3. März 2003 bis 11. März 2003) die Möglichkeit genommen worden sei, an der Verhandlung teilzunehmen und dort den begründeten Einspruch zu Protokoll zu geben. Lärmimmissionen seien unrichtig ausgewiesen, es befinde ein Sachverständiger für Maschinenbau und Elektrotechnik nicht nur über eine mögliche Gefährdung des Lebens, sondern auch über die Gesundheitsgefährdung von Menschen, was nicht in seinem Kompetenzbereich liege. Infraschall werde weder erwähnt noch berücksichtigt; beim Probebetrieb der Anlage sei festgestellt worden, dass ein ständiges Brummen wahrgenommen werde, bereits bei 6 m pro Sekunde Windgeschwindigkeit sei an windstillen (geschützten) Plätzen ein Impulston deutlich hörbar gewesen, ein großer Unruhefaktor entstehe sogar im Wohnraum und somit eine Minderung des Erholungswertes durch die sich ständig drehenden Rotorblätter. Diese Tatsache stelle einen deutlichen Stressfaktor dar.

Mit Schreiben vom 22. Oktober 2003 teilte die Niederösterreichische Landesregierung der Erstbeschwerdeführerin den Gang des Verfahrens mit und machte Ausführungen zur Rechtsnatur der Devolution, des Antrages auf Wiederaufnahme und der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Die Erstbeschwerdeführerin wurde aufgefordert, sollte sie eine formelle Entscheidung über die Frage der Parteistellung mittels Bescheides wünschen, möge sie dies mitteilen.

Mit Datum vom 11. November 2003 erließ die Niederösterreichische Landesregierung einen Bescheid mit folgendem Spruch:

"Ihrem Antrag vom 9. September 2003, präzisiert am 30. September 2003, auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der mündlichen Verhandlung am 12. März 2003 wird nicht Folge gegeben."

Begründend wurde nach Darstellung des Verwaltungsverfahrens im Wesentlichen ausgeführt, sowohl ein Devolutionsantrag als auch ein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand könnte nur von den Parteien des Verfahrens gestellt werden, die Parteistellung einer Person gehe verloren, wenn nicht spätestens am Tag vor der Verhandlung bei der Behörde oder während der Verhandlung Einwände gegen die Genehmigung eines Projektes vorgebracht worden seien. Einwände seien durch die Erstbeschwerdeführerin bis zu diesem Zeitpunkt nicht vorgebracht worden, später könnten Einwände rechtswirksam und ohne Verlust der Parteistellung nur mehr von einer Person vorgebracht werden, die glaubhaft mache, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis ohne ihr Verschulden oder nur auf Grund eines minderen Versehens verhindert gewesen sei, rechtzeitig Einwendungen zu erheben. Einwendungen müssten jedoch binnen zwei Wochen ab Wegfall des Hindernisses und spätestens bis zur rechtskräftigen Entscheidung der Sache bei der Behörde vorgebracht werden. Die Entscheidung in der Sache sei mit Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 18. März 2003 getroffen worden und sei in Rechtskraft erwachsen. Es ergebe sich daraus, dass die von der Erstbeschwerdeführerin vorgebrachten Einwände nicht rechtzeitig geltend gemacht worden seien und sie nicht die Stellung einer Partei erlangt habe. Ihrem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand habe daher nicht Folge gegeben werden können.

Dieser Bescheid erging ausschließlich an die Erstbeschwerdeführerin sowie an die mitbeteiligte Partei.

Gegen diesen Bescheid erhoben alle drei Beschwerdeführer einen (auch in bloß verfahrensrechtlichen Angelegenheiten zulässigen, vgl. das hg. Erkenntnis vom 18. Dezember 2006, Zl. 2005/05/0142) Devolutionsantrag gemäß Art. 12 Abs. 3 B-VG an die belangte Behörde.

Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde unter "Spruch" (Spruchpunkt) 1 den Antrag der Erstbeschwerdeführerin als unbegründet abgewiesen und unter "Spruch" (Spruchpunkt) 2 den Antrag des Zweit- und Drittbeschwerdeführers mangels Parteistellung im gegenständlichen Verfahren als unzulässig zurückgewiesen.

