TE Vwgh Erkenntnis 2008/12/18 2006/15/0053

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Veröffentlicht am 18.12.2008
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;
37/01 Geldrecht Währungsrecht;
37/02 Kreditwesen;

Norm

BAO §115 Abs1;
BAO §279 Abs1;
BAO §4;
B-VG Art140 Abs7;
InvFG 1993 §40 Abs2 Z2 idF 2004/I/180;
InvFG 1993 §42 Abs2 idF 1998/I/041;
InvFG 1993 §42 Abs2;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hargassner und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Zorn, Dr. Robl und Dr. Büsser als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Unger, über die Beschwerde des Finanzamtes L gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Linz, vom 20. Jänner 2005, GZ. RV/1224-L/04, betreffend u. a. Einkommensteuer 2000 und 2001 (mitbeteiligte Partei: B in A, vertreten durch Leitner & Leitner GmbH & Co KEG, Wirtschaftsprüfer und Steuerberater in 4040 Linz, Ottensheimerstraße 30, 32 und 36), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird im angefochtenen Umfang, somit hinsichtlich Einkommensteuer 2000 und 2001, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Begründung

Die mitbeteiligte Partei hielt in den beschwerdegegenständlichen Jahren 2000 und 2001 Anteilsrechte an nicht im Inland öffentlich angebotenen ausländischen Investmentfonds. Mangels Nachweises dieser Erträge gemäß § 40 Abs. 2 Z 2 Investmentfondsgesetz 1993 (im Folgenden: InvFG) durch einen inländischen Vertreter ermittelte die Mitbeteiligte die daraus erzielten Einkünfte aus Kapitalvermögen gemäß § 42 Abs. 2 InvFG. Mit Bescheiden vom 19. März 2004 wurde die Einkommensteuer der Jahre 2000 und 2001 erklärungsgemäß festgesetzt.

In ihrer dagegen erhobenen Berufung wandte sich die Mitbeteiligte gegen die pauschale Ermittlung der ausschüttungsgleichen Erträge gemäß § 42 Abs. 2 InvFG und unternahm es in Bezug auf einen Investmentfonds, die tatsächlich erwirtschafteten Erträge nachzuweisen. Da sich nach der pauschalen Ermittlung höhere Erträge ergeben würden, liege insoweit eine Diskriminierung ausländischer Investmentfonds vor. Die Bestimmung des § 42 Abs. 2 InvFG über die pauschale Ermittlung der Einkünfte sei mit der Kapitalverkehrsfreiheit gemäß Art. 56 EG unvereinbar. Wie in der Berufung näher ausgeführt, kämen für die aufgezeigte Diskriminierung auch keine Rechtfertigungsgründe in Betracht. Für ihren Standpunkt verwies die Mitbeteiligte u.a. auch auf das hg. Erkenntnis vom 11. Dezember 2003, 99/14/0081 (zu Art. 40 EWR-Abkommen, welcher inhaltlich Art. 56 EG entspreche), in dem der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen habe, dass § 42 InvFG unzweifelhaft gegen die Freiheit des Kapitalverkehrs verstoße. Auf Grund des Anwendungsvorranges des Gemeinschaftsrechtes sei § 42 Abs. 2 InvFG nicht anzuwenden und seien die Einkünfte auf Basis der geprüften Jahresberichte des Investmentfonds zu ermitteln. Im Übrigen bestünden gegen die Bestimmung des § 42 InvFG auch aus verfassungsrechtlicher Sicht schwer wiegende Bedenken, wie der Beschluss des Verfassungsgerichtshofes vom 12. März 2004, B 539/03, über die Einleitung eines Gesetzesprüfungsverfahrens zu den §§ 40 und 42 InvFG zeige.

