TE Vwgh Erkenntnis 2008/12/18 2008/06/0230

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Veröffentlicht am 18.12.2008
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
27/01 Rechtsanwälte;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §7 Abs1 impl;
B-VG Art133 Z4;
B-VG Art20 Abs2;
DSt Rechtsanwälte 1990 §26 Abs1;
DSt Rechtsanwälte 1990 §64 Abs4;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Giendl und die Hofräte Dr. Bernegger und Dr. Waldstätten als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Crnja, über die Beschwerde des Dr. M B in S, vertreten durch Dr. Helmuth Mäser, Rechtsanwalt in 6850 Dornbirn, Widagasse 11, gegen den Beschluss (Bescheid) des Präsidenten der Obersten Berufungs- und Disziplinarkommission vom 7. November 2008, Zl. 15 Bkd 5/08, betreffend einen Ablehnungsantrag in einer Disziplinarsache (weitere Partei: Bundesministerin für Justiz), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Auf Grund des Vorbringens in der Beschwerde und des vorgelegten, angefochtenen Bescheides geht der Verwaltungsgerichtshof von folgendem Sachverhalt aus:

Der Beschwerdeführer ist Rechtsanwalt in X. Gegen ihn behängt ein Disziplinarverfahren, das Berufungsverfahren ist bei der Obersten Berufungs- und Disziplinarkommission für Rechsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter (OBDK) anhängig. Rechtsanwalt Dr. K ist Anwaltsrichter in jenem Senat der OBDK, der zur Entscheidung berufen ist. Mit Schriftsatz vom 22. Oktober 2008 lehnte der Beschwerdeführer diesen Anwaltsrichter als befangen ab, weil der Beschwerdeführer in der Vergangenheit als Parteienvertreter einen Zivilrechtsstreit gegen den Anwaltsrichter als Partei geführt habe.

Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde festgestellt, dass die vom Beschwerdeführer geltend gemachte Befangenheit des Anwaltsrichters nicht vorliege. Zur Begründung heißt es nach Wiedergabe des zuvor angeführten Sachverhaltes, der Anwaltsrichter habe sich in seiner Äußerung als nicht befangen erklärt und darauf verwiesen, dass das genannte Zivilverfahren von ihm in zwei Instanzen gewonnen worden und seit Juli 2003 rechtskräftig beendet sei.

Für die Annahme einer gemäß § 64 Abs. 4 DSt beachtlichen Befangenheit, führte die belangte Behörde weiter aus, sei die Darlegung von Umständen Voraussetzung, die aus der Sicht eines Außenstehenden geeignet seien, den Anschein einer nicht ausschließlich sachbezogenen Befassung mit dem zu entscheidenden Fall zu erwecken. Dies treffe auf das Vorbringen, die Befangenheit beruhe auf einem seit fünf Jahren beendeten, zugunsten des Anwaltsrichters entschiedenen Zivilverfahren, ohne Hinzutreten weiterer Faktoren nicht zu. Die seit Verfahrensbeendigung verstrichene Zeit mache auch den wesentlichen Unterschied zu der vom Beschwerdeführer zitierten früheren Entscheidung der belangten Behörde aus, wo das Gerichtsverfahren bei sonst gleicher Konstellation noch anhängig gewesen sei.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Im Beschwerdefall ist das Disziplinarstatut für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter, BGBl. Nr. 474/1990 (DSt), in der Fassung BGBl. I Nr. 68/2008, anzuwenden.

Folgende Bestimmungen sind im Beschwerdefall insbesondere relevant:

"§ 26. (1) Von der Teilnahme am Disziplinarverfahren ist ein Mitglied des Disziplinarrats ausgeschlossen, wenn

1. das Mitglied durch das Disziplinarvergehen selbst betroffen oder Anzeiger oder

2. Rechtsfreund oder gesetzlicher Vertreter des Betroffenen oder Anzeigers ist oder

3. der Beschuldigte, der Anzeiger oder der Betroffene Angehöriger des Mitglieds im Sinn des § 157 Abs. 1 Z 1 StPO ist.

(2) Der Untersuchungskommissär ist von der Teilnahme an der mündlichen Verhandlung und Entscheidung ausgeschlossen.

(3) ..."

Gemäß § 59 Abs. 1 DSt besteht die OBDK einschließlich des Präsidenten und des Vizepräsidenten aus mindestens acht und höchstens 16 Richtern des Obersten Gerichtshofes und aus 32 Rechtsanwälten (Anwaltsrichtern).

Nach § 61 DSt wählt die Rechtsanwaltskammer Wien 12, die Rechtsanwaltskammern für Steiermark und Oberösterreich wählen je vier, die übrigen Rechtsanwaltskammern je zwei Anwaltsrichter der OBDK. Die Kammern können auch Anwaltsrichter wählen, die einer anderen Kammer angehören.

Nach § 63 Abs. 1 DSt verhandelt und entscheidet die OBDK in Senaten, die aus zwei Richtern und zwei Anwaltsrichtern bestehen. Nach Abs. 2 dieses Paragraphen führt den Vorsitz des Senats ein Richter. Ein Anwaltsrichter des Senats soll nach Möglichkeit dem Kreis derjenigen Rechtsanwälte angehören, die von der Rechtsanwaltskammer des Beschuldigten gewählt wurden.

"§ 64. (1) Die Mitglieder der Obersten Berufungs- und Disziplinarkommission sind in Ausübung dieses Amtes an keine Weisungen gebunden. Sie haben ihr Amt unparteiisch auszuüben. Bei der mündlichen Verhandlung haben sie ihr Amtskleid zu tragen. Die Entscheidungen der Obersten Berufungs- und Disziplinarkommission unterliegen nicht der Aufhebung oder Abänderung im Verwaltungsweg.

(2) Auf die Mitglieder der Obersten Berufungs- und Disziplinarkommission sind die Ausschließungsgründe des § 26 anzuwenden. Ausgeschlossen ist ferner, wer an der angefochtenen Entscheidung teilgenommen oder am vorangegangenen Verfahren als Kammeranwalt, Verteidiger des Beschuldigten oder Vertreter eines sonst Beteiligten mitgewirkt hat.

(3) Die Generalprokuratur, der Kammeranwalt und der Beschuldigte sind darüber hinaus berechtigt, einzelne Mitglieder der Obersten Berufungs- und Disziplinarkommission unter Angabe bestimmter Gründe wegen Befangenheit abzulehnen.

(4) Die Mitglieder der Obersten Berufungs- und Disziplinarkommission haben sie betreffende Ausschließungs- oder Befangenheitsgründe dem Präsidenten der Obersten Berufungs- und Disziplinarkommission unverzüglich bekanntzugeben.

(5) Über das Vorliegen von Ausschließungs- oder Befangenheitsgründen entscheidet der Präsident. Ist der Präsident selbst betroffen, so entscheidet der Vizepräsident. Trifft dies auch auf diesen zu, so entscheidet das nicht betroffene Mitglied der Obersten Berufungs- und Disziplinarkommission aus dem Kreis der Richter mit der längsten Amtsdauer; bei gleicher Amtsdauer ist das Lebensalter maßgeblich."

Die Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes ist im Hinblick auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 9. Oktober 1997, KI-10/96, VfSlg. 14974, gegeben, womit dieser die Verfassungsrechtslage dahingehend klargestellt hat, dass solche Beschlüsse (Bescheide) des Präsidenten der OBDK die Entscheidung eines eigenständigen monokratischen Organes und nicht eine Entscheidung eines Mitgliedes des entscheidenden Senates der OBDK sind; nur letztere ist eine Kollegialbehörde iS des Art 133 Z. 4 B-VG (vgl. auch die hg. Erkenntnisse vom 23. Jänner 1998, Zl. 98/02/0011, und vom 8. September 2005, Zl. 2005/17/0029).

Zutreffend hat die belangte Behörde dargelegt, dass für die Annahme einer Befangenheit im Sinne des § 64 Abs. 4 DSt Umstände vorliegen müssen, die aus der Sicht eines Außenstehenden geeignet sind, den Anschein einer nicht ausschließlich sachbezogenen Befassung mit dem zu entscheidenden Fall zu erwecken. Der Umstand, dass der Beschwerdeführer und der abgelehnte Anwaltsrichter einander als Partei und Parteienvertreter in einem Zivilprozess gegenüberstanden, der nun unbestritten seit fünf Jahren rechtskräftig beendet ist, vermag für sich allein keinen solchen Anschein zu erwecken. Wohl war der Beschwerdeführer als Parteienvertreter verpflichtet, die (in einem Zivilprozess naturgemäß mit den Interessen der Gegenpartei, als des nunmehrigen Anwaltsrichters kollidierenden) Interessen seines Mandanten bestmöglich zu vertreten. Dass sich aber aus dieser beruflichen Tätigkeit des Beschwerdeführer besondere Verstimmungen oder gar Feindschaften zwischen den beiden Rechtsanwälten ergeben hätten, behauptet der Beschwerdeführer nicht. Daher kann die Auffassung der belangten Behörde, eine Befangenheit des abgelehnten Anwaltsrichters liege nicht vor, nicht als rechtswidrig erkannt werden.

Da sich bereits aus dem Vorbringen in der Beschwerde ergibt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde ohne weiteres Verfahren gemäß § 35 Abs. 1 VwGG in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 18. Dezember 2008

Schlagworte

Anzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2Ablehnung wegen BefangenheitIndividuelle Normen und Parteienrechte Rechtsanspruch Antragsrecht Anfechtungsrecht VwRallg9/2Befangenheit der Mitglieder von Kollegialbehörden

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2008:2008060230.X00

Im RIS seit

04.02.2009

Zuletzt aktualisiert am

12.03.2009
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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