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E000 EU- Recht allgemein;Norm
32003R0343 Dublin-II Art19 Abs4;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak sowie die Hofrätin Dr. Pollak, die Hofräte MMag. Maislinger und Mag. Dr. Wurdinger und die Hofrätin Mag. Rehak als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Hahnl, über die Beschwerde der Bundesministerin für Inneres, 1014 Wien, Herrengasse 7, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 4. Oktober 2006, Zl. 303.347-B1/E1- XVIII/59/06, betreffend Behebung eines auf §§ 5, 10 Asylgesetz 2005 gestützten Bescheides gemäß § 66 Abs. 4 AVG (mitbeteiligte Partei: R), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Begründung
Der Mitbeteiligte, ein Staatsangehöriger der Russischen Föderation tschetschenischer Volksgruppenzugehörigkeit, brachte am 19. Jänner 2006 einen Antrag auf internationalen Schutz ein. Am 27. Jänner 2006 wurde dem Mitbeteiligten mitgeteilt, dass beabsichtigt sei, seinen Antrag auf internationalen Schutz zurückzuweisen, da Dublin-Konsultationen mit Polen und Tschechien seit 24. Jänner 2006 geführt würden; die 20-Tage-Frist des Zulassungsverfahrens gelte daher nicht. Nachdem Polen die Übernahme des Mitbeteiligten abgelehnt hatte, stimmte die zuständige tschechische Behörde mit Schreiben vom 27. April 2006 der Aufnahme des Mitbeteiligten auf der Grundlage des Art. 9 Abs. 4 der Dublin-Verordnung zu.
Am 16. Mai 2006 wurde der Asylakt "gemäß interner Vereinbarung" von der Erstaufnahmestelle West dem Bundesasylamt, Außenstelle Linz, "zuständigkeitshalber abgetreten". In der dortigen Einvernahme vom 21. Juni 2006 wurde dem Mitbeteiligten vorgehalten, dass er ein Visum von tschechischen Behörden erhalten habe; das Bundesasylamt gelange zur Ansicht, dass für die Prüfung des Asylantrages Tschechien zuständig sei. Der Mitbeteiligte bestritt dies nicht, sondern erklärte, er betrachte Tschechien als unsicheres Land für sich. Er wurde belehrt, dass er nach einer Frist von mindestens 24 Stunden im Zuge einer niederschriftlichen Befragung im Beisein eines Rechtsberaters die Möglichkeit haben werde, zu diesem Sachverhalt Stellung zu beziehen. Bei der weiteren Einvernahme am 26. Juni 2006 vor dem Bundesasylamt, Außenstelle Linz, wurde der Mitbeteiligte "aufgeklärt", dass nach rechtlicher Erörterung trotz Vorhalt in der letzten Einvernahme durch das Bundesasylamt eine Rechtsberatung bzw. eine anschließende Einvernahme mit einem Rechtsberater "nicht von Nöten" sei.
Mit Bescheid vom 27. Juni 2006 wies das Bundesasylamt, Außenstelle Linz, den Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 5 Abs. 1 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) als unzulässig zurück, stellte die Zuständigkeit der tschechischen Republik gemäß Art. 9 Abs. 4 Dublin-Verordnung fest und wies den Mitbeteiligten gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 dorthin aus. In diesem Bescheid wurde unter anderem ausgeführt, das Verfahren sei am 14. März 2006 zugelassen worden.
Aufgrund einer diesbezüglichen Anfrage der belangten Behörde vom 20. Juli 2006 vertrat das Bundesasylamt die Ansicht, es habe das Verfahren des Mitbeteiligten versehentlich zugelassen und an die Außenstelle Linz abgetreten. Die Vernehmungen vor dem Bundesasylamt, Außenstelle Linz, seien somit nicht mehr im Zulassungsverfahren erfolgt, weshalb die Anwesenheit eines Rechtsberaters nicht erforderlich gewesen sei.
Die belangte Behörde behob mit Bescheid vom 24. Juli 2006 "gemäß § 66 Abs. 4 AVG" den erstinstanzlichen Bescheid. Das Verfahren habe sich im Stadium des Zulassungsverfahrens befunden, sodass die Bestimmungen der §§ 28 ff AsylG 2005 anzuwenden gewesen wären. Die Einvernahmen seien zu Unrecht ohne Rechtsberater bzw. ohne vorherige Rechtsberatung durchgeführt worden.
Zulassungsverfahren seien in der Erstaufnahmestelle des Bundesasylamtes zu führen.
Am 25. Juli 2006 übermittelte das Bundesasylamt, Erstaufnahmestelle West, dem Mitbeteiligten eine Aufenthaltsberechtigungskarte gem. § 51 AsylG 2005.
Der Mitbeteiligte erstattete in der Folge durch seinen Vertreter weiteres Vorbringen betreffend die "Unsicherheit" Tschechiens.
Das Bundesasylamt holte eine Stellungnahme der Staatendokumentation zum Asylverfahren in Tschechien ein, zu welcher der Mitbeteiligte durch seinen Vertreter Stellung nahm. Mit Bescheid vom 11. September 2006 wies das Bundesasylamt, Außenstelle Linz, den Antrag des Mitbeteiligten auf internationalen Schutz neuerlich gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig zurück, stellte die Zuständigkeit Tschechiens gemäß Art. 9 Abs. 4 Dublin-Verordnung für die Prüfung des Antrages fest und wies den Mitbeteiligten dorthin aus.
Diesen Bescheid behob die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid neuerlich "gemäß § 66 Abs. 4 AVG". Das Verfahren sei durch Ausfolgung der Aufenthaltsberechtigungskarte am 25. Juli 2006 zugelassen worden. Auch wenn § 28 Abs. 1 AsylG 2005 eine spätere Zurückweisung des Antrages auf internationalen Schutz im zugelassenen Verfahren gestatte, dürfe nicht übersehen werden, dass die scheinbar "bedingungslose" spätere Zurückweisung von bereits zugelassenen Asylverfahren stets unvorhersehbares behördliches Handeln implizieren würde. Somit käme es zu einer Verletzung des Rechtsstaatsprinzips. Auch die Erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage zu § 28 AsylG 2005 würden eindeutig gegen eine solche Auslegung sprechen. Mit dieser Bestimmung habe man ausschließlich die umständliche Wiederaufnahme von Zulassungsverfahren vermeiden wollen, wenn Zurückweisungstatbestände erst nach dem Zulassungsverfahren zu Tage treten würden. Hier seien aber die Zurückweisungstatbestände bereits zum Zeitpunkt der Zulassung hinlänglich bekannt gewesen. Neue Zurückweisungstatbestände hätten sich im Verfahren nicht ergeben. Die Zulassung sei durch ein Versehen der Behörde erster Instanz erfolgt. Ein derartiger Verfahrensmangel könne nicht zu Lasten des Mitbeteiligten als Grund für eine spätere zurückweisende Entscheidung herangezogen werden. Würde man dies annehmen, käme man zu dem sinn- und gesetzwidrigen Ergebnis, dass dadurch das Zulassungsverfahren und dessen Rechtsschutzinstrumentarien umgangen werden könnten.
Gegen diesen Bescheid wendet sich die vorliegende Amtsbeschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:
1. § 28 AsylG 2005 lautet, soweit maßgeblich:
"(1) Ist der Antrag voraussichtlich nicht zurückzuweisen, ist das Verfahren zuzulassen, soweit das Verfahren nicht vor Zulassung inhaltlich entschieden wird. Die Zulassung erfolgt durch Ausfolgung einer Aufenthaltsberechtigungskarte (§ 51); eines Bescheides bedarf es dann nicht. Die Zulassung steht einer späteren zurückweisenden Entscheidung nicht entgegen.
(2) Entscheidet das Bundesasylamt nicht binnen zwanzig Tagen nach Einbringen des Antrags auf internationalen Schutz, dass der Antrag zurückzuweisen ist, ist der Antrag zuzulassen, es sei denn es werden Konsultationen gemäß der Dublin - Verordnung oder eines Vertrages über die Zuständigkeit zur Prüfung eines Asylantrages oder eines Antrages auf internationalen Schutz geführt. Das Führen solcher Konsultationen ist dem Asylwerber innerhalb der 20-Tages-Frist mitzuteilen. Diesfalls gilt die 20-Tages-Frist nicht. Diese gilt überdies nicht, wenn der Asylwerber am Verfahren nicht mitwirkt, dieses gegenstandslos wird oder er sich diesem entzieht. Ist der Asylwerber aus in seiner Person gelegenen Gründen nicht in der Lage, am Verfahren mitzuwirken, ist der Lauf der Frist nach Satz 1 gehemmt."