Zur Berechnung der tatsächlich im Wege des ausländischen Investmentfonds erzielten Erträge bezog sich die mitbeteiligte Partei auf folgenden - mit der Berufung vorgelegten - Auszug aus dem Jahresabschluss des streitgegenständlichen Fonds:

 

31. Dezember 2000

31. Dezember 2001

 

Ausschüttende Anteile

(in CHF)

Ausschüttende Anteile

(in CHF)

Nettoerträge (-verluste)

33.810.721,36

39.045.820,16

Ertragsausgleich, enthalten in den Zeichnungen und Rücknahmen

 

394.299,46

 

- 598.097,77

Total (I)

34.205.020,82

38.447.722,39

Realisierte Nettokapitalgewinne (- verluste)

- 10.708.479,34

- 6.400.073,44

Ertragsausgleich, enthalten in Zeichnungen und Rücknahmen

 

- 200.449,81

 

- 63.115,18

Total (II)

- 10.908.929,15

- 6.463.188,62

Bei der Ermittlung der Einkünfte ließ die mitbeteiligte Partei die realisierten Substanzverluste (Total II) außer Ansatz und kam durch Umrechnung der unter "Total I" ausgewiesenen "Nettoerträge" auf ihren Anteil an den gesamten im Umlauf befindlichen Anteilsscheinen zu ausschüttungsgleichen Erträgen für 2000 von 2.301,56 EUR und für 2001 von 2.653,14 EUR.

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 20. Jänner 2005 gab die belangte Behörde der Berufung unter Bezugnahme auf das - zwischenzeitlich ergangene - Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 15. Oktober 2004, G 49/04 ua, statt. Der Verfassungsgerichtshof habe die Bestimmung des § 42 Abs. 2 InvFG aufgehoben und unter Hinweis auf Art. 140 Abs. 7 B-VG ausgesprochen, dass die aufgehobene Vorschrift nicht mehr anzuwenden sei. Der Verfassungsgerichtshof sei in dem genannten Erkenntnis davon ausgegangen, dass die steuerpflichtigen Erträge, für die kein steuerlicher Vertreter im Inland bestellt sei, vom Steuerpflichtigen offen zu legen oder von der Finanzbehörde nach den allgemeinen Grundsätzen zu schätzen seien und damit eine Gleichbehandlung inländischer und ausländischer Fonds erreichbar sei. Im gegenständlichen Fall komme die Pauschalierung gemäß § 42 Abs. 2 InvFG daher nicht mehr zum Tragen. Die Mitbeteiligte habe beantragt, anstelle der Pauschalierung die Erträge der Schweizer Fondsanteile mittels vorgelegter Fondsberichte nachweisen zu können. Die Berechnung sei mittels der "Vermögens- und Ertragsaufstellung" der Fondsberichte erfolgt und von "der Amtspartei nicht beeinsprucht" worden. Die belangte Behörde schließe sich "aufgrund der Erläuterungen der steuerlichen Vertretung" in der Besprechung vom 13. Jänner 2005 der Berechnungsmethode an.

Gegen diese Entscheidung wendet sich die vom Finanzamt gemäß § 292 BAO erhobene Beschwerde. Das Finanzamt vertritt zum einen den Standpunkt, dass das angesprochene Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes keinen praktischen Anwendungsbereich habe, weil die Aufhebung des § 42 Abs. 2 InvFG nicht rückwirkend erfolgt und die genannte Bestimmung mit dem AbgÄG 2004 wieder eingeführt worden sei. Zum anderen genüge der der belangten Behörde vorgelegte Nachweis der ausschüttungsgleichen Erträge auch nicht den - vom Verfassungsgerichtshof als gleichheitsrechtlich unbedenklich eingestuften - Qualifizierungsanforderungen des § 40 Abs. 2 Z. 2 InvFG.

Der Verwaltungsgerichtshof hat nach Aktenvorlage und Erstattung von Gegenschriften sowohl der belangten Behörde als auch der mitbeteiligten Partei erwogen:

§ 40 Abs. 1 InvFG, BGBl. Nr. 532/1993, in der Fassung des BGBl. I Nr. 106/1999, normiert in seinem ersten Satz, dass die Ausschüttungen eines Kapitalanlagefonds an die Anteilsinhaber bei diesen steuerpflichtige Einnahmen sind und enthält in seinem zweiten Satz nähere Bestimmungen zu den Substanzgewinnen. Nach § 40 Abs. 2 Z. 1 InvFG in der ab dem BGBl. I Nr. 41/1998 gestalteten Fassung gelten die vom Fonds vereinnahmten Erträge spätestens vier Monate nach Ende des Geschäftsjahres als ausgeschüttet (ausschüttungsgleiche Erträge).

