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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AVG §39;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger und die Hofräte Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer, die Hofrätin Mag. Merl und den Hofrat Dr. Lukasser als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Schmidl, über die Beschwerde der S D in W, geboren am 7. August 1985, vertreten durch Dr. Gerfried Höfferer, Rechtsanwalt in 1020 Wien, Franzensbrückenstraße 20/1/6b, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 31. August 2005, Zl. SD 1767/04, betreffend Ausweisung gemäß § 34 Abs. 1 Fremdengesetz 1997, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 51,50 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I.
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 31. August 2005 wurde die Beschwerdeführerin, eine türkische Staatsangehörige, gemäß § 34 Abs. 1 Z. 2 Fremdengesetz 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ausgewiesen.
Die Beschwerdeführerin sei am 21. September 2002 mit einem Visum "D" nach Österreich eingereist und habe in der Folge von der Erstbehörde auf Grund einer Zulassung zum Studium der Betriebswirtschaft an der Wirtschaftsuniversität Wien eine Aufenthaltserlaubnis für den Aufenthaltszweck "Student" erhalten, die mehrmals - zuletzt bis 31. Oktober 2004- verlängert worden sei. Während ihres Aufenthaltes im Bundesgebiet habe die Beschwerdeführerin Deutschkurse bei der österreichischen Orient-Gesellschaft besucht, jedoch - wie die Wirtschaftsuniversität Wien mit Schreiben vom 6. April 2005 bestätigt habe - die für die Aufnahme eines ordentlichen Studiums an der Wirtschaftsuniversität Wien erforderliche Ergänzungsprüfung aus Deutsch nicht erfolgreich ablegen können. Außerdem habe die Beschwerdeführerin im zuletzt am 18. Oktober 2004 eingebrachten Antrag auf Verlängerung ihrer Aufenthaltserlaubnis mitgeteilt, dass sie nunmehr (auch) an der islamischen religionspädagogischen Akademie als außerordentliche Hörerin inskribiert wäre, wo sie derzeit einen Vorbereitungslehrgang absolvierte.
Angesichts des vorliegenden Sachverhaltes sei die Erstbehörde zu Recht von der Annahme ausgegangen, dass die Beschwerdeführerin nicht ausschließlich deshalb nach Österreich gekommen sei, um hier (an der Wirtschaftsuniversität Wien) zu studieren. Jedenfalls habe die Beschwerdeführerin kein Verhalten gesetzt, das den Schluss zuließe, ihr (ausschließlicher) Aufenthaltszweck wäre die Absolvierung eines Studiums (der Betriebswirtschaft) im Inland. Damit erfülle die Beschwerdeführerin aber wesentliche Voraussetzungen für den von ihr begehrten Aufenthaltstitel nicht und verstoße solcherart gegen die für sie maßgeblichen fremdenrechtlichen Regelungen, deren Einhaltung durch den Normadressaten aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung ein sehr hoher Stellenwert zukomme. Der Erteilung eines weiteren Aufenthaltstitels stehe sohin der Versagungsgrund des § 10 Abs. 2 Z. 3 FrG entgegen. Damit lägen die Voraussetzungen des § 34 Abs. 1 Z. 2 iVm § 12b FrG (richtig: § 12 Abs. 2b FrG) vor. In einem solchen Fall könnten Fremde mit Bescheid ausgewiesen werden, wenn dem nicht die Bestimmung des § 37 leg. cit. entgegenstehe.
Die Beschwerdeführerin lebe seit weniger als drei Jahren im Bundesgebiet und verfüge über familiäre Bindungen im Inland zu ihrem Vater und ihrem Bruder. Es sei daher von einem mit der vorliegenden Maßnahme verbundenen Eingriff in ihr Privat- bzw. Familienleben auszugehen. Dessen ungeachtet sei aber die gegen sie gesetzte fremdenpolizeiliche Maßnahme zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele - hier: zur Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenwesens - dringend geboten. Es liefe dem genannten öffentlichen Interesse grob zuwider, wenn sich ein Fremder durch die Vorgabe, in Österreich (an einer Universität) studieren zu wollen, den weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet verschaffen könnte, tatsächlich jedoch bereits vor der für ein ordentliches Studium (der Betriebswirtschaft) notwendigen Ablegung der Ergänzungsprüfung aus Deutsch das "Studium" wechsle und nunmehr eine Schulausbildung absolvieren wolle.