In der Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, hinsichtlich der Rechtzeitigkeit der Anberaumung einer mündlichen Verhandlung enthalte weder das NÖ Elektrizitätswesengesetz 2001 noch das AVG nähere Bestimmungen über die Dauer der einzuhaltenden Fristen. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes sei in der Anberaumung einer mündlichen Verhandlung auf einen zu kurzen Termin wohl ein Verstoß gegen § 41 Abs. 2 AVG zu erblicken, dieser Verfahrensmangel könne von der betroffenen Partei aber nur dann mit Erfolg geltend gemacht werden, wenn sie einen Vertagungsantrag gestellt habe und diesem nicht entsprochen worden sei. Wenn allerdings ein Vertagungsantrag nicht zumutbar gewesen sei (etwa wenn die Ladung erst am Vortag gekommen sei), sei der Verfahrensmangel unheilbar. Das Ermittlungsverfahren habe ergeben, dass der Wohnort der Erstbeschwerdeführerin nach ihren eigenen Angaben etwa 900 m vom mittleren Windrad entfernt liege. Da sie weder Eigentümerin eines unmittelbar angrenzenden Grundstückes sei, das im Abstand von nicht mehr als 500 m von der Anlage entfernt liege, noch zu den in § 10 Z. 1, 2, 4 und 5 NÖ ElWG 2001 genannten Personen zähle, sei die Erstbeschwerdeführerin auch nicht persönlich zu laden gewesen. Die Kundmachung der mündlichen Verhandlung durch Anschlag an der Gemeindetafel der Gemeinde Pottendorf entspreche den Bestimmungen des NÖ ElWG 2001 und des AVG. Im Ermittlungsverfahren sei klargestellt worden, dass die Erstbeschwerdeführerin in der Zeit des Anschlages der Kundmachung an der Gemeindetafel der Gemeinde Pottendorf wohl bis Samstag, 8. März 2003 ortsabwesend gewesen sei, aber von Sonntag, 9. März 2003 bis Mittwoch, 12. März 2003 ortsanwesend gewesen sei. Da die gesetzlichen Bestimmungen keine Mindestfristen vorsähen, sei, ausgehend von der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, ein nicht heilbarer Verfahrensmangel nur dann zu erblicken, wenn ein Vertagungsantrag nicht zumutbar sei, etwa durch Ladung am Vortag. Daher sei die der Erstbeschwerdeführerin zur Verfügung gestandene Frist von vier Tagen (Sonntag, 9. März 2003 bis Mittwoch, 12. März 2003), in denen sie von der anberaumten Verhandlung durch Nachschau an der Amtstafel Kenntnis erlangen und - allenfalls - in der mündlichen Verhandlung einen Vertagungsantrag hätte stellen können, als ausreichend anzusehen. Da die Erstbeschwerdeführerin sohin weder vor der mündlichen Verhandlung schriftlich noch während der mündlichen Verhandlung begründete Einwendungen erhoben habe, habe sie gemäß § 10 Abs. 2 NÖ ElWG 2001 i.V.m. § 42 Abs. 1 AVG ihre Parteistellung verloren. Sohin sei auch dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht stattzugeben. Dessen ungeachtet sei noch erwogen worden, dass selbst im Falle einer gänzlichen Ortsabwesenheit der Erstbeschwerdeführerin in der Zeit des Aushanges der Kundmachung der Ladung zur mündlichen Verhandlung an der Anschlagtafel des Gemeindeamtes für die Erstbeschwerdeführerin für den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nichts zu gewinnen gewesen wäre, weil diese im Zuge ihrer Einvernahme am 2. Mai 2005 klargestellt habe, dass sie von der Durchführung des gegenständlichen Bauvorhabens "erstmalig etwa 14 Tage vor einer am 28. 8. 2003 stattgefunden Informationsveranstaltung" durch den Bürgermeister von Ebenfurth Kenntnis erlangt habe. Die Zeitspanne zwischen dem 14. August und dem 9. September betrage mehr als drei Wochen, ein Antrag auf Wiedereinsetzung müsse jedoch gemäß § 71 Abs. 2 AVG binnen zwei Wochen nach dem Wegfall des Hindernisses oder nach dem Zeitpunkt, in dem die Partei von der Zulässigkeit der Berufung Kenntnis erlangt habe, gestellt werden. Unter "entscheidungsrelevanter Sachverhalt" wird diesbezüglich ausgeführt, dass nach den Bautagebüchern der bauausführenden Unternehmen die Errichtung der Fundamente und die Herstellung der Zufahrten für die in Rede stehenden Windkraftanlagen in der Zeit zwischen 2. Juni und 16. Juli, die Verlegung der Kabel zwischen 22. und 25. Juli und die Aufstellung der Windkraftanlagen selbst und die Aufnahme des Probebetriebes in der Zeit ab 8. September bis 22. September 2003 vorgenommen worden seien. Zwischen dem Wohnsitz der Erstbeschwerdeführerin und der projektierten Windkraftanlagen bestehe eine Sichtbehinderung in Form einer Nussbaumplantage. Eine Sicht zu den im damaligen Zeitpunkt in Bauausführung befindlichen Windkraftanlagen sei dieser Beschwerdeführerin durch die Belaubung der Bäume "(Sommer)" nicht möglich gewesen. Ferner habe die Erstbeschwerdeführerin angegeben, dass zum gleichen Zeitpunkt Bauarbeiten an einer in der Nähe befindlichen Gasleitung stattgefunden hätten und sie angenommen habe, dass die manchmal sichtbaren Baumaschinen zum Umbau der Gasleitung zu zählen gewesen wären.