§ 40 Abs. 2 Z. 2 InvFG, in der Fassung BGBl. I Nr. 41/1998, ordnet in seinen ersten beiden Sätzen Folgendes an:

"Die ausschüttungsgleichen Erträge sind durch einen steuerlichen Vertreter den Abgabenbehörden unter Anschluss der notwendigen Unterlagen nachzuweisen. Als steuerlicher Vertreter können inländische Kreditinstitute oder inländische Wirtschaftstreuhänder bestellt werden. ..."

§ 42 Abs. 1 InvFG, in der Fassung BGBl. I Nr. 106/1999, lautet auszugsweise:

"Die Bestimmungen des § 40 sind auch für ausländische Kapitalanlagefonds anzuwenden. Als solches gilt, ungeachtet der Rechtsform, jedes einem ausländischen Recht unterstehende Vermögen, das nach dem Gesetz, der Satzung oder der tatsächlichen Übung nach den Grundsätzen der Risikostreuung angelegt ist. ..."

§ 42 Abs. 2 InvFG, in der Fassung BGBl. I Nr. 41/1998, enthält für die ausschüttungsgleichen Erträge ausländischer Fonds, für die ein Nachweis nicht erfolgt (sog. schwarze Fonds), folgende Pauschalierungsregel:

"Unterbleibt für ausländische Kapitalanlagefonds ein Nachweis, so wird der ausschüttungsgleiche Ertrag mit 90% des Unterschiedsbetrages zwischen dem ersten und letzten im Kalenderjahr festgesetzten Rücknahmepreis, mindestens aber mit 10% des letzten im Kalenderjahr festgesetzten Rücknahmepreises angenommen. Bei Veräußerung eines Anteilrechtes ist der Unterschiedsbetrag zwischen dem bei der Veräußerung und dem letzten im abgeschlossenen Kalenderjahr festgesetzten Rücknahmepreis, mindestens aber 0,8% des bei der Veräußerung festgesetzten Rücknahmepreises für jeden angefangenen Monat des im Zeitpunkt der Veräußerung laufenden Kalenderjahres anzusetzen. Dies gilt sinngemäß auch beim Erwerb eines Anteilrechtes. Anstelle des Rücknahmepreises kann auch der veröffentlichte Rechenwert sowie bei börsennotierten Anteilen der Börsenkurs herangezogen werden."

Mit Erkenntnis vom 15. Oktober 2004, G 49/04 ua, hat der Verfassungsgerichtshof § 42 Abs. 2 InvFG in der Fassung BGBl. I Nr. 41/1998 aufgehoben und ausgesprochen:

"I. § 42 Abs. 2 des Bundesgesetzes über Kapitalanlagefonds (Investmentfondsgesetz - InvFG 1993), BGBl. Nr. 532/1993, in der Fassung BGBl. I Nr. 41/1998, wird als verfassungswidrig aufgehoben.

Die aufgehobene Vorschrift ist nicht mehr anzuwenden. Frühere gesetzliche Bestimmungen treten nicht wieder in Kraft.

Der Bundeskanzler ist zur unverzüglichen Kundmachung dieser Aussprüche im Bundesgesetzblatt I verpflichtet.

II. Die ersten beiden Sätze des § 40 Abs. 2 Z. 2 des Bundesgesetzes über Kapitalanlagefonds (Investmentfondsgesetz - InvFG 1993), BGBl. Nr. 532/1993, in der Fassung BGBl. I Nr. 41/1998, werden nicht als verfassungswidrig aufgehoben."

Begründend führte der Verfassungsgerichtshof u.a. aus:

"...

Der Gerichtshof stimmt der Bundesregierung zunächst darin zu, dass es im rechtspolitischen Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers liegt, an den Nachweis ausschüttungsgleicher Erträge grundsätzlich qualifizierte Anforderungen zu stellen und - wie es die Bundesregierung ausdrückt - ein standardisiertes Offenlegungsverfahren vorzusehen, das gleichermaßen einen Qualitätsstandard gewährleistet und der Erhebungsvereinfachung dient. Aus verfassungsrechtlicher Sicht begegnen somit die ersten beiden Sätze des § 40 Abs. 2 Z. 2 InvFG für sich allein keinen Bedenken.