Im Rahmen der nach § 37 Abs. 2 FrG erforderlichen Interessenabwägung sei auf den knapp dreijährigen inländischen Aufenthalt sowie die familiären Bindungen der Beschwerdeführerin Bedacht zu nehmen. Gleichzeitig sei aber zu berücksichtigen, dass der Aufenthalt der Beschwerdeführerin von vornherein nicht auf Dauer, sondern nur auf den Zweck der Absolvierung eines Studiums gerichtet gewesen sei. Gerade diesen Aufenthaltszweck habe die Beschwerdeführerin aber dadurch unterlaufen, dass sie trotz dreijährigen "Studiums" keinen Studienerfolg nachweisen könne bzw. bereits vor Beginn des ordentlichen Studiums das behördlich genehmigte Ausbildungsziel geändert habe. Der aus ihrem inländischen Aufenthalt ableitbaren Integration könne somit kein entscheidendes Gewicht zugemessen werden. Vor diesem Hintergrund seien auch die familiären Bindungen der Beschwerdeführerin zu ihrem Vater und ihrem Bruder zu relativieren. Diesen - solcherart geschmälerten - privaten Interessen der Beschwerdeführerin stehe das hoch zu veranschlagende öffentliche Interesse an der Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenwesens gegenüber. Bei Abwägung dieser Interessenlage gelange die belangte Behörde zu der Auffassung, dass die Auswirkungen einer Ausweisung auf die Lebenssituation der Beschwerdeführerin keinesfalls schwerer wögen als die gegenläufigen öffentlichen Interessen und damit die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von dieser Maßnahme.
Da keine besonderen, zu Gunsten der Beschwerdeführerin sprechenden Umstände vorlägen, habe ein weiterer Aufenthalt der Beschwerdeführerin im Bundesgebiet auch nicht im Rahmen des der Behörde zustehenden Ermessens in Kauf genommen werden können.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn aufzuheben.
3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, sah jedoch von der Erstattung einer Gegenschrift ab.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Die Beschwerdeführerin verfügte unstrittig über eine Aufenthaltserlaubnis für den Zweck "Studium", die zuletzt bis 31. Oktober 2004 verlängert wurde. Sie hat sich seit Oktober 2002 rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten. Da sie sich sohin während des mit dem Verlängerungsantrag vom 18. Oktober 2004 eingeleiteten Verfahrens zur Erteilung eines weiteren Aufenthaltstitels im Bundesgebiet aufhält, kann sie gemäß § 34 Abs. 1 FrG mit Bescheid ausgewiesen werden, wenn (Z. 2) der Erteilung eines weiteren Aufenthaltstitels ein Versagungsgrund entgegensteht. Gemäß § 12 Abs. 2b FrG kann die Erteilung einer weiteren Aufenthaltserlaubnis für einen ausschließlich dem Zweck eines Studiums dienenden Aufenthalt versagt werden, wenn der Betroffene über keinen Studienerfolgsnachweis im Sinne des § 75 Abs. 6 Universitätsgesetz 2002 - UG, BGBl. I Nr. 120/2002, (Ablegung von positiv beurteilten Prüfungen im Umfang von mindestens 16 ECTS-Anrechnungspunkten, also acht Semesterstunden, im vorausgegangenen Studienjahr) verfügt. Die Behörde hat dabei jedenfalls auf Gründe, die der Einflusssphäre des Betroffenen entzogen oder unabwendbar oder unvorhersehbar sind, Bedacht zu nehmen.
2. Die Beschwerdeführerin behauptet nicht, im Studienjahr 2004/2005 16 ECTS-Anrechnungspunkte erhalten zu haben. Sie bringt jedoch vor, sie habe am 20. Februar 2003 und am 20. Juni 2003 Deutschprüfungen (nicht jedoch den Deutschkurs im Wintersemester 2003/2004) positiv abgelegt und im September 2004 eine Aufnahmeprüfung (Deutsch und Arabisch, schriftlich und mündlich) an der Akademie für islamische Religionspädagogik absolviert.
Dem ist entgegenzuhalten, dass die Erbringung von Leistungen, die dem im § 75 Abs. 6 UG geforderten Ausmaß entsprechen, zwar auch ohne Vorlage einer Bestätigung nach dieser Bestimmung einen Grund für die Ermessensübung zu Gunsten des Fremden darstellen kann. Der Besuch von Deutschkursen kommt jedoch einer Leistung, die den Kriterien des § 75 Abs. 6 UG entspricht, nicht gleich (vgl. das hg. Erkenntnis vom 17. Februar 2006, Zl. 2005/18/0664), zumal sich die Beschwerdeführerin schon seit 2002 im Bundesgebiet aufhält und in all den Jahren keine greifbaren Studienerfolge aufgewiesen hat. Daran ändert auch nichts, dass die Beschwerdeführerin die Aufnahmeprüfung an der islamischen religionspädagogischen Akademie (ausschließlich in den Fächern Deutsch und Arabisch) abgelegt hat, weil auch dadurch Leistungen, die dem im § 75 Abs. 6 UG geforderten Ausmaß entsprechen, nicht nachgewiesen wurden.
Das weitere Beschwerdevorbringen, die Beschwerdeführerin habe im Juni 2005 an der islamischen religionspädagogischen Akademie insgesamt vier Prüfungen positiv abgelegt, stellt eine im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof unzulässige Neuerung dar (vgl. § 41 Abs. 1 VwGG).
