TE Vwgh Erkenntnis 2008/12/15 2008/02/0235

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Veröffentlicht am 15.12.2008
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Index

L00019 Landesverfassung Wien;
L10109 Stadtrecht Wien;
19/05 Menschenrechte;
40/01 Verwaltungsverfahren;
90/01 Straßenverkehrsordnung;

Norm

AVG §57 Abs3;
MRK Art6;
StVO 1960 §89a Abs7;
StVO 1960 §89a Abs7a;
WStV 1968 §48a Abs1;
WStV 1968 §99 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger und die Hofräte Dr. Riedinger, Dr. Beck, Dr. Bachler und Dr. Köller als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Becker, über die Beschwerde des MB in L, vertreten durch Mag. Slavica Vanovac, Rechtsanwältin in 1030 Wien, Untere Viaduktgasse 6/10, gegen den Bescheid des Berufungssenates der Stadt Wien vom 24. Juni 2008, Zl. MA 65-3959/2007, betreffend Kostenvorschreibung gemäß § 89a Abs. 7 und 7a der Straßenverkehrsordnung und Verweigerung der Akteneinsicht, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat der Bundeshauptstadt Wien Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 24. Juni 2008 wurde dem Beschwerdeführer der Kostenersatz für die von der Gemeinde Wien - Magistratsabteilung 48 am 10. Dezember 2005 um 15.01 Uhr vorgenommene Entfernung und nachfolgende Aufbewahrung des in Wien 1, Volksgartenstraße 1, verkehrsbehindernd abgestellt gewesenen, dem Kennzeichen nach näher bestimmten Kraftfahrzeuges, in der Höhe von insgesamt EUR 168,-- vorgeschrieben.

Mit Spruchpunkt 2. wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf Akteneinsicht vom 19. November 2006 abgewiesen.

Das Kfz sei - so die Begründung des angefochtenen Bescheides im Wesentlichen - auf den Beschwerdeführer zugelassen. Es sei am 10. Dezember 2005 in Wien 1, Volksgartenstraße 1, unter Verletzung des "5-Meter-Abstandes an Kreuzungen" abgestellt gewesen. Dies sei unbestritten. Bestritten sei hingegen die Frage einer Verkehrsbehinderung. Die einvernommene Meldungslegerin, deren schlüssigen und nachvollziehbaren Angaben gefolgt werde, habe ausgeführt, dass das gegenständliche Kfz "genau mit dem hinteren Wagenende beim Schnittpunkt der Gehsteigkanten abgestellt" gewesen sei. Ein weiteres Fahrzeug sei in der Hansenstraße ebenfalls im "5- Meter-Verbotsbereich" abgestellt gewesen und es seien die hinteren Stoßstangen der beiden Fahrzeuge derart wenig entfernt gewesen, dass Fußgänger nur durch Verdrehen des Körpers zwischen den beiden Fahrzeugen hätten hindurch kommen können. Mit einem Kinderwagen, einer Tasche, einem "Trolli" und dergleichen habe man nicht durchkommen können. Zudem handle es sich um eine stark frequentierte Straßenstelle. Daraus resultiere die begründete Besorgnis einer Verkehrsbeeinträchtigung.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Insoweit sich die beschwerdeführende Partei gegen die von der belangten Behörde vorgenommene Beweiswürdigung wendet, ist ihr entgegenzuhalten, dass die Beweiswürdigung ein Denkprozess ist, der nur insofern einer Überprüfung durch den Verwaltungsgerichtshof zugänglich ist, als es sich um die Schlüssigkeit dieses Denkvorganges handelt bzw. darum, ob die Beweisergebnisse, die in diesem Denkvorgang gewürdigt wurden, in einem ordnungsgemäßen Verfahren ermittelt worden sind. Die Schlüssigkeit der Erwägungen innerhalb der Beweiswürdigung unterliegt daher der Kontrollbefugnis des Verwaltungsgerichtshofes, nicht aber deren konkrete Richtigkeit (vgl. zB. das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Oktober 1985, Zl. 85/02/0053). Die Beschwerdeausführungen lassen aber Zweifel an der Schlüssigkeit der von der belangten Behörde detailliert dargelegten Erwägungen zur Beweiswürdigung nicht aufkommen.

Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers ist es nicht unschlüssig, dass die Meldungslegerin sich zum Zeitpunkt der eingeholten Stellungnahme vom 3. November 2006 an die ca. elf Monate zurückliegende Amtshandlung vom 10. Dezember 2005 erinnern konnte, weil sie außergewöhnliche Umstände (Abstellung genau im Schnittpunkt einander kreuzender Fahrbahnränder, eigene Beanstandung und zusätzlich Aufforderung durch Fußgänger) angegeben hat.

Wenn der Beschwerdeführer sich darauf beruft, er und die als Zeugin einvernommene Lebensgefährtin könnten sich wegen eines "Hamam"-Besuches besonders gut erinnern, weshalb ihrer von der Darstellung der Meldungslegerin abweichenden Darstellung zu folgen gewesen wäre, wird damit eine Behauptung den Feststellungen der belangten Behörde gegenübergestellt, ohne dass dadurch dargelegt wird, aus welchen Gründen die Beweiswürdigung der belangten Behörde unschlüssig oder unvollständig wäre. Einer solchen Darlegung bedürfte es aber, da die Beweiswürdigung der belangten Behörde nicht schon mit der Behauptung mit Erfolg angegriffen werden kann, dass auch ein anderes (gegenteiliges) Ergebnis schlüssig begründbar gewesen wäre. Der Verwaltungsgerichtshof ist nämlich nicht befugt, an die Stelle einer schlüssigen Beweiswürdigung der belangten Behörde eine andere, wenngleich ebenso schlüssige Beweiswürdigung zu setzen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 3. April 2008, Zl. 2007/09/0300).

Insofern der Beschwerdeführer rügt, sein Antrag auf Akteneinsicht vom 19. November 2006 sei zu Unrecht abgewiesen worden, wodurch das "kardinale Verfahrensprinzip des Verfahrensgehörs verletzt" worden sei, ist ihm zunächst zu entgegnen, dass ihm das bis zu diesem Zeitpunkt vorliegende Verfahrensergebnis mit Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme vom 15. November 2006 vorgehalten worden war und er in seinem Schriftsatz vom 19. November 2006 dazu Stellung genommen hat; den Antrag auf Akteneinsicht hat er darin als Punkt III) ohne nähere Begründung gestellt. Die Behörden brachten dem Beschwerdeführer auch in der Folge alle Ermittlungsergebnisse zur Kenntnis, der Beschwerdeführer hat dazu jeweils Stellung genommen (Bescheid des Magistrates der Stadt Wien vom 11. Oktober 2007, dagegen Berufung vom 29. Oktober 2007, Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme vom 17. April 2008, dagegen Stellungnahme vom 24. April 2008). Damit wurde das Parteiengehör grundsätzlich gewahrt; dass der Beschwerdeführer durch die formelle Ablehnung seines Antrages auf Akteneinsicht vom 19. November 2006 in seinen Verteidigungsrechten beeinträchtigt gewesen wäre, hat er in der Beschwerde nicht aufgezeigt, sodass jedenfalls keine Relevanz des vorliegenden Verfahrensfehlers dargetan wurde.

Der Beschwerdeführer behauptet weiter die "Unzulässigkeit der Bescheiderlassung gem § 57 Abs. 3 AVG" nach Außerkrafttreten eines Mandatsbescheides. Die belangte Behörde hat diesbezüglich zu Recht auf die hg. Rechtsprechung hingewiesen, dass das Außerkrafttreten des Mandatsbescheides nicht bewirkt, dass damit die betreffende Verwaltungsangelegenheit zugunsten des Vorstellungswerbers abgeschlossen ist. Die Behörde ist durch das Außerkrafttreten des Mandatsbescheides nicht gehindert, nachträglich das Ermittlungsverfahren einzuleiten und sodann in der Sache neuerlich zu entscheiden (vgl. das hg. Erkenntnis vom 23. Jänner 2001, Zl. 2000/11/0276).

Das Gesetz nennt lediglich eine Frist von drei Jahren nach Entfernung des Gegenstandes, nach deren Ablauf eine Kostenvorschreibung unzulässig ist (vgl. § 89a Abs. 7 StVO). Dem Vorbringen des Beschwerdeführers mit Vergleichen zur Verfolgungsverjährung nach § 31 VStG ist schon deshalb nicht zu folgen, weil in einem Administrativverfahren die Bestimmungen des AVG und nicht des VStG anzuwenden sind.

Der Beschwerdeführer beantragt auch die Aufhebung wegen Unzuständigkeit der belangten Behörde. Es hätte seiner Ansicht nach ein Tribunal entscheiden müssen, weil es sich beim gegenständlichen Kostenersatz um zivilrechtliche Ansprüche handle.

Mit dem angefochtenen Bescheid hat der nach den bestehenden Bestimmungen zuständige Berufungssenat der Stadt Wien über die Berufung gegen den Bescheid des Magistrats der Stadt Wien betreffend Kostenersatz (Spruchpunkt 1.) entschieden. Dieser Berufungssenat ist kein Tribunal im Sinn der EMRK (vgl. Cech/Moritz/Ponzer, Wiener Stadtverfassung, § 48b, Rz 8).

Sogar dann, wenn - wie der Beschwerdeführer behauptet - die Vorschreibung des in Rede stehenden Kostenersatzes als eine Angelegenheit der "civil rights" iSd Art. 6 EMRK zu beurteilen sei, liegt keine Entscheidung einer unzuständigen Behörde vor.

Der Verwaltungsgerichtshof ist in Administrativangelegenheiten - und eine solche Angelegenheit ist im Beschwerdefall gegeben - nach der Rechtsprechung des EGMR das die nachprüfende Kontrolle ausübende Tribunal (vgl. zB. die Urteile des EGMR vom 10. April 2003, Bakker gegen Österreich, Appl. Nr. 43454/98, und vom 24. Februar 2005, Birnleitner gegen Österreich, Appl. Nr. 45203/99). Da der Beschwerdeführer im verwaltungsgerichtlichen Verfahren die Durchführung einer mündlichen Verhandlung nicht beantragte, konnte davon Abstand genommen werden.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 15. Dezember 2008

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2008:2008020235.X00

Im RIS seit

10.02.2009

Zuletzt aktualisiert am

27.06.2016
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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