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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
AVG §66 Abs4;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Giendl und die Hofräte Dr. Waldstätten und Dr. Rosenmayr als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Crnja, über die Beschwerde der Bundesministerin für Justiz gegen den Bescheid der Vollzugskammer beim Oberlandesgericht Linz vom 1. Juli 2004, Zl. Vk 30/04-11, betreffend Bestrafung wegen Ordnungswidrigkeit nach dem Strafvollzugsgesetz (mitbeteiligte Partei: GS in S), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Begründung
Mit Straferkenntnis der Anstaltsleiterin der Justizanstalt S vom 21. April 2004 wurde der Mitbeteiligte, der sich zum damaligen Zeitpunkt in Strafhaft befand, für schuldig erkannt, er habe "am 02.04.2004 dadurch, dass bei einem an ihm durchgeführten Harntest ein Benzodiazepine-Wert von über 5000 ng/ml nachgewiesen wurde, vorsätzlich gegen die Sicherheit und Ordnung in der Anstalt verstoßen". Der Mitbeteiligte habe dadurch Ordnungswidrigkeiten nach § 107 Abs. 1 Z. 10 iVm § 26 Abs. 2 des Strafvollzugsgesetzes (StVG) begangen und wurde hiefür gemäß § 109 Z. 4 und § 113 StVG mit der Ordnungsstrafe der Geldbuße in der Höhe von EUR 30,-- bestraft und es wurden ihm Kosten des Verfahrens in der Höhe von EUR 3,-- auferlegt.
Der Mitbeteiligte erhob gegen dieses Straferkenntnis Beschwerde. Die belangte Behörde hat mit dem angefochtenen Bescheid dieser Beschwerde teilweise Folge gegeben und das angefochtene Straferkenntnis dahin abgeändert, dass es zu lauten habe:
"GS hat in der Justizanstalt S vor dem 9. April 2004 eine geringe Menge eines Suchtmittels (Cannabis) konsumiert, dadurch vorsätzlich die Sicherheit und Ordnung in der Anstalt gefährdet und somit den allgemeinen Pflichten der Strafgefangenen nach § 26 StVG zuwider gehandelt."
Der Mitbeteiligte habe dadurch die Ordnungswidrigkeit nach § 107 Abs. 1 Z. 10 (§ 26 Abs. 2) StVG begangen und werde hiefür gemäß §§ 109 Z. 4, 113 StVG mit der Ordnungsstrafe der Geldbuße in der Höhe von EUR 20,-- bestraft. Die Kosten des Ordnungsstrafverfahrens wurden auf EUR 2,-- herabgesetzt.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde der Bundesministerin für Justiz, die den angefochtenen Bescheid wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit anficht.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 2 Z. 1 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Die Beschwerdeführerin hält den angefochtenen Bescheid deswegen für rechtswidrig, weil die belangte Behörde einerseits den Tatvorwurf des erstinstanzlichen Straferkenntnisses nicht mehr aufrecht erhielt und andererseits der von ihr ausgesprochenen Bestrafung den Vorwurf des Cannabiskonsumes gegen den Mitbeteiligten zu Grunde legte. Damit habe die belangte Behörde die dem Mitbeteiligten zum Vorwurf gemachte Tat ausgewechselt, da ein hoher Benzodiazepine-Wert einen Medikamentenmissbrauch (etwa durch Einnahme von Rohypnol, Valium, Halzion u.ä.) indiziere, und ihre Befugnis als Berufungsbehörde gemäß § 66 Abs. 4 AVG überschritten.
Die Beschwerde ist begründet. Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde tatsächlich dem Mitbeteiligten eine Tat zum Vorwurf gemacht und ihn deswegen bestraft, die nicht Gegenstand des vor ihr angefochtenen Bescheides der Behörde erster Instanz gewesen ist. Damit hat die belangte Behörde, die als Berufungsbehörde nicht über anderes entscheiden durfte, als Gegenstand der Entscheidung der Vorinstanz gewesen ist (vgl. zu dem kraft § 11g Z. 2 StVG im Verfahren vor den Vollzugskammern anwendbaren § 66 Abs. 4 AVG die von Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 6. Auflage 2003, unter Nr. 76 ff zu § 66 AVG dargestellte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes), überschritten und den angefochtenen Bescheid daher mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit behaftet. Der Tatvorwurf im angefochtenen Bescheid, zu einem - im Übrigen entgegen dem kraft § 11g Z. 2 StVG im Verfahren vor den Vollzugskammern anwendbaren § 44a Z. 1 VStG zu unbestimmt umschriebenem - Zeitpunkt vor dem 9. April 2004 Cannabis konsumiert zu haben, kann auch nicht als Präzisierung des Vorwurfes angesehen werden, im Blut des Mitbeteiligten hätte sich am 2. April 2004 eine bestimmte Substanz befunden.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Wien, am 18. Dezember 2008
Schlagworte
Anzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2Besondere RechtsgebieteBeschränkungen der Abänderungsbefugnis Beschränkung durch die Sache Bindung an den Gegenstand des vorinstanzlichen Verfahrens AllgemeinEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2008:2005060040.X00Im RIS seit
10.02.2009Zuletzt aktualisiert am
12.03.2009