Der Gerichtshof bezweifelt auch nicht, dass Abgabenbehörden zur Schätzung der Besteuerungsgrundlagen berechtigt sind, wenn die Abgabepflichtigen ihrer Offenlegungspflicht nicht nachkommen. Damit ist lediglich der Inhalt des § 184 BAO wiedergegeben. Im vorliegenden Fall geht es jedoch um eine 'Schätzung', die der Gesetzgeber vorgenommen hat und die im Hinblick auf die ständige Judikatur des Gerichtshofes dann verfassungswidrig erscheint, wenn die Mehrzahl der Fälle gar nicht darunter fallen kann oder wenn der gewählte Maßstab Anlass zu Bedenken gibt (vgl. z.B. VfSlg. 4409/1963, 4930/1965, 4958/1965, 5022/1965, 5160/1965).

...

Nun ist es evident (und wird auch von der Bundesregierung nicht bestritten), dass die tatsächliche Ertragskraft eines Fonds von einer Vielzahl von Faktoren, so vor allem von der jeweiligen Zusammensetzung des Fondsvermögens, der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung und unternehmerischen Entscheidungen abhängt, die ihrerseits einer Durchschnittsbetrachtung offensichtlich nicht zugänglich sind. Die Bundesregierung räumt dies selbst indirekt ein, wenn sie darauf hinweist (Seite 11 ihrer Äußerung), dass sich in der Liste ausländischer Investmentfonds auch solche befinden, deren ausschüttungsgleiche Erträge und Substanzgewinne 10 vH und mehr betragen (woraus im übrigen abzuleiten ist, dass es sich dabei offenbar um Einzelfälle handelt). Entziehen sich die zu schätzenden Bemessungsgrundlagen aber einer Durchschnittsbetrachtung, dann darf der Gesetzgeber zwar zunächst von vermuteten Erträgen ausgehen, muss diese Vermutung aber widerlegbar gestalten, um eine Besteuerung nach der tatsächlichen Leistungsfähigkeit zu ermöglichen.

...

Wenn der Gesetzgeber die - an sich zulässigen - Nachweisanforderungen in diesem Zusammenhang so gestaltet, dass der Nachweis (nur) durch einen steuerlichen Vertreter des Fonds erbracht werden kann, und als steuerliche Vertreter nur inländische Kreditinstitute oder inländische Wirtschaftstreuhänder zulässt, dann liegt es auf der Hand, dass die - formal gleichartigen - Nachweisanforderungen bei inländischen und ausländischen Fonds inhaltlich ganz unterschiedliche Bedeutung haben: Während bei inländischen oder bei im Inland zugelassenen ausländischen Fonds der Nachweis unschwer erbracht werden kann, weil diese Fonds ohnehin über einen steuerlichen Vertreter verfügen, stößt ein solcher Nachweis bei nicht im Inland verankerten Fonds offensichtlich auf größte praktische Schwierigkeiten. Dass ein inländischer Privatanleger einen (bisher) in Österreich nicht vertretenen ausländischen Investmentfonds im Zusammenhang mit dem Kauf von Anteilen dazu veranlassen oder gar zwingen kann, in Österreich einen steuerlichen Vertreter zu bestellen, ist unrealistisch. Insofern ist die Situation mit jener beim Vorsteuerabzug nicht vergleichbar.

Wählt der Steuerpflichtige für die Kapitalveranlagung daher einen Fonds, der in Österreich nicht zugelassen ist und keinen steuerlichen Vertreter bestellt hat, dann darf dies daher nicht damit verbunden sein, dass der Anleger Gefahr läuft, unter Verstoß gegen das für die Einkommensteuer tragende Leistungsfähigkeitsprinzip unwiderlegbar Einkünfte versteuern zu müssen, die er nicht erzielt hat. Hiefür gäbe es keine sachliche Rechtfertigung. Dem Gesetzgeber stünde es freilich frei (auch um eine Benachteiligung inländischer oder zugelassener ausländischer Fonds zu vermeiden), in solchen Fällen dem Steuerpflichtigen einen qualifizierten Nachweis der steuerlich relevanten Einkünfte abzuverlangen.

