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62 Arbeitsmarktverwaltung;Norm
AlVG 1977 §24 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Strohmayer und Dr. Moritz als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Marzi, über die Beschwerde der Z in Wien, vertreten durch Dr. Romana Zeh-Gindl, Rechtsanwältin in 1010 Wien, Franz Josefs-Kai 5/10, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien vom 4. Mai 2005, Zl. LGSW/Abt. 10-AlV/1218/56/2005-567, betreffend Widerruf und Rückforderung von Notstandshilfe, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund (Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit) Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
In ihren Anträgen auf Zuerkennung von Arbeitslosengeld vom 2. April und 11. August 2003 an die regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien, Geiselbergstraße (in der Folge: AMS), gab die Beschwerdeführerin jeweils an, sie lebe mit ihrem Ehemann, Argent G., nicht im gemeinsamen Haushalt. In ihrem Antrag auf Zuerkennung von Notstandshilfe vom 20. Jänner 2004 an das AMS verneinte die Beschwerdeführerin weiterhin die im Antragsformular gestellte Frage, ob sie mit Angehörigen im gemeinsamen Haushalt lebe. Zu ihrer Angabe, noch verheiratet zu sein, findet sich auf dem Antragsformular ein Vermerk des Sachbearbeiters:
"Scheidungsurkunde am 23.1.04 eingereicht". Über die zuletzt genannte Antragstellung verfasste das AMS am 20. Jänner 2004 folgenden elektronischen Vermerk:
"pers. Vorsprache der Kundin mit Gatten (als Dolmetscher), NH-Antrag ausgefolgt mit heutiger Geltendmachung (Leistung per 28.12.03 abgelaufen, das automatische Schreiben wurde von der Kundin ignoriert).
Kundin wurde informiert, daß alle Termine beim AMS verbindlich sind, allgemeine Meldepflichten. (...)."
In ihrem Antrag auf Zuerkennung von Notstandshilfe vom 10. Jänner 2005 an das AMS gab die Beschwerdeführerin an, dass sie seit dem 17. April 2004 mit Goran V., der ca. EUR 670,-- netto monatlich verdiene, verheiratet sei und mit diesem im gemeinsamen Haushalt lebe. (Den im Akt erliegenden Lohnbescheinigungen zu Folge verdiente ihr Ehemann im Dezember 2004 EUR 883,50 und im Jänner 2005 EUR 893,50 brutto).
Mit Bescheid des AMS vom 17. Februar 2005 wurde die Notstandshilfe der Beschwerdeführerin für den Zeitraum vom 1. Mai 2004 bis zum 31. Jänner 2005 widerrufen bzw. die Bemessung rückwirkend berichtigt und die Beschwerdeführerin gemäß § 38 iVm § 25 Abs. 1 AlVG zur Rückzahlung der unberechtigt empfangenen Notstandshilfe in Höhe von EUR 2.328,78 verpflichtet. Sie habe die Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung für den angegebenen Zeitraum zu Unrecht bezogen, weil sie "die Heirat vom 17. April 2004 erst im Jänner 2005 bekannt gegeben" habe.
In der gegen diesen Bescheid gerichteten Berufung führte die Beschwerdeführerin aus, dass sie sich am 27. April 2004, sohin gleich nach ihrer (neuerlichen) Vermählung, beim AMS "mit allen Dokumenten gemeldet habe". Sie habe alle Daten bekannt gegeben und wüsste nicht, was sie noch mehr hätte tun sollen.
Den chronologisch über EDV geführten Aufzeichnungen des AMS vom 27. April 2004 ist zu entnehmen:
"Kunde meldet Heirat. Umsiedelung - Gatte Österreicher. - Terminsetzung gleich bleibend."
Mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid wurde der Berufung der Beschwerdeführerin (Zitat ohne die Hervorhebungen des Originals)
"keine Folge gegeben und der angefochtene Bescheid wie folgt abgeändert.
Ihr Notstandshilfebezug wird gemäß § 24 Abs. 2 in Verbindung mit §§ 33 und 36 Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 ... rückwirkend für die Zeit vom 1.5.2004 bis 31.12.2004 von EUR 15,68 auf EUR 6,79 und vom 1.1.2005 bis 31.1.2005 von EUR 15,68 auf EUR 6,97 berichtigt.
Der zu Unrecht bezogene Betrag von EUR 2.448,06 wird zurückgefordert."
Die Beschwerdeführerin habe dem AMS zwar die Heirat "mit dem Zusatz Ehemann 'Österreicher'" (und die Adressänderung), nicht aber ein Einkommen gemeldet. Dieses habe die Beschwerdeführerin erst bei der Antragstellung im Jänner (2005) bekannt gegeben. Das Einkommen des Partners sei nach den gesetzlichen Vorschriften auf den theoretischen Notstandshilfeanspruch anzurechnen, sodass lediglich der danach verbleibende Differenzbetrag zur Anrechnung gelangen könne. Die Anrechnung habe immer auf den Leistungsanspruch des Folgemonats zu erfolgen. Der Ehemann der Beschwerdeführerin habe im Mai 2004 EUR 723,14 verdient. Rechne man dieses Einkommen für den Zeitraum vom 1. Mai 2004 bis zum 31. Jänner 2005 an, so ergebe sich der im Spruch des in Beschwerde gezogenen Bescheides angegebene Notstandshilfeanspruch bzw. der dort angegebene Rückforderungsbetrag.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes kostenpflichtig aufzuheben.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde begehrt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Gemäß § 24 Abs. 2 AlVG ist, wenn sich die Zuerkennung oder die Bemessung des Arbeitslosengeldes als gesetzlich nicht begründet herausstellt, die Zuerkennung zu widerrufen oder die Bemessung rückwirkend zu berichtigen.