Zum Zweit- und zum Drittbeschwerdeführer wurde ausgeführt, dass weder der Zweit- noch der Drittbeschwerdeführer im Verfahren vor dem Amt der Niederösterreichischen Landesregierung zur Genehmigung der Errichtung und des Betriebes des Windparks rechtswirksam Handlungen gesetzt hätten, die die Aufrechterhaltung einer Parteistellung in diesem Verfahren zur Folge gehabt hätten. Auch der Antrag gemäß § 71 AVG auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sei rechtswirksam nur von der Erstbeschwerdeführerin gestellt worden, der Zweit- und der Drittbeschwerdeführer hätten rechtswirksam keinen Antrag gestellt, sie seien auch nicht Parteien in einem Verfahren über die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Der Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung, mit welchem dem Antrag der Erstbeschwerdeführerin auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht Folge gegeben worden sei, habe sich daher folgerichtig auch ausschließlich an die Erstbeschwerdeführerin gerichtet. Die Rechtssphären des Zweitbeschwerdeführers und des Drittbeschwerdeführers seien durch den Bescheid weder berührt noch würden diese beschwert. Da sohin jegliche Rechtsgrundlage für die Einbringung eines Verlangens gemäß Art. 12 Abs. 3 B-VG auf Übergang der Zuständigkeit an den Bundesminister fehle, seien die Anträge zurückzuweisen gewesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde hat ebenso wie die mitbeteiligte Partei eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig als unbegründet abzuweisen bzw. zurückzuweisen, eingebracht. Die Beschwerdeführer erstatteten eine Replik zu den Gegenschriften.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 9 des zum Zeitpunkt der Anberaumung der mündlichen Verhandlung vom 12. März 2003 maßgeblichen NÖ Elektrizitätswesengesetzes 2001 (NÖ ElWG 2001), LGBl. 7800-0, sind Nachbarn alle Personen, die durch die Errichtung, den Bestand oder den Betrieb einer Erzeugungsanlage gefährdet oder belästigt oder deren Eigentum oder sonstige dingliche Rechte gefährdet werden könnten. Als Nachbarn gelten nicht Personen, die sich vorübergehend in der Nähe der Betriebsanlage aufhalten und nicht im Sinne des vorigen Satzes dinglich berechtigt sind. Als Nachbarn gelten jedoch die Betreiber von Einrichtungen, in denen sich, wie etwa in Beherbergungsbetrieben, Krankenanstalten und Heimen, regelmäßig Personen vorübergehend aufhalten, hinsichtlich des Schutzes dieser Personen, und die Erhalter von Schulen hinsichtlich des Schutzes der Schüler, der Lehrer und der sonstigen in Schulen ständig beschäftigten Personen.

