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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
AVG §66 Abs4;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Heinzl sowie die Hofräte Dr. Robl und Mag. Eder, die Hofrätin Mag. Merl und den Hofrat Dr. Lukasser als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Perauer, über die Beschwerde des FQ, vertreten durch die Dr. Werner Schwarz KEG in 7350 Oberpullendorf, Hauptplatz 9/7, gegen den Bescheid der Bundesministerin für Inneres vom 31. Oktober 2006, Zl. BMI- 1006360/0002-II/3/2006, betreffend Aufhebung eines unbefristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid vom 12. September 2000 verhängte die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Burgenland im Instanzenzug über den Beschwerdeführer, einen serbischen Staatsangehörigen, gemäß den §§ 36 Abs. 1 und Abs. 2 Z 5, 37 und 39 des (bis 31. Dezember 2005 in Geltung gestandenen) Fremdengesetzes 1997 - FrG ein unbefristetes Aufenthaltsverbot. Dem legte sie zu Grunde, dass der Beschwerdeführer am 27. Juli 1999 nach § 105 Abs. 1 Z 1 und Abs. 2 FrG zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 18 Monaten, davon zwölf Monate bedingt nachgesehen, verurteilt worden sei. Demnach habe er am 25. November 1998 gewerbsmäßig die rechtswidrige Einreise von neun jugoslawischen Staatsangehörigen gefördert sowie am 19. November 1998 drei jugoslawische Staatsangehörige über die grüne Grenze nach Österreich gebracht. Zu den persönlichen Verhältnissen des Beschwerdeführers führte die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Burgenland aus, dass dieser nach seinen eigenen Angaben in Österreich weder familiäre noch berufliche oder sonstige Bindungen habe.
Mit dem nunmehr im Devolutionsweg und im Instanzenzug ergangenen Bescheid wies die Bundesministerin für Inneres (die belangte Behörde) den Antrag des Beschwerdeführers auf Aufhebung des genannten unbefristeten Aufenthaltsverbotes ab. Zur Begründung führte sie aus, dass der Beschwerdeführer am 2. September 2002 eine Schweizer Staatsbürgerin geheiratet habe und mit seiner Frau und seinen Kindern seit Oktober 2002 in der Schweiz lebe. Auf Grund dieser Heirat würden für ihn die Bestimmungen für begünstigte Drittstaatsangehörige nach den §§ 85 Abs. 2 und 86 iVm § 87 FPG gelten. Das seiner Verurteilung zu Grunde liegende Fehlverhalten stelle eine tatsächliche und erhebliche Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit dar und es könne die endgültige Nachsicht des bedingten Strafteils nicht als eine Änderung der für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes maßgebenden Umstände angesehen werden. Die seit der Verurteilung vergangene Zeitspanne sei zu kurz, um aus dem Unterbleiben weiterer Verurteilungen auf eine Läuterung durch die Verhängung und Vollstreckung der Freiheitsstrafe schließen zu können. Es zeige sich jedoch, dass das Aufenthaltsverbot als geeignetes Mittel zur Spezialprävention angesehen werden könne.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde nach Vorlage der Verwaltungsakten seitens der belangten Behörde erwogen:
Eingangs ist anzumerken, dass keine Zuständigkeit des UVS zur Entscheidung über die Berufung im Sinn des § 9 Abs. 1 Z 1 iVm § 2 Abs. 4 Z 11 FPG bestanden hat, ist doch in keiner Weise ersichtlich, dass die (auch nach dem Beschwerdevorbringen in der Schweiz lebende) Ehefrau des Beschwerdeführers ihr Freizügigkeitsrecht in Anspruch genommen hat (vgl. zum Gesichtspunkt eines Freizügigkeitssachverhalts etwa den hg. Beschluss vom 22. November 2007, 2007/21/0271, mit Hinweisen auf die Rechtsprechung des EuGH).
Gemäß § 65 Abs. 1 FPG ist das Aufenthaltsverbot oder das Rückkehrverbot auf Antrag oder von Amts wegen aufzuheben, wenn die Gründe, die zu seiner Erlassung geführt haben, weggefallen sind. Nach der hg. Rechtsprechung kann ein Antrag auf Aufhebung eines Aufenthaltsverbotes nur dann zum Erfolg führen, wenn sich seit der Erlassung der Maßnahme die dafür maßgebenden Umstände zu Gunsten des Fremden geändert haben, wobei im Rahmen der Entscheidung über einen solchen Antrag auch auf die nach der Verhängung des Aufenthaltsverbotes eingetretenen und gegen die Aufhebung dieser Maßnahme sprechenden Umstände Bedacht zu nehmen ist. Da bei der Entscheidung über die Aufhebung eines Aufenthaltsverbotes bzw. Rückkehrverbotes die Rechtmäßigkeit des Bescheides, mit dem diese Maßnahme erlassen wurde, nicht mehr überprüft werden kann, ist für den Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides über den Aufhebungsantrag zu beurteilen, ob die Voraussetzungen für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes bzw. Rückkehrverbotes wegen einer Änderung der Umstände zu Gunsten des Fremden weggefallen sind (vgl. das hg. Erkenntnis vom 3. Juli 2007, 2006/18/0420).
Bei der Beurteilung nach § 65 Abs. 1 FPG kommt es somit darauf an, ob eine Gefährlichkeitsprognose im Sinn des § 60 Abs. 1 FPG dergestalt (weiterhin) zu treffen ist, dass die Aufrechterhaltung des Aufenthaltsverbotes erforderlich ist, um eine vom Fremden ausgehende erhebliche Gefahr im Bundesgebiet abzuwenden, und ob die Aufrechterhaltung des Aufenthaltsverbotes im Grund des § 66 FPG zulässig ist (vgl. das zur identen Bestimmung des FrG ergangene hg. Erkenntnis vom 23. September 2004, 2001/21/0170). Hat der Fremde inzwischen eine Rechtsstellung erlangt, der zufolge für ihn gemäß § 87 FPG die Bestimmungen für begünstigte Drittstaatsangehörige nach den §§ 85 Abs. 2 und 86 FPG anzuwenden sind, ist für die Prognosebeurteilung § 86 Abs. 1 FPG heranzuziehen (vgl. das zum FrG ergangene, im Grundsatz aber auch hier anwendbare hg. Erkenntnis vom 24. Jänner 2002, 2001/21/0091).
Davon ausgehend kommt der Beschwerde Berechtigung zu.
Wenn auch die der gerichtlichen Verurteilung zu Grunde liegende Schlepperei des Beschwerdeführers in keiner Weise verharmlost werden soll, kann doch nach einem Wohlverhalten von acht Jahren nicht mehr davon ausgegangen werden, dass im Sinn des § 86 Abs. 1 FPG das persönliche Verhalten des Beschwerdeführers immer noch eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstelle, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Die belangte Behörde selbst wertete das Aufenthaltsverbot als "geeignetes Mittel zur Spezialprävention", was nur dahin gedeutet werden kann, dass das Aufenthaltsverbot seine Aufgabe erfüllt hat. Soweit beide Parteien auf das bereits zitierte hg. Erkenntnis 2001/21/0170 abstellen, ist darauf hinzuweisen, dass dem dortigen Sachverhalt zwar eine leichtere Straftat zu Grunde lag, der dortige Beschwerdeführer aber nicht nach den Vorschriften über begünstigte Drittstaatsangehörige zu beurteilen war.
Indem die belangte Behörde die gemäß § 87 FPG maßgebliche Gefährlichkeitsprognose nach § 86 Abs. 1 FPG bejaht hat, hat sie somit den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet, weshalb der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.
Wien, am 10. Dezember 2008
Schlagworte
Anzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2Maßgebende Rechtslage maßgebender Sachverhalt Beachtung einer Änderung der Rechtslage sowie neuer Tatsachen und BeweiseAllgemeinErmessenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2008:2008220629.X00Im RIS seit
07.01.2009Zuletzt aktualisiert am
22.07.2010