3. Die Bedenken des Verfassungsgerichtshofes haben sich daher im Hinblick auf § 42 Abs. 2 InvFG als zutreffend erwiesen, weshalb § 42 Abs. 2 InvFG, BGBl. 532/1993, idF BGBl. I 41/1998, als verfassungswidrig aufzuheben war. Gegen die ersten beiden Sätze des § 40 Abs. 2 Z. 2 leg.cit. bestehen nach Aufhebung des § 42 Abs. 2 leg.cit. aus den oben dargelegten Gründen hingegen keine verfassungsrechtlichen Bedenken mehr. Der Gerichtshof geht dabei davon aus, dass diese Sätze so zu verstehen sind, dass dann, wenn der Nachweis der ausschüttungsgleichen Erträge durch einen steuerlichen Vertreter nicht geführt wird, diese nach allgemeinen Grundsätzen zu schätzen sind. Das würde nach Aufhebung des § 42 Abs. 2 leg.cit. für inländische und ausländische Kapitalanlagefonds gleichermaßen gelten. Die ersten beiden Sätze des § 40 Abs. 2 Z. 2 leg.cit. waren daher nicht als verfassungswidrig aufzuheben.

4. Der Ausspruch, dass die aufgehobene Vorschrift nicht mehr anzuwenden ist, beruht auf Art. 140 Abs. 7 zweiter Satz B-VG. Der Gerichtshof sah sich nicht veranlasst, dem Antrag der Bundesregierung auf Fristsetzung zu folgen. Er geht davon aus, dass nach Aufhebung des § 42 Abs. 2 InvFG die steuerpflichtigen Erträge aus den ausländischen Fonds, für die kein steuerlicher Vertreter im Inland bestellt ist, vom Steuerpflichtigen offen zu legen oder von der Finanzbehörde nach den allgemeinen Grundsätzen zu schätzen sind und damit die Gleichbehandlung der Erträge von inländischen und ausländischen Fonds auch schon vor einer allfälligen gesetzlichen Neuordnung erreichbar ist."

Da der Verfassungsgerichtshof für das Außerkrafttreten der aufgehobenen Bestimmung keine Frist gesetzt hat, trat die Aufhebung des § 42 Abs. 2 InvFG gemäß Art. 140 Abs. 5 B-VG am Tage der Kundmachung in Kraft; diese erfolgte mit BGBl. I Nr. 146/2004 vom 22. Dezember 2004.

Gemäß Art. 140 Abs. 7 zweiter Satz B-VG ist das Gesetz auf die vor der Aufhebung verwirklichten Tatbestände mit Ausnahme des Anlassfalles weiterhin anzuwenden, sofern der Verfassungsgerichtshof nicht in seinem aufhebenden Erkenntnis anderes ausspricht. Von der Befugnis des Art. 140 Abs. 7 zweiter Satz B-VG hat der Verfassungsgerichtshof insofern Gebrauch gemacht, als er ausgesprochen hat, dass "die aufgehobene Vorschrift nicht mehr anzuwenden ist".

Damit hat der Verfassungsgerichtshof - entgegen der Ansicht des beschwerdeführenden Finanzamtes - sämtliche noch nicht entschiedenen Fälle von der Anwendung der aufgehobenen Bestimmung ausgeschlossen (vgl. zu ähnlichen Spruchfassungen Ruppe, Der Anlassfall, in Holoubek/Lang, Das verfassungsgerichtliche Verfahren, 186, Fußnote 36; Mayer, B-VG4, Art 140, V.4.; Korinek/Holoubek, Österreichisches Bundesverfassungsrecht, Art 140, 325f, insbesondere Fußnote 1011).

