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19/05 Menschenrechte;Norm
FrPolG 2005 §60 Abs2 Z6;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger und die Hofräte Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer, die Hofrätin Mag. Merl und den Hofrat Dr. Lukasser als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Schmidl, über die Beschwerde des M Ö in W, geboren am 1. Jänner 1967, vertreten durch Dr. Heinrich Fassl, Rechtsanwalt in 1090 Wien, Universitätsstraße 4, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 16. Juni 2008, Zl. E1/48.032/2007, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
I.
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 16. Juni 2008 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen türkischen Staatsangehörigen, gemäß § 87 iVm § 86 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 - FPG, BGBl. I Nr. 100, ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von zehn Jahren erlassen.
Der Beschwerdeführer sei am 27. September 2002 in das Bundesgebiet gelangt und habe am 6. November 2002 beim Bundesasylamt einen Asylantrag gestellt, der im Instanzenzug vom unabhängigen Bundesasylsenat abgewiesen worden sei. Am 3. November 2003 habe er die österreichische Staatsbürgerin H. geheiratet und in weiterer Folge (am 25. März 2004) einen Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung für den Aufenthaltszweck "begünstigter Drittstaatsangehöriger - Ö, § 49 Abs. 1 FrG" bei der Erstbehörde (Bundespolizeidirektion Wien) eingebracht. Mit Bescheid der Erstbehörde vom 24. September 2004 sei der Antrag des Beschwerdeführers auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung abgewiesen worden.
Nach Darstellung der fremdenpolizeilichen Ermittlungen wegen des Verdachtes einer Scheinehe, insbesondere von Aussagen der vernommenen Personen, führte die belangte Behörde weiter begründend aus, dass unter Bedachtnahme auf diese Aussagen, insbesondere die Angaben der österreichischen Ehegattin des Beschwerdeführers, und die Erhebungen davon auszugehen sei, dass die Ehe ausschließlich deshalb geschlossen worden sei, um dem Beschwerdeführer die Möglichkeit zu verschaffen, problemlos eine Arbeits- und Aufenthaltsbewilligung und damit eine Anwartschaft auf den Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft zu erlangen. Der Beschwerdeführer habe die Ehe mit einer österreichischen Staatsbürgerin geschlossen und sich für die Erteilung eines Aufenthaltstitels auf die Ehe berufen, ohne mit ihr ein gemeinsames Familienleben im Sinn des Art. 8 EMRK geführt zu haben.
Der Missbrauch des Rechtsinstitutes der Ehe zur Erlangung fremdenrechtlich bedeutsamer Rechte stelle eine schwerwiegende Gefährdung der öffentlichen Ordnung dar, die die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes rechtfertige. Auf Grund der dargestellten Umstände seien die Voraussetzungen zur Erlassung des Aufenthaltsverbotes - vorbehaltlich der §§ 61 und 66 FPG - im Grunde des § 87 iVm § 86 leg. cit. gegeben.
Zwar sei angesichts aller Umstände von einem mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers auszugehen gewesen, dieser Eingriff sei jedoch zulässig, weil er zur Erreichung von in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zielen - hier: zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens und zur Verhinderung von Aufenthalts- bzw. Scheinehen - dringend geboten sei. Wer, wie der Beschwerdeführer, zur Erlangung eines Aufenthaltstitels eine Aufenthaltsehe mit einer österreichischen Staatsbürgerin schließe, lasse seine außerordentliche Geringschätzung maßgeblicher, in Österreich gültiger Rechtsvorschriften erkennen. Solcherart bestehe auch ein großes öffentliches Interesse an der Verhinderung von Aufenthaltsehen. Die Erlassung des Aufenthaltsverbotes sei dringend geboten und sohin im Sinn des § 66 Abs. 1 FPG zulässig.
Die Zulässigkeit des Aufenthaltsverbotes sei auch im Rahmen der gemäß § 66 Abs. 2 leg. cit. gebotenen Interessenabwägung zu bejahen. Nur auf Grund der durch seine Eheschließung mit einer österreichischen Staatsbürgerin bevorzugten Stellung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz - AuslBG habe der Beschwerdeführer eine unselbstständige Beschäftigung eingehen können. Seine durch den Aufenthalt im Bundesgebiet erzielte Integration werde durch die Beeinträchtigung des öffentlichen Interesses an der Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenwesens auf Grund des Eingehens einer Scheinehe wesentlich gemindert. Die persönlichen Interessen des Beschwerdeführers an einem weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet wögen keinesfalls schwerer als das öffentliche Interesse an der Erlassung dieser Maßnahme.
Da sonst keine besonderen, zu Gunsten des Beschwerdeführers sprechenden Umstände gegeben gewesen seien, habe die belangte Behörde von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes auch nicht im Rahmen des ihr zustehenden Ermessens Abstand nehmen können.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Die Beschwerde bestreitet nicht die im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen, dass der Beschwerdeführer die Ehe mit der österreichischen Staatsbürgerin H. ausschließlich deshalb geschlossen hat, um die Möglichkeit zu erhalten, problemlos eine Arbeits- und Aufenthaltsbewilligung und damit eine Anwartschaft auf den Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft zu erlangen, und wendet sich auch nicht gegen die weiteren Ausführungen der belangten Behörde, dass er sich für die Erteilung eines Aufenthaltstitels auf die Ehe berufen hat, ohne mit seiner Ehegattin ein gemeinsames Familienleben im Sinn des Art. 8 EMRK geführt zu haben.
Im Hinblick darauf und in Anbetracht des hohen Stellenwertes, der der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung zukommt (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 28. Oktober 2008, Zl. 2007/18/0156, mwN), begegnet die Ansicht der belangten Behörde, dass das Fehlverhalten des Beschwerdeführers eine Gefährdung im Sinne des - im Beschwerdefall gemäß § 87 FPG anzuwendenden - § 86 Abs. 1 (erster und zweiter Satz) leg. cit. darstelle, keinen Bedenken. Wenn die Beschwerde vorbringt, dass "seit der erstmaligen Erfüllung des Tatbestandes des § 60 Abs. 2 Z. 9 FPG" mittlerweile bereits mehr als fünf Jahre vergangen seien, so ist dieses Vorbringen bereits deshalb nicht zielführend, weil seit der Eheschließung am 3. November 2003 (und der folgenden Stellung des Antrages auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung) bis zum für die vorliegende Beurteilung maßgeblichen Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides noch nicht fünf Jahre vergangen waren. Abgesehen davon käme, selbst wenn diese Eheschließung im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides bereits länger als fünf Jahre zurückgelegen wäre, diesem Umstand keine entscheidungswesentliche Bedeutung zu, würde doch - wie der Verwaltungsgerichtshof bereits in seinem Erkenntnis vom 19. Juni 2008, Zl. 2007/18/0228, ausgeführt hat - die Annahme, ein weiteres Fehlverhalten im Sinn des § 60 Abs. 2 Z. 9 FPG zu späteren Zeitpunkten wäre unerheblich, in einem Wertungswiderspruch zu § 60 Abs. 2 Z. 6 leg. cit. geraten (vgl. dazu auch das hg. Erkenntnis vom 2. Oktober 2008, Zl. 2008/18/0592).
2. Bei der Interessenabwägung nach § 60 Abs. 6 iVm § 66 Abs. 1 und 2 FPG hat die belangte Behörde den inländischen Aufenthalt des Beschwerdeführers seit 27. September 2002 und seine Berufstätigkeit berücksichtigt und zutreffend einen mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen Eingriff in seine persönlichen Interessen angenommen. Das Gewicht dieser Interessen wird jedoch dadurch entscheidend relativiert, dass der inländische Aufenthalt des Beschwerdeführers zuerst nur auf Grund eines Asylantrages, der sich als unberechtigt herausgestellt hat, und darüber hinaus auf Grund der mit einer österreichischen Staatsbürgerin geschlossenen Ehe, bei der es sich um eine Scheinehe (Aufenthaltsehe) gehandelt hat, ermöglicht war. Auch seiner Beschäftigung hat er nur auf Grund seiner durch diese Eheschließung bevorzugten Stellung nach dem AuslBG nachgehen dürfen.
Den genannten Interessen steht das hoch zu veranschlagende öffentliche Interesse an der Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenwesens gegenüber. Bei Abwägung dieser gegenläufigen Interessen kann die Ansicht der belangten Behörde, dass das Aufenthaltsverbot zur Erreichung von in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zielen (Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens) dringend geboten sei (§ 66 Abs. 1 FPG) und die Auswirkungen dieser Maßnahme auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers nicht schwerer wögen als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung (§ 66 Abs. 2 FPG), auch dann nicht als rechtswidrig erkannt werden, wenn man berücksichtigte, dass - wie die Beschwerde vorbringt - der Beschwerdeführer seit Oktober 2007 eine Lebensgemeinschaft zu der aufenthaltsberechtigten K. unterhalte.
3. Da somit bereits der Beschwerdeinhalt erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.
Wien, am 16. Dezember 2008
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2008:2008180729.X00Im RIS seit
12.01.2009Zuletzt aktualisiert am
09.04.2009