In den Erläuterungen zur Regierungsvorlage des Asylgesetzes 2005 wird im allgemeinen Teil (952 BlgNR XXII. GP, 6) ausgeführt:
"Verfahren werden in Zukunft - wie schon im Rahmen der AsylG-Nov 2003 normiert - mit einem Zulassungsverfahren beginnen, in dem eine erste Prüfung des Antrags vorgenommen wird; diese wird sich vor allem auf die Zurückweisung des Antrags - also auf Drittstaats- , Dublin- und Folgeantragsentscheidungen - konzentrieren, aber auch inhaltliche Entscheidungen zulassen. Während dieses kurzen Verfahrens, das Gesetz geht, ausgenommen in Dublin-Verfahren, im Regelfall von einer maximal 20-tägigen Dauer aus, ist der kein anderes Aufenthaltsrecht genießende Asylwerber vor aufenthaltsbeendenden Maßnahmen geschützt, ein vorübergehendes Aufenthaltsrecht kommt ihm allerdings erst mit Zulassung zu. Die Wirkung der Berufung gegen eine Zurückweisungsentscheidung und die damit verbundene Ausweisung wird an das durch die Dublin-Verordnung vorgezeichnetes System angepasst; ihr kommt eine aufschiebende Wirkung nur zu, wenn diese im Einzelfall vom unabhängigen Bundesasylsenat zuerkannt wird, wobei allerdings mit der faktischen Abschiebung so lange zuzuwarten ist, dass der Rechtsmittelinstanz die Prüfung der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung ermöglicht wird.
Nach Zulassung des Verfahrens wird in Zukunft auch eine Zurückweisungsentscheidung möglich sein; die Zulassung des Verfahrens ist also nur eine 'Prognoseentscheidung' über die Zulässigkeit des Antrags. Das Hauptaugenmerk wird jedoch der inhaltlichen Entscheidung gelten."
Zu § 28 AsylG 2005 führen die Erläuterungen (a.a.O, 50) aus:
"Abs. 1 stellt den Zweck des Zulassungsverfahrens dar. Im Gegensatz zu bisher ist die Zulassungsentscheidung eine Prognoseentscheidung; ein Verfahren ist zuzulassen, wenn der Antrag auf internationalen Schutz voraussichtlich - das heißt wahrscheinlich nach dem derzeitigen Wissenstand der Behörde - nicht zurückzuweisen oder ausnahmsweise im Zulassungsverfahren abzuweisen ist. Der Antrag ist zurückzuweisen, wenn ein anderer Dublin-Staat (§ 5) oder ein sicherer Drittstaat (§ 4) für das Verfahren zuständig ist oder wenn es sich um Anbringen handelt, das 'die Abänderung eines der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehrt …' (§ 68 Abs. 1 AVG) - also um einen ungerechtfertigen Folgeantrag. Wird der Antrag zugelassen, so erhält der Asylwerber eine Aufenthaltsberechtigungskarte und ist somit zum Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt (§ 13). Die Praxis nach der AsylG-Nov 2003 hat jedoch gezeigt, dass manche Zurückweisungstatbestände erst nach dem Zulassungsverfahren zu Tage treten; hier musste umständlich das Zulassungsverfahren wieder aufgenommen werden. Um dies in Zukunft zu verhindern und klarer darzustellen, dass Zulassungsverfahren und materielles Verfahren nur Teile eines Asylverfahrens sind, steht eine Zulassung einer späteren Zurückweisung nicht entgegen. Damit ist auch klargestellt, dass eine Zulassung alleine keine 'Prüfung eines Asylantrages' im Sinne von Art 2 lit. e der Dublin-Verordnung darstellt. Dies wird aber die Ausnahme sein."
2. Asylverfahren beginnen - nach Einbringung des Antrages auf internationalen Schutz - mit dem Zulassungsverfahren, in welchem - abgesehen von der Möglichkeit, auch inhaltliche Entscheidungen zu treffen - zu prüfen ist, ob der Antrag auf internationalen Schutz "voraussichtlich" (laut den Erläuterungen: nach dem derzeitigen Wissensstand der Behörde wahrscheinlich) nicht zurückzuweisen ist. Die Einschätzung der Zulässigkeit ist nur eine vorläufige; es wird nicht endgültig über die Frage der Zulässigkeit des Verfahrens entschieden (Putzer/Rohrböck, Leitfaden Asylrecht Rz 410).
Das Zulassungsverfahren ist binnen 20 Tagen zu beenden, soweit nicht Konsultationen nach der Dublin-Verordnung eingeleitet werden. Die Zulassung des Verfahrens erfolgt durch Aushändigung einer Aufenthaltsberechtigungskarte. Rechtsfolge der Zulassung des Verfahrens ist es unter anderem, dass dem Asylwerber ein Aufenthaltsrecht nach § 13 AsylG 2005 zukommt, keine Einleitung des Ausweisungsverfahrens nach § 27 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 erfolgt oder ein bereits eingeleitetes Ausweisungsverfahren nach § 27 Abs. 4 AsylG 2005 einzustellen ist; dass die Zuständigkeit der Erstaufnahmestelle zur Führung des Asylverfahrens endet; dass die gesetzliche Vertretung unbegleiteter Minderjähriger durch Rechtsberater endet und jene der Organe der örtlich zuständigen Jugendwohlfahrtsträger entsteht (§ 16 Abs. 3 AsylG 2005; vgl. etwa Feßl/Holzschuster, Asylgesetz 2005, 459). Keine Rechtsfolge der Zulassung des Verfahrens ist es aber, dass der Asylantrag nicht mehr zurückgewiesen werden dürfte. Dies folgt zum einen schon daraus, dass das Verfahren zuzulassen ist, wenn der Antrag voraussichtlich nicht zurückzuweisen ist (was also schon die Möglichkeit einschließt, dass entgegen der Prognose der Antrag doch zurückzuweisen ist), und - explizit - aus § 28 Abs. 1 dritter Satz AsylG 2005. Die Zulassung des Verfahrens hat also keine Bindungswirkung hinsichtlich der Frage, ob der Antrag zurückzuweisen ist (vgl. Putzer/Rohrböck, a.a.O. Rz 410, die insoweit ausführen, die Zulassung des Verfahrens begründe in diesem Bereich keine "res iudicata").
Da § 28 Abs. 1 dritter Satz AsylG 2005 keinerlei Differenzierung enthält, ist davon auszugehen, dass die Erläuterungen lediglich das Motiv für die Gesetzesänderung - also die Erfahrung, dass manche Zurückweisungstatbestände nach der AsylG-Novelle 2003 erst nach dem Zulassungsverfahren zu Tage getreten waren und dort das Zulassungsverfahren umständlich wieder aufgenommen werden musste - darlegen. Daraus ist jedoch, entgegen der im angefochtenen Bescheid vertretenen Ansicht, noch nicht abzuleiten, dass in anderen Fällen (wenn also die Zurückweisungstatbestände schon vor Zulassung des Verfahrens zu Tage getreten sind) eine Zurückweisung eines Asylantrages nach Zulassung des Verfahrens ausgeschlossen wäre. Auch wird in den Materialien ausgeführt, eine Zulassung stehe einer späteren Zurückweisung nicht entgegen, um klarer darzustellen, dass Zulassungsverfahren und materielles Verfahren nur Teile eines Asylverfahrens sind. Insoweit besteht also auch nach den Erläuterungen kein Zusammenhang zwischen dem Zeitpunkt des Zutagetretens eines Zurückweisungsgrundes und der Zurückweisung eines Asylantrages.
3. Soweit im angefochtenen Bescheid auf Rechtsschutzinstrumentarien des Zulassungsverfahrens verwiesen wird, ist nicht ersichtlich, dass im Rechtsmittelverfahren für den Asylwerber ungünstigere Bestimmungen gelten würden, wenn der Antrag außerhalb des Zulassungsverfahrens - und nicht (wie als Regel vorgesehen) im Zulassungsverfahren - zurückgewiesen wurde (vgl. § 41 Abs. 2 bis 4 AsylG 2005). Die Beistellung von Rechtsberatern ist - nach den Erläuterungen zur Regierungsvorlage (952 BlgNR XXII. GP, 74) - erforderlich, um die Trennung in Zulassungsverfahren und materielles Verfahren nicht nur effektiv und effizient zu gestalten, sondern vor allem auch unter rechtsstaatlichen Parametern führen zu können. Hierbei ist mitzubedenken, dass der - nicht aufenthaltsberechtigte - Asylwerber im Zulassungsverfahren einer Reihe zeitlicher (20-Tage-Frist, Einvernahmen in kurzen Abständen) und örtlicher (Gebietsbeschränkung des § 12 Abs. 2 AsylG 2005) Einschränkungen unterliegt, die eine Hilfestellung erfordern. Außerhalb des Zulassungsverfahrens erachtete der Gesetzgeber die Beistellung einer Rechtsberatung nicht für erforderlich. Dabei wird wohl in typisierender Betrachtungsweise davon ausgegangen, dass es in einem zugelassenen Asylverfahren, welches einen längeren Zeitraum in Anspruch nimmt als das - in der Regel auf 20 Tage beschränkte - Zulassungsverfahren, einem aufenthaltsberechtigten Asylwerber - wie auch im konkreten Fall - leichter möglich ist, selbst für eine geeignete Beratung zu sorgen.
Wenn die belangte Behörde ausführt, scheinbar "bedingungslose" spätere Zurückweisungen von bereits zugelassenen Asylverfahren würden stets unvorhersehbares behördliches Handeln implizieren und der Verfahrensmangel einer versehentlichen Zulassung könne nicht zu Lasten des Mitbeteiligten als Grund für eine spätere zurückweisende Entscheidung herangezogen werden, so ist zu berücksichtigen, dass Grund für die Zurückweisung des Antrages auf internationalen Schutz nicht die versehentliche Zulassung, sondern die Unzuständigkeit Österreichs zur Prüfung des Antrages war. Ob dieser gesetzlich vorgesehene Zurückweisungsgrund vorlag, ist auch in einem Rechtsmittelverfahren überprüfbar, sodass von einer "bedingungslosen" (im Sinne einer rechtsgrundlosen) Zurückweisung nicht gesprochen werden kann. Im Hinblick auf § 28 Abs. 1 dritter Satz AsylG 2005 ist überdies ein zu schützendes Vertrauen des Asylwerbers dahin, das zugelassene Verfahren werde nicht mehr zurückgewiesen werden, nicht anzunehmen. Auch im Falle einer Zulassung des Verfahrens gemäß § 41 Abs. 3 zweiter Satz AsylG 2005 kann das Bundesasylamt nach Vornahme der aufgrund des Berufungsbescheides erforderlichen Verfahrensergänzung wieder zu einer Zurückweisung des Antrages als unzulässig kommen (s. das hg. Erkenntnis vom 31. Mai 2007, Zl. 2007/20/0466).
4. Der Verwaltungsgerichtshof kommt sohin zum Ergebnis, dass - sofern ein Zurückweisungsgrund vorliegt - eine Zurückweisung eines Asylantrages nach Zulassung des Verfahrens auch dann rechtmäßig ist, wenn der Behörde der Zurückweisungsgrund - wie hier - bereits zum Zeitpunkt der Zulassung bekannt war und dieser Zurückweisungsgrund nicht in der Folge wieder weggefallen ist (vgl. etwa Art 19 Abs. 4 Dublin-Verordnung; s. hierzu das hg. Erkenntnis vom 29. Juni 2008, Zl. 2007/21/0509). Festzuhalten ist, dass zum Zeitpunkt der Erlassung des hier angefochtenen Bescheides die Frist von 6 Monaten (Art. 19 Abs. 4 Dublin-Verordnung) noch nicht abgelaufen war.
5. Der angefochtene Bescheid war daher wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
Wien, am 25. November 2008
Schlagworte
Besondere RechtsgebieteRechtsgrundsätze Fristen VwRallg6/5Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Verhältnis der wörtlichen Auslegung zur teleologischen und historischen Auslegung Bedeutung der Gesetzesmaterialien VwRallg3/2/2Gemeinschaftsrecht Verordnung EURallg5European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2008:2006200624.X00Im RIS seit
21.01.2009Zuletzt aktualisiert am
05.11.2010