TE Vfgh Erkenntnis 2003/11/24 B1413/00

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Veröffentlicht am 24.11.2003
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Index

L6 Land- und Forstwirtschaft
L6800 Ausländergrunderwerb, Grundverkehr

Norm

B-VG Art83 Abs2
AVG §13
Oö GVG 1994 §10 Abs2
Oö GVG 1994 §15 Abs2

Leitsatz

Verletzung im Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter durch Zurückweisung eines Antrags auf grundverkehrsbehördliche Genehmigung eines Rechtsgeschäftes aufgrund der Annahme der rückwirkenden Rechtsunwirksamkeit des zu genehmigenden Kaufvertrages infolge Ablaufs der zweijährigen Frist zur Antragstellung; Unterlassung von Erhebungen zur Ermittlung des Willens der Parteien hinsichtlich der von der Behörde angenommenen Zurückziehung eines früheren Genehmigungsantrages

Spruch

Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt worden.

Der Bescheid wird aufgehoben.

Das Land Oberösterreich ist schuldig, dem Beschwerdeführer die mit € 2.143,68 bestimmten Prozeßkosten binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Mit Kaufvertrag vom 12. Dezember 1996 verkaufte der Beschwerdeführer die Liegenschaft EZ 494, GB 50320 Steinbach an AO. Mit einer am 2. Jänner 1997 bei der Bezirksgrundverkehrskommission Vöcklabruck eingelangten Eingabe beantragte der Käufer AO, vertreten durch Notar Dr. N, die grundverkehrsbehördliche Genehmigung dieses Kaufvertrages. In der Folge erklärte der Käufer AO, vertreten durch Notar N, mit einem am 4. März 1997 bei der Bezirksgrundverkehrskommission Vöcklabruck einlangenden Schreiben, daß "um Rückstellung" des Antrages "bis zur endgültigen Klärung des gegenständlichen Sachverhaltes" ersucht werde.

2. Mit Eingabe vom 6. Dezember 1999 beantragte der Käufer AO, nunmehr vertreten durch RA Dr. MM, neuerlich die Genehmigung des Kaufvertrages vom 12. Dezember 1996 bei der Bezirksgrundverkehrskommission Vöcklabruck. In der Eingabe wird darauf verwiesen, daß der erste Antrag am 4. März 1997 "zurückgezogen" worden sei.

Mit Bescheid der Bezirksgrundverkehrskommission Vöcklabruck vom 20. Jänner 2000 wurde über den am 6. Dezember 1999 eingelangten Antrag entschieden und dem Kaufvertrag vom 12. Dezember 1996 die Genehmigung versagt.

3. Gegen diesen Bescheid erhoben sowohl der Beschwerdeführer als auch der Käufer Berufung. Mit Bescheid der Landesgrundverkehrskommission beim Amt der Oberösterreichischen Landesregierung vom 2. Mai 2000 wurde der angefochtene Bescheid als nichtig aufgehoben und der Antrag auf grundverkehrsbehördliche Genehmigung zurückgewiesen.

Dies mit folgender Begründung: Da die gegenständlichen Grundstücke landwirtschaftlich genützt würden, handle es sich um landwirtschaftliche Grundstücke im Sinne des §2 Abs1 Oberösterreichisches Grundverkehrsgesetz 1994 (im folgenden: OÖ GVG 1994). Nach §10 Abs1 OÖ GVG 1994 sei die Genehmigung des Rechtserwerbes schriftlich vom Rechtserwerber innerhalb von vier Wochen nach Entstehen des Rechtstitels bei der Bezirksgrundverkehrsbehörde zu beantragen. Gemäß §15 Abs2 OÖ GVG 1994 werde der Rechtstitel rückwirkend rechtsunwirksam, wenn nicht binnen zwei Jahren nach Ablauf der oben angeführten Frist die erforderliche Genehmigung beantragt werde. Da der gegenständliche Kaufvertrag am 12. Dezember 1996 abgeschlossen worden sei, seien die in §10 Abs1 und §15 Abs2 OÖ GVG 1994 angeführten Fristen abgelaufen. Der Kaufvertrag vom 12. Dezember 1996 sei daher bereits rückwirkend rechtsunwirksam geworden. Da somit kein rechtswirksamer Titel zwischen den Vertragsparteien vorliege, könne auch eine Genehmigung des vorliegenden Rechtsgeschäftes nicht mehr erfolgen, sodaß der angefochtene Bescheid als nichtig aufzuheben und der Genehmigungsantrag zurückzuweisen sei.

4. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung näher bezeichneter verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des Bescheides begehrt wird.

5. Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragt.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:

1. Zur behaupteten Verletzung des Rechtes auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter wird - auf das Wesentliche zusammengefaßt - vorgebracht: Aufgrund mangelnden Parteigehörs habe die belangte Behörde nicht ausreichend erörtert, ob ein land- oder forstwirtschaftliches Grundstück im Sinne des §2 Abs1 OÖ GVG vorliege oder ob es sich um ein sonstiges Grundstück im Sinne des §2 Abs3 OÖ GVG handle. Läge ein land- oder forstwirtschaftliches Grundstück nicht vor, so bestehe auch keine Genehmigungspflicht und die Grundverkehrsbehörde habe sich zu Unrecht eine Zuständigkeit angemaßt.

2. Das Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter wird durch den Bescheid einer Verwaltungsbehörde verletzt, wenn die Behörde eine ihr gesetzlich nicht zukommende Zuständigkeit in Anspruch nimmt oder in gesetzwidriger Weise ihre Zuständigkeit ablehnt (zB VfSlg. 9696/1983), etwa, indem sie zu Unrecht eine Sachentscheidung verweigert (zB VfSlg. 10374/1985, 11405/1987, 13280/1992).

Bedenken gegen die Rechtsgrundlagen wurden nicht vorgebracht und es sind solche auch beim Verfassungsgerichtshof aus Sicht dieser Beschwerde nicht entstanden.

3. Die belangte Behörde stützt ihre Entscheidung auf §15 Abs2 OÖ GVG 1994. Nach dieser Bestimmung wird der Rechtstitel rückwirkend rechtsunwirksam, wenn nicht binnen zwei Jahren nach Ablauf der Frist des §10 Abs1 OÖ GVG 1994 die erforderliche Genehmigung beantragt wird. Diese Bestimmung besagt, daß die Genehmigung des Rechtserwerbes schriftlich vom Rechtserwerber innerhalb von vier Wochen nach Entstehen des Rechtstitels zu beantragen ist.

Im angefochtenen Bescheid findet die Tatsache, daß am 2. Jänner 1997 - sohin innerhalb der gesetzlichen Frist - bei der Bezirksgrundverkehrskommission Vöcklabruck durch das Notariat Dr. N ein Antrag auf grundverkehrsbehördliche Genehmigung des gegenständlichen Vertrages eingebracht worden ist, keine Berücksichtigung. Die belangte Behörde ging offensichtlich aufgrund des erstinstanzlichen Verfahrens davon aus, daß der ursprüngliche Antrag in der Folge mit Schreiben vom 4. März 1997 zurückgezogen worden sei.

Die belangte Behörde hat dabei jedoch übersehen, daß zur Frage der Zurückziehung des Antrages vom 2. Jänner 1997 bereits in erster Instanz kein Ermittlungsverfahren durchgeführt wurde. Tatsächlich ist im Schreiben vom 4. März 1997 von einer bloßen "Rückstellung des Antrages bis zur endgültigen Klärung des gegenständlichen Sachverhalts" die Rede, und zwar unter Bezugnahme auf ein Schreiben vom 27. Jänner 1997. Darin wurde Dr. N mitgeteilt, daß die Bezirksgrundverkehrskommission in ihrer Sitzung vom 27. Jänner 1997 die beantragte Genehmigung zurückgestellt habe, da die behördlichen Ermittlungen einige offene Fragen aufgeworfen hätten. Dr. N werde daher ersucht, zu den aufgeworfenen Fragen eine ergänzende Stellungnahme abzugeben.

Im Verwaltungsakt findet sich lediglich der handschriftliche Vermerk "zurückgezogen" auf dem Antrag vom 2. Jänner 1997. Von wem und wann dieser Vermerk angebracht wurde, ist nicht ersichtlich.

4. Nach dem Wortlaut des Schreibens vom 4. März 1997 ("Rückstellung des Antrages bis zur endgültigen Klärung des gegenständlichen Sachverhaltes") ist dieses Schriftstück objektiv nicht als Zurückziehung des ursprünglichen Antrages zu werten. Ob der Wille des Beschwerdeführers seinerzeit auf eine Zurückziehung des Antrages gerichtet war, hätte die Behörde nach §13 AVG mit den Parteien zu klären gehabt. Die belangte Behörde hat es jedoch unterlassen, solche Erhebungen zur Ermittlung des Willens der Parteien durchzuführen.

So heißt es im Bescheid der belangten Behörde lediglich, daß sowohl die Frist des §10 Abs1 OÖ GVG als auch jene des §15 Abs2 OÖ GVG 1994 bereits abgelaufen sei und daher der dem Verfahren zugrunde liegende Kaufvertrag bereits rückwirkend rechtsunwirksam geworden sei. Da somit kein rechtswirksamer Titel zwischen den Vertragsparteien mehr vorliege, könne auch eine allfällige Genehmigung des vorliegenden Rechtsgeschäftes nicht mehr erfolgen, sodaß der angefochtene Bescheid als nichtig aufzuheben und der Genehmigungsantrag zurückzuweisen sei.

5. Die belangte Behörde hat daher zu Unrecht eine Sachentscheidung verweigert. Der angefochtene Bescheid war mithin wegen Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter aufzuheben. Bei diesem Ergebnis erübrigt es sich, auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen.

6. Die Kostenentscheidung stützt sich auf §88 VfGG. In den zugesprochenen Verfahrenskosten sind € 327,- an Umsatzsteuer sowie der Ersatz der gemäß §17a VfGG zu entrichtenden Gebühr von € 181,68 enthalten.

7. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

Schlagworte

Auslegung eines Antrages, Grundverkehrsrecht, Verwaltungsverfahren, Eingaben

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2003:B1413.2000

Dokumentnummer

JFT_09968876_00B01413_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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