Nach § 10 Abs. 1 leg. cit. haben in Verfahren gemäß den §§ 7 und 8 leg. cit. Parteistellung:

"1.

der Genehmigungswerber,

2.

alle Grundeigentümer, deren Grundstücke samt ihrem

darunter befindlichen Boden oder darüber befindlichen Luftraum von Maßnahmen zur Errichtung oder Änderung von Erzeugungsanlagen dauernd oder vorübergehend in Anspruch genommen werden sowie die an diesen Grundstücken dinglich berechtigten - ausgenommen Hypothekargläubiger - und die Bergbauberechtigten,

              3.              die Nachbarn (§ 9) hinsichtlich des Schutzes der gemäß § 11 Abs. 1 Z. 2 und 3 wahrzunehmenden Interessen,

              4.              die NÖ Umweltanwaltschaft nach Maßgabe des § 11 des NÖ Umweltschutzgesetzes, LGBl. 8050,

              5.              die Standortgemeinde zur Wahrung der in § 56 der NÖ Bauordnung 1996, LGBl. 8200, begründeten öffentlichen Interessen."

Gemäß Abs. 2 dieser Bestimmung verlieren die in Abs. 1 Z. 2 bis 5 genannten Personen ihre Parteistellung, wenn sie nicht fristgerecht begründete Einwendungen erheben.

Die Beschwerdeführer haben nach der Aktenlage an der mündlichen Verhandlung vom 12. März 2003 nicht teilgenommen und erstmals mit ihrem Schreiben vom 9. September 2003 gegen die Errichtung der Windkraftanlage Stellung genommen. Mit diesem Schreiben erhoben sie gegenüber der Niederösterreichischen Landesregierung "Einspruch" gegen die der mitbeteiligten Partei erteilte "Errichtungs- und Betriebsgenehmigung". Konkretisiert wurde diese Stellungnahme mit der Eingabe vom 30. September 2003, in der Einwendungen betreffend Gesundheitsgefährdung und Lärmbelästigung geltend gemacht werden.

Die Beschwerdeführer wurden zur mündlichen Verhandlung nicht geladen. Es waren für die genannte Verhandlung § 41 Abs. 1 und § 42 Abs. 1 bis 3 AVG in der Fassung BGBl. I Nr. 158/1998 maßgeblich. Diese Regelungen lauten (bzw. betreffend § 42 Abs. 1 lauteten):

"§ 41. (1) Die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung hat durch persönliche Verständigung der bekannten Beteiligten zu erfolgen. Wenn noch andere Personen als Beteiligte in Betracht kommen, ist die Verhandlung überdies durch Anschlag in der Gemeinde oder durch Verlautbarung in der für amtliche Kundmachungen der Behörde bestimmten Zeitung kundzumachen.

§ 42. (1) Wurde eine mündliche Verhandlung gemäß § 41 Abs. 1 zweiter Satz und in einer in den Verwaltungsvorschriften vorgesehenen besonderen Form kundgemacht, so hat dies zur Folge, dass eine Person ihre Stellung als Partei verliert, soweit sie nicht spätestens am Tag vor Beginn der Verhandlung bei der Behörde oder während der Verhandlung Einwendungen erhebt. Wenn die Verwaltungsvorschriften über die Form der Kundmachung nichts bestimmen, so tritt die im ersten Satz bezeichnete Rechtsfolge ein, wenn die mündliche Verhandlung gemäß § 41 Abs. 1 zweiter Satz und in geeigneter Form kundgemacht wurde. Eine Kundmachungsform ist geeignet, wenn sie sicherstellt, dass ein Beteiligter von der Anberaumung der Verhandlung voraussichtlich Kenntnis erlangt.

(2) Wurde eine mündliche Verhandlung nicht gemäß Abs. 1 kundgemacht, so erstreckt sich die darin bezeichnete Rechtsfolge nur auf jene Beteiligten, die rechtzeitig die Verständigung von der Anberaumung der Verhandlung erhalten haben.

(3) Eine Person, die glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, rechtzeitig Einwendungen zu erheben, und die kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft, kann binnen zwei Wochen nach dem Wegfall des Hindernisses, jedoch spätestens bis zum Zeitpunkt der rechtskräftigen Entscheidung der Sache bei der Behörde Einwendungen erheben. Solche Einwendungen gelten als rechtzeitig erhoben und sind von jener Behörde zu berücksichtigen, bei der das Verfahren anhängig ist.