Auch aus dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 14. Dezember 2005, B 1.025/04 u.a., ergibt sich zweifelsfrei, dass dem Ausspruch der Gesetzesaufhebung im Erkenntnis vom 15. Oktober 2004 eine generelle Rückwirkung beizulegen ist. Aus Anlass der diesem Erkenntnis zu Grunde liegenden Beschwerden leitete der Verfassungsgerichtshof gemäß Art. 140 Abs. 1 B-VG von Amts wegen ein Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des § 42 Abs. 2 Z. 4 bis 6 InvFG in seiner früheren Fassung BGBl. Nr. 818/1993 ein und hob diese Bestimmung mit Erkenntnis vom 26. September 2005, G 58/05, ebenfalls auf. In Bezug auf die Monate März bis Dezember 1998 sowie die Jahre 1999 und 2000 führte der Verfassungsgerichtshof im Erkenntnis vom 14. Dezember 2005 aus:

"Mit Erkenntnis vom 15. Oktober 2004, G 49, 50/04, hat der Verfassungsgerichtshof § 42 Abs. 2 InvFG 1993, BGBl. 532/1993, idF BGBl. I 41/1998 (in Kraft ab 28. Februar 1998) aus Anlass anderer Beschwerden als verfassungswidrig aufgehoben und gem. Art. 140 Abs. 7 B-VG ausgesprochen, dass die aufgehobene Norm nicht mehr anzuwenden ist. Diese Aussprüche wurden am 22. Dezember 2004 kundgemacht (BGBl. I 146/2004). Gemäß Art. 140 Abs. 7 B-VG ist daher die aufgehobene Gesetzesbestimmung nicht nur in den Anlassfällen, sondern (jedenfalls ab der Kundmachung der Aufhebung) ausnahmslos in allen Fällen und folglich im vorliegenden Beschwerdefall auch vom Verfassungsgerichtshof nicht mehr anzuwenden."

Der Ansicht der belangten Behörde, die gegenständliche Gesetzesaufhebung wirke über den konkreten Anlassfall hinaus, haftet daher keine Rechtswidrigkeit an.

Mit dem AbgÄG 2004, BGBl. I Nr. 180/2004, wurde den Bedenken des Verfassungsgerichtshofes in Bezug auf die gegenständlich strittige Frage des Nachweises der ausschüttungsgleichen Erträge nach den amtlichen Erläuterungen (vgl. 686 BlgNR XXII. GP, 28) durch Änderung des § 40 Abs. 2 Z. 2 leg.cit. Rechnung getragen, indem ausdrücklich normiert wurde:

"Erfolgt der Nachweis der ausschüttungsgleichen Erträge nicht durch den steuerlichen Vertreter, kann der Anteilinhaber die Besteuerungsgrundlagen in gleichartiger Form im Veranlagungswege selbst nachweisen."

Damit wurde die Möglichkeit des Selbstnachweises der ausschüttungsgleichen Erträge mit Wirksamkeit vom 5. Dezember 2004 auch positivrechtlich verankert.

Im Beschwerdefall hat es die Mitbeteiligte im Berufungsverfahren unternommen, die steuerpflichtigen Einkünfte aus einem näher bezeichneten ausländischen Fonds nachzuweisen. Anders als bei Erlassung der erstinstanzlichen Einkommensteuerbescheide 2000 und 2001 im März 2004 stand diese Möglichkeit dem Anleger - wie aufgezeigt - bei Ergehen des angefochtenen Bescheides offen.

In welcher konkreten Form ein derartiger Nachweis zu erbringen ist, ist dem § 40 Abs. 2 Z. 2 leg.cit. in der Fassung des AbgÄG 2004 nicht zu entnehmen. Jedenfalls folgt aus der Systematik des InvFG, dass der Anteilsinhaber die Art der Erträge und der Aufwendungen offen zu legen hat. Eine Saldierung zu "Nettoerträgen", wie im Beschwerdefall erfolgt, ist nicht ausreichend, um eine Nachvollziehbarkeit des erklärten Ergebnisses zu ermöglichen. Nicht zu Unrecht weist das beschwerdeführende Finanzamt in diesem Zusammenhang darauf hin, dass die Mitbeteiligte im Beschwerdefall auch nicht steuerpflichtige Substanzgewinne (tatsächlich Substanzverluste) erzielt hat und die damit in Zusammenhang stehenden Aufwendungen nicht bei den steuerpflichtigen Kapitalerträgen in Abzug gebracht werden dürfen. Soweit die Mitbeteiligte dazu in der Gegenschrift einzelne Aufwendungen anführt und meint, selbst bei Zuordnung dieser Aufwendungen zu den nicht steuerpflichtigen Substanzverlusten lägen die tatsächlich erzielten Einkünfte unter den Betrag der pauschal ermittelten, ergibt sich daraus nicht, dass eine Auseinandersetzung mit der vom Finanzamt aufgezeigten Problematik im angefochtenen Bescheid unterbleiben durfte. Dieses Vorbringen zeigt vielmehr, dass die belangte Behörde bei Würdigung der der Mitbeteiligten zugänglichen Unterlagen auch zu anderen Besteuerungsgrundlagen hätte gelangen können.

