TE Vwgh Erkenntnis 2008/12/18 2007/21/0481

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 18.12.2008
beobachten
merken

Index

19/05 Menschenrechte;
41/02 Asylrecht;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 2005 §7;
FrPolG 2005 §53 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs1;
MRK Art8 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher, Dr. Pfiel und Mag. Eder als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Plankensteiner, über die Beschwerde des L, vertreten durch Dr. Benno Wageneder, Rechtsanwalt in 4910 Ried im Innkreis, Bahnhofstraße 20, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 22. Oktober 2007, Zl. St 255/07, betreffend Ausweisung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Zur Vorgeschichte (Ausweisung des Beschwerdeführers nach Abschluss seines ersten Asylverfahrens mit Bescheid der belangten Behörde vom 7. Februar 2005) wird auf das hg. Erkenntnis vom 5. April 2005, Zl. 2005/18/0074, verwiesen.

In Vollstreckung dieses Bescheides wurde der (damals seit März 2002 in Österreich aufhältige) Beschwerdeführer, nach dem nunmehrigen Vorbringen ein Staatsangehöriger des Kosovo, am 20. Mai 2005 in den Kosovo abgeschoben. Am 15. November 2005 reiste er unter Umgehung der Grenzkontrolle wiederum nach Österreich ein und stellte (zum zweiten Mal) einen Asylantrag, der mit rechtskräftigem Bescheid vom 18. März 2006 gemäß § 68 Abs. 1 AVG zurückgewiesen wurde.

Mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom 22. Oktober 2007 wies die belangte Behörde - in Bestätigung des Bescheides der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom 23. August 2007 - den Beschwerdeführer gemäß § 53 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 - FPG aus dem Bundesgebiet aus.

Begründend verwies sie darauf, dass sich der Beschwerdeführer "seit rechtskräftig negativ abgeschlossenem Asylverfahren, also seit 15.03.2006", insofern rechtswidrig im Bundesgebiet aufhalte, als ihm weder ein Einreisetitel nach dem FPG bzw. ein Aufenthaltstitel nach dem NAG erteilt worden sei noch ihm auf Grund einer anderen gesetzlichen Bestimmung ein Aufenthaltsrecht zukomme.

Da er mit seiner Lebensgefährtin S. (einer serbischen Staatsangehörigen), den gemeinsamen Söhnen R., geboren am 26. Juni 2003, und L., geboren am 15. September 2006, sowie seiner Stieftochter Q. (der Tochter der verwitweten S. aus erster Ehe) zusammen wohne, er vom 16. April 2003 bis 17. Mai 2005 und "dann" neuerlich unselbständig berufstätig gewesen sei und er vom 15. April 2004 bis zum 14. April 2006 über eine Arbeitserlaubnis verfügt habe, stelle die Ausweisung einen erheblichen Eingriff in sein Privat- und Familienleben dar. Das Gewicht der aus der Aufenthaltsdauer ableitbaren Integration werde jedoch dadurch maßgebend gemindert, dass sein Aufenthalt während der beiden Asylverfahren nur "vorläufig berechtigt" gewesen sei, sich letztlich jedoch als unberechtigt erwiesen habe.

Der Beschwerdeführer habe geltend gemacht, er habe nach seiner Abschiebung am 20. Mai 2005 versucht, sich im Kosovo eine Existenz aufzubauen, was jedoch gescheitert sei. Dies sei nicht zielführend, weil mit der vorliegenden Ausweisung nicht darüber abgesprochen werde, dass er in ein bestimmtes Land auszureisen hätte oder dass er allenfalls abgeschoben werde.

Der illegale Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet seit dem 15. März 2006 gefährde die öffentliche Ordnung in hohem Maße, sodass die Ausweisung gemäß § 66 Abs. 1 FPG zu deren Wahrung dringend geboten sei. Die öffentliche Ordnung werde nämlich schwerwiegend beeinträchtigt, wenn sich einwanderungswillige Fremde, ohne das betreffende Verfahren abzuwarten, unerlaubt nach Österreich begäben und damit die österreichischen Behörden vor vollendete Tatsachen stellten. Die Ausweisung sei somit geboten, um jenen Zustand herzustellen, der bestünde, wenn sich der Fremde gesetzestreu verhalten hätte. Vor diesem Hintergrund müsse auch von der Ermessensbestimmung des § 53 Abs. 1 FPG zum Nachteil des Beschwerdeführers Gebrauch gemacht werden, der nicht gewillt sei, aus eigenem einen rechtskonformen Zustand herzustellen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage durch die belangte Behörde erwogen hat:

Unter der Überschrift "Ausweisung Fremder ohne Aufenthaltstitel" ordnet § 53 Abs. 1 FPG an, dass Fremde mit Bescheid ausgewiesen werden können, wenn sie sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten. Die Beschwerde bestreitet nicht, dass beide Asylverfahren des Beschwerdeführers - wie eingangs dargestellt - rechtskräftig beendet sind. Auch sind ihr keine Behauptungen zu entnehmen, dass eine der Voraussetzungen für einen rechtmäßigen Aufenthalt im Bundesgebiet gemäß § 31 Abs. 1 FPG - insbesondere die Erteilung eines Aufenthaltstitels - beim Beschwerdeführer vorlägen. Dafür gibt es nach der Aktenlage auch keine Anhaltspunkte, sodass keine Bedenken gegen die behördliche Annahme bestehen, der Ausweisungstatbestand des § 53 Abs. 1 FPG sei im vorliegenden Fall verwirklicht.

Würde durch eine Ausweisung in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist sie gemäß § 66 Abs. 1 FPG nur dann zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist. Bei der Entscheidung über eine Ausweisung ist der Behörde Ermessen eingeräumt.

In diesem Zusammenhang vertritt der Beschwerdeführer zunächst den Standpunkt, die Dauer der bisherigen verwaltungsbehördlichen Verfahren ließe eine nunmehrige Ausweisung unzulässig erscheinen. Dem ist allerdings zu entgegnen, dass dem maßgeblichen letzten Aufenthalt, der mit der Einreise des Beschwerdeführers am 15. November 2005 begonnen hat, nur ein - letztlich vorhersehbar erfolgloser - Asylantrag zu Grunde gelegen ist. Darüber hinaus reicht die seither verstrichene Zeit generell nicht aus, um allein daraus eine Aufenthaltsverfestigung ableiten zu können (vgl. dazu etwa die hg. Erkenntnisse vom 17. Juli 2008, Zl. 2008/21/0343, und vom 2. Oktober 2008, Zl. 2008/18/0670, jeweils mwN).

Weiters wird in der Beschwerde kritisiert, unter Berücksichtigung der unselbständigen Berufstätigkeit des Beschwerdeführers und seiner familiären und privaten Bindungen zu S. sowie ihren drei Kindern (insbesondere den beiden gemeinsamen Söhnen R. und L.), denen allen ein Aufenthaltsrecht im Bundesgebiet zukomme, erweise sich die nur formelhaft begründete Interessenabwägung der belangten Behörde als unzureichend. Vor allem wäre er im Fall seiner Ausweisung an der Führung eines gemeinsamen Familienlebens mit den genannten Personen gehindert, was die belangte Behörde zu Unrecht nicht ausreichend berücksichtigt habe.

Dieses Vorbringen führt die Beschwerde zum Erfolg:

Den oben insoweit (auszugsweise) wiedergegebenen Erwägungen der belangten Behörde lässt sich nämlich nicht entnehmen, ob der Beschwerdeführer auch noch im Zeitpunkt der Bescheiderlassung unselbständig beschäftigt war, sowie vor allem, ob es seiner Lebensgefährtin und den Kindern zumutbar wäre, Österreich zu verlassen und gemeinsam mit dem Beschwerdeführer in einem Drittstaat Aufenthalt zu nehmen.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Der Kostenzuspruch gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.

Wien, am 18. Dezember 2008

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2008:2007210481.X00

Im RIS seit

03.02.2009

Zuletzt aktualisiert am

21.04.2009
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten