TE Vwgh Erkenntnis 2008/12/2 2008/18/0624

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Veröffentlicht am 02.12.2008
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
41/02 Asylrecht;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

B-VG Art140 Abs1;
FrPolG 2005 §53 Abs1;
FrPolG 2005 §86 Abs2;
FrPolG 2005 §87;
NAG 2005 §52 Z2;
NAG 2005 §54 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger, die Hofräte Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer, die Hofrätin Mag. Merl und den Hofrat Dr. Lukasser als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Schmidl, über die Beschwerde des J P, geboren am 23. August 1974, vertreten durch Mag. Dr. Ralf Heinrich Höfler, Rechtsanwalt in 1090 Wien, Türkenstraße 25/11, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 28. September 2007, Zl. E1/413.821/2007, betreffend Ausweisung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund den Aufwand in Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 28. September 2007 wurde der Beschwerdeführer, ein serbischer Staatsangehöriger, gemäß § 53 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 - FPG, BGBl. I Nr. 100, ausgewiesen.

Der (dem Verwaltungsakt zufolge in Österreich geborene) Beschwerdeführer sei im Jahr 1998 nach Österreich eingereist und mit rechtskräftigem Beschluss des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 13. Juli 1998 von seiner Tante, einer österreichischen Staatsbürgerin, adoptiert worden. Anschließend habe er Niederlassungsbewilligungen für den Aufenthaltszweck "Familiengemeinschaft mit Österreicher", zuletzt bis zum 15. Februar 2002, erhalten.

Ein vom Beschwerdeführer am 16. März 2006 eingebrachter (Erst-)Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz für den Aufenthaltszweck "unbeschränkt" sei vom Landeshauptmann von Wien mit Bescheid vom 15. November 2006 rechtskräftig zurückgewiesen worden. Gemäß § 24 Abs. 2 NAG würden Anträge, die nach Ablauf des Aufenthaltstitels gestellt werden, nur dann als Verlängerungsanträge gelten, wenn der Antrag spätestens sechs Monate nach dem Ende der Gültigkeitsdauer des letzten Aufenthaltstitels gestellt worden sei. Danach würden Anträge als Erstanträge gelten. Der Beschwerdeführer habe seit dem 16. Februar 2002 nicht mehr über einen Aufenthaltstitel verfügt und halte sich seither - falls er überhaupt durchgehend in Österreich gewesen wäre - unrechtmäßig im Bundesgebiet auf, sodass die Voraussetzungen des § 53 Abs. 1 FPG vorlägen. In einem solchen Fall könnten Fremde mit Bescheid ausgewiesen werden, wenn dem nicht die Bestimmung des § 66 Abs. 1 FPG entgegenstünde.

Der Beschwerdeführer, der sich längstens seit 1998 in Österreich aufhalte, verfüge im Inland über familiäre Bindungen zu seiner Adoptivmutter. Es sei davon auszugehen, dass mit der Maßnahme ein Eingriff in sein Privat- und Familienleben verbunden sei. Dieser Eingriff erweise sich jedoch als dringend geboten. Der Befolgung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften komme aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 EMRK) ein sehr hoher Stellenwert zu. Diese Regelungen würden vom Beschwerdeführer angesichts dessen, dass er sich bereits seit (maximal) ca. fünf Jahren unrechtmäßig im Bundesgebiet aufhalte, in gravierender Weise missachtet. Dabei könne auch der Versuch, seinen Aufenthalt durch einen so genannten "Inlandsantrag" auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung zu legalisieren, nicht positiv gewertet werden, weil ein Aufenthaltstitel gemäß § 21 NAG nur vom Ausland aus erwirkt werden könne. Der genannte Antrag sei bereits zurückgewiesen worden. Der Beschwerdeführer habe sich auch nach der Zurückweisung seines Antrages völlig bewusst über die für ihn maßgebenden fremdenrechtlichen Normen hinweggesetzt. Die damit bewirkte Beeinträchtigung des hoch zu veranschlagenden maßgeblichen öffentlichen Interesses an der Wahrung eines geordneten Fremdenwesens sei von solchem Gewicht, dass die gegenläufigen privaten und familiären Interessen jedenfalls nicht höher zu bewerten seien als das Interesse der Allgemeinheit daran, dass der Beschwerdeführer aus dem Bundesgebiet ausreise.