Der Beschwerdeführerin ist es in den sechs Semestern seit ihrer Einreise im September 2002 noch nicht einmal gelungen, die ihr vorgeschriebene Ergänzungsprüfung für die Zulassung als ordentliche Studierende zu absolvieren. Sie hat somit während ihres beinahe dreijährigen Aufenthaltes im Bundesgebiet lediglich im ersten Halbjahr 2003 zwei Deutschprüfungen abgelegt. Seither hat sie - sieht man von der Aufnahmeprüfung für die Akademie für islamische Religionspädagogik im September 2004 ab - in den zwei Jahren bis zur Erlassung des angefochtenen Bescheides keine positiv abgelegten Prüfungen nachgewiesen, und zwar weder an der Wirtschaftsuniversität Wien noch an der Akademie für islamische Religionspädagogik. Für keines der bisherigen drei Studienjahre konnte sie einen Studienerfolgsnachweis gemäß § 75 Abs. 6 UG erbringen.
Bei diesem Ergebnis kann dahinstehen, ob es sich bei der islamischen religionspädagogischen Akademie laut angefochtenem Bescheid um eine Schule (vgl. auch die Inskriptionsbestätigung der Akademie vom 6. Oktober 2004, wonach die IRPA eine Privatschule mit Öffentlichkeitsrecht gemäß § 14 Abs. 2 lit. b PrivatschulG, BGBl. 1962/244, sei) oder laut - unbelegtem - Beschwerdevorbringen um eine Fachhochschule handelt. Es war auch entbehrlich, auf das Beschwerdevorbringen betreffend den "Studienwechsel" einzugehen, weil - wie oben dargelegt - auch eine gemeinsame Betrachtung der Ausbildungen an der Wirtschaftsuniversität Wien und der Akademie für islamische Religionspädagogik zu keinem anderen Ergebnis führt.
3. Die Beschwerdeführerin hat in der Beschwerde nicht behauptet, dass ihrer Einflusssphäre entzogene, unabwendbar oder unvorhersehbare Gründe für ihren mangelnden Studienerfolg vorlägen. Die diesbezügliche Verfahrensrüge, die belangte Behörde hätte zu diesen Gründen Feststellungen treffen müssen und es sei nicht auszuschließen, dass "nach dem Berufungsvorbringen solche Gründe vorliegen", geht somit ins Leere.
Im Hinblick auf diese Umstände bestehen keine Bedenken dagegen, dass die belangte Behörde nicht zu dem Ergebnis gelangte, einem ausreichenden Studienerfolg stünden Gründe im Sinn von § 12 Abs. 2b zweiter Satz FrG entgegen.
Da somit der Erteilung des begehrten weiteren Aufenthaltstitels ein Versagungsgrund entgegensteht, ist der Tatbestand des § 34 Abs. 1 Z. 2 FrG erfüllt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 28. September 2004, Zl. 2004/18/0281).
4. Bei der Interessenabwägung gemäß § 37 Abs. 1 und 2 FrG hat die belangte Behörde den inländischen Aufenthalt der Beschwerdeführerin in der Dauer von weniger als drei Jahren und ihre familiären Bindungen im Inland zu ihrem Vater und ihrem Bruder berücksichtigt und ist zutreffend von einem mit der vorliegenden Maßnahme verbundenen Eingriff in das Privat- bzw. Familienleben der Beschwerdeführerin ausgegangen. Die aus der Aufenthaltsdauer ableitbaren persönlichen Interessen werden in ihrem Gewicht allerdings dadurch entscheidend gemindert, dass der Aufenthalt der Beschwerdeführerin bisher nur zum Zweck des Studiums berechtigt war, sie aber noch nicht einmal die Voraussetzungen für die Aufnahme des Studiums erfüllt. Dem steht die Gefährdung des öffentlichen Interesses an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften, der aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 EMRK) ein hoher Stellenwert zukommt, gegenüber. Unter gehöriger Abwägung dieser Umstände ist die Ausweisung zur Erreichung von im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zielen dringend geboten und demnach gemäß § 37 Abs. 1 FrG zulässig. Von daher wiegen die Auswirkungen dieser Maßnahme auf die Lebenssituation der Beschwerdeführerin und ihrer Familie nicht schwerer als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung. Es geht somit auch die gemäß § 37 Abs. 2 FrG durchzuführende Interessenabwägung zu Lasten der Beschwerdeführerin aus.
Wenn die Beschwerdeführerin schließlich darauf verweist, dass sie (in der Berufung) die Einvernahme ihres Vaters zum Beweis dafür beantragt habe, dass sie nach Beendigung ihres Studiums wieder in die Türkei zurückkehren solle, die belangte Behörde diesen Beweis jedoch - wie auch den ihrer eigenen Einvernahme - weder aufgenommen, noch begründet habe, warum die Beweisanträge unerheblich sein sollten, ist diesen Ausführungen entgegenzuhalten, dass es auf das Beweisthema einer Rückkehr der Beschwerdeführerin nach Beendigung ihres Studiums in die Türkei im vorliegenden Fall nicht ankommt.
Dem gerügten Verfahrensmangel kommt daher keine Relevanz zu (vgl. dazu die in Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2 unter E 107 zu § 39 AVG referierte hg. Judikatur).
5. Da sich die Beschwerde somit als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
6. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003. Wien, am 2. Dezember 2008
Schlagworte
Sachverhalt Neuerungsverbot Besondere RechtsgebieteEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2008:2005180612.X00Im RIS seit
29.12.2008Zuletzt aktualisiert am
15.11.2011