Index
10 VerfassungsrechtNorm
B-VG Art144 Abs1 / LegitimationLeitsatz
Keine Verletzung in einem subjektiven Recht durch "Aufhebung" eines - nach Erlassung des den erstinstanzlichen Bescheid ersetzenden Berufungsbescheides - rechtlich nicht mehr existenten Bescheides durch die Aufsichtsbehörde; Zurückweisung der Beschwerde gegen den aufsichtsbehördlichen Bescheid mangels LegitimationSpruch
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Begründung
Begründung:
I. 1. Der Beschwerdeführer ist Eigentümer des Grundstücks Nr. 1529/5, KG Grundlsee, das er gekauft hatte, nachdem ihm der Bürgermeister der Gemeinde Grundlsee im Oktober 1986 in einem Schreiben ausdrücklich bestätigt hatte, dass für das Grundstück eine rechtskräftige Widmungsbewilligung aus dem Jahre 1971 vorliege und eine Verbauung somit möglich sei. Im März 1986 war allerdings der Flächenwidmungsplan 1.0 der Gemeinde Grundlsee in Kraft getreten, der für das Grundstück die Widmung als Freiland vorsah. Mit Bescheid vom 26. Juni 1987, Z1393/G/1987, erteilte der Bürgermeister dem Beschwerdeführer auf dessen Antrag eine Baubewilligung für die Errichtung eines Wohnhauses auf diesem Grundstück. Die dagegen von der Nachbarin Dr. E H-R erhobene Berufung wies der Gemeinderat ab. Die Steiermärkische Landesregierung hob den Bescheid des Gemeinderates auf Grund der Vorstellung der Dr. E H-R auf (Bescheid vom 29. Jänner 1988). Im fortgesetzten Verfahren auf Gemeindeebene gab der Gemeinderat der Berufung der Dr. E H-R Folge und behob den erstinstanzlichen (Bewilligungs-)Bescheid. Die Baubewilligung sei wegen Widerspruchs zum Flächenwidmungsplan zu versagen. Der dagegen vom Beschwerdeführer erhobenen Vorstellung gab die Landesregierung Folge (Bescheid vom 29. März 1991) und behob den Bescheid des Gemeinderats. Diesen Bescheid wiederum hob der Verwaltungsgerichtshof (Erkenntnis vom 10. Oktober 1991, Z91/06/0090) aufgrund der Beschwerde der Dr. E H-R auf. In ihrem Ersatzbescheid vom 26. November 1991 gab die Landesregierung der Vorstellung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid des Gemeinderats Folge und hob den Bescheid des Gemeinderats, mit dem dieser der Berufung gegen die Baubewilligung Folge gegeben hatte, auf. Da nach dieser Aufhebung keine weitere Entscheidung des Gemeinderates erging, erhob der Beschwerdeführer Säumnisbeschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, der darüber in seinem Erkenntnis vom 21. September 2000, Z95/06/0230, folgendermaßen entschied (Auszüge aus dem Spruch):
"I. Gemäß §42 Abs4 VwGG wird der belangten Behörde aufgetragen, den versäumten Bescheid unter Zugrundelegung der folgenden Rechtsanschauung binnen acht Wochen zu erlassen:
1. Auf Grund der Vorstellungsentscheidung der Steiermärkischen Landesregierung vom 29. Jänner 1988, des Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes vom 10. Oktober 1991, Zl. 91/06/0090, und der Vorstellungsentscheidung der Steiermärkischen Landesregierung vom 26. November 1991 ergibt sich folgende bindende Rechtslage für die Entscheidung über die von Dr. E. H.-R. erhobene und von den oben genannten Rechtsnachfolgern aufrecht erhaltene Berufung:
a) Es liegt eine zulässige Berufung namens Dr. E. H.-R. vor, die nunmehr als Berufung der genannten Rechtsnachfolger zu werten ist. Auf Grund der Prozesserklärung der Rechtsnachfolger von Dr. E. H.-R. (in der Folge: Berufungswerber) ist über die Berufung zu entscheiden.
b) Dr. E. H.-R. war zunächst als übergangene Partei anzusehen und als solche berechtigt, den Baubewilligungsbescheid durch Berufung zu bekämpfen; im Rahmen der in der von ihr eingebrachten Berufung erhobenen Einwendungen ist auch für die Berufungswerber keine Präklusion eingetreten.
c) Die Berufungswerber haben kein Recht auf Überprüfung der Übereinstimmung des Projekts mit dem Flächenwidmungsplan.
d) Die Berufungswerber haben jedoch ein Recht auf Überprüfung der Einhaltung der zulässigen Bebauungsdichte.
2. Im Hinblick auf die sich aus der Bindungswirkung der unter 1. genannten Entscheidungen ergebende Rechtslage ist im Beschwerdefall die Beurteilung des Projekts unter dem Gesichtspunkt der Einhaltung der Bebauungsdichte erforderlich. Da das Grundstück, auf dem das beantragte Projekt errichtet werden soll, als Freiland gewidmet ist, bestehen weder grundsätzliche Vorschriften betreffend die Bebauungsdichte noch konkrete Festlegungen für die Bebauungsdichte im Flächenwidmungsplan der Gemeinde. Diese sich aus der angesprochenen Bindungswirkung in Verbindung mit der generellen Rechtslage ergebende Regelungslücke ist durch Analogie zu schließen. Dabei ist auf die Festlegungen für die der Sache nach am ehesten vergleichbaren Grundstücke in räumlicher Nahebeziehung zum beschwerdegegenständlichen Grundstück zurückzugreifen. Daraus ergibt sich eine einzuhaltende Bebauungsdichte von 0,3.
3. Es ist daher an Hand des Antrags des Beschwerdeführers eine Bestimmung der Bebauungsdichte gemäß §1 Bebauungsdichteverordnung 1993, LGBl. Nr. 38, in der Fassung LGBl. Nr. 87/1994 vorzunehmen.
3.1. Sofern das Projekt eine Bebauungsdichte von mehr als 0,3 aufweist, wäre dem Beschwerdeführer Gelegenheit zu geben, das Projekt zur Vermeidung eines Abweisungsgrundes im Hinblick auf die Überschreitung der Bebauungsdichte abzuändern (eine Entscheidung über den Antrag ohne Einräumung einer derartigen Gelegenheit wäre rechtswidrig).
Erfolgt in diesem Fall keine Änderung des Antrags, wäre der Berufung der Berufungswerber Folge zu geben und der Antrag des Beschwerdeführers auf Erteilung der Baubewilligung abzuweisen.
3.2. Weist das Projekt eine Bebauungsdichte von weniger als 0,3 auf, wäre die Berufung der Berufungswerber als unbegründet abzuweisen."
Auf dieser Grundlage wies der Gemeinderat der Gemeinde Grundlsee mit Bescheid vom 16. Februar 2001 die Berufung der (Rechtsnachfolger der) Dr. E H-R gegen den erstinstanzlichen Baubewilligungsbescheid des Bürgermeisters vom 26. Juni 1987 als unbegründet ab.
2. Daraufhin erließ die Landesregierung in Ausübung des Aufsichtsrechts den bekämpften Bescheid vom 13. November 2001, dessen Spruch folgendermaßen lautet:
"Gemäß §101 Abs1 der Steiermärkischen Gemeindeordnung 1967, LGBl. Nr. 115, i.d.g.F., in Verbindung mit §32 Abs1 und 3 Steiermärkisches Raumordnungsgesetz 1974, LGBl. Nr. 127, i.d.g.F., LGBl. Nr. 54/82, wird der Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde Grundlsee vom 26. Juni 1987, GZ: 1393/G/1987, betreffend die Erteilung der Baubewilligung auf Gst. Nr. 1529/5, KG Grundlsee, für ein Wohnhaus mit Doppelgarage aus dem Grunde des §68 Abs4 litd des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes (AVG) 1991, behoben und als nichtig erklärt."
In der Begründung führt die belangte Behörde ua. aus, als Aufsichtsbehörde sei ihr amtswegig zur Kenntnis gelangt, dass die Erlassung des im Spruch bezeichneten Bescheides gegen die Ausweisung des Grundstücks des Beschwerdeführers als Freiland im seinerzeit rechtsgültigen Flächenwidmungsplan 1.0 der Gemeinde Grundlsee verstoße. Gemäß §32 Abs1 und 3 ROG seien Bescheide, die dem Flächenwidmungsplan widersprechen, innerhalb von drei Jahren nach Eintreten der Rechtskraft mit Nichtigkeit bedroht. Der im Spruch bezeichnete Bescheid vom 26. Juni 1987, Z1393/G/87, sei aufgrund des nunmehr rechtskräftigen Bescheides des Gemeinderates vom 16. Februar 2001, mit welchem einer Berufung nicht Folge gegeben worden sei, "mangels Rechtszug bzw. mangels Vorstellung nunmehr rechtskräftig".
3. Dagegen wendet sich die auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter (Art83 Abs2 B-VG), auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz (Art2 StGG) und auf Unversehrtheit des Eigentums (Art5 StGG) sowie die Verletzung in Rechten wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes (§101 Abs1 Stmk. Gemeindeordnung) und einer gesetzwidrigen Verordnung (Flächenwidmungsplan der Gemeinde Grundlsee) geltend gemacht werden.
4. Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragt.
5. Die Gemeinde Grundlsee legte über Aufforderung des Verfassungsgerichtshofs die Akten betreffend das Zustandekommen des Flächenwidmungsplans der Gemeinde Grundlsee vor.
II. Die Beschwerde ist nicht zulässig.
1. Legitimiert, gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde gemäß Art144 B-VG Beschwerde zu führen, ist nur, wer durch den Bescheid in irgendeinem subjektiven Recht verletzt worden sein kann (VfSlg. 5038/1965, 5712/1968, 9002/1980, 14.954/1997).
Der angefochtene Bescheid vom 13. November 2001 spricht die Aufhebung des Bescheides des Bürgermeisters der Gemeinde Grundlsee vom 26. Juni 1987, Z1393/G/1987, aus. Die Berufung der (Rechtsnachfolger der) Dr. E H-R gegen diesen erstinstanzlichen, an den Beschwerdeführer als Bauwerber gerichteten Baubewilligungsbescheid hatte der Gemeinderat der Gemeinde Grundlsee aber schon mit Bescheid vom 16. Februar 2001, Z HS/01-G/2001, als unbegründet abgewiesen. Der Verfassungsgerichtshof hat in ständiger Judikatur ausgesprochen, dass die Abweisung einer Berufung als Erlassung eines - mit dem vorinstanzlichen Bescheid übereinstimmenden, zur Gänze an dessen Stelle tretenden - neuen Bescheides zu werten ist (VfSlg. 2136/1951, 2818/1955, 5368/1966, 6016/1969, 6486/1971, 8084/1977, 8098/1977).
Durch die "Aufhebung" des rechtlich nicht mehr existenten - weil durch einen (inhaltlich übereinstimmenden) Berufungsbescheid ersetzten - erstinstanzlichen Baubewilligungsbescheides kann der Beschwerdeführer nicht in einem subjektiven Recht verletzt sein. Denn der erstinstanzliche Bescheid hat schon vor dieser - gewissermaßen ins Leere gehenden - "Aufhebung" durch den bekämpften Bescheid keine rechtlichen Wirkungen für den Beschwerdeführer mehr entfaltet.
2. Die Beschwerde war daher mangels Legitimation als unzulässig zurückzuweisen.
3. Dies konnte gemäß §19 Abs3 Z2 lite VfGG ohne vorangegangene mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.
Schlagworte
Baurecht, Baubewilligung, Gemeinderecht, Aufsichtsrecht, Aufhebung von amtswegen, Verwaltungsverfahren, Berufung, VfGH / LegitimationEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2003:B1744.2001Dokumentnummer
JFT_09968876_01B01744_00