Gemäß § 25 Abs. 1 AlVG ist der Empfänger des Arbeitslosengeldes bei Einstellung, Herabsetzung, Widerruf oder Berichtigung einer Leistung zum Ersatz des unberechtigt Empfangenen zu verpflichten, wenn er den Bezug durch unwahre Angaben oder durch Verschweigung maßgebender Tatsachen herbeigeführt hat oder wenn er erkennen musste, dass die Leistung nicht oder nicht in dieser Höhe gebührte.
Gemäß § 38 AlVG sind die oben genannten Bestimmungen auf die Notstandshilfe sinngemäß anzuwenden.
Gemäß § 33 Abs. 3 AlVG liegt Notlage vor, wenn dem Arbeitslosen die Befriedigung der notwendigen Lebensbedürfnisse unmöglich ist.
Gemäß § 36 Abs. 2 AlVG sind in den Richtlinien über die Höhe der Notstandshilfe (NotstandshilfeV) auch die näheren Voraussetzungen festzulegen, unter denen Notlage als gegeben anzusehen ist. Bei der Beurteilung der Notlage sind die gesamten wirtschaftlichen Verhältnisse des Arbeitslosen selbst sowie des mit dem Arbeitslosen im gemeinsamen Haushalt lebenden Ehepartners (Lebensgefährten) zu berücksichtigen.
Aus der Gegenüberstellung der einzelnen Tatbestände des § 25 Abs. 1 AlVG (unwahre Angaben, Verschweigung maßgebender Tatsachen und Erkennen müssen, dass Leistung nicht oder nicht in voller Höhe gebühre) folgt, dass die ersten beiden Tatbestände zumindest mittelbaren Vorsatz - dolus eventualis - voraussetzen, während es für die Anwendung des dritten Tatbestandes genügt, dass Fahrlässigkeit gegeben war. Gemäß § 50 Abs. 1 AlVG ist jede für das Fortbestehen und das Ausmaß des Anspruches maßgebende Änderung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Arbeitslosen sowie jede Wohnungsänderung der regionalen Geschäftsstelle ohne Verzug, spätestens jedoch binnen einer Woche seit dem Eintritt des Ereignisses anzuzeigen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat einen der antragstellenden Partei zuzurechnenden Vorsatz etwa bei der Unterlassung der Meldung der Aufnahme einer Tätigkeit oder eines mehrmonatigen Studienaufenthaltes im Ausland sowie bei unwahrer Beantwortung einer im Antragsformular gestellten Frage angenommen (vgl. das Erkenntnis vom 4. Juli 2007, Zl. 2006/08/0008, mwN).
Die Beschwerdeführerin bestreitet nicht, dass sie dem AMS das Einkommen ihres Ehemannes (als Taxilenker) nicht gemeldet hat. Dies wäre jedoch gemäß § 50 Abs. 1 AlVG ihre Pflicht gewesen. Der Zweck dieser Bestimmung ist, die Behörde in die Lage zu versetzen, jede Änderung in den Verhältnissen des Arbeitslosen, die zu einer Änderung des Leistungsanspruches führen könnte, daraufhin zu prüfen, ob die Leistung einzustellen oder zu ändern ist. Der Beschwerdeführerin kann nicht zweifelhaft gewesen sein, dass das Einkommen des mit ihr zumindest ab dem 1. Mai 2004 im gemeinsamen Haushalt lebenden Ehepartners zu den genannten Verhältnissen gehört, zumal sie auch in den früheren Anträgen auf Zuerkennung von Arbeitslosengeld das Einkommen ihres (früheren) Ehepartners bekannt gegeben hat. Überdies hätte sie eine Änderung der wirtschaftlichen Verhältnisse auch dann dem AMS zu melden, wenn diese ihrer Auffassung nach den Anspruch auf eine Leistung der Arbeitslosenversicherung nicht zu beeinflussen vermag (vgl. das hg. Erkenntnis vom 20. Oktober 1992, Zl. 92/08/0114). Das Risiko eines Rechtsirrtums, aus dem heraus ein Arbeitsloser meint, seinen Meldepflichten nicht oder nicht vollständig nachkommen zu müssen, ist von ihm zu tragen (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 14. November 1995, Zl. 92/08/0034, und vom 19. September 2007, Zl. 2006/08/0315).
Die belangte Behörde hat die Beschwerdeführerin zu Recht gemäß § 25 Abs. 1 AlVG zum Rückersatz der - in der Höhe nicht bestrittenen - Leistungen verpflichtet.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.
Wien, am 26. November 2008
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2008:2005080149.X00Im RIS seit
23.01.2009Zuletzt aktualisiert am
09.04.2009