Vor diesem Hintergrund und im Hinblick auf das Fehlen besonderer zu Gunsten des Beschwerdeführers sprechender Umstände könne ein weiterer Aufenthalt auch nicht im Rahmen des der Behörde zustehenden Ermessens in Kauf genommen werden. In diesem Zusammenhang werde bemerkt, dass die schwer erkrankte Adoptivmutter des Beschwerdeführers - ihr seien kürzlich angeblich beide Nieren entfernt worden - auch von anderen Familienangehörigen gepflegt werden könnte. Der Beschwerdeführer habe nicht behauptet, dass er dafür der einzig vorhandene bzw. in Frage kommende Angehörige sei. Abgesehen davon, sei kein einziges ärztliches Attest bezüglich der behaupteten Erkrankung vorgelegt worden.

2. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der die Behandlung der Beschwerde mit Beschluss vom 10. Juni 2008, B 2122/07, ablehnte und sie über nachträglichen Antrag des Beschwerdeführers mit Beschluss vom 13. August 2008 dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.

3. In der auftragsgemäß ergänzten Beschwerde macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften des angefochtenen Bescheides geltend und beantragt die kostenpflichtige Aufhebung des Bescheides.

4. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1.1. Die Beschwerde bestreitet nicht, dass der Beschwerdeführer im Jahre 1998 nach Österreich gekommen ist und im selben Jahr von seiner Tante, einer österreichischen Staatsbürgerin, rechtskräftig adoptiert wurde. Ihm wurde zuletzt am 15. Februar 2001 auf Grund seines Verlängerungsantrags vom 19. Oktober 2000 eine bis zum 15. Februar 2002 gültige Niederlassungsbewilligung zum Zweck "Familiengemeinschaft mit Österreicher" erteilt. Da er vor Ablauf der Gültigkeitsdauer des ihm zuletzt erteilten Aufenthaltstitels bis zum Zeitpunkt des Außer-Kraft-Tretens des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, am 31. Dezember 2005 durch Art. 5 des Fremdenrechtspakets 2005, BGBl. I Nr. 100, keinen Antrag auf Ausstellung eines weiteren Aufenthaltstitels eingebracht hat, ist ein allfälliger Aufenthalt des Beschwerdeführers in Österreich nach dem 15. Februar 2002 bis zum 31. Dezember 2005 nicht rechtmäßig gewesen.

1.2. Selbst wenn der Beschwerdeführer Verwandter eines freizügigkeitsberechtigten EWR-Bürgers in gerader absteigender Linie wäre, käme ihm kein Niederlassungsrecht iSd § 54 Abs. 1 iVm § 52 Z. 2 NAG zu, weil er das 21. Lebensjahr überschritten hat und er nicht behauptet hat, dass ihm von seiner Adoptivmutter Unterhalt tatsächlich gewährt worden sei. Es bestehen daher keine verfassungsrechtlichen Bedenken dagegen, dass auf ihn die Anordnung des § 87 FPG im Umfang des § 86 Abs. 2 FPG keine Anwendung findet, sodass die vorliegende Ausweisung allein nach § 53 Abs. 1 FPG zu beurteilen ist (vgl. den hg. Anfechtungsbeschluss vom 2. Oktober 2008, Zl. A 2008/0041).