Die mündliche Verhandlung vom 12. März 2003 wurde nach der Aktenlage durch Anschlag an den Amtstafeln der Gemeinde Ebenfurth und Pottendorf kundgemacht. Dabei handelt es sich offenbar um jene Gemeinden, in denen Grundstücke liegen, auf welchen Personen durch die Windkraftanlage gefährdet oder belästigt oder deren Eigentum oder sonstige dingliche Rechte gefährdet werden könnten. Die belangte Behörde durfte demnach davon ausgehen, dass diese Kundmachung der Vorschrift des § 41 Abs. 1 zweiter Satz (erste Alternative) AVG entsprach. Nach § 42 Abs. 1 erster und zweiter Satz AVG setzt aber die dort normierte Präklusionswirkung zusätzlich voraus, dass die Verhandlung in einer in den Verwaltungsvorschriften vorgesehenen besonderen Form kundgemacht wurde, oder - wenn die Verwaltungsvorschriften über die Form der Kundmachung nichts besonderes bestimmen - eine Kundmachung in "geeigneter Form" erfolgte. Eine solche besondere Kundmachungsform war im NÖ ElWG 2001 nicht statuiert. Die dann erforderliche weitere Kundmachung in "geeigneter Form" iSd § 42 Abs. 1 zweiter Satz AVG erfolgte im vorliegenden Fall nicht. Die belangte Behörde ließ unberücksichtigt, dass § 42 Abs. 1 AVG für den Eintritt der Präklusion eine "doppelte" Kundmachung der mündlichen Verhandlung voraussetzt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 15. November 2007, Zl. 2006/07/0037, auf das diesbezüglich gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird). Eine dieser Formen allein (fallbezogen die Kundmachung durch Anschlag an der Gemeindeamtstafel) genügt nicht. Da die Beschwerdeführer nach der Aktenlage auch nicht rechtzeitig eine persönliche Verständigung von der Anberaumung der Verhandlung erhielten, erstreckte sich die im § 42 Abs. 1 AVG genannte Rechtsfolge (Verlust der Parteistellung) nicht auf sie.

Die (unvertretene) Erstbeschwerdeführerin teilte mit Schreiben vom 30. September 2003 - auch im Namen der anderen beschwerdeführenden Parteien - der Niederösterreichischen Landesregierung auf deren (oben genannte) Aufforderung vom 12. September 2003 mit, dass ihr früheres Schreiben vom 9. September 2003 (auch) als "Devolutionsantrag im Sinne des Art. 12 Abs. 3 B-VG anzusehen" sei, wobei den beschwerdeführenden Parteien eine "vollständige Bescheidausfertigung samt Verhandlungsprotokoll zuzustellen" sei. Das Schreiben vom 30. September 2003 enthält auch ein umfangreiches Vorbringen der beschwerdeführenden Parteien, mit dem sie ihre Einwände gegen die in Rede stehende Bewilligungserteilung begründen.

Vor diesem Hintergrund ist das Schreiben vom 9. September 2003 - anders als im bekämpften Bescheid - nicht bloß als Wiedereinsetzungsantrag iSd § 71 AVG zu deuten. Vielmehr stellen die beiden genannten Schreiben (auch unter Berücksichtigung des ausdrücklich gestellten Devolutionsantrags) eine Berufung gegen die erteilte elektrizitätsrechtliche Bewilligung für den Bau und den Betrieb von drei Windenergieanlagen seitens übergangener Parteien dar. Bei der gegebenen Konstellation hätte die belangte Behörde den von der Erstbehörde erlassenen Bescheid über die Wiedereinsetzung aufzuheben und über die von allen beschwerdeführenden Parteien erhobene Berufung zu entscheiden gehabt. Dies hat die belangte Behörde verkannt und den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts aufzuheben.

Der Ausspruch betreffend den Aufwandersatz gründet auf §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 24. November 2008

Schlagworte

Energiewirtschaft VerstaatlichungVerfahrensbestimmungen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2008:2005050355.X00

Im RIS seit

05.02.2009

Zuletzt aktualisiert am

12.03.2009
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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