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27/01 Rechtsanwälte;Norm
AVG §10 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Riedinger und Dr. Handstanger als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Beschwerde des Dipl. Ing. A F in W, vertreten durch Onz Onz Kraemmer Hüttler, Rechtsanwälte GmbH, in 1010 Wien, Schwarzenbergplatz 16, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 8. September 2004, Zl. UVS- 03/G/16/4257/2004/9, betreffend Zurückweisung einer Berufung i. A. Übertretungen des Gefahrgutbeförderungsgesetzes, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 51,50 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem angefochtenen im Instanzenzug ergangenen Bescheid wies die belangte Behörde die vom Beschwerdeführer, vertreten durch seine genannten Rechtsvertreter, gegen das Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Wien, Verkehrsamt, vom 30. März 2004, betreffend Übertretungen des Gefahrgutbeförderungsgesetzes, eingebrachte Berufung nach § 66 Abs. 4 AVG als verspätet zurück.
In der Begründung führte die belangte Behörde aus, dass gemäß § 63 Abs. 5 AVG die Berufung von der Partei binnen zwei Wochen bei der Behörde einzubringen sei, die den Bescheid in erster Instanz erlassen habe. Die Frist beginne für jede Partei mit der an sie erfolgten Zustellung der schriftlichen Ausfertigung des Bescheides, im Fall bloß mündlicher Verkündung mit dieser.
Nach Zustellung des Ladungsbescheides vom 6. November 2003 an den noch unvertretenen Beschwerdeführer, habe der Beschwerdevertreter am 12. Dezember 2003 Akteneinsicht eingenommen. Am 12. Jänner 2004 sei der Beschwerdeführer gemeinsam mit E H, dem Gefahrgutbeauftragen des vom Beschwerdeführer vertretenen Unternehmens erschienen. Der Beschwerdeführer habe inhaltlich Stellung zu den ihm zur Last gelegten Vorwürfen genommen und ebenso wie auch E H, der selbst nicht einvernommen worden sei, das Protokoll unterschrieben. Im Anschluss an diese Niederschrift habe die Strafreferentin folgenden Aktenvermerk verfasst:
"Nach Abschluss der Niederschrift am heutigen Tat ersucht Herr Dipl. Ing. A F, weitere Zustellungen in beiden Verfahren an ihn selbst an die Geschäftsadresse in W vorzunehmen. Auf eine Einschaltung seines Anwalts möchte er verzichten."
Noch am selben Tag habe sie ein Rechtshilfeersuchen an den Magistrat der Stadt Krems gerichtet und das Ergebnis der aufgenommenen Beweise mit Schreiben vom 11. Februar 2004 dem Beschwerdeführer zur Kenntnis gebracht; das Schreiben sei am 19. Februar 2004 vom Beschwerdeführer an seiner Privatadresse übernommen worden. Mit Schreiben vom 23. Februar 2004 habe der Beschwerdeführer ersucht, den Schriftverkehr in dieser Angelegenheit über die Büroadresse in A abzuwickeln. Die inhaltliche Stellungnahme des Beschwerdeführers zu den aufgenommenen Beweisen erfolgte mit Schriftsatz vom 1. März 2004. Im Anschluss daran habe die Erstinstanz das Straferkenntnis vom 30. März 2004 erlassen und dieses nach der Zustellverfügung an den Beschwerdeführer an seine Privatadresse im 13. Wiener Gemeindebezirk zugestellt. Das Straferkenntnis sei nach zwei erfolglosen Zustellversuchen beim Postamt 1130 hinterlegt worden und sei dort ab 6. April 2004 mit Wirkung der Zustellung zur Abholung bereit gelegen. Am 28. April 2004 habe der Beschwerdeführer, vertreten durch die Kanzlei des Beschwerdevertreters unter Berufung auf die erteilte Vollmacht die Zustellung des Bescheides, mit der Begründung, der Beschwerdeführer sei nach wie vor vertreten und es sei somit eine rechtswirksame Zustellung des Straferkenntnisses (noch) nicht erfolgt. Mit Schreiben vom 28. April 2004 habe die Erstinstanz dem Beschwerdeführer zu Handen seiner anwaltlichen Vertretung eine Kopie des Straferkenntnisses mit dem Hinweis übermittelt, dass gemäß § 6 Zustellgesetz die erste Zustellung maßgeblich sei, wenn das gleiche Schriftstück mehrmals gültig zugestellt werde; die Zustellung sei sodann am 30. April 2004 erfolgt. Die vorliegende Berufung sei am 12. Mai 2004 eingebracht worden.
Aufgrund der Ergebnisse der mündlichen Verhandlung vom 30. Juni 2004 bestehe kein Zweifel, dass der Beschwerdeführer gegenüber der Behörde auf die Vertretung verzichtet habe. Dies ergebe sich nicht nur aus der Aussage der Strafreferentin, sondern auch aus dem erstinstanzlichen Akt: Der Beschwerdeführer habe das Ergebnis der Beweisaufnahme (Rechtshilfeersuchen an den Magistrat der Stadt Krems) nicht an die Rechtsanwaltskanzlei weitergeleitet, er habe in der weiteren Folge selbst und in eigenem Namen zwei Schriftsätze an die Behörde verfasst. Aus welchen Gründen er so gehandelt habe, sei im Ergebnis unerheblich und ändere nichts an der am 12. Dezember 2003 (richtig: 12. Jänner 2004) abgegebenen Erklärung gegenüber der Erstinstanz. Das Straferkenntnis sei dem Beschwerdeführer am 6. April 2004 zugestellt worden, sodass die Berufung vom 12. Mai 2004 als verspätet zurückzuweisen sei.
Der Verwaltungsgerichtshof hat nach Vorlage der Akten des Verwaltungsstrafverfahrens über die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde erwogen:
Nach § 46 Abs. 1 VStG ist den Parteien, denen gegen ein Straferkenntnis Berufung zusteht, von Amts wegen eine Ausfertigung des Bescheides mitzuteilen, wenn ihnen der Bescheid nicht mündlich verkündet worden ist. Nach der mit "Vertreter" überschriebenen Bestimmung des § 10 AVG (in seiner hier maßgeblichen Fassung vor seiner Änderung durch BGBl. I Nr. 5/2008) können sich die Beteiligten und ihre gesetzlichen Vertreter (sofern nicht ihr persönliches Erscheinen ausdrücklich gefordert wird) durch eigenberechtigte natürliche Personen, juristische Personen, Personengesellschaften des Handelsrechts oder eingetragene Erwerbsgesellschaften vertreten lassen (Abs. 1), wobei sich Inhalt und Umfang der Vertretungsbefugnis nach den Bestimmungen der Vollmacht richten (Abs. 2). Die Beteiligten können sich eines Rechtsbeistandes bedienen und auch in seiner Begleitung vor der Behörde erscheinen (Abs. 5). Die Bestellung eines Bevollmächtigten schließt nicht aus, dass der Vollmachtgeber im eigenen Namen Erklärungen abgibt (Abs. 6).
Bezüglich der mündlichen Verkündung eines Bescheides (Straferkenntnisses) hat der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 13. Dezember 1982, VwSlg. 10920 A/1982, ausgesprochen, dass ein namhaft gemachter Vertreter bei der Verkündung eines mündlichen Bescheides - sofern die Partei sich nicht ungeachtet des vorliegenden Vollmachtsverhältnisses mit der Verkündung ihr gegenüber einverstanden erklärt - nicht übergangen werden darf und in einem solchen Fall ein Bescheid nicht rechtswirksam gegenüber der Partei mündlich verkündet werden kann (vgl. auch die hg. Erkenntnisse vom 13. November 1996, Zl. 96/03/0126, und vom 22. März 2002, Zl. 99/21/0364).
Der Grundgedanke dieser Rechtsprechung greift angesichts der nach § 46 VStG für die Kundmachung des Bescheides gegenüber dem Adressaten gegebenen Gleichwertigkeit von mündlicher Verkündung und Zustellung auch für die Zustellung der schriftlichen Ausfertigung eines Bescheides. In diesem Sinne darf im Fall, dass einem Rechtsvertreter eine zur umfassenden berufsmäßigen Parteienvertretung erteilte Vollmacht iSd § 8 Abs. 1 RAO erteilt wurde, die nach der hg. Rechtsprechung auch eine Zustellvollmacht iSd § 9 des Zustellgesetzes umfasst (vgl. das hg. Erkenntnis vom 23. Februar 2000, Zl. 99/03/0325), bei der Zustellung eines Straferkenntnisses nach § 46 VStG nur dann übergangen werden, wenn sich die Partei ungeachtet des Vollmachtsverhältnisses mit der Zustellung an sie in einer von ihr abgegebenen Erklärung einverstanden erklärte. In einem solchen über § 9 des Zustellgesetzes (insbesondere dessen Abs. 3), der (lediglich) vom Vorliegen einer Zustellvollmacht ausgeht, hinausgehenden Fall, dass daneben noch eine Einverständniserklärung der besagten Art gegeben ist, kann somit die Zustellung wirksam entweder an einen solchen bevollmächtigten Parteienvertreter oder an die damit einverstandene Partei erfolgen.
Im vorliegenden Fall hat der Beschwerdeführer an die Erstbehörde vor dem erstinstanzlichen Straferkenntnis folgendes Schreiben gerichtet (ohne Hervorhebungen im Original):
A, am 23. Februar 2004
"Bundespolizeidirektion Wien
Verkehrsamt
z. Hd. Fr. Dr. Sonja Auer, OR Josef-Holaubek-Platz 1
1090 Wien
Verwaltungsstrafverfahren wegen Verdachtes
der Übertretung nach GGBG/ADR
Sehr geehrte Frau Doktor Auer,
Wir ersuchen sie, Schriftverkehr in der Causa
AZ: S 168468/VA/03, AZ: S 168469/VA/03, Verfahren nach dem GGBG/ADR
an unsere Büroadresse:
O GmbH
A
B Straße
A
zu Handen Herrn DWT DI A F zu richten.
Mit freundlichen Grüßen
DWT DI A F
Geschäftsführer"
Diesem vom Beschwerdeführer gefertigten Schreiben kann entnommen werden, dass er - was sich aus der genannten Aktenzahl dieses Verfahrens (AZ. S 168469/VA/03) ergibt - damit einverstanden ist, dass im hier relevanten von der Erstbehörde gegen ihn geführten Verwaltungsstrafverfahren weitere behördliche Schreiben an ihn selbst zugestellt werden. Auf dem Boden der dargestellten Rechtslage kann es daher nicht als rechtswidrig angesehen werden, wenn das besagte erstinstanzliche Straferkenntnis nicht seinem bevollmächtigten Rechtsvertreter, sondern dem Beschwerdeführer selbst zugestellt wurde. Dass die Zustellung nicht an den Arbeitsplatz des Beschwerdeführers, sondern an seine auch in der Beschwerde angegebene Wohnadresse erfolgte, vermag am vorstehenden Ergebnis nichts zu ändern, wird doch gemäß § 2 Z. 5 des Zustellgesetzes, BGBl. Nr. 200/1982 in der damals anzuwendenden Fassung BGBl. I Nr. 10/2004 auch die Wohnung als "Abgabestelle" eingestuft, die gemäß § 2 Z. 4. leg. cit. als Zustelladresse gilt, wobei gemäß § 4 Abs. 1 leg. cit. einem Empfänger an jede Zustelladresse zugestellt werden darf (sofern - was vorliegend nicht der Fall ist - gesetzlich nicht die Zustellung an bestimmte Zustelladressen vorgesehen ist).
Vor diesem Hintergrund erweist sich die gegenteilige Auffassung des Beschwerdeführers, der insbesondere darauf verweist, dass mit dem genannten Ersuchen des Beschwerdeführers vom 23. Februar 2004 kein Verzicht auf die anwaltliche Vertretung abgeleitet werden könne, und dass der im Bescheid genannte bei der Erstbehörde angelegte Aktenvermerk vom 12. Jänner 2004 über seine damals tatsächlich abgegebenen Erklärungen hinausgehe, als nicht zielführend (vgl. hiezu das den Beschwerdeführer betreffende hg. Erkenntnis vom 3. September 2008, Zl. 2005/03/0171).
Die belangte Behörde hat somit die in Rede stehende Berufung zu Recht als verspätet zurückgewiesen.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.
Wien, am 17. Dezember 2008
Schlagworte
Vertretungsbefugnis Inhalt Umfang ZustellungZeitpunkt der Bescheiderlassung Eintritt der RechtswirkungenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2008:2004030188.X00Im RIS seit
23.01.2009Zuletzt aktualisiert am
05.03.2009