1.3. Dem Verwaltungsakt zufolge ist der Beschwerdeführer erst am 16. März 2006 mit einem Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels für den Zweck "unbeschränkt" an die Niederlassungsbehörde herangetreten, die diesen Antrag mit Bescheid vom 15. November 2006 gemäß § 13 Abs. 3 AVG iVm § 19 Abs. 3 NAG rechtskräftig zurückgewiesen hat. Seither hat er keinen weiteren Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung gestellt. Zur Absicht der Erstbehörde, den Aufenthalt des Beschwerdeführers in Österreich zu beenden, äußerte er sich dem Verwaltungsakt zufolge am 6. August 2007 dahin, dass sein Antrag auf Niederlassungsbewilligung abgewiesen worden sei, weil er den Nachweis über den gesicherten Unterhalt nicht habe beibringen können. Seiner Adoptivmutter seien kürzlich beide Nieren entfernt worden, "sodass sie auf die Unterstützung ihres Wahlkindes und Neffen angewiesen ist". Es werde eine "Vorgangsweise im Sinne der §§ 72 ff NAG" angeregt. In der Berufung gegen den erstinstanzlichen Ausweisungsbescheid vom 25. August 2007 brachte der Beschwerdeführer darüber hinaus vor, er habe am 29. Dezember 2005 seinen Reisepass verloren, weshalb er keinen Befreiungsschein erhalten habe und kein Arbeitsverhältnis habe eingehen können. Nach Erhalt des neuen Reisepasses seien "jedoch sämtliche Fristen abgelaufen" gewesen. Es werde ersucht, "mit der Durchführung des Ausweisungsverfahrens bis zur Erledigung des Ersuchens gemäß §§ 72 ff NAG abzuwarten".

1.4. Die Stellung eines Antrags auf (humanitäre) Niederlassungsbewilligung kann den Aufenthalt des Beschwerdeführers in Österreich nicht legalisieren. Umso weniger kann die Anregung einer "Vorgangsweise im Sinne der §§ 72 ff NAG" dazu führen, dass der Aufenthalt des Beschwerdeführers in Österreich rechtmäßig wird. Ebenso führt die Anhängigkeit eines solchen Verfahrens zu keiner Einschränkung der behördlichen Ermächtigung zur Erlassung einer Ausweisung (vgl. das hg. Erkenntnis vom 31. März 2008, Zl. 2008/18/0094, mwN). Die Ansicht der belangten Behörde, dass die Voraussetzungen für eine Ausweisung im Grund des § 53 Abs. 1 FPG vorliegen, kann daher nicht als rechtswidrig erkannt werden.

2.1. Der Beschwerdeführer macht geltend, dass der Ausweisungsbescheid sein Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens im Sinn des Art. 8 EMRK verletze. Er habe "bereits lange vor der Adoption mit seiner Adoptivmutter in häuslicher Lebensgemeinschaft" gelebt. Die Adoptivmutter sei "nun auf Grund der obig geschilderten schweren Erkrankung und der damit verbundenen wiederholten langen Krankenhausaufenthalte auf die Unterstützung durch den Beschwerdeführer angewiesen". "Sämtliche Verwandte und Freunde" würden in Österreich leben, es bestehe keine Bindung mehr zu seinem Heimatstaat.

2.2. Abgesehen davon, dass dieses Vorbringen - soweit es über das oben wiedergegebene hinausgeht - eine im verwaltungsgerichtlichen Verfahren unzulässige Neuerung darstellt, ist dem Beschwerdeführer zu entgegnen, dass er gemäß § 66 Abs. 1 FPG nur dann vor einer Ausweisung geschützt und damit unter dem Blickwinkel des Art. 8 EMRK in weiterer Folge zu einer Legalisierung seines Aufenthalts vom Inland aus berechtigt wäre, wenn eine rasche bzw. sofortige Erteilung einer (humanitären) Niederlassungsbewilligung zur Abwendung eines unzulässigen Eingriffs in ein durch Art. 8 EMRK geschütztes Privat- und Familienleben erforderlich wäre. Gründe, die eine rasche bzw. sofortige Erteilung einer (humanitären) Niederlassungsbewilligung zur Abwendung eines unzulässigen Eingriffs in ein durch Art. 8 EMRK geschütztes Privat- und Familienleben erforderlich machen würden, sind nicht hervorgekommen und wurden nicht behauptet. Schon im Hinblick auf die dem Beschwerdeführer daher zumutbare Antragstellung im Ausland kann er aus Art. 8 EMRK kein Bleiberecht ableiten (vgl. das hg. Erkenntnis vom 2. Oktober 2008, Zl. 2008/18/0663, mwN).

3. Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

4. Die Zuerkennung von Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003. Wien, am 2. Dezember 2008

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2008:2008180624.X00

Im RIS seit

24.12.2008

Zuletzt aktualisiert am

09.04.2009
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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