Zu den Ausführungen in der Gegenschrift der belangten Behörde betreffend Neuerungsverbot ist daran zu erinnern, dass der Abgabenbehörde zweiter Instanz im Berufungsverfahren gemäß § 279 Abs. 1 BAO die Befugnisse und die Obliegenheiten zukommen, die der Abgabenbehörde erster Instanz eingeräumt und auferlegt sind. Solcherart ist sie zur Erhebung des entscheidungsrelevanten Sachverhaltes auch dann verpflichtet, wenn das Finanzamt die "genannten Beträge nicht beeinsprucht". Davon abgesehen ist den vorgelegten Akten, insbesondere dem angefochtenen Bescheid selbst, weder der Inhalt "der ausführlichen Besprechung des Sachverhaltes mit dem steuerlichen Vertreter" der Mitbeteiligten vom 13. Jänner 2005 zu entnehmen noch, ob das beschwerdeführende Finanzamt zu dieser Besprechung geladen war oder zumindest vom Ergebnis dieser Besprechung in Kenntnis gesetzt wurde.

Für das fortgesetzte Verfahren sieht sich der Verwaltungsgerichtshof noch zu folgendem Hinweis veranlasst:

Hintergrund der gegenständlichen Amtsbeschwerde ist offenbar die Frage, welche Rechtsfolge eintritt, wenn der Selbstnachweis (ungeachtet eines entsprechenden Bemühens des Anteilsinhabers) als nicht erbracht anzusehen sein sollte, insbesondere ob es in einem solchen Fall zwingend zu der - mit dem AbgÄG 2004 nach der Aufhebung durch den Verfassungsgerichtshof wieder in Kraft gesetzten - Pauschalbesteuerung des § 42 Abs. 2 InvFG kommt (siehe dazu auch Mayr, FS Dorten, 289). Es handelt sich bei der Gesetzesanordnung des § 42 Abs. 2 InvFG in der Fassung vor und nach dem AbgÄG 2004 nicht ausschließlich um eine verfahrensrechtliche Bestimmung. Die Anordnung geht über eine bloße Schätzmethode hinaus, indem die Vorschrift vermutete Einkünfte der Besteuerung unterzieht. Wie der Verfassungsgerichtshof in dem Erkenntnis vom 15. Oktober 2004 ausgeführt hat, kann die genannte Bestimmung dazu führen, dass unter Verstoß gegen das für die Einkommensteuer tragende Leistungsfähigkeitsprinzip tatsächlich nicht erzielte Einkünfte zu versteuern sind. Insofern handelt es sich um eine Bestimmung des materiellen Abgabenrechts. Da die Abgabenbehörde grundsätzlich das für den Zeitpunkt der Entstehung des Abgabenanspruches geltende Recht anzuwenden hat, ist § 42 Abs. 2 InvFG in der Fassung des AbgÄG 2004 für vor dem Inkrafttreten der gegenständlichen Gesetzesfassung erzielte Kapitalerträge und damit für den Beschwerdefall nicht maßgebend (vgl. grundlegend Mairinger/Twardosz, Die maßgebliche Rechtslage im Abgabenrecht - Teil I, ÖStZ 2007, 16, und hinsichtlich der Rückwirkung von Gesetzen - Teil II, ÖStZ 2007, 49; sowie weiters das hg. Erkenntnis vom 22. Oktober 1996, 96/14/0017, VwSlg. Nr. 7.135 F/1996).

Der angefochtene Bescheid war daher im vom beschwerdeführenden Finanzamt bekämpften Umfang, somit hinsichtlich Einkommensteuer 2000 und 2001, gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Wien, am 18. Dezember 2008

Schlagworte

Anzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2008:2006150053.X00

Im RIS seit

23.01.2009

Zuletzt aktualisiert am

21